Das Landgericht Berlin hat's verboten: Das ausschnittweise "Zitieren" pornografischer Schnipsel einer mittlerweile "seriösen" und preisgekrönten Schauspielerin im TV durch den Privat-Sender RTL.
Obwohl die Einwilligung zur Veröffentlichung des ursprünglichen Filmmaterials gem. § 22 KunstUrhG ohne Zweifel bereits vor etlichen Jahren durch die damals "freischaffendere" Künstlerin erteilt worden sein muss, scheint die Berliner Pressekammer für das Recht am eigenen bewegten (Nackt-)Bild eine Art "Rückrufrecht wegen gewandelter Überzeugung" i. S. d. § 42 UrhG einführen zu wollen. Nicht uninteressant und nicht auszudenken, was für Möglichkeiten sich da auftun, mittlerweile unliebsame bewegte Bilder und Originaltöne der vergangenen Jahre ausmerzen und vergessen machen zu können:
Eine Scheibenwaschanlage für das Promi-Schaufenster? Ein Persil-Schein für die politische Kochwäsche früherer öffentlich festgehaltener Fehleinschätzungen? Eine weiße Weste über den in der Vergangenheit vielleicht manchmal zu fett gefressenen High-Society-Bauch?
Ein Ende der ewigen Vorhaltung alter Sünden und kein Ende für Gefälligkeits-Journalismus und Hofberichterstattung?
Das Recht am eigenen Bild und die Respektierung des Persönlichkeitsrechts haben ihre Berechtigung - ebenso wie das Recht zur Einwilligung in die Veröffentlichung eigener Bildnisse und eben auch die (nicht schrankenlose) Freiheit der Berichterstattung, das öffentliche Informationsinteresse und das journalistische Veröffentlichungsinteresse, auch und gerade auch dann, wenn letztere durch frühere Schritte, die zwischenzeitlich selbst als "Fehltritte" bewertet werden, geweckt worden sein sollten.
Also besser einen Nachruf auf den möglichen Rückruf. Oder wollen wir publizistische Waschanlagen, Persilscheine und weiße Westen?
Samstag, 25. September 2010
Was schert mich mein Porno von vorgestern: Bald Rückruf-Aktionen auch von Politikern?
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Samstag, 4. September 2010
Die strafbewehrte Unterlassungserklärung nach der Abmahnung - Wichtige Fragen und Details
Wenn vom Rechtsanwalt eine Abmahnung in's Haus flattert - egal ob im Bereich Urheberrecht, Markenrecht, Medienrecht oder Wettbewerbsrecht - stellt sich innerhalb der regelmäßig sehr knapp bemessenen Frist zumeist die Frage, ob die angeforderte strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung mit dem vorformulierten Inhalt , in modifizierter Form oder überhaupt nicht abgegeben werden soll.
Wer dabei auf die "gut gemeinten" Ratschläge aus dem Abmahnungsschreiben hört, ist zumeist genau so "verraten und verkauft", wie derjenige, der pauschale Formulierungs-Tipps genereller Art aus dem Netz ohne Abstimmung mit dem konkret betroffenen Sachverhalt und seinen ureigensten Bedürfnissen, Wünschen und Interessen unüberlegt übernimmt.
Es sind im Einzelfall vielmehr zumindest die folgenden Überlegungen anzustellen:
Die Menge der relevanten Gesichtspunkte und Fragestellungen darf keinesfalls den Psycho-Stress erhöhen, den eine Abmahnung erzeugen kann; eine ruhige und besonnene Befassung mit den Details wird m. E. allerdings dabei helfen, klarer zu sehen und strukturierter und zielführender das Gesetz des Handelns nicht der Abmahnungs-Branche zu überlassen, sondern selbst zur Abwehr unangemessener Abmahnungen in die Hand zu nehmen.
Wer dabei auf die "gut gemeinten" Ratschläge aus dem Abmahnungsschreiben hört, ist zumeist genau so "verraten und verkauft", wie derjenige, der pauschale Formulierungs-Tipps genereller Art aus dem Netz ohne Abstimmung mit dem konkret betroffenen Sachverhalt und seinen ureigensten Bedürfnissen, Wünschen und Interessen unüberlegt übernimmt.
Es sind im Einzelfall vielmehr zumindest die folgenden Überlegungen anzustellen:
- Gibt es erkennbare Prozessrisiken für den Fall, das von der Abgabe einer Unterlasungserklärung abgesehen wird?
- Ist die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung bereits verantwortbar oder empfehlen sich vorher noch vorsorgliche Veranlassungen und Absicherungen?
- Ist ausreichend gewährleistet, dass die grundsätzlich 30 Jahre geltende verbindliche Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung auch über diese Dauer einhaltbar ist?
- Besteht hierbei evtl. auch das Risiko einer früher oder später möglichen Haftung für Dritte?
- In welcher Form soll die Erklärung abgegeben werden?
- Empfiehlt sich der Ausschluss von weitergehenden ausdrücklichen oder schlüssigen Anerkenntnissen z. B. hinsichtlich Schadensersatz oder Kostenerstattung?
- Ist die Erklärung dennoch nach den Anforderungen der aktuellen Rechtsprechung mit ausreichender Ernsthaftigkeit und Rechtsverbindlichkeit formuliert?
- Wie sieht es mit einem enthaltenen Ausschluss der Einrede des Fortsetzungszusammenhangs aus?
- Erweckt die Abfassung der Erklärung den Eindruck, auch für unverschuldete Verstöße zu haften?
- Welches Verbot oder welche Verbote sind im konkreten Fall relevant?
- Ist im konkreten Fall und vor dem Hintergrund der Verhältnisse und Erwartungen des oder der Abgemahnten eher eine möglichst eng am vorgeworfenen Verstoßsachverhalt orientierte oder eher eine weite Fassung des Verbotes zu empfehlen?
- Zu wessen Gunsten sollte die strafbewehrte Unterlassungserklärung ausgesprochen werden?
- Soll eine konkret bezifferte Vertragsstrafe eingesetzt werden, wenn ja, in welcher konkreten Höhe?
- Oder sollte stattdessen lieber auf den sogenannten neuen Hamburger Brauch zurückgegriffen werden und die Höhe der Vertragsstrafe nicht fixiert, sondern in das gerichtlich (nicht nur landgerichtlich!) überprüfbare Ermessen des Unterlassungsgläubigers gestellt werden?
- Kann dennoch eine Obergrenze festgelegt werden und wenn ja, welche?
- Kann bzw. soll die Erklärung befristet und/oder bedingt abgegeben werden; welche etwaigen auflösenden Bedingungen empfehlen sich?
- Ist es sinnvoll, über vorsorgliche weitere Unterlassungserklärungen gegenüber Dritten nachzudenken?
- Welche weiteren Veranlassungen und Absicherungen sind nach der Erklärungsabgabe in's Auge zu fassen oder vorzunehmen?
- Sind weitere Personen zu informieren und zu instruieren?
- Sollten der schriftlichen strafbewehrten Unterlassungserklärung sinnvolle und hilfreiche weitere Erläuterungen und Argumente beigefügt werden?
Die Menge der relevanten Gesichtspunkte und Fragestellungen darf keinesfalls den Psycho-Stress erhöhen, den eine Abmahnung erzeugen kann; eine ruhige und besonnene Befassung mit den Details wird m. E. allerdings dabei helfen, klarer zu sehen und strukturierter und zielführender das Gesetz des Handelns nicht der Abmahnungs-Branche zu überlassen, sondern selbst zur Abwehr unangemessener Abmahnungen in die Hand zu nehmen.
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Donnerstag, 15. Juli 2010
Perlentaucher aus gutem Grund: Wichtiger als die BGH-Entscheidung - Zukunfts-Musik im Urheberrecht, Markenrecht und Medienrecht?
Die heutige Verhandlung im Streit zwischen "FAZ", "SZ" und "Perlentaucher" machte deutlich, dass der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes mit seinem Vorsitzenden Joachim Bornkamm sich die Entscheidung im Streit um Urheberrecht, Markenrecht und Wettbewerbsrecht nicht leicht machen wird: Der Vorsitzende bezeichnete den Prozess-Ausgang selbst als "durchaus offen", sprach allerdings gleichzeitig von einem gewissen "Unbehagen", darüber, das mit im Internet veröffentlichten Zusammenfassungen von in Zeitungen abgedruckten Buch-Rezensionen Einkünfte erzielt werden.
Während die Rechtsanwältin der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und der "Süddeutschen Zeitung" dem Online-Magazin vorwarf, es würde aus den Buch-Kritiken "gerade besonders farbige, einprägsame und phantasievolle Formulierungen eins zu eins" übernehmen und sich gleichzeitig eine wettbewerbswidrige "Rufausbeutung" erlauben, stellte die Prozessvertretung der Beklagten darauf ab, dass in den streitgegenständlichen "Notizen", den Online-Abstracts, in eigenschöpferischer Leistung und in eigenen Worten der Kerngehalt der Rezensionen herausgearbeitet würde - und zwar in "freier Benutzung" der Feuilleton-Artikel, aber ohne deren urheberrechtswidrige Bearbeitung.
Bei dem für den 30.09.2010 angekündigten Urteil des BGH wird es m. E. weniger auf den Entscheidungs-Tenor als vielmehr auf die genauen Entscheidungsgründe ankommen, die für die im Prozessstoff enthaltenen mehrfachen Fragen ggf. zukunftsweisende Weichenstellungen enthalten können.
Bleibt zu hoffen, das die höchstrichterliche Begründung gute und differenzierte Gründe mit praktikablen und interessengerechten Tendenzen enthält - ohne Verkennung schöpferischer Wertschaffung wie auch berechtigter Bedürfnisse einer transparenten und von Offenheit, Austausch und Befruchtung geprägten Medien-Welt mit ihren ständig wachsenden und vielfältiger werdenden Möglichkeiten und Chancen.
Konkretere Kritik-Vorgriffe verbieten sich mir vor Lektüre der ausstehenden Entscheidung(sgründe).
Während die Rechtsanwältin der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und der "Süddeutschen Zeitung" dem Online-Magazin vorwarf, es würde aus den Buch-Kritiken "gerade besonders farbige, einprägsame und phantasievolle Formulierungen eins zu eins" übernehmen und sich gleichzeitig eine wettbewerbswidrige "Rufausbeutung" erlauben, stellte die Prozessvertretung der Beklagten darauf ab, dass in den streitgegenständlichen "Notizen", den Online-Abstracts, in eigenschöpferischer Leistung und in eigenen Worten der Kerngehalt der Rezensionen herausgearbeitet würde - und zwar in "freier Benutzung" der Feuilleton-Artikel, aber ohne deren urheberrechtswidrige Bearbeitung.
Bei dem für den 30.09.2010 angekündigten Urteil des BGH wird es m. E. weniger auf den Entscheidungs-Tenor als vielmehr auf die genauen Entscheidungsgründe ankommen, die für die im Prozessstoff enthaltenen mehrfachen Fragen ggf. zukunftsweisende Weichenstellungen enthalten können.
Bleibt zu hoffen, das die höchstrichterliche Begründung gute und differenzierte Gründe mit praktikablen und interessengerechten Tendenzen enthält - ohne Verkennung schöpferischer Wertschaffung wie auch berechtigter Bedürfnisse einer transparenten und von Offenheit, Austausch und Befruchtung geprägten Medien-Welt mit ihren ständig wachsenden und vielfältiger werdenden Möglichkeiten und Chancen.
Konkretere Kritik-Vorgriffe verbieten sich mir vor Lektüre der ausstehenden Entscheidung(sgründe).
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Dienstag, 6. Juli 2010
Erneuter Satz-Gewinn im Marken-Tennis für Barbara Becker und ihre Namensmarke
Ein Sieg gegen die oft zu pauschale und zu übereilte Annahme markenrechtlicher Verwechslungsgefahr:
Barbara Becker, die Ex-Gattin der Tennislegende Boris Becker, meldete 2002 die Namensmarke "Barbara Becker" u.a. für Elektronik-Produkte als Gemeinschaftsmarke an. Hiergegen legte die Fa. Harman Becker International Industries Inc., Inhaberin der Marke "BECKER" und Produzentin u. a. von Navigationsgeräten und Autoradios, zunächst erfolgreich Widerspruch ein. Die Beschwerdekammer des HABM gab demgegenüber Barbara Becker Recht und verneinte eine Verwechslungsgefahr.
Die 4. Kammer des EuGH hat mit Urteil vom 24.06.2010 ( Az. C-51/09 P) nun ein prozessual im Dezember 2008 von der Fa. Harman Becker errungenes entgegengesetztes Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (Az. T-212/07) wiederum aufgehoben und die Sache an das Gericht der Europäischen Union zurückverwiesen.
Ein Hin und Her wie beim richtig großen Tennis.
Das höchstrichterliche Urteil bedeutet noch nicht zwingend das letzte Wort, macht aber auch für die nun wieder am Ball befindliche erste gerichtliche Instanz zum Thema "Verwechslungsgefahr" verbindlich deutlich,
Weitere Gesichtspunkte - wie z. B. Branchen-Usancen oder das in manchen Fällen berechtigte und auch verfassungsrechtlich nicht völlig ungeschützte Bedürfnis mehrerer Namensträger, den eigenen Familiennamen zumindest als Bestandteil einer eigenen Wortmarke zu benutzen - sind bei der anwaltlichen Befassung mit vergleichbaren Marken-Fällen zusätzlich zu beachten und könnten hinzugefügt werden. In jedem Fall deutet nach dieser Entscheidung vieles darauf hin, dass Barbara Becker und ihr Rechtsanwalt nach dem zweiten und vierten Satz nun auch den fünften Satz - zu recht - gewinnen.
Barbara Becker, die Ex-Gattin der Tennislegende Boris Becker, meldete 2002 die Namensmarke "Barbara Becker" u.a. für Elektronik-Produkte als Gemeinschaftsmarke an. Hiergegen legte die Fa. Harman Becker International Industries Inc., Inhaberin der Marke "BECKER" und Produzentin u. a. von Navigationsgeräten und Autoradios, zunächst erfolgreich Widerspruch ein. Die Beschwerdekammer des HABM gab demgegenüber Barbara Becker Recht und verneinte eine Verwechslungsgefahr.
Die 4. Kammer des EuGH hat mit Urteil vom 24.06.2010 ( Az. C-51/09 P) nun ein prozessual im Dezember 2008 von der Fa. Harman Becker errungenes entgegengesetztes Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (Az. T-212/07) wiederum aufgehoben und die Sache an das Gericht der Europäischen Union zurückverwiesen.
Ein Hin und Her wie beim richtig großen Tennis.
Das höchstrichterliche Urteil bedeutet noch nicht zwingend das letzte Wort, macht aber auch für die nun wieder am Ball befindliche erste gerichtliche Instanz zum Thema "Verwechslungsgefahr" verbindlich deutlich,
- dass es keine grundsätzliche Monopolisierung von Nachnamen im Markenrecht gibt,
- dass der Zusatz eines Vornamens geeignet sein kann, eine Verwechslungsgefahr auszuschließen,
- dass bei der Prüfung einer etwaigen Verwechslungsgefahr alle relevanten Umstände des Einzelfalls jeweils umfassend zu berücksichtigen sind und nicht nur auf Einzelaspekte abgestellt werden darf,
- dass maßgeblich auf den Gesammteindruck des Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist,
- dass auch die Häufigkeit eines Nachnamens von Relevanz sein kann
- und dass auch die Bekanntheit eines Namens Einfluss auf die Wahrnehmung der entsprechenden Marke und auf deren Kennzeichnungskraft haben kann.
Weitere Gesichtspunkte - wie z. B. Branchen-Usancen oder das in manchen Fällen berechtigte und auch verfassungsrechtlich nicht völlig ungeschützte Bedürfnis mehrerer Namensträger, den eigenen Familiennamen zumindest als Bestandteil einer eigenen Wortmarke zu benutzen - sind bei der anwaltlichen Befassung mit vergleichbaren Marken-Fällen zusätzlich zu beachten und könnten hinzugefügt werden. In jedem Fall deutet nach dieser Entscheidung vieles darauf hin, dass Barbara Becker und ihr Rechtsanwalt nach dem zweiten und vierten Satz nun auch den fünften Satz - zu recht - gewinnen.
Montag, 5. Juli 2010
Das Geschäftsmodell "Filesharing-Abmahnung" und unlogische Boom-Geschäfte mit der Lizenzanalogie
Das Geschäftsmodell "Filesharing-Abmahnung" generiert auch unprominenten Urhebern bzw. Rechteinhabern und ihren Rechtsanwälten "Erlöse", von denen manche bei bloßer Verfolgung ihrer eigentlichen Kern-Geschäfte nur träumen konnten. Hilfe scheint hier das schutzrechtliche Schadensersatz-Modell der Lizenzanalogie zu bieten. Doch wird das den tatsächlichen und rechtlichen Hintergründen wirklich gerecht?
Nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie ist - soweit überhaupt ein Schadensersatz begründendes Verschulden vorliegt - jeweils zu ermitteln, was vernünftige Vertragspartner bei Abschluss eines marktfähigen und verkehrsüblichen Lizenzvertrages als Vergütung für die Benutzungs- bzw. Verwertungshandlung des Verletzers vereinbart hätten, wobei es auf den objektiven Wert der angemaßten Benutzungsberechtigung ankommt.
Dazu stellen sich m. E. im Zusammenhang mit Musik- oder Film-Tauschbörsen u. a. die folgenden Fragen:
- Welcher vernünftige Markt-Teilnehmer würde für die Möglichkeit, eine bestimmte Audio- oder Video-Datei in ein P2P-System zum kostenlosen Tausch einzustellen, fühlbare Lizenz-Beträge zahlen?
- Wäre eine Vergütungspflicht im Rahmen von kostenlosen Tauschbörsen nicht bereits systemwidrig?
- Wären insoweit kostenpflichtige Lizenzierungen überhaupt marktfähig und verkehrsüblich?
- Würden bei Zulassung einer fingierten kostenpflichtigen Lizenzierung dann nicht zumindest die fingierten "Kunden" des Abgemahnten als (nachträglich) legitimiert im Rahmen ihrer Tauschbörsen-Teilnahme anzusehen und zu behandeln sein?
- Wie werden die Abmahner dann daran gehindert, unzählige im Rahmen massenhafter Abmahnungen und Lizenzzahlungen vergütete Tauschvorgänge mehrfach und gehäuft zum Anlass zahlreicher weiterer Abmahnungen zu nehmen?
- Führt diese Praxis nicht zu unabsehbarer virtueller Potenzierung von "analogen" Lizenz-Einnahmen der Abmahnungs-Industrie, ohne dass dem realistische reale Vergütungsszenarien oder -Modelle zur Seite stehen?
- Und wird damit nicht erst durch das Geschäftsmodell der "Filesharing-Abmahnungen" eine Vergütungs- bzw. Lizenzierungsbasis kreiert, die eigentlich nicht existiert?
- Eröffnen sich hier nicht zusätzliche berechtigte Argumente zur Abwehr von Abmahnungen wegen Filesharing?
Den Aufregungen und Antworten sehe ich mit Interesse entgegen.
Fortsetzung folgt.
Nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie ist - soweit überhaupt ein Schadensersatz begründendes Verschulden vorliegt - jeweils zu ermitteln, was vernünftige Vertragspartner bei Abschluss eines marktfähigen und verkehrsüblichen Lizenzvertrages als Vergütung für die Benutzungs- bzw. Verwertungshandlung des Verletzers vereinbart hätten, wobei es auf den objektiven Wert der angemaßten Benutzungsberechtigung ankommt.
Dazu stellen sich m. E. im Zusammenhang mit Musik- oder Film-Tauschbörsen u. a. die folgenden Fragen:
- Welcher vernünftige Markt-Teilnehmer würde für die Möglichkeit, eine bestimmte Audio- oder Video-Datei in ein P2P-System zum kostenlosen Tausch einzustellen, fühlbare Lizenz-Beträge zahlen?
- Wäre eine Vergütungspflicht im Rahmen von kostenlosen Tauschbörsen nicht bereits systemwidrig?
- Wären insoweit kostenpflichtige Lizenzierungen überhaupt marktfähig und verkehrsüblich?
- Würden bei Zulassung einer fingierten kostenpflichtigen Lizenzierung dann nicht zumindest die fingierten "Kunden" des Abgemahnten als (nachträglich) legitimiert im Rahmen ihrer Tauschbörsen-Teilnahme anzusehen und zu behandeln sein?
- Wie werden die Abmahner dann daran gehindert, unzählige im Rahmen massenhafter Abmahnungen und Lizenzzahlungen vergütete Tauschvorgänge mehrfach und gehäuft zum Anlass zahlreicher weiterer Abmahnungen zu nehmen?
- Führt diese Praxis nicht zu unabsehbarer virtueller Potenzierung von "analogen" Lizenz-Einnahmen der Abmahnungs-Industrie, ohne dass dem realistische reale Vergütungsszenarien oder -Modelle zur Seite stehen?
- Und wird damit nicht erst durch das Geschäftsmodell der "Filesharing-Abmahnungen" eine Vergütungs- bzw. Lizenzierungsbasis kreiert, die eigentlich nicht existiert?
- Eröffnen sich hier nicht zusätzliche berechtigte Argumente zur Abwehr von Abmahnungen wegen Filesharing?
Den Aufregungen und Antworten sehe ich mit Interesse entgegen.
Fortsetzung folgt.
Samstag, 5. Juni 2010
Abmahnung an die politische "Klasse" - Gauck für das Volk - Ein etwas anderes Plädoyer
Die Bundeskanzlerin nimmt faktisch für sich das Urheberrecht für das Amt bzw. die Person des Bundespräsidenten und seiner oder ihrer Auswahl in Anspruch. Dabei beruht die daraus abgeleitete Werkschöpfung auf machtpolitischem Kalkül statt auf wegweisender Kreativität. Hierfür verdient Frau Merkel und die derzeitige politische "Klasse" eine Abmahnung.
Und zwar eine Abmahnung aus dem Volk, ohne damit einer voreiligen und nicht immer weitsichtigen Forderung nach der direkten, basisdemokratischen Wahl des Bundespräsidenten das Wort reden zu wollen.
Die Wahlfrauen und Wahlmänner der Bundesversammlung sollten allerdings am 30.06.2010 - und schon früher - sich die folgenden, teilweise vielleicht provokanten - Argumente dahingehend vor Augen führen, was Gauck für das Volk bedeutet, wobei die Reihenfolge keine Rangfolge sein soll:
1. Joachim Gauck ist kein Jurist, sondern Theologe. Was soll das denn, werden viele fragen: Juristen - wie Wulff (und wie im Übrigen auch der Verfasser einer ist) - w i s s e n doch, während Theologen nur glauben. Was Juristen alles wissen und vor allen Dingen oft nicht wissen, führt die politische Klasse der aktuell das politische Agieren auf den höchsten Ebenen bestimmenden Juristen uns täglich vor. Juristen glauben zu wissen, der Theologe Gauck weiß, was er glauben kann und - noch wichtiger - was nicht. Die Hinterfragung vermeintlicher Wahrheiten prägt nicht unwesentlich sein Leben; und gleichzeitig der engagierte Kampf um die Wahrheit, auch wenn sie unbequem ist.
2. Wo wir beim Thema Glauben sind: Joachim Gauck ist kein Katholik. Ja und? Müssen wir das Amt nach Proporz-Gesichtspunkten (Merkel ist evangelisch) besetzen? Wäre auch das nicht bloß Kalkül? Und was ist mit den Geschehnissen und Umgehensweisen, die die katholische Kirche in der jüngeren Vergangenheit - zu Recht - belastet haben? Diese Dinge belasten zweifelsohne nicht den niedersächsischen Ministerpräsidenten, zwingen uns allerdings auch nicht zu dem vorerwähnten Proporz-Deal.
3. Mehr "junge Leute" (Christian Wulff ist - wie ich - 50) in höchste Staatsämter? Generationswechsel? Steht Wulff wirklich dafür? Wofür steht er eigentlich? Gauck steht jedenfalls für ein langes, zugegebener Maßen längeres Leben (70 Jahre), voller leidvoller, mutiger und zäher Geschichte, Erfahrung und Handlung. Wir werden in den kommenden Jahren zunehmender lernen müssen, neben der berechtigten Förderung und Forderung der "Jugend" ohne falschen Jugendwahn nicht nur die Last, sondern mehr noch das Potenzial und die Ressourcen erfahrener "Alter" oder "Älterer" einzubeziehen und zu nutzen; keineswegs kritiklos und rückwärtsgewandt, jedoch lernfähig und lernwillig, offen und zugewandt sowie gerne manchmal auch begeistert.
4. Wulff ist ein Vollblut-Politiker, einverstanden. Aber reicht das? Brauchen wir an dieser Stelle genau das und den? Hieß es in einer der entscheidenden politischen Zeiten für unser Land, im Herbst 1989, "Wir sind die Politiker" oder hieß es "Wir sind das Volk"? Nun wird das Volk nicht Bundespräsident werden können. Das Volk hat aber berechtigter Weise auch kein Verständnis mehr für und keine Lust mehr auf glattkalkulierte und durchtaktierte Gremien-Politik auf einem Weg der geringsten Widerstände. Gauck steht für das Gegenteil. Das Volk will das Gegenteil. Gauck steht für politische Unabhängigkeit mit dem Blick über den politischen Tellerrand - bei gleichzeitig ausgeprägten politischen Überzeugungen und vorzuweisenden Taten.
5. Und Gauck steht für politischen Eigensinn im besten Sinne des Wortes und mit geschliffenem Akzent bei der geistreichen und anstoßenden - nicht anstößigen - Wahl seiner Worte. Ein Mann - und wenn schon - mit Ecken und Kanten, nicht weichgespült, aber ohne falsche Verbitterung, nicht Darling, aber sich einmischender Demokrat, durch und durch Demokrat mit Rückgrat sowie Verantwortungsgefühl und Verantwortungsbereitschaft.
6. Sein Drang zur und sein ständiges Ringen um und für die Freiheit sowie für das Begreifen der Freiheit als unverzichtbare menschliche und menschenwürdige Lebensgrundlage sind Vorbild für unsere Demokratie und unser Land.
7. Gauck ist kein Mann der Karriere, kein Laufbahn-Läufer, sondern ein Mann mit steinigem Weg, ein mutiger Kämpfer sowie ein eigensinniger und verantwortungsvoller Aufklärer für das Volk - und für die Politik.
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Freitag, 4. Juni 2010
OLG Hamm zum Streit um Pressefoto von Kindern bei politischer Protest-Demo im Karneval
Wenn Eltern ihre minderjährigen Kinder unter den Bedingungen eines öffentlichen Auftretens vor Zuschauern bewusst in der dann abgelichteten Situation der Öffentlichkeit präsentieren, scheidet aus mehreren presserechtlichen und verfassungsrechtlichen Gründen ein Veröffentlichungs-Verbot hinsichtlich anlassbezogen gefertigter und veröffentlichter Fotos der Kinder aus, auch wenn die Fotos nur einen ein oder zwei Kinder abbildenden repräsentativen Ausschnitt zeigen. Das OLG Hamm hat mit Beschlüssen vom 31.05.2010 ( I-3 W 26/10 und I-3 W 27/10) im einstweiligen Verfügungsverfahren zwei vorausgegangene Beschlüsse des Landgerichts Bielefeld bestätigt.
Mit in diesem Blog bereits bekanntgegebenen und kommentierten Beschlüssen vom 16.04.2010 hatte das Landgericht Bielefeld in zwei Eilverfahren - 2 O 143/10 und 2 O 144/10 - die gegen eine Tagezeitung gerichteten Anträge von zwei seitens ihrer Eltern vertretenen Minderjährigen zurückgewiesen, die Veröffentlichung von sie abbildenden Fotos zu verbieten.
Eine kleine Gruppe von Eltern hatte am Rosenmontag 2010 in der Gemeinde L. einen Karnevalsumzug dazu genutzt, unter dem Motto "Reisende" bzw. "Zugereiste in L. unerwünscht!" sich und ihre Kinder als "Flüchtlinge" mit in Frakturschrift beschriebenen Plakaten (mit den Worten "Zugereist" oder "Wohin?") sowie mit an die Verfolgung jüdischer Mitbürger erinnernden gelben Binden auszustaffieren und so der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Daraufhin wurde in einem Leserbrief massiv kritisiert, wie bei dem Umzug und der darin veranstalteten Protest-Demo einige Eltern ihre Kinder für politische Absichten benutzten. Zur Bebilderung dieser Kritik veröffentlichte die Tageszeitung eine ausschnittweise Abbildung des Umzugs, die im Vordergrund zwei entsprechend "ausstaffierte" Kinder zeigt.
Das Landgericht wies die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück.
Zur Begründung stützte sich das Landgericht auf das aktuelle Urteil des BGH vom 06.10.2009, VI ZR 314/08, GRUR 2010, 173 ff., wonach das generelle Verbot einer Bildberichterstattung grundsätzlich nicht beansprucht werden kann, da eine in jedem Einzelfall vorzunehmende Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Interesse des Abgebildeten an dem Schutz seiner Privatsphäre auch jeweils eine Berücksichtigung verlangt, in welchem Kontext das Foto veröffentlicht wird.
In diesem Zusammenhang hatte ich bereits ergänzend auf das aktuelle Urteil des OLG Düsseldorf vom 08.03.2010 - I-20 U 188/09 - zu heimlichen Ton- und Bild-Aufnahmen in einer Arzt-Praxis hingewiesen; diese Entscheidung ging in eine ähnliche Richtung.
Das Landgericht Bielefeld verneinte im vorliegenden Fall bereits das Vorliegen eines Verfügungsgrundes. Eine besondere Eilbedürftigkeit war nicht erkennbar. Es waren keine Anhaltspunkte für erneute Veröffentlichungen ersichtlich.
Ferner bewertete das Landgericht den Umstand, dass die Eltern ihre Kinder bewusst und gewollt "ausstaffiert" und der Öffentlichkeit präsentiert hatten, zu Recht als Einwilligung gemäß § 22 KUG.
Zudem stellte die Zivilkammer - auch an dieser Stelle der Argumentation der Antragsgegnerin, des Zeitungsverlages, folgend - darauf ab, dass die minderjährigen Antragsteller von ihren die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich und die Kinder ziehenden Eltern gezielt in den Mittelpunkt öffentlicher Wahrnehmung gestellt worden waren und es sich damit auch um "sogenannte relative Personen der Zeitgeschichte" gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG handelt.
Schließlich waren der Karnevalsumzug sowie die darin gleichzeitig erfolgende politische Protest-Demonstration als Aufzug und Versammlung gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG einzuordnen. Es war insoweit legitim, einen repräsentativen Ausschnitt der streitgegenständlichen Veröffentlichungs-Thematik abzubilden.
Nach Abwägung aller Gesichtspunkte unter Einbeziehung der wohlverstandenen Schutzbedürfnisse von Kindern im Hinblick auf deren freie Persönlichkeitsentfaltung sah das Landgericht in überzeugender Weise hier keine Grundlage für eine Beschneidung der verfassungsrechtlich geschützten Meinungs- und Pressefreiheit.
Dies hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm nun ohne Einschränkungen bestätigt. In den Beschwerde-Beschlüssen heißt es u. a.:
Kritik war textlich vielmehr an dem Verhalten der in der oben beschriebenen Weise provokant agierenden Eltern geübt worden, was diese zum Anlass genommen hatten, zunächst per Abmahnung und sodann bei Gericht ein Veröffentlichungs-Verbot gegen den Zeitungsverlag anzustreben. Dieser Versuch, die Meinungs- und Pressefreiheit zu beschneiden, scheiterte nun zu Recht auch vor dem OLG Hamm.
Mit in diesem Blog bereits bekanntgegebenen und kommentierten Beschlüssen vom 16.04.2010 hatte das Landgericht Bielefeld in zwei Eilverfahren - 2 O 143/10 und 2 O 144/10 - die gegen eine Tagezeitung gerichteten Anträge von zwei seitens ihrer Eltern vertretenen Minderjährigen zurückgewiesen, die Veröffentlichung von sie abbildenden Fotos zu verbieten.
Eine kleine Gruppe von Eltern hatte am Rosenmontag 2010 in der Gemeinde L. einen Karnevalsumzug dazu genutzt, unter dem Motto "Reisende" bzw. "Zugereiste in L. unerwünscht!" sich und ihre Kinder als "Flüchtlinge" mit in Frakturschrift beschriebenen Plakaten (mit den Worten "Zugereist" oder "Wohin?") sowie mit an die Verfolgung jüdischer Mitbürger erinnernden gelben Binden auszustaffieren und so der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Daraufhin wurde in einem Leserbrief massiv kritisiert, wie bei dem Umzug und der darin veranstalteten Protest-Demo einige Eltern ihre Kinder für politische Absichten benutzten. Zur Bebilderung dieser Kritik veröffentlichte die Tageszeitung eine ausschnittweise Abbildung des Umzugs, die im Vordergrund zwei entsprechend "ausstaffierte" Kinder zeigt.
Das Landgericht wies die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück.
Zur Begründung stützte sich das Landgericht auf das aktuelle Urteil des BGH vom 06.10.2009, VI ZR 314/08, GRUR 2010, 173 ff., wonach das generelle Verbot einer Bildberichterstattung grundsätzlich nicht beansprucht werden kann, da eine in jedem Einzelfall vorzunehmende Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Interesse des Abgebildeten an dem Schutz seiner Privatsphäre auch jeweils eine Berücksichtigung verlangt, in welchem Kontext das Foto veröffentlicht wird.
In diesem Zusammenhang hatte ich bereits ergänzend auf das aktuelle Urteil des OLG Düsseldorf vom 08.03.2010 - I-20 U 188/09 - zu heimlichen Ton- und Bild-Aufnahmen in einer Arzt-Praxis hingewiesen; diese Entscheidung ging in eine ähnliche Richtung.
Das Landgericht Bielefeld verneinte im vorliegenden Fall bereits das Vorliegen eines Verfügungsgrundes. Eine besondere Eilbedürftigkeit war nicht erkennbar. Es waren keine Anhaltspunkte für erneute Veröffentlichungen ersichtlich.
Ferner bewertete das Landgericht den Umstand, dass die Eltern ihre Kinder bewusst und gewollt "ausstaffiert" und der Öffentlichkeit präsentiert hatten, zu Recht als Einwilligung gemäß § 22 KUG.
Zudem stellte die Zivilkammer - auch an dieser Stelle der Argumentation der Antragsgegnerin, des Zeitungsverlages, folgend - darauf ab, dass die minderjährigen Antragsteller von ihren die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich und die Kinder ziehenden Eltern gezielt in den Mittelpunkt öffentlicher Wahrnehmung gestellt worden waren und es sich damit auch um "sogenannte relative Personen der Zeitgeschichte" gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG handelt.
Schließlich waren der Karnevalsumzug sowie die darin gleichzeitig erfolgende politische Protest-Demonstration als Aufzug und Versammlung gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG einzuordnen. Es war insoweit legitim, einen repräsentativen Ausschnitt der streitgegenständlichen Veröffentlichungs-Thematik abzubilden.
Nach Abwägung aller Gesichtspunkte unter Einbeziehung der wohlverstandenen Schutzbedürfnisse von Kindern im Hinblick auf deren freie Persönlichkeitsentfaltung sah das Landgericht in überzeugender Weise hier keine Grundlage für eine Beschneidung der verfassungsrechtlich geschützten Meinungs- und Pressefreiheit.
Dies hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm nun ohne Einschränkungen bestätigt. In den Beschwerde-Beschlüssen heißt es u. a.:
Der Senat teilt insoweit angesichts der konkreten Umstände, unter denen das streitgegenständliche Foto (anlassbezogen) gefertigt und unter denen es von der Beklagten (anlassbezogen) veröffentlicht wurde, die Erwägungen des Landgerichts, dass es vorliegend vor allem deshalb an einem Schutzbedürfnis der (so) abgebildeten Kinder fehlt, weil sie von ihren Eltern in der abgelichteten Situation "bewusst der Öffentlichkeit zugewendet" wurden und den "Bedingungen eines (derartigen) öffentlichen Auftretens vor Zuschauern ausgeliefert" wurden (vgl. dazu: BGH, GRUR 2010, 173 - juris-Rdnr. 10). Zudem wurden die Kinder hier weder durch die abgelichtete öffentliche Situation noch durch das textliche Umfeld der in Rede stehenden Aufnahme verfälschend oder herabsetzend dargestellt noch sie selbst als heranreifende Persönlichkeiten in irgendeiner Weise kritisiert.
Kritik war textlich vielmehr an dem Verhalten der in der oben beschriebenen Weise provokant agierenden Eltern geübt worden, was diese zum Anlass genommen hatten, zunächst per Abmahnung und sodann bei Gericht ein Veröffentlichungs-Verbot gegen den Zeitungsverlag anzustreben. Dieser Versuch, die Meinungs- und Pressefreiheit zu beschneiden, scheiterte nun zu Recht auch vor dem OLG Hamm.
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Abmahnung,
Art. 5 GG,
BGH,
Bildberichterstattung,
Foto,
Kinder,
Meinungsfreiheit,
Persönlichkeitsrecht,
Presse,
Pressefreiheit,
Recht am Bild,
Urteil,
Verfassung
Donnerstag, 3. Juni 2010
Rügen und "Abmahnungen" an den BGH: WLAN-Urteil zu Filesharing und Störerhaftung in der Kritik
Das WLAN-Urteil des I. Zivilsenats des BGH vom 12.05.2010 (I ZR 121/08) ist geeignet, als auf Dauer zur sachverhaltlich sachgerechten und urheber- sowie medienrechtlich gerechten Klärung des Geschäftsmodells "Filesharing-Abmahnung" nicht sehr geeignet zu erscheinen.
Hierzu die m. E. wesentlichen Aspekte, wobei Urteils-Zitate kursiv gefasst sind:
1. Überbewertungen an der einen oder anderen Stelle des Urteils verbieten sich bereits deshalb, weil der BGH z. T. nicht vollständig aufgeklärte und nicht vollständig von den Prozess-Parteien dargelegte, geltend gemachte und ausargumentierte Sachverhaltsfragmente seiner Entscheidung zugrunde zu legen hatte bzw. zugrunde gelegt hat. Dies betrifft insbesondere auch technische Abläufe und Details.
2. Die Bewertung des BGH zu "tatsächlichen Vermutungen" über eine vermeintlich grundsätzliche Verantwortlichkeit des Anschlussinhabers für eine öffentliche Zugänglichmachung (über eine bestimmte, ihm vermeintlich zuordbare dynamische IP-Adresse) entbehrt einer näheren, nachvollziehbaren Begründung.
3. Die aus den nicht näher dargelegten "Vermutungen" pauschal und ebenfalls ohne nähere Begründung geschlossenen Bewertungen des BGH zur sekundären Darlegungslast des Anschlussinhabers lassen ebenfalls substanzielle Ableitungen vermissen.
4. Der BGH verneint mit nachvollziehbarer Argumentation eine täterschaftliche oder teilnehmermäßige Haftung und damit auch eine Schadensersatzpflicht des Anschlussinhabers mangels Erfüllung der "Merkmale eines der haftungsbezogenen Verletzungstatbestände des Urheberrecht".
Den Fall einer "Haftung für die Verletzung einer Verkehrspflicht" verneint der BGH selbst bei nicht ausreichend gesichertem privaten WLAN-Netzwerk ausdrücklich. Er grenzt den Fall privater Internet-Nutzung ab von dem demgegenüber bei der wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht vom gleichen Senat als Begründung herangezogenen Fall eigener geschäftlicher Interessen beispielsweise einer Handelsplattform.
Auch eine entsprechende Anwendbarkeit der sog. "Halzband"-Entscheidung lehnt der BGH entgegen anderslautender Instanzen-Rechtsprechung zu Recht ab.
Gleichzeitig meint der BGH aber, der Anschlussinhaber habe "adäquat kausal" und "willentlich" ... "zur Verletzung des geschützten Rechts beigetragen". Insbesondere der Aspekt der vermeintlichen "Willentlichkeit" des Anschlussinhabers entbehrt dabei einer ausreichend konkreten und vertieften Darlegung.
5. Die vom BGH angenommene Verletzung von zumutbaren Prüfpflichten begründet der BGH schlicht und pauschal - ohne jedes Eingehen auf spezifische Fallkonstellationen - mit der These, das "es regelmäßig im wohlverstandenen eigenen Interesse des Anschlussinhabers liegt, seine Daten vor unberechtigtem Eingriff von außen zu schützen". Dabei verkennt der Senat, dass inhaltlich und technisch die möglichen Sicherungsmaßnahmen gegen Urheberrechtsverletzungen durch insbesondere von außen eingreifende Dritte und die möglichen Sicherungsmaßnahmen zugunsten der eigenen persönlichen Daten keineswegs identisch sein müssen. Persönliche Daten können selbstverständlich in unterschiedlichster anderer Weise aus dem WLAN-Netz herausgehalten werden; die vom BGH angedeuteten Verschlüsselungen des Routers sind dafür keineswegs zwingend.
6. Soweit der BGH im privaten Bereich die zum Kaufzeitpunkt (was ist beim Kauf gebrauchter Router?) "marktüblichen Sicherungen" verlangt, wobei diese "ihrem Zweck entsprechend wirksam einzusetzen sind", will er ohne durchgreifende Begründung andererseits die "werkseitigen Standardsicherheitseinstellungen" nicht als ausreichend ansehen (im vorliegenden Fall ein Passwort aus 16 Ziffern). Diese hätten bereits 2006 nicht "zum Mindeststandard privater Computernutzung" gehört, vielmehr stattdessen ein "Schutz von Computern ... durch individuelle Passwörter". Die wirkliche (fehlende) Qualität derartiger, tatsächlich regelmäßig verwendeter individueller Passwörter (da werden eine Menge Namen geliebter Personen und Tiere auftauchen) wird dabei ersichtlich verkannt, wobei der BGH wohl auch Router und Computer verwechselt oder gleichsetzt. Ferner disqualifiziert das Gericht zu Unrecht die immerhin vom Hersteller seinerzeit wohl kaum unprofessioneller als vom laienhaften Kunden vorgegebene Verschlüsselungssystematik und verkennt damit korrespondierende vermeintlich unterschiedliche oder gleichartige technische Möglichkeiten, die Passwörter jeweils zu überwinden.
7. Will der BGH den privaten Internet-Nutzer, auf dessen Seite nach den Feststellungen des Senats kein "Geschäftsmodell" besteht, "das durch die Auferlegung präventiver Prüfungspflichten gefährdet wäre", deshalb von den Privilegien des TMG ausnehmen? Ist es akzeptabel, auf diese Weise das Geschäftsmodell "Filesharing-Abmahnung" demgegenüber weniger zu "gefährden" ?
8. Warum setzt der BGH sich zwar kurz mit § 10 TMG, nicht aber mit den viel näher liegenden Privilegierungen des § 8 TMG auseinander?
9. Warum nutzt der I. Zivilsenat nicht die vielleicht doch bestandene und gebotene Möglichkeit, die Anforderungen an die zur vermeintlichen IP-Adressen- und sonstigen Recherche und Dokumentierung erforderlichen substantiierten Darlegungen zu thematisieren?
10. Hat der BGH sich wirklich in angemessener und ausreichend tiefgründiger Weise mit dem Thema Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit auseinandergesetzt?
Mein vorläufiges Resümee, das sich an meine früheren Einschätzungen zum BGH-WLAN-Urteil anschließt:
Das reicht so nicht für eine wesentliche und nachhaltige Klärung.
Kein absehbares Ende der Debatte und des Ringens um
erfolgreiche Abmahnungsabwehr.
Hierzu die m. E. wesentlichen Aspekte, wobei Urteils-Zitate kursiv gefasst sind:
1. Überbewertungen an der einen oder anderen Stelle des Urteils verbieten sich bereits deshalb, weil der BGH z. T. nicht vollständig aufgeklärte und nicht vollständig von den Prozess-Parteien dargelegte, geltend gemachte und ausargumentierte Sachverhaltsfragmente seiner Entscheidung zugrunde zu legen hatte bzw. zugrunde gelegt hat. Dies betrifft insbesondere auch technische Abläufe und Details.
2. Die Bewertung des BGH zu "tatsächlichen Vermutungen" über eine vermeintlich grundsätzliche Verantwortlichkeit des Anschlussinhabers für eine öffentliche Zugänglichmachung (über eine bestimmte, ihm vermeintlich zuordbare dynamische IP-Adresse) entbehrt einer näheren, nachvollziehbaren Begründung.
3. Die aus den nicht näher dargelegten "Vermutungen" pauschal und ebenfalls ohne nähere Begründung geschlossenen Bewertungen des BGH zur sekundären Darlegungslast des Anschlussinhabers lassen ebenfalls substanzielle Ableitungen vermissen.
4. Der BGH verneint mit nachvollziehbarer Argumentation eine täterschaftliche oder teilnehmermäßige Haftung und damit auch eine Schadensersatzpflicht des Anschlussinhabers mangels Erfüllung der "Merkmale eines der haftungsbezogenen Verletzungstatbestände des Urheberrecht".
Den Fall einer "Haftung für die Verletzung einer Verkehrspflicht" verneint der BGH selbst bei nicht ausreichend gesichertem privaten WLAN-Netzwerk ausdrücklich. Er grenzt den Fall privater Internet-Nutzung ab von dem demgegenüber bei der wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht vom gleichen Senat als Begründung herangezogenen Fall eigener geschäftlicher Interessen beispielsweise einer Handelsplattform.
Auch eine entsprechende Anwendbarkeit der sog. "Halzband"-Entscheidung lehnt der BGH entgegen anderslautender Instanzen-Rechtsprechung zu Recht ab.
Gleichzeitig meint der BGH aber, der Anschlussinhaber habe "adäquat kausal" und "willentlich" ... "zur Verletzung des geschützten Rechts beigetragen". Insbesondere der Aspekt der vermeintlichen "Willentlichkeit" des Anschlussinhabers entbehrt dabei einer ausreichend konkreten und vertieften Darlegung.
5. Die vom BGH angenommene Verletzung von zumutbaren Prüfpflichten begründet der BGH schlicht und pauschal - ohne jedes Eingehen auf spezifische Fallkonstellationen - mit der These, das "es regelmäßig im wohlverstandenen eigenen Interesse des Anschlussinhabers liegt, seine Daten vor unberechtigtem Eingriff von außen zu schützen". Dabei verkennt der Senat, dass inhaltlich und technisch die möglichen Sicherungsmaßnahmen gegen Urheberrechtsverletzungen durch insbesondere von außen eingreifende Dritte und die möglichen Sicherungsmaßnahmen zugunsten der eigenen persönlichen Daten keineswegs identisch sein müssen. Persönliche Daten können selbstverständlich in unterschiedlichster anderer Weise aus dem WLAN-Netz herausgehalten werden; die vom BGH angedeuteten Verschlüsselungen des Routers sind dafür keineswegs zwingend.
6. Soweit der BGH im privaten Bereich die zum Kaufzeitpunkt (was ist beim Kauf gebrauchter Router?) "marktüblichen Sicherungen" verlangt, wobei diese "ihrem Zweck entsprechend wirksam einzusetzen sind", will er ohne durchgreifende Begründung andererseits die "werkseitigen Standardsicherheitseinstellungen" nicht als ausreichend ansehen (im vorliegenden Fall ein Passwort aus 16 Ziffern). Diese hätten bereits 2006 nicht "zum Mindeststandard privater Computernutzung" gehört, vielmehr stattdessen ein "Schutz von Computern ... durch individuelle Passwörter". Die wirkliche (fehlende) Qualität derartiger, tatsächlich regelmäßig verwendeter individueller Passwörter (da werden eine Menge Namen geliebter Personen und Tiere auftauchen) wird dabei ersichtlich verkannt, wobei der BGH wohl auch Router und Computer verwechselt oder gleichsetzt. Ferner disqualifiziert das Gericht zu Unrecht die immerhin vom Hersteller seinerzeit wohl kaum unprofessioneller als vom laienhaften Kunden vorgegebene Verschlüsselungssystematik und verkennt damit korrespondierende vermeintlich unterschiedliche oder gleichartige technische Möglichkeiten, die Passwörter jeweils zu überwinden.
7. Will der BGH den privaten Internet-Nutzer, auf dessen Seite nach den Feststellungen des Senats kein "Geschäftsmodell" besteht, "das durch die Auferlegung präventiver Prüfungspflichten gefährdet wäre", deshalb von den Privilegien des TMG ausnehmen? Ist es akzeptabel, auf diese Weise das Geschäftsmodell "Filesharing-Abmahnung" demgegenüber weniger zu "gefährden" ?
8. Warum setzt der BGH sich zwar kurz mit § 10 TMG, nicht aber mit den viel näher liegenden Privilegierungen des § 8 TMG auseinander?
9. Warum nutzt der I. Zivilsenat nicht die vielleicht doch bestandene und gebotene Möglichkeit, die Anforderungen an die zur vermeintlichen IP-Adressen- und sonstigen Recherche und Dokumentierung erforderlichen substantiierten Darlegungen zu thematisieren?
10. Hat der BGH sich wirklich in angemessener und ausreichend tiefgründiger Weise mit dem Thema Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit auseinandergesetzt?
Mein vorläufiges Resümee, das sich an meine früheren Einschätzungen zum BGH-WLAN-Urteil anschließt:
Das reicht so nicht für eine wesentliche und nachhaltige Klärung.
Kein absehbares Ende der Debatte und des Ringens um
erfolgreiche Abmahnungsabwehr.
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Montag, 31. Mai 2010
Kampf der Kulturen im Urheberrecht, Markenrecht und Wettbewerbsrecht: "FAZ" und "SZ" gegen "perlentaucher.de" vor dem Bundesgerichtshof
Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung“ und die "Süddeutsche Zeitung" versuchen nach insoweit beim Landgericht und beim OLG Frankfurt verlorenen Klageverfahren nun in der Revisionsinstanz vor dem I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, dem Internet-Kulturmagazin "perlentaucher.de" die kommerzielle Verwertung sogenannter Abstracts verbieten zu lassen. Am 15.07.2010 steht die mündliche Verhandlung vor dem BGH an.
Auf ihrer angegriffenen Internetseite bietet perlentaucher.de verkürzte Zusammenfassungen verschiedener Feuilletonartikel von bedeutenden deutschsprachigen Zeitungen an. Dies betrifft u. a. in der FAZ und der SZ abgedruckte Originalrezensionen bzw. Kritiken aktueller Buchveröffentlichungen. An den Abstracts erteilt das verklagte Online-Magazin auch entgeltliche Lizenzen zu Gunsten der Internet-Buchshops amazon.de und buecher.de.
Die Zeitungsverlage wenden sich gegen diese kommerzielle Verwertung der anerkannten Rezensionen im Wege der Weiterlizenzierung an Dritte. Sie nehmen die Beklagte auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz in Anspruch, wobei hinsichtlich des Schadensersatzes lediglich der Feststellungsantrag gestellt wird.
Landgericht (2/3 O 171/06 und 172/06) und OLG (11 U 75/06 und 76/06) haben die Klagen abgewiesen und eine Verletzung urheberrechtlicher Schutzrechte verneint. Die Abstracts seien freie Benutzungen der Originalrezensionen gem. § 24 UrhG und als solche zulässig.
Die Verlage hätten auch keine Ansprüche gem. § 14 Abs. 5 und 6 MarkenG. So habe die Beklagte z.B. das Zeichen „FAZ“ nicht markenmäßig benutzt.
Wettbewerbsrechtliche Ansprüche würden ebenfalls ausscheiden. Insbesondere sei nicht feststellbar, dass die durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Internetnutzer die Abstracts etwa mit den entsprechenden Feuilletonkritiken der Zeitungsverlage verwechselten (§ 4 Nr. 9a UWG). Soweit die Beklagte die Wertschätzung der Originalrezensionen für ihre Internetseite überhaupt ausnutze, sei dies jedenfalls nicht unangemessen i.S. d. § 4 Nr. 9b UWG und urheberrechtlich zudem gestattet.
Unter Berücksichtigung des aktuell eher liberalen Rechtsprechungstrends des BGH ist wohl - m. E. zu Recht - eine Bestätigung der vorherigen Instanzen zu erwarten. Andernfalls müsste man sicherlich einer weiteren Welle von Abmahnungen und Klageverfahren durch "Beton"- und "Kohle"-orientierte Urheber-Egomanen entgegensehen. Damit sollen Urheber keineswegs ihrer Rechte beraubt werden; gerade im Bereich der Online-Kultur würde uns allerdings etwas mehr fruchtbare Durchlässigkeit, friedliche Koexistenz und gönnende Gelassenheit gut tun. Hinzu kommen die verfassungsrechtlichen Dimensionen, die Rechte ... und Pflichten ... beispielsweise aus Art. 5 und Art. 14 GG - und nicht zuletzt der Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit.
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Freitag, 28. Mai 2010
Mit allen Mitteln: Die psychologischen Tricks bei Abmahnung wegen Filesharing
Das Geschäftsmodell "Filesharing-Abmahnung" funktioniert in größerem und wachsendem Ausmaß seit über fünf Jahren. Ein Rückgang der Auskunftsverfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG und der danach verbreiteten Abmahnungsschreiben ist - auch nach dem WLAN-Urteil des BGH vom 12.05.2010 - nicht absehbar.
Um es vorweg zu nehmen: Nicht jede Abmahnung ist per se unanständiger "Psycho-Terror".
Bei etlichen Abmahnungs-Pamphleten spielen allerdings gezielte psychologische Strategien der Abmahnungs-Branche eine nicht unbedeutende Rolle, um die Internet-Anschlussinhaber und Abmahnungs-Empfänger subtil zu beeinflussen bzw. unter Druck zu setzen
In der anwaltlichen Praxis tauchen immer wieder insbesondere die folgenden Manöver auf:
1. Die Abmahnungspost erreicht die Adressaten gehäuft kurz vor dem oder am Wochenende, kurz vor Feiertagen oder während der Ferienzeit, um die Einholung kurzfristiger anwaltlicher Beratung bzw. Hilfe zu erschweren, den etwaigen familiären Zwist zusätzlich zu schüren und den Psycho-Stress noch zu erhöhen.
2. Das Abmahnungsschreiben wird mit komplexer Fachterminologie gespickt, um zum einen besonders bedeutungsschwangere Eindrücke zu vermitteln und zum anderen eine kritische Auseinandersetzung mit den Abmahnungs-Thesen zu erschweren und zu unterdrücken.
3. Aus den gleichen Gründen werden zahllose, z. T. veraltete und singuläre Gerichtsentscheidungen benannt und/oder zitiert.
4. Das Abmahnungsschreiben wird mit den vorbeschriebenen Inhalten und weiterer juristischer Prosa übermäßig aufgefüllt und "verlängert", um auch hierdurch den Lese-Stress für den juristischen Laien zu erhöhen.
5. Die Diktion der Abmahnung ist sehr entschieden, vielleicht sogar scharf und bedrohlich - unter missverständlicher Vorspiegelung angeblich handgreiflicher extremer Bestrafungs- und Verteuerungs-Risiken.
6. Eine andere Variante ist die bemüht freundliche, zugewandte Ansprache, die sich vermeintlich vornehmlich um die Interessen des bzw. der Abgemahnten sorgt.
7. Im Laufe nachfolgender Korrespondenz kann sich die vorbeschriebene Taktik jeweils austauschen oder ändern (nach dem Motto: Wenn es im Guten nicht geht, ...).
8. Aktuellere, die Rechtsposition des oder der Abgemahnten verbessernde Rechtsprechung wird verschwiegen oder mit zweifelhafter Argumentation als nicht einschlägig deklariert.
9. Es werden unzutreffende und übertriebene Schadens-Szenarien dargestellt zur "politischen" und klimatischen Rechtfertigung der Abmahnungs-Aktion.
10. Die vermeintliche Qualität bzw. Wertigkeit des vermeintlich betroffenen Werkes wird unrealistisch übertrieben.
11. Die unterschiedlichen Voraussetzungen unterschiedlicher urheberrechtlicher Ansprüche ( gerichtet etwa auf Unterlassung, Auskunft, Löschung, Vernichtung, Schadensersatz, Aufwendungsersatz und Kostenerstattung) werden in missverständlicher und/oder unzutreffender Weise vermischt.
12. Die möglichen bzw. angebrachten technischen und/oder prozessualen Zweifel hinsichtlich der angeblich festgestellten und dokumentierten Recherche-Ergebnisse und deren vermeintliche Konsequenzen werden verschwiegen oder verniedlicht (z. B. bzgl. dynamischer IP-Adresse, Datei-Name, Hash-Werte, Gutachten etc.).
13. Die im summarischen Verfahren ergangenen landgerichtlichen Beschlüsse nach § 101 Abs. 9 UrhG werden überinterpretiert, als wenn damit praktisch die Verantwortlichkeit der abgemahnten Anschluss-Inhaberin bzw. des abgemahnten Anschluss-Inhabers bereits gerichtlich festgestellt worden ist.
14. Es werden Streitwerte und Kostenerstattungsbeträge in den Raum gestellt, die mit dem konkreten Fall oft nichts zu tun haben.
15. Schließlich wird ein "großzügiger" Vergleich mit einem vermeintlich entgegenkommenden Vergleichsbetrag angeboten zur "endgültigen" Erledigung der Angelegenheit und zur Vermeidung von Schlimmerem, insbesondere zur angeblichen Vermeidung ansonsten bevorstehender Gerichtsverfahren (einstweilige Verfügung und/oder Klage), wobei gleichzeitig eine unangemessene und nicht verantwortbare strafbewehrte Unterlassungserklärung vorgelegt wird, die angeblich keinesfalls verändert werden darf.
16. Der oder die Abgemahnte wird so in diffusen Stress versetzt, der durch knappe Fristsetzung noch erhöht wird.
Dieses Vorgehen gibt erneuten Anlass, im Zusammenhang mit etlichen Filesharing-Abmahnungen die Frage nach der Verhältnismäßigkeit und dem Gebot von Treu und Glauben zu stellen.
Ein besonnener und sachgerechter Umgang mit der Abmahnung und dem Thema "Filesharing", "Tauschbörse" und "P2P" sowie die Einholung kompetenter Hilfe zur Abwehr der Abmahnung und zur etwaigen Abgabe einer im konkreten Fall modifizierten interessengerechten strafbewehrten Unterlassungserklärung soll durch derartige Psycho-Tricks sicher nicht gefördert werden.
Um es vorweg zu nehmen: Nicht jede Abmahnung ist per se unanständiger "Psycho-Terror".
Bei etlichen Abmahnungs-Pamphleten spielen allerdings gezielte psychologische Strategien der Abmahnungs-Branche eine nicht unbedeutende Rolle, um die Internet-Anschlussinhaber und Abmahnungs-Empfänger subtil zu beeinflussen bzw. unter Druck zu setzen
In der anwaltlichen Praxis tauchen immer wieder insbesondere die folgenden Manöver auf:
1. Die Abmahnungspost erreicht die Adressaten gehäuft kurz vor dem oder am Wochenende, kurz vor Feiertagen oder während der Ferienzeit, um die Einholung kurzfristiger anwaltlicher Beratung bzw. Hilfe zu erschweren, den etwaigen familiären Zwist zusätzlich zu schüren und den Psycho-Stress noch zu erhöhen.
2. Das Abmahnungsschreiben wird mit komplexer Fachterminologie gespickt, um zum einen besonders bedeutungsschwangere Eindrücke zu vermitteln und zum anderen eine kritische Auseinandersetzung mit den Abmahnungs-Thesen zu erschweren und zu unterdrücken.
3. Aus den gleichen Gründen werden zahllose, z. T. veraltete und singuläre Gerichtsentscheidungen benannt und/oder zitiert.
4. Das Abmahnungsschreiben wird mit den vorbeschriebenen Inhalten und weiterer juristischer Prosa übermäßig aufgefüllt und "verlängert", um auch hierdurch den Lese-Stress für den juristischen Laien zu erhöhen.
5. Die Diktion der Abmahnung ist sehr entschieden, vielleicht sogar scharf und bedrohlich - unter missverständlicher Vorspiegelung angeblich handgreiflicher extremer Bestrafungs- und Verteuerungs-Risiken.
6. Eine andere Variante ist die bemüht freundliche, zugewandte Ansprache, die sich vermeintlich vornehmlich um die Interessen des bzw. der Abgemahnten sorgt.
7. Im Laufe nachfolgender Korrespondenz kann sich die vorbeschriebene Taktik jeweils austauschen oder ändern (nach dem Motto: Wenn es im Guten nicht geht, ...).
8. Aktuellere, die Rechtsposition des oder der Abgemahnten verbessernde Rechtsprechung wird verschwiegen oder mit zweifelhafter Argumentation als nicht einschlägig deklariert.
9. Es werden unzutreffende und übertriebene Schadens-Szenarien dargestellt zur "politischen" und klimatischen Rechtfertigung der Abmahnungs-Aktion.
10. Die vermeintliche Qualität bzw. Wertigkeit des vermeintlich betroffenen Werkes wird unrealistisch übertrieben.
11. Die unterschiedlichen Voraussetzungen unterschiedlicher urheberrechtlicher Ansprüche ( gerichtet etwa auf Unterlassung, Auskunft, Löschung, Vernichtung, Schadensersatz, Aufwendungsersatz und Kostenerstattung) werden in missverständlicher und/oder unzutreffender Weise vermischt.
12. Die möglichen bzw. angebrachten technischen und/oder prozessualen Zweifel hinsichtlich der angeblich festgestellten und dokumentierten Recherche-Ergebnisse und deren vermeintliche Konsequenzen werden verschwiegen oder verniedlicht (z. B. bzgl. dynamischer IP-Adresse, Datei-Name, Hash-Werte, Gutachten etc.).
13. Die im summarischen Verfahren ergangenen landgerichtlichen Beschlüsse nach § 101 Abs. 9 UrhG werden überinterpretiert, als wenn damit praktisch die Verantwortlichkeit der abgemahnten Anschluss-Inhaberin bzw. des abgemahnten Anschluss-Inhabers bereits gerichtlich festgestellt worden ist.
14. Es werden Streitwerte und Kostenerstattungsbeträge in den Raum gestellt, die mit dem konkreten Fall oft nichts zu tun haben.
15. Schließlich wird ein "großzügiger" Vergleich mit einem vermeintlich entgegenkommenden Vergleichsbetrag angeboten zur "endgültigen" Erledigung der Angelegenheit und zur Vermeidung von Schlimmerem, insbesondere zur angeblichen Vermeidung ansonsten bevorstehender Gerichtsverfahren (einstweilige Verfügung und/oder Klage), wobei gleichzeitig eine unangemessene und nicht verantwortbare strafbewehrte Unterlassungserklärung vorgelegt wird, die angeblich keinesfalls verändert werden darf.
16. Der oder die Abgemahnte wird so in diffusen Stress versetzt, der durch knappe Fristsetzung noch erhöht wird.
Dieses Vorgehen gibt erneuten Anlass, im Zusammenhang mit etlichen Filesharing-Abmahnungen die Frage nach der Verhältnismäßigkeit und dem Gebot von Treu und Glauben zu stellen.
Ein besonnener und sachgerechter Umgang mit der Abmahnung und dem Thema "Filesharing", "Tauschbörse" und "P2P" sowie die Einholung kompetenter Hilfe zur Abwehr der Abmahnung und zur etwaigen Abgabe einer im konkreten Fall modifizierten interessengerechten strafbewehrten Unterlassungserklärung soll durch derartige Psycho-Tricks sicher nicht gefördert werden.
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