Mittwoch, 12. Mai 2010

BGH-Urteil zur Störerhaftung bei unzureichend gesichertem WLAN-Anschluss und Konsequenzen für Filesharing-Abmahnungen

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit heutigem Urteil vom 12.05.2010 - I ZR 121/08 - ("Sommer unseres Lebens") einige Klarstellungen im Zusammenhang mit offenen Fragen bei Filesharing-Abmahnungen getroffen. Gleichzeitig bleiben allerdings auch weiterhin einige Problemfelder ungeklärt.

Festhalten lässt sich im derzeitigen Stadium - die schriftlichen Urteilsgründe liegen noch nicht vor - die folgenden Schlüsse:



1. Bei nicht ausreichend gesichertem WLAN-Anschluss haftet der private Anschlussinhaber nach den Rechtsgrundsätzen der Störerhaftung auf Unterlassung und auf Erstattung der Abmahnkosten, wenn der nicht ausreichend gesicherte WLAN-Anschluss von unberechtigten Dritten für Urheberrechtsverletzungen - beispielsweise im Rahmen von Filesharing - genutzt wurde.


2. Wird lediglich ein Musiktitel im Rahmen unberechtigter Tauschbörsen-Teilnahme öffentlich zugänglich gemacht, findet die Bagatellklausel des § 97a Abs. 2 UrhG Anwendung mit der darin geregelten Obergrenze für die anwaltlichen Kosten einer erstmaligen Abmahnung in Höhe von 100,00 Euro.


3. Dem privaten Betreiber eines WLAN-Netzes kann nicht zugemutet werden, die Netzwerksicherheit fortlaufend dem neuesten Stand der Technik anzupassen und dafür entsprechende finanzielle Mittel einzusetzen. Privatpersonen haben insofern lediglich die im Zeitpunkt der Installation des Routers für den privaten Bereich marktüblichen Sicherungen aufrecht zu erhalten und deren Einhaltung regelmäßig zu prüfen.
Sie sollten es allerdings nicht bei den werkseitigen Standardsicherheitseinstellungen des WLAN-Routers belassen und das vorgegebene Passwort durch ein persönliches, ausreichend langes und sicheres Passwort ersetzen.


4. In den Fällen der obigen Ziff. 1. ist der Anschlussinhaber mangels Vorsatz nicht zum Schadensersatz verpflichtet. Der BGH bewertet den Anschlussinhaber in derartigen Fällen weder als Täter, noch als Gehilfen oder Teilnehmer der durch einen unberechtigten Dritten vorgenommenen Urheberrechtsverletzung.


5. Nicht abschließend geklärt wird durch das BGH-Urteil vom 12.05.2010 die Frage, welche Art der Absicherungen bzw. Verschlüsselungen vom BGH als zum Zeitpunkt der Installation des Routers jeweils "marktübliche Sicherung" angesehen wird. Dies wird insofern auch zukünftig einer der offenen Streitpunkte bleiben und im Einzelfall ggf. auch erst durch Sachverständigen-Beweis einer Klärung näher gebracht werden können.

Als aktueller Mindest-Sicherungsstandard wird derzeit eine WPA2-Verschlüsselung verlangt.


6. Das BGH-Urteil wird nach Vorliegen der vollständigen schriftlichen Entscheidungsgründe genau zu analysieren sein, zeigt allerdings bereits jetzt Grenzen für Filesharing-Abmahnungen gegenüber Privatpersonen auf. Andererseits bleiben z. B. offene Fragen nicht ohne Dramatik für gewerbliche Betreiber von Hotspots, Internet-Cafes o. Ä.  im Hinblick auf die Anwendbarkeit des § 8 TMG.

Ergänzung vom 03.06.2010: Zwischenzeitlich liegen die schriftlichen Entscheidungsgünde des I. Zivilsenates vor, die ich hier recht kritisch kommentiert habe.