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Dienstag, 10. August 2021

Social Media: Rechtliche Minenfelder für Influencer & Co.


Urheberrecht, Markenrecht, Internetrecht für Influencer
Influencer sind auf rechtlich gefährlichen Feldern unterwegs.

Die Unbefangenheit und Arglosigkeit, mit der viele sich aufmachen, ohne jede Vorbereitung und Prüfung auf Instagram, bei Snapchat oder in anderen sozialen Medien bildliche und/oder textliche Inhalte zu veröffentlichen, erstaunt mich immer wieder. Immerhin sind die Medien doch voll von Berichten zu juristischen Auseinandersetzungen bspw. über Bildrechte oder Persönlichkeitsrechte. Entsprechende Abmahnungen und Klagen gehören fast schon zum sozialmedialen Alltag. Das sogenannte Internetrecht und Medienrecht birgt dabei oft mehr rechtlichen Sprengstoff, als so mancher vermutet. 

Ohne an dieser Stelle jungen Newcomern, Influencern, Bloggern, Start-Ups und Mediensternchen jeden Mut zum kreativen Durchstarten in lukrative virtuelle Karrierehimmel nehmen zu wollen, sollen hier doch einmal wesentliche Rechtsgebiete bzw. rechtliche „Minenfelder“ aufgezeigt werden, auf denen für die angesprochenen Zielgruppen besonders häufig juristische Konflikt- und Regressrisiken auftauchen. 

Da ist zum einen das Urheberrecht. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der vollständigen oder auch nur teilweisen Übernahme fremder Fotos oder Zeichnungen und dies kann durchaus auch sog. „freies“ oder „kostenloses“ Material betreffen, wenn bspw. die im Zusammenhang mit den entsprechenden Angeboten vorgegebenen Nutzungsbedingungen nicht eingehalten werden oder die grundsätzlich vorgeschriebene Urhebernennung nicht erfolgt. 

Unabhängig vom Urheberrecht ist – auch bei selbst geschossenen Fotos – das Bildrecht der abgebildeten Person zu beachten, ohne deren ausdrückliche Einverständniserklärung nur in rechtlichen Ausnahmefällen eine Veröffentlichung gestattet ist. 

Das vorerwähnte Bildrecht leitet sich ab aus dem Persönlichkeitsrecht bzw. dem Reputationsrecht, das nicht nur im Zusammenhang mit Abbildungen eine Rolle spielen kann, sondern auch im Zusammenhang mit textlichen Äußerungen, die wegen unwahrer oder diskreditierender Inhalte rechtsverletzend sein können. 

Neben den zuvor angesprochenen Bild- und Persönlichkeitsrechten kann zudem auch das Hausrecht der betroffenen Person verletzt werden z. B. durch einverständnislose Veröffentlichung von Abbildungen, die das Grundstück oder auf dem Grundstück befindliche Gegenstände betreffen. Da hilft selbst die sog. „Panoramafreiheit“ nicht immer weiter. 

Häufig verkannte Rechtsmaterien im Zusammenhang mit Kennzeichnungen und Ausgestaltungen innerhalb sozialer Medien bilden das Markenrecht, das Titelrecht und auch das Namensrecht. Mit den vorgenannten Konfliktfeldern können darüber hinaus auch unverhoffte Verstöße im Designrecht, das früher Geschmacksmusterrecht genannt wurde, korrespondieren. Da schmückt man sich schon mal gerne mit prominenten Kennzeichen oder Gestaltungen und selbst dann, wenn es sich dabei im Einzelfall nicht um eine rechtswidrige marken- oder designrechtsverletzende Darstellung handeln sollte, kann unabhängig davon dennoch manchmal das Wettbewerbsrecht dem übermotivierten Internetsternchen einen Strick drehen – etwa bei wettbewerbsrechtlich unzulässiger Rufausbeutung bzw. unlauterer Anlehnung an fremde Leistungen. 

Dass Online-Veröffentlichungen zudem ggf. bestehendes Vertragsrecht verletzen können, liegt in der Natur mancher vertraglicher Regelungen. 

Und dass bei allen Veröffentlichungen auch das Datenschutzrecht nicht unbeachtet bleiben darf, hat gerade in den letzten Jahren viele überfordert. 

Das ist schon eine Menge Stoff, der bei begrenzten zeitlichen und finanziellen Ressourcen möglichst praktikabel, aber dennoch verantwortungsvoll zu beachten, zu prüfen und zu bewältigen ist, wenn man auf diesen Felden nicht ungewollt in die Luft fliegen möchte.



Mittwoch, 24. Dezember 2014

Das Urheberrecht des Lukas - Abmahnung in der Weihnachtspost


Die frohe Botschaft zur weihnachtlichen Filesharing-Abmahnung
"Es begab sich aber zu der Zeit, dass  rasch ein Gebot von dem Kaiser Sebastian ausging, dass alle Netzwelt abgemahnt würde. Und diese Abmahnung war weiß Gott nicht die Allererste und geschah zur Zeit, da ein Frommer Warner und Sonyus Lizenz-Halter in Universal war. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeglicher mit seinem Router ohne fliegenden Gerichtsstand in seine Stadt.
Da machte sich auf auch Joe von seiner dynamischen IP-Adresse, aus der Auskunftsliste aus der Stadt Colonia, in das Landgericht fern der Stadt Waldorfs, die da heißt Bielefeld, während er gar nicht aus der Tauschbörse und dem Geschlechte Filesharings war, damit er sich löschen ließe mit Mary, seinem vertrauten Motherboard; das ging mit einem Sony schwanger.
Und als sie daselbst waren, kam die Zeit, dass sie downloaden sollte. Und sie erwarb ihren ersten Song und wickelte ihn in W-Lans und legte ihn in einen Ordner; denn sie hatten sonst keinen Speicher in der Hardware.
Und es waren Piraten in demselben Forum auf dem Hotspot bei den Netzsperren, die hüteten des Nachts ihre Software. Und siehe, die Justizangestellte des Herrn Richter trat zu ihnen und die Ladung des Herrn Richter leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. Und die Angestellte sprach zu ihnen: Fürchtet Euch nicht! Siehe, ich verkündige Euch große Freude, die allem Web widerfahren wird; denn Euch ist heute der Highlander geboren, welcher ist Piratus, der Herr oder die Frau, in der Stadt Karlsruhe. Und das habt zum primären und sekundären Beweis: Ihr werdet nicht finden den Titel in Hashwerte gewickelt und in einer Crawling-Krippe liegen.
Und alsbald war da bei der Justizangestellten die Menge der bloggenden Medienscharen, die lobten den göttlichen Gerichtshof und sprachen: Ehre sei Karlsruhe in der Höhe und Friede auf Erden bei den Urhebern seiner Lizenz und den Störern seines Wohlgefallens. Und da die Juristen von ihnen gen World Wide Web fuhren, sprachen die Piraten untereinander: Lasst uns nun gehen gen Bielefeld und die News sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr Richter gepostet hat. Und sie kamen eilend und fanden beide, Mary und Joe, dazu die Datei in dem Ordner liegen.

Da sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Posting aus, welches zu ihnen von diesem Blog gesagt war. Und alle, vor die es kam, wunderten sich der Tweets, die ihnen die Follower retweetet hatten. Mary aber behielt alle diese Tweets und bewegte sie in ihrem Betriebssystem. Und die Piraten kehrten wieder um, favten die Tweets und lobten das Internet um alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gepostet war."
Mit freundlicher Genehmigung von Lukas und den besten Wünschen
für friedvolle Weihnachten und einen abmahnungsfreien Jahreswechsel

Samstag, 4. Mai 2013

Blogger-Casting und Medienrecht: Wie man "Wirtschaftsrecht" mit Humor nimmt

Da war ich doch kurz sprachlos, kurz - wie gesagt:

In einer nicht repräsentativen Umfrage im Kartellblog des Kollegen Johannes Zöttl wurde petrings.de unter die vermeintlich zwei besten Blogs zum Thema "Wirtschaftsrecht" gewählt.

Ganz herzlichen Dank. Die Auszeichnung kann ich allerdings - trotz all meiner Unbescheidenheit und bei allem Humor - nicht annehmen. Dazu erscheint mir das von mir bloggend und anwaltlich beackerte Feld des Medienrechts doch als ein zu spezieller Ausschnitt von Wirtschaftsrecht, wie ich es verstehe. Oder sind wir alle ein bisschen "Wirtschaftsrecht"? Zumindest handelt es sich bei dem in meinen Beiträgen so oft und so heftig kritisierten "Geschäftsmodell" der Filesharing-Abmahnung um einen für die Rechte-Industrie lukrativen Wirtschaftszweig. Immerhin.

Weder die Leserinnen und Leser von kartellblog.de, noch die gelegentlichen Besucherinnen und Besucher von petrings.de müssen aber befürchten, dass ich die freundliche Auszeichnung überinterpretiere ... obwohl, gefreut habe ich mich dennoch. Und aus Anlass des überraschenden Blogger-Castings werde ich kurzfristig mal wieder einen Beitrag zum MEDIENRECHT fabrizieren; versprochen.

Samstag, 22. Dezember 2012

Skandal: Abmahnung der Weihnachtsgeschichte

Engel, Hirten und Piraten
Urheberrecht zum Fest
"Es begab sich aber zu der Zeit, dass rasch ein Gebot von dem Kaiser Sonyus ausging, dass alle Netzwelt abgemahnt würde. Und diese Abmahnung war weiß Gott nicht die Allererste und geschah zur Zeit, da ein Frommer Warner und Quälgeistius Lizenz-Halter in Universal war. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeder mit seinem Router.

Da machte sich auf auch Josef von seiner dynamischen IP-Adresse, aus der Auskunftsliste aus der Stadt Colonia, in das bayerische Land zur Stadt Waldorfs, die da heißt Betteldenn, während er gar nicht aus der Tauschbörse und dem Geschlechte Filesharings war, damit er sich löschen ließe mit Maria, seinem vertrauten Motherboard; das ging mit einem W-LAN schwanger.

Und als sie dort waren, kam die Zeit, dass sie downloaden sollte. Und sie erwarb ihren ersten Song und wickelte ihn in Dateien und legte ihn in einen Ordner; denn sie hatten sonst keinen Speicher in der Hardware.

Und es waren Piraten in demselbem Forum auf dem Hotspot bei den Netzsperren, die hüteten des Nachts ihre Software. Und der Pressesprecher des Herrn Richter trat zu ihnen und das Unterlassungsurteil des Herrn Richter leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Sprecher sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Netz-Freiheit, die allem Web widerfahren wird; denn euch ist heute der Highlander geboren, welcher ist Piratus, der Herr oder die Frau, in der Stadt Karlsruhe. Und das habt zum primären und sekundären Beweis: ihr werdet nicht finden den Titel in Hashwerte gewickelt und in einer Crawling-Krippe liegen.

Und alsbald war da bei dem Pressesprecher die Menge der bloggenden Medienscharen, die lobten den göttlichen Gerichtshof und sprachen: Ehre sei Karlsruhe in der Höhe und Friede auf Erden bei den Urhebern seiner Lizenz und den Störern seines Wohlgefallens."

 - Mit freundlicher Genehmigung von Lukas und den besten Wünschen für friedvolle Weihnachten und einen abmahnungsfreien Jahreswechsel -

Freitag, 1. Juni 2012

Abmahnung für zweierlei Maß: Wenn ein Link Eindruck erweckt - im Blog und bei Gericht



Medienrechtliche Begründungstechnik aus Hamburg in der Kritik

Nach einem heftig diskutierten aktuellen Urteil der Hamburger Pressekammer soll ein Blogger, und zwar der Kollege Rechtsanwalt Markus Kompa, für Inhalte verlinkter Filmdateien als Störer haften. Über medienrechtliche und verfassungsrechtliche Fragen kann und darf heftig gestritten werden - auch bei Gericht und auch von unterschiedlichen Gerichten und gerichtlichen Instanzen. Das Urteil der "fliegenden" Zivilkammer 24 des Landgerichts Hamburg (Az. 324O 596/11) ist allerdings bereits wegen der im Tatbestand und in seinen Entscheidungsgründen enthaltenen Darstellungs- und Argumentationstechnik als denklogisch, verfahrensrechtlich und materiellrechtlich kritikwürdig und unangemessen zu bewerten.

In dem Zusammenhang fallen u. a. die folgenden Handhabungen auf:

1.
Schon im Urteilstatbestand wird man unter Zugrundelegung der vom Kollegen Rechtsanwalt Thomas Stadler mitgeteilten Details dem wirklichen Sachvortrag des beklagten Bloggers nicht gerecht.

Im Tatbestand finden sich einige Angaben über das vermeintliche Vorgehen der Mitarbeiter der WISO-Redaktion bzw. des ZDF anlässlich ihres "Besuchs" und der Durchführung von "Filmaufnahmen, die am 22.9.2010 mit versteckter Kamera in der Münchener Arztpraxis des Klägers" gefertigt wurden. Im richterlich abgefassten Tatbestand befinden sich auch einige Einzelheiten zu vermeintlich richtigen oder falschen Inhalten einer in dem streitgegenständlichen Fernsehbeitrag abgebildeten Presseerklärung der Charité.

Angaben zu diesbezüglichen Kenntnis- oder Erkenntnis-Möglichkeiten des bloggenden Beklagten finden sich im Urteilstatbestand demgegenüber nicht, obwohl anscheinend gegenüber dem Leser des Urteils der Eindruck erweckt werden soll, der beklagte Blogger habe diesbezügliche Detail-Kenntnisse gehabt bzw. haben müssen. Aber vielleicht sollten wir dem Urteil nicht voreilig bestimmte Eindruckerweckungen vorhalten, obwohl es selbst massiv dazu neigt; dazu sofort mehr:

2.
Die in den Entscheidungsgründen enthaltene Formulierung

"Der mit dem Antrag zu Ziffer 2. beanstandete Eindruck, der Kläger habe in seiner Münchener Praxis Patienten Eigenblutpräparate mit nach Hause gegeben, wird durch die Bezugnahme auf eben die Münchener Praxisräume erweckt. Dieser Eindruck hat jedenfalls prozessual als unwahr zu gelten."

ist entlarvend. Dies gilt insbesondere, wenn einerseits im Zusammenhang mit der Frage eines etwaigen "Eindruck Erweckens" die Pressekammer offensichtlich sehr weite und großzügige Auslegungen vorzunehmen bereit ist, andererseits aber Beweisanträge des Beklagten in recht spitzfindiger Manier und in unangemessener Weise sehr eng auslegen möchte:

"Der Beklagte trägt zwar vor, die Behauptung, der Kläger händige Eigenblutpräparate an seine Patienten aus, sei wahr. Eine solche Äußerung ist aber gar nicht streitgegenständlich. Der Kläger beanstandet nicht die pauschale Aussage, er händige Eigenblutpräparate an Patienten aus, unabhängig davon, wo dies erfolgen soll, sondern bezieht sich ausdrücklich auf eine Abgabe in seiner Münchener Arztpraxis. Ob der Kläger also möglicherweise in seiner Salzburger Praxis Eigenblutpräparate Patienten mit nach Hause gibt, ist weder Gegenstand der angegriffenen Berichterstattung noch des Antrags des Klägers. Bereits aus diesem Grund war dem angebotenen Zeugenbeweis des Beklagten nicht nach zu gehen. Auch darüber hinaus ist der Beweisantritt unsubstantiiert, so dass eine Vernehmung der Zeugen auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis hinausliefe. Dies folgt schon aus dem Umstand, dass der Beklagte seine Beweisbehauptung darauf bezieht, dass der "Kläger bzw. dessen Mitarbeiter" die Ampullen an Patienten aushändigten. Der Beklagte lässt in seinem Beweisantritt also selbst offen, ob tatsächlich der Kläger die Eigenblutpräparate den Patienten mit nach Hause gibt. Hier auf  kommt es jedoch gerade entscheidungserheblich an, da nur eine solche Behauptung streitgegenständlich ist."


Das ist nach meiner Auffassung unzulässige Wortklauberei. Hier wird in unerträglicher Weise mit zweierlei Maß gemessen.Was veranlasst das Gericht, einem Beweisantritt zu unterstellen, es gehe darin nicht um die naheliegende streitgegenständliche Auslegungsvariante?

Auch unabhängig von der Frage, welche Eindruckerweckungen man aus medialen Berichterstattungen abzuleiten in der Lage oder Willens ist, beschneidet die nicht sachgerechte Berücksichtigung der Beweisantritte des Beklagten diesen nachhaltig in seinen prozessualen Rechten.

3.
Soweit über die fragliche Existenz eines „Gutachtens“ oder einer „objektiven gutachterlichen Beurteilung“ der Charité zur Wirksamkeit der Therapien des klagenden Krebsarztes gestritten wird, finden sich im erstinstanzlichen Urteil widersprüchliche Ansätze und Bewertungen:

 - „Die in dem Fernsehbeitrag gezeigte Abbildung einer Pressemitteilung der Charité bestreitet ausdrücklich die Existenz zur Wirksamkeit der Therapien.“
 - „Dieser Eindruck wird durch den vom Beklagten verfassten Text, der unterhalb des Videos mit dem ZDF-Beitrag zu sehen ist, nicht revidiert.“
 - Der beklagte Blogger weise dort lediglich darauf hin, dass der umstrittene Krebsarzt „stets mit einem vierseitigen Gutachten der Charité“ … „argumentiere“.

Heißt Distanzierung von verlinkten Inhalten jetzt neuerdings „Revidierung“?
Wie soll ein Blogger sachgerechter mit der kurzen Darstellung von (medienrechtlichen) Streitfällen umgehen, als mit der Erwähnung oder Skizzierung beider Streitpositionen?

Falls ein Blogger dabei ansatzweise eigene Bewertungen einfließen lassen sollte – was im Übrigen m. E. mit eine der vornehmsten Aufgaben eines Bloggers ist (!) – dürfte selbst dies vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich garantierten Meinungsfreiheit nicht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führen.

Das Hamburger Urteil geht allerdings noch weiter: Es legt sich fest und legt dabei zu Grunde: „Der so erweckte Eindruck ist unwahr.“ In dem Zusammenhang verweist es auf eine „gutachterliche Stellungnahme der Charité zur Wirksamkeit des Arzneimittels Eigenblutytokine in der Tumormedizin.“ Ja, da wird mal wieder mit weniger anspruchsvollen Maßstäben agiert - statt mit der an anderer Stelle manchmal "akribischen" Bedeutungszumessung zu bestimmten Begrifflichkeiten oder Formulierungen: So wird schon mal schnell aus einer schlichten „gutachterlichen Stellungnahme der Charité zur Wirksamkeit des Arzneimittels Eigenblutytokine in der Tumormedizin“ ein „Gutachten der Charité zur Wirksamkeit der Therapien des Dr.  …“ bzw. eine „objektive gutachterliche Beurteilung, welche den Therapieerfolg wissenschaftlich glaubwürdig belegt“, wie es im dritten Klageantrag heißt. Erstaunlich ungenau, wenn man bedenkt, wie genau die Blog-Formulierungen des Beklagten eingegrenzt werden.

4.
Mit zweierlei Maß wird auch dann gemessen, wenn es um die juristisch und prozessual übliche und zulässige Möglichkeit geht, sich im Rahmen seines Vortrages auf den Inhalt konkret beigefügter Texte zu beziehen.

Die erkennende Kammer verweist in ihren Entscheidungsgründen über lange Passagen auf Urteilstexte aus einem parallelen einstweiligen Verfügungsverfahren des klagenden Krebsarztes gegen das ZDF (Az. 324 O 657/10) sowie auf Veröffentlichungen des Bundesverfassungsgerichts, um damit das hier kritisierte Urteil zu begründen. Dem Beklagten wird im gleichen prozessualen Verfahren und mit dem gleichen Urteil demgegenüber das Recht abgesprochen, sich zur Vermeidung von Wiederholungen seinerseits auf den Text der Widerspruchsschrift vom 26.1.2012 aus eben dem vom Gericht im Urteil unter Bezug genommenen Verfahren des Klägers gegen das ZDF (Az. 324 O 657/10) sowie auf den Schriftsatz der dortigen Antragsgegnerin vom 9.3.2012 zu beziehen und sich den dortigen Inhalt zu Eigen zu machen.

Auch dem Antrag des Bloggers, die vorerwähnte Verfahrensakte beizuziehen, wurde seitens des Gerichts nicht entsprochen.

Im Urteil halten es die Richter dennoch für richtig, sich über drei Seiten lang gerade auf den Inhalt des dort gefällten Urteils zur Begründung des hier gefällten Urteils zu beziehen.

5.
Eine Beiziehung der Akten des Parallelverfahrens wäre im Übrigen auch bereits vor dem Hintergrund des prozessualen Grundsatzes der "Waffengleichheit" fair und geboten gewesen. Dies gilt um so mehr, als die Kammer offensichtlich maßgeblich auf Erkenntnisse oder Bewertungen aus dem Parallelverfahren zurückgreifen will.

6.
Soweit die Pressekammer journalistische Recherchen als "Ausspionieren" klassifiziert bzw. abqualifiziert, ist auch eine derartige Urteilssprache entlarvend. Vier Seiten weiter verlangt das Urteil vom Blogger "eigene Recherchen" zu den Inhalten der verlinkten Filmdatei.

7.
Im hier der Kritik ausgesetzten aktuellen Urteil aus Hamburg ist immer wieder von "Praxis", "Praxisräumen", "Arztpraxis" oder "Arztpraxisräumen" die Rede. Eine genauere und eindeutigere Spezifizierung der Räumlichkeiten findet nicht statt, obwohl nach dem - wenn auch im gerichtlichen Urteilstatbestand nicht wiederfindbar - wohl unstreitig gebliebenen Sachvortrag des Beklagten klargestellt wurde, dass die Filmaufnahmen des ZDF-Teams "keineswegs in den Behandlungszimmern stattfanden, sondern in dem für jedermann frei zugänglichenEmpfangsbereich", was für die Qualität des rechtlich zu bewertenden Schutzbereiches nicht unerheblich sein dürfte.

Dies gilt erst recht, falls der klagende Krebsarzt auch selbst mit Bildaufnahmen seines Instituts bzw. des dortigen Empfangsbereichs nach außen öffentlich und werblich in Erscheinung tritt oder trat. Die entsprechenden Räumlichkeiten sind wohl auch grundsätzlich frei zugänglich, was bei der Abwägung etwaiger Persönlichkeitsrechts-Beeinträchtigungen naturgemäß ebenfalls nicht unbeachtet bleiben darf.

8.
Das Urteil lässt einerseits offen, ob der Blogger sich den Inhalt des verlinkten Fernsehbeitrages zu Eigen macht, andererseits heißt es in den Entscheidungsgründen, „dass er sich nicht inhaltlich mit dem Beitrag auseinandersetzt.“ Dennoch bemüht man die „Grundsätze der Störerhaftung“ und verlangt vom verlinkenden Blogger, Links „zu hinterfragen und eigene Recherchen zu unternehmen“. Der Blogger habe „bei dem Betroffenen nachfragen müssen.“ Und was ist mit weiteren Recherchen des Bloggers beim ZDF … und bei der Charité … und vielleicht auch noch bei unbeteiligten Sachverständigen? Und das alles, „um so das Verhalten des Klägers kritisch zu kommentieren“, wie es an weiterer Stelle des Urteils zu dem Blog-Beitrag des Beklagten heißt. Da werde jemand schlau draus. Medienrechtlich und verfassungsrechtlich wird da allerdings wohl so schnell keiner schlau draus.

9.
Dass die Fachkammer bei der Auslegung der bereits abgegebenen strafbewehrten Unterlassungserklärungen des beklagten Bloggers wieder zu m. E. zu engen und zu strengen Auslegungstendenzen neigt, mag an anderer Stelle erörtert werden, wenn es auch ebenfalls ins Bild passt bzw. zu dem schlechten Eindruck einer gerichtlichen Anlegung unterschiedlicher Maßstäbe.

Samstag, 31. März 2012

Flyer der Musik-, Film- und Buch-Branche "überfliegt" wesentliche Aspekte über Filesharing, Streaming, Blogs, Abmahnungen und Strafverfahren

Ein sich insbesondere an Eltern und Lehrer wendender urheberrechtlicher "Leitfaden" der Rechte-Industrie zum Down- und Upload im Internet sorgt aktuell für Aufmerksamkeit ... und Kritik. Sein Titel:

"LEGAL, SICHER UND FAIR
Nutzung von Musik, Filmen und Büchern aus dem Internet 
Ein Leitfaden für Eltern und Lehrer"

Unbeschadet des unbestreitbaren Rechtes auch der Content- und Abmahnungs-Lobby, ihre Interessen und ihre Meinung zu vertreten - hier nur die bereits bei erster Durchsicht sich m. E. aufdrängenden Kritikpunkte:

  • Der oft missbrauchte und ebenso falsche angebliche Rechtssatz "Eltern haften für ihre Kinder" wird dramatisierend eingesetzt.
  • Tauschbörsen- bzw. Filesharing-Systeme werden ohne ausreichende Differenzierung verteufelt und mit Abofallen, Viren und Trojanern in einen Topf "geworfen".
  • Die überwiegend urheberrechtlich als zulässig eingeordnete Nutzung von Streaming-Portalen wird recht einseitig mit juristischer Mindermeinung kriminalisiert.
  • Blogs und Blogger werden in gefährlicher (oder "geschickter"?) Manier undifferenziert diskreditiert als Produzenten unzulässiger Links.
  • Es wird massiv und undifferenziert die Angst vor Abmahnungen und Strafverfahren geschürt, ohne in verantwortungsvoller Weise auch vor kritikwürdiger Praxis und schwarzen Schafen der Abmahnungsbranche zu warnen.
  • Die Ermittlungsansätze der Abmahnungsbranche gegenüber den Inhabern von Internetanschlüssen über dynamische IP-Adressen und Zeitstempel werden unkritisch überbewertet.
  • Die Grenzen der Störerhaftung, erst recht der Schadenshaftung und auch die Grenzen der sekundären Darlegungs- und Beweislast der Inhaber von Internetanschlüssen werden verschwiegen.
  • Der Begriff "Pirat" wird auf subtile Weise und doch mit recht durchsichtiger Motivation verallgemeinernder Verdächtigung ausgesetzt.

Schade. So kann man nicht wirklich von einem "fairen" und ausgewogenen Umgang mit dem  selbst vorgegebenen Thema gegenüber Eltern und Lehrern ... und Schülerinnen und Schülern ... sprechen.

Samstag, 19. Februar 2011

Die Kündigung der Kunst: Kunstfreiheit in der Lebenswirklichkeit eines Roman-Autors

 Über die fristlose Kündigung eines 50-jährigen kaufmännischen Angestellten und Schriftstellers, der in seinem Roman die "Hölle" des Büro-Alltags auf's Korn genommen hatte, entschied nach Mittelung der "Neue Westfälische" am 18.02.2011 erstinstanzlich die 2. Kammer des Arbeitsgerichts Herford. Dem Export-Sachbearbeiter eines westfälischen Küchen-Produzenten wurde vorgeworfen, in einigen Passagen seines Werkes würden Mitarbeiter identifizierbar diffamiert und beleidigt; es ginge teilweise auch unter die Gürtellinie.

Das Gericht stellte fest, dass seitens der Belegschaft bisher keine rechtlichen Schritte gegen das umstrittene Buch eingeleitet worden sind. Im Übrigen sei das Buch "so weit von der Wirklichkeit entfernt", dass eine Verletzung von Persönlichkeitsrechten "nicht ernsthaft" geltend gemacht werden könne. Der Kammervorsitzende verwies auf die sogenannte "Esra"-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 13.06.2007 (Az. 1 BvR 1783/05).

Darin hatte der Erste Senat grundlegende Maßstäbe der Drittwirkung von Grundrechten festgelegt - insbesondere im Spannungsfeld von Kunstfreiheit und Persönlichkeitsrechten - und zwar mit den Leitsätzen:

Samstag, 3. April 2010

Der Basta-Kanzler, die Fahrt in´s Blaue und ein Lehrstück zur Abwehrtaktik bei Abmahnungen - Tauschbörse inbegriffen

Der Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder, seines Zeichens selbst Volljurist, war stets ein entschiedener Macher und Macht-Mensch. Ihn in die Alkoholfahrt-Affäre der (Ex-)Bischöfin Margot Käßmann als potentiellen Beifahrer hineinzuziehen, musste eigentlich Konsequenzen nach sich ziehen. Die anwaltliche Abmahnung gegen den sich erdreistenden Blogger und Twitterer kam dann auch postwendend.

Der couragierte - sowie vielleicht auch grenzwertige und provokante - Umgang des Kollegen Rechtsanwalt und Blogger Joachim Nikolaus Steinhöfel mit dem medienrechtlichen Spannungsfeld zwischen Boulevard, öffentlichem Informationsinteresse und schützenswertem Persönlichkeitsrecht visualisiert ganz en "passant", wie wichtig auf der Klaviatur des Abmahnungsrechts neben materiell-rechtlichen Gesichtspunkten auch verfahrensrechtliche Weitsicht und prozesstaktische Finesse sind. Auch wenn damit der etwaige Ausgang des an der Medienfront aufgezogenen Streitfalles naturgemäß keineswegs gerichtsfest prognostiziert werden kann, zeigt der Fall doch recht anschaulich, dasss vor und nach einer Abmahnung knieweiches Bangemachen - z. B. vor einem allmächtigen "Basta" - nicht immer gilt, zumal wenn selbst bei materiellrechtlich offenen Fragen gleichzeitig für mehrere Beteiligte prozessuale Zwickmühlen und unangenehme Nebenkriegsschauplätze existieren.

Es darf und soll nicht Gegenstand dieses Beitrags sein, wessen verfahrenstaktische Achillesferse von wem im bischöflichlichen Beifahrer-Verfahren ausgenutzt oder verletzt wird. Jeder Empfänger einer vermeintlich starken und lauten Abmahnung lasse sich jedoch Mut machen - auch wenn es um starke Filme oder laute Musik und um deren "beifahrerischen" Tausch gehen sollte:

1. Der Absender einer Abmahnung und dessen zur Schau getragene Macht oder Stärke (egal ob Polit-Goliath oder Musik-Konzern) sagen für sich genommen noch nichts über tatsächliche Rechteinhaberschaft und prozessuale Substanz aus.

2. Bei anwaltlicher Prüfung und Strategie-Findung spielt nicht nur die vordergründige Anspruchsgrundlage, sondern spielen wenigstens ebenso weitere, evtl. "querlaufende" Interessen(-Konflikte) und Motivationshintergründe des Anspruchstellers, dessen wirkliche, oft verzwicktere Verfahrenslagen sowie  faktische Prozess-Bremsen nicht unwesentliche Rollen.

3. Rechtlich beherrscht der am besten den Streit, der nicht nur unter die Anspruchsgrundlage subsumiert, sondern zusätzlich umliegende Rechtsfelder strategisch einbezieht - also neben Medienrecht oder Urheberrecht beispielsweise auch Zivilprozessrecht, Strafprozessrecht, Verfassungsrecht, Datenschutzrecht, Kirchenrecht, Schadensrecht, Kostenrecht etc. berücksichtigt.

4. Und schließlich gilt immer wieder: Einen Fall über den juristischen Tellerrand hinaus zu betrachten und zu analysieren, schadet nie und hilft oft bei der berechtigten Wahrnehmung rechtlicher Interessen.