Posts mit dem Label sekundäre Darlegungs- und Beweislast werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label sekundäre Darlegungs- und Beweislast werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Freitag, 21. August 2020

Bei Filesharing-Abmahnung primär wichtig:

Die erfolgreiche Abwehr unberechtigter Filesharing-Abmahnungen ist kompliziert.

DIE SEKUNDÄREN DARLEGUNGSPFLICHTEN


Viele Internetnutzer ereilen beim Erhalt von urheberrechtlichen Filesharing-Abmahnungen noch immer etliche Unsicherheiten und Irrtümer hinsichtlich der sog. „sekundären Darlegungspflichten“. Wenn der Internetanschlussinhaber eigentlich auch erst im etwaig nachfolgenden gerichtlichen Verfahren zur substantiierten Rechtsverteidigung prozessual verpflichtet ist, empfiehlt es sich in einer Vielzahl von Abmahnungsfällen doch, der Gegenseite zwecks Vermeidung anschließender Klageverfahren bereits frühzeitig überzeugende Verteidigungsargumente entgegenzuhalten.

Dazu gehört die unmissverständliche Zurückweisung unberechtigter Tatvorwürfe und wahrheitsgemäße Darlegungen zur eigenen Router- und Endgeräte-Ausstattung, zur WLAN-Verschlüsselung sowie zum eigenen Internetnutzungsverhalten.

Anzugeben ist ferner, welche Haushaltsangehörigen oder Besucher mit Rücksicht auf ihre technische Ausstattung, ihr Nutzerverhalten, ihre Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen.

Insoweit ist der Anschlussinhaber auch im Rahmen des Zumutbaren zu Befragungen und Nachforschungen verpflichtet und hat mitzuteilen, welche relevanten Kenntnisse er auf welche Weise dabei ggf. erhalten hat.

Die Anforderungen an das Erinnerungsvermögen und die darauf fußenden Darlegungen des Internetanschlussinhabers dürfen allerdings – was häufig selbst von Teilen der Rechtsprechung übersehen wird – vor dem Hintergrund des etwaigen Zeitablaufs von mehreren Wochen, mehreren Monaten und manchmal sogar mehreren Jahren nicht überspannt werden. Die prozessualen Anforderungen sind nämlich unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit sachgerecht und fair zu begrenzen.

Ein zu dieser Thematik diesseits bereits im September 2018 errungenes Urteil des Landgerichts Bielefeld hat das in überzeugender Weise bestätigt. Soweit dennoch oft überhöhte Anforderungen an detailliertere sekundäre Darlegungen zurückliegender technischer, häuslicher und familiärer Abläufe und Verhaltensweisen gestellt werden, dient dies demgegenüber primär der zusätzlichen Verunsicherung vieler Abmahnungsadressaten.

Dem ist dann ggf. unter Hinweis auf einschlägige gerichtliche Urteile entschieden entgegenzutreten.

Freitag, 7. Oktober 2016

Neues BGH-Filesharing-Urteil hilft gegen Abmahnwut

Hilfe aus Karlsruhe bei Filesharing-Verdacht per Abmahnung
Der BGH hat am 06.10.2016 (Az. I ZR 154/15) den Opfern übermotivierter Filesharing-Abmahnungen eine große Last abgenommen und ein Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 01.07.2015 (Az. 9 S 433/14, 9 S 433/14 (59)) bestätigt. Danach wird die sogenannte „sekundäre Darlegungslast“ des Internet-Anschlussinhabers erheblich begrenzt.

Die von der Münchener Rechtsanwälten Waldorf –Frommer vertretene Filmproduzentin Constantin Film verlangte von dem seitens der Kanzlei Solmecke vertretenen Beklagten Schadensersatz für angebliches illegales Film-Filesharing sowie die Erstattung vorgerichtlicher Abmahnungskosten.

Die Klägerin hatte ein Auskunfts- bzw. Gestattungsverfahren gem. § 101 Abs. 9 UrhG angestrengt zur Ermittlung des Anschlussinhabers anhand einer mit Zeitstempel protokollierten dynamischen IP-Adresse. Nach der Abmahnung gab der verheiratete Kläger lediglich eine Unterlassungserklärung ab.

Die Klägerin berief sich auf eine „tatsächliche Vermutung“, wonach ein Anschlussinhaber grundsätzlich als Täter für über seinen Anschluss begangene Rechtsverletzungen verantwortlich ist.

Der Beklagte hat eine eigene Urheberrechtsverletzung bestritten und - ohne weitergehende Nachforschungen hinsichtlich eines Täters - vorgetragen, auf seinem Computer sei weder eine Filesharing-Software installiert, noch der streitgegenständliche 3D-Film vorhanden. Einen derartigen Film könne er auch mit seinem Equipment überhaupt nicht abspielen. Er sei im fraglichen Zeitraum von Montag bis Freitag, häufig auch am Wochenende berufsbedingt unterwegs und könne auch deshalb die Verstöße, die sich sonntags bis dienstags ereignet haben sollen, nicht selbst begangen haben. An den entsprechenden Tagen sei er ohne Internetzugang unterwegs gewesen. Seine Ehefrau habe zu jener Zeit ständig - über einen eigenen PC - Zugang zum Internet gehabt. Dennoch ginge er nicht davon aus, dass diese etwa die vermeintlichen Rechtsverletzung begangen habe. Der benutzte Router „Speedport W504V“ sei zwar mittels WPA2 gesichert gewesen, habe aber laut Medienberichten und Produktwarnungen eine erhebliche Sicherheitslücke aufgewiesen.

Der Beklagte hat den PC seiner Ehefrau nicht untersucht.

Mit am 27.08.2014 verkündetem Urteil hat das Amtsgericht Braunschweig unter Hinweis auf die Sicherheitslücke die Klage abgewiesen.

Im Berufungsverfahren hat das Landgericht die Ehefrau des Klägers als Zeugin vernommen. Sie gab zu, den Internetanschluss genutzt zu haben, in der streitgegenständlichen Zeit für Online-Einkäufe, Online-Spiele und auf Facebook. Die Zeugin verneinte aber eigene Filesharing-Verstöße.

Das Landgericht stufte das Bestreiten der Ehefrau als mögliche Schutzbehauptung ein, nach der eine Täterschaft der Ehefrau eben dennoch möglich sei, ohne dass dies allerdings eindeutig bewiesen sei. Dies ginge zu Lasten der beweispflichtigen Klägerin.

Dieses realistische und lebensnahe Urteil hat der BGH nun im Revisionsverfahren bestätigt.

Die abmahnende und klagende Rechteinhaberin muss die Rechtsverletzung und eine angebliche Täterschaft beweisen. 

Bei substantiiertem Sachvortrag des Anschlussinhabers zu Mitbenutzungsmöglichkeiten namentlich benannter Dritter geht eine Filesharing-Klage deshalb bereits ins Leere, auch ohne dass der Abgemahnte den Täter selbst - quasi polizeilich - exakter ermitteln muss. 

Ein Beklagter muss auch nicht etwa noch zu genaueren Anwesenheitszeiten seiner Familienangehörigen nähere Angaben machen, zumal eine körperliche Präsenz am Rechner zur Auslösung von Filesharing-Vorgängen ohnehin nicht erforderlich ist. 

Auch weitere Nachforschungen etwa auf dem Rechner der Ehefrau oder durch deren Vernehmung muss ein Anschlussinhaber nicht anstellen.


Damit hat der BGH eine lange erwartete und erhoffte Klarstellung getroffen, die dem Geschäftsmodell der Abmahnindustrie deutliche Grenzen aufzeigt.




Donnerstag, 12. Mai 2016

Mai 2016: BGH-Filesharing-Urteile schlagen aus


Über sechs Filesharing-Klagen urteilte am 12.05.2016 der I. Zivilsenat des BGH:

Es ging im Wesentlichen
  • um Kosten- und Schadenshöhen im Rahmen von vier Berufungsurteilen des LG Bochum,
  • um sekundäre Darlegungspflichten im Rahmen einer Berufungsentscheidung des OLG Köln
  • und schließlich um Störerhaftung sowie Belehrungs- und Überwachungspflichten auf der Basis eines zweitinstanzlichen Urteils des LG Hamburg.


In Karlsruhe schlagen im Mai nicht nur die Bäume aus

1. Fall: BGH Az. I ZR 272/14

Revision zum Urteil des LG Bochum vom 27.11.2014 (Az. I 8 S 9/14)
nach Urteil des AG Bochum vom 16.04.2014

Ausgangspunkt bildet - wie so oft - eine Abmahnung der Kanzlei Waldorf Frommer aus München wegen angeblichen Filesharings hinsichtlich eines Filmwerks an zwei Abend- bzw. Nachtterminen vor fast genau sechs Jahren – im Mai 2010. Die Klägerin verlangt von den beiden Internetanschlussinhabern Lizenzschadensersatz i. H. v. 600,00 EUR und Erstattung von Abmahnkosten.
Die Beklagten haben sich darauf berufen, sie hätten zu den fraglichen Zeitpunkten geschlafen bzw. der Beklagte zu 1.) sei bei der Arbeit gewesen. Ob ihr Sohn (der ihnen als gelernter IT-Techniker den Internetzugang und die Programme eingerichtet habe und zwar 2010 nicht mehr bei seinen Eltern wohnte, allerdings auch im Jahr 2010 von Zeit zu Zeit in seinem alten Zimmer übernachtet habe) auch zur fraglichen Zeit bei ihnen übernachtete, wissen die beklagten Eltern nicht mehr genau.

Das AG Bochum hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die Klägerin ihrer primären Darlegungs- und Beweispflicht nicht nachgekommen sei, die Beklagten demgegenüber ihre sekundäre Darlegungspflicht in ausreichender Weise erfüllt hätten.

Das LG Bochum hat das erstinstanzliche Urteil des AG Bochum zum größeren Teil aufgehoben und die Beklagten als vermeintlich gemeinschaftliche Täter zu Schadensersatz und Kostenerstattung verurteilt.

„Denn die Beklagten haben zu dem Nutzungsverhalten des Sohnes nichts vorgetragen. Sie haben nicht dargelegt, dass der Sohn den Internetanschluss genutzt hat, denn dies lässt sich nicht ohne Weiteres aus der Information des Übernachtens oder der Sicherung des W-LAN-Anschlusses schließen. Des Weiteren fehlen Angaben dazu, zu welchem Zeitpunkt und mit welchem Gerät der Sohn den Anschluss genutzt haben soll. Aus dem unsubstantiierten Vortrag der Beklagten kann weder gefolgert werden, dass ein Dritter Zugang zu dem Anschluss hatte, noch, dass ein Dritter die streitgegenständliche Datei über den Anschluss angeboten haben könnte.“


„Da es sich beim Filesharing um ein Massenphänomen handelt, sodass eine Überkompensation des Schadensersatzinteresses des jeweiligen Rechteinhabers zu vermeiden ist und die begehrte Schadensersatzhöhe in einem angemessenen Verhältnis zu der Verletzungshandlung stehen muss, erachtet die Kammer einen Betrag in Höhe von 600,00 € als geboten.“


„Der Klägerin steht ein Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten in Höhe von 130,50 € aus § 97 a UrhG zu. Ein darüber hinausgehender Betrag ist nicht zuzusprechen, da der klägerseits zugrunde gelegte Gegenstandswert deutlich zu hoch bemessen ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des OLG Hamm wird. der Streitwert eines Unterlassungsbegehrens mit der doppelten Lizenzgebühr beziffert, sodass vorliegend der Berechnung der Abmahnkosten ein Gegenstandswert in Höhe von 1.200,00 € zugrundzulegen ist.“

Besonders spannend war dabei, ob der BGH auch in diesem Fall von einer sogenannten „tatsächlichen Vermutung“ zu Lasten von zwei Anschlussinhabern ausgeht, was von vielen als recht lebensfremd bewertet wird. Ferner war offen, ob dem BGH der ziemlich dünne Vortrag der beklagten Eltern zur etwaigen Übernachtung seitens des erwachsenen Sohnes zur sekundären Darlegung möglicher Täteralternativen ausreicht – ohne näheren Vortrag zu Recherchen und zum konkreten Nutzungsverhalten bzw. Nutzungsequipment des Sohnes. Hierzu lässt sich der Pressemitteilung des BGH leider noch nichts Näheres entnehmen. Die noch ausstehende Veröffentlichung der schriftlichen Entscheidungsgründe bleibt also abzuwarten.

2. Fall: BGH Az. I ZR 1/15
Revision zum Urteil des LG Bochum vom 27.11.2014 (Az. I-8 S 7/14)

Wieder geht's um Abmahnung und Klage seitens der Kanzlei Waldorf Frommer und wieder ist Klägerin eine vermeintliche Inhaberin ausschließlicher Verwertungsrechte am streitgegenständlichen Film. Vorgeworfen wird den beiden Beklagten diesbezügliches illegales Filesharing am Vormittag des 22.07.2010. Wieder wird Schadensersatz im Wege der Lizenzanalogie i. H. v. 600,00 EUR sowie die Erstattung von Abmahnungskosten zu einem angeblichen Streitwert von 10.000,00 EUR (also 506,00 EUR) verlangt.
Die Beklagten haben sich darauf berufen, dass der häusliche Internetanschluss von der gesamten Familie genutzt wurde; darunter auch eine damals 9 Jahre alte (oder junge) Tochter, die über einen eigenen Zugang zum Internet verfügt habe und eingehend „zum ordnungsgemäßen Verhalten im Internet“ belehrt worden sei.

Das LG Bochum hat die amtsgerichtliche Klageabweisung aufgehoben und die beklagten Eltern verurteilt, wenn auch bei erheblicher Reduzierung der zu erstattenden Abmahnungskosten.

„Soweit die Beklagten auf eine mögliche Verantwortung ihrer Tochter verweisen, ist ihr Vorbringen nicht hinreichend konkret, da ihm nicht ansatzweise entnommen werden kann, unter welchen Umständen die Tochter die fragliche Urheberrechtsverletzung begangen haben soll. So fehlen jegliche Angaben der Beklagten dazu, ob die Tochter über einen eigenen Computer oder Laptop verfügt oder den Computer der Eltern benutzt haben soll. Auch ist nicht dargestellt, ob die seinerzeit erst 9 Jahre alte Tochter unbeaufsichtigt Zugang zum Internet gehabt haben soll.“

Wie ist der BGH mit der sekundären Darlegungslast in diesem Fall umgegangen? Wie mit dem recht pauschalen Verweis auf eine neunjährige Tochter – ohne substantiellerere Angaben z. B. zu dem konkreten technischen Zugang des jungen Mädchens zum familiären Internetanschluss? Durften die Beklagten ihrer immerhin erst neun Jahre alten Tochter überhaupt einen eigenständigen Zugang zum Internet erlauben? Einige warteten auch gespannt auf die BGH-Bewertung zur Höhe der Abmahnungskosten.

3. Fall: BGH Az. I ZR 43/15
Revision zum Urteil des LG Bochum vom 05.02.2015 (Az. 8 S 17/14)

In diesem Fall ist Klägerin die Fa. Koch Media, die den Beklagten abgemahnt und verklagt hatte wegen Filesharing-Vorwürfen hinsichtlich eines im Jahre 2012 in Deutschland erschienenen Computerspiels. Der Beklagte soll im Mai 2012 dieses Computerspiel illegal in eine Online-Tauschbörse öffentlich zugänglich gemacht haben. Es werden Abmahnungskosten zu einem Streitwert von 30.000,00 EUR und damit i. H. v. über 1.000,00 EUR verlangt.
Das LG Bochum hat der Klägerin lediglich Abmahnungskosten in Höhe von 192,90 EUR aus § 97 a UrhG zugesprochen bei Zugrundelegung eines Gegenstandswertes für den Unterlassungsanspruch i. H. v. 2.000,00 EUR.


4. Fall: BGH Az. I ZR 44/15
Revision zum Urteil des LG Bochum vom 05.02.2015 (Az. I-8 S 11/14)

Hier geht es mal wieder um einen Film, den der Beklagte an einem Nachmittag im Mai 2011 im Wege illegalen Filesharings öffentlich zugänglich gemacht haben soll. Die Klägerin verlangt vorgerichtliche Abmahnungskosten i. H. v. 1.005,40 EUR und Schadensersatz im Wege der Lizinzanalogie.
Der Beklagte hat die Klageforderung i. H. v. 101,40 EUR anerkannt.
Das LG Bochum erachtete eine Kostenforderung i. H. v. 130,50 EUR zum Gegenstandswert i. H. v. 1.200,00 EUR und einen Lizenzschaden von 600,00 EUR für gerechtfertigt.

Auf die Revision der Klägerinnen hat in den vier oben genannten Fällen der BGH die Urteile des LG Bochum aufgehoben und die Sachen zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Landgericht ist nach Auffassung des BGH zu Unrecht davon ausgegangen, der Gegenstandswert der anwaltlichen Abmahnung belaufe sich stets auf das Doppelte des anzunehmenden Lizenzschadens. Vielmehr sei der Gegenstandswert der Abmahnung in Fällen der vorliegenden Art "nach dem Interesse der Klägerinnen an der Unterbindung künftiger Rechtsverletzungen unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu bestimmen." Eine schematische Bemessung des Gegenstandswerts werde nicht dem Umstand gerecht, dass die zukünftige Bereitstellung eines Werks in einer Online-Tauschbörse nicht nur die Lizenzierung des Werks gefährdet, sondern seine kommerzielle Auswertung insgesamt zu beeinträchtigen drohe.

Für die Bemessung des Gegenstandswerts komme es u.a. auf den wirtschaftlichen Wert des verletzten Rechts, die Aktualität und Popularität des Werks, die Intensität und Dauer der Rechtsverletzung sowie die subjektiven Umständen auf Seiten des Verletzers an. Dazu muss das LG Bochum nun weitere Feststellungen treffen.

Dass der BGH sich im Rahmen seiner Zurückverweisung primär zur Erstattung von Abmahnkosten geäußert hat, legt es nahe, dass der Senat in den oben skizzierten vier Bochumer Fällen eine ausreichende sekundäre Verteidigungsdarlegung der Beklagten wohl eher verneint hat.

5. Fall: BGH Az. I ZR 48/15
Revision zum Urteil des OLG Köln vom 06.02.2015 (Az. 6 U 209/13)
nach erstinstanzlicher Klageabweisung durch das Urteil des LG Köln vom 20.11.2013 (Az. 28 O 467/12)

Klägerinnen im fünften Fall sind die seit über 10 Jahren von der Kanzlei Rasch aus Hamburg vertretenen Tonträgerhersteller mit vermeintlichen Verwertungsrechten an über 800 Audioaufnahmen, die nach angeblich sachgerechten Recherchen der Firma ProMedia GmbH am 18.11.2007 um 19:51:51 Uhr unter einer bestimmten, angeblich dem Beklagten zuzuordnenden IP-Adresse mit der mittlerweile gerichtsbekannten P2P-Software „Bear-Share“ zum kostenlosen Download online angeboten worden sein sollen.
Der Internetanschluss des Beklagten erfolgte im Herbst 2007 über einen per WPA2-Verschlüsselung gesicherten WLAN-Router mit einem von der gesamten Familie, also auch von der Ehefrau und den damals 17 und 15 Jahre alten Kindern verwendeten Rechner. Die klägerische Abmahnung datiert vom 08.05.2008 und verlangte zunächst vergleichsweise eine pauschale Zahlung i. H. v. 6.000,00 EUR. Erst am 23.12.2011 beantragten die Klägerinnen einen Mahnbescheid über Abmahnungskosten i. H. v. 2.380,80 EUR und Schadensersatz i. H. v. 3.000,00 EUR.
Im Rahmen der landgerichtlichen Beweisaufnahme wurde die Ehefrau als Zeugin vernommen; die beiden Kinder des Beklagten beriefen sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht. 
Das LG Köln wies die Klage ab: Nach der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, dass die Rechtsverletzungen nicht von Beklagten oder seiner Ehefrau begangen wurden, sondern von einem der Kinder oder von beiden Kindern gemeinsam. Eine Verletzung der elterlichen Aufsichtspflicht liege nicht vor und auch eine Störerhaftung des Beklagten wurde verneint.
Das OLG Köln hob diese klageabweisende Entscheidung auf:

„Auf der Grundlage der Aussagen der Zeugin (der Ehefrau) hatten die Kinder keinen so selbständigen Zugang zum Internet, dass sie ernsthaft als Alleintäter des streitgegenständlichen Downloadangebotes mit 809 Titeln in Betracht kommen. Außerdem hat der Beklagte keine nachvollziehbare Erklärung dafür abgegeben, wie es den Kindern überhaupt hätte gelingen können, von ihm nicht entdeckt zu werden. Zu seiner eigenen konkreten Internetnutzung hat der Beklagte nichts vorgetragen. Er hat auch nicht vorgetragen, dass 2007/2008 auf dem mit dem Internet verbundenen Rechner keine Filesharing-Software installiert gewesen war und/oder dass die streitgegenständlichen geschützten Dateien nicht auf dem Rechner vorhanden gewesen waren. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 16.01.2015 hat er vielmehr angegeben, nach der Abmahnung durch die Klägerinnen den Rechner nicht untersucht zu haben, weil für ihn von Anfang an klar gewesen sei, dass niemand aus seiner Familie hier als Täter in Betracht komme. Dies steht indes nicht in Einklang mit seinem Antwortschreiben vom 16.05.2008 auf die Abmahnung vom 08.05.2008, in dem mitgeteilt wurde, dass der Beklagte sämtliche auf seinen Anschluss bestehenden Internetverbindungen getrennt habe, um die Sache zu prüfen. Warum bei nur einem an das Internet angeschlossenen Rechner mehrere Verbindungen getrennt werden mussten, bleibt ebenso unklar wie die Frage, warum der Beklagte die angekündigte Prüfung nicht vorgenommen hat. War dem Beklagten aber bekannt, dass sein Rechner und sein Anschluss für illegales Filesharing genutzt wurden, und ist er gegen diese Nutzung nicht eingeschritten, so haftet er für sie als Mittäter.“


Zu diesen Ausführungen wurden nun erhellende Bewertungen des BGH erwartet. Der BGH hat die Revision des Beklagten im Wesentlichen zurückgewiesen. Das OLG Köln habe zu Recht angenommen, dass der Beklagte für die öffentliche Zugänglichmachung der Musikaufnahmen über seinen Internetanschluss haftet, da nach Durchführung der Beweisaufnahme die Ehefrau des Beklagten als Täterin ausscheide und der Beklagte nicht hinreichend konkret dazu vorgetragen habe, "dass seine Kinder ernsthaft als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen." Da darf man sich die Rechtsverteidigung wohl auch weiterhin nicht zu einfach machen bzw. nicht zu einfach vorstellen. Man sollte die sekundäre Darlegungslast also auch zukünftig nicht auf die leichte Schulter nehmen.

6. Fall: BGH (Az. I ZR 86/15)
Revision zum Urteil des LG Hamburg vom 20.03.2015 (Az. 310 S 23/14)
nach erstinstanzlichem Urteil des AG Hamburg vom 08.07.2014 (Az. 25b C 887/13)

Im sechsten Filesharing-Fall geht es u. a. um fragliche, vom LG Hamburg bejahte Belehrungspflichten hinsichtlich den häuslichen Internetanschluss gelegentlich nutzender verwandter oder bekannter volljähriger Besucher – in diesem Fall aus Australien.
Es ging um Filesharing zu Lasten des Films "Silver Linings Playbook". Das LG Hamburg hatte insoweit im vergangenen Jahr eine gemeinschaftliche Störerhaftung der beklagten Internetanschlussinhaber angenommen und dazu ausgeführt:

„Die Nichte der Beklagten ist gerade nicht deren Tochter, so dass das Verhältnis zwischen der Beklagten und ihrer Nichte nicht unter den Familienbegriff des Art. 6 GG fällt. Die Nichte lebt in Australien und war nur für wenige Tage bei der Beklagten zu Besuch. Es kann auch nicht darauf ankommen, ob zwischen ihr und der Beklagten ein Vertrauensverhältnis wie zwischen Eltern und ihren Kindern besteht. Denn ein solches Kriterium ließe sich mit den Mitteln des Zivilprozesses kaum aufklären und würde zu unerträglicher Rechtsunsicherheit führen.“

Der BGH hat auf die Revision der Beklagten hin die Klage zu Recht abgewiesen und eine Störerhaftung sowie eine anlasslose Belehrungs- und Überwachungspflicht gegenüber volljährigen Mitgliedern einer Wohngemeinschaft sowie volljährigen Besuchern oder Gästen als unzumutbar abgelehnt. Damit haben die Karlsruher Richter im Mai 2016 zahlreichen Filesharing-Abmahnungen den Wind aus den Segeln genommen.

Dem zu erwartenden höchstrichterlichen Klartext in den noch ausstehenden schriftlichen Urteilsgründen werden voraussichtlich schlagende Argumente gegen etliche Filesharing-Abmahnungen und -Klagen zu entnehmen sein.


Freitag, 28. August 2015

BGH-Filesharing-Verfahren zu Vermutung und Zumutung


Karlsruhe liefert bald mehr Klarheit für Adressaten urheberrechtlicher Abmahnung

Endlich:
 
Der BGH wird sich absehbar näher befassen mit der die Internetanschlussinhaber belastenden sogenannten „tatsächlichen Vermutung“ bei Filesharing-Abmahnungen bzw. -Klagen. Dabei wird es auch darum gehen, welche Anforderungen bzw. „Zumutungen“ wirklich an die Internetanschlussinhaber gerichtet werden dürfen, um sich erfolgreich gegen Filesharing-Vorwürfe wehren zu können - insbesondere bei familiären Internetanschlüssen. Wie weit gehen die in der Familie zumutbaren Nachforschungspflichten?
 
Anlass der zu erwartenden Klärungen sind die eine Filesharing-Klage der von den Rechtsanwälten Waldorf Frommer vertretenen Constantin Film Verleih GmbH zu Recht abweisenden Urteile des AG Braunschweig vom 27.08.2014 (Az. 117 C 1049/14) sowie des LG Braunschweig vom 01.07.2015(Az. 9 S 433/14).
Die dortige Berufungskammer (9. Zivilkammer) erkannte die grundsätzliche Bedeutung der aktuellen Streitfragen. Im die Revision zum Bundesgerichtshof zulassenden Urteil heißt es u.a.:
„Die Revision war nach § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache sowohl grundsätzliche Bedeutung hat als auch dies zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich erscheint. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn eine klärungsbedürftige Frage zu entscheiden ist, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einheitlicher Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. nur BGH NJW 2003, 2319). Dies ist hier der Fall. Bei nahezu allen für Urheberrecht zuständigen deutschen Gerichten sind vergleichbare Verfahren wegen der Erstattung von Abmahnkosten wegen behaupteter Urheberrechtsverletzungen durch das sogenannte „Filesharing“ anhängig, bei denen es jeweils erheblich auf die Fragen ankommt, (i) wie eine etwaige tatsächliche Vermutung „erschüttert“ werden kann bzw. unter welchen Voraussetzungen eine solche nicht eingreift (durch Beweis anderer Anschlussmitbenutzer durch den Beklagten / durch bloßes Behaupten von Anschlussmitbenutzern / durch substantiierte Darlegung anderer Mitbenutzer), und (ii) wie weit die sekundäre Darlegungslast der Beklagten und die in diesem Rahmen bestehende Nachforschungsplicht reicht. Da hierzu auch nach Veröffentlichung der Bearshare-Entscheidung des Bundesgerichtshofs von den Instanzgerichten verschiedene Auffassungen vertreten werden (siehe oben), ist die Zulassung der Revision auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.“
Das Revisionsverfahren vor dem I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe ist dort zum Az. I ZR 154/15 anhängig.
Das Verfahren wird voraussichtlich nicht alle derzeit zu Filesharing-Abmahnungen noch rechtlich umstrittenen Gesichtspunkte klären, kann aber für große Teile der Abmahnungsprosa ein zumutbares Ende erreichen.
 

Donnerstag, 11. Juni 2015

Neue BGH-Filesharing-Urteile überraschen - Dennoch keine Familien-Panik bei Abmahnung

Da ist Musik drin...BGH zum Filesharing
Heute hat der BGH über drei Filesharing-Klagen verhandelt. Die in den drei Verfahren soeben ergangenen Entscheidungen dürften für viel Streit und Diskussionsstoff sorgen. Die Abwehr übermotivierter Filesharing-Abmahnungen und -Klagen wird nicht einfacher. 

Klägerinnen sind in allen drei Revisonsverfahren die vier führenden deutschen "Tonträgerherstellerinnen" Warner, Sony, Universal und EMI. Diese berufen sich jeweils auf angeblich ordnungsgemäße Recherchen eines Crawling-Unternehmens, wonach im Jahre 2007 über eine IP-Adresse jeweils mehrere hundert bzw. mehrere tausend Musiktitel zum Herunterladen innerhalb eines P2P-Systems verfügbar gemacht worden sein sollen. Die Staatsanwaltschaft ermittelte mithilfe des Internetserviceproviders die jeweiligen Beklagten als vermeintliche Inhaber des der IP-Adresse zugewiesenen Internetanschlusses.
Die Musikverlage verlangen von den Beklagten urheberrechtlichen Schadensersatz in Höhe von mehreren tausend Euro sowie Ersatz von anwaltlichen Abmahnkosten in ähnlicher Größenordnung.
................................................................................ 
1. Im BGH-Verfahren I ZR 75/14 hat der Beklagte die Richtigkeit der Ermittlungen des Recherche-Unternehmens und die zeitgleiche Zuweisung der dynamischen IP-Adresse bestritten - ebenso wie die angeblichen Uploads durch ihn, seine im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienangehörigen oder durch Dritte. Er sowie seine Ehefrau und seine beiden Söhnen hätten sich zur angeblichen Tatzeit im Urlaub auf Mallorca befunden und vor dem Urlaubsantritt seien Router und Computer vom Stromnetz getrennt worden, wobei allerdings nicht auszuschließen sei, dass einer der Familienangehörigen vor Abreise heimlich die Anlage wieder angestellt hat.

Das LG Köln hat mit Urteil vom 24.10.2012 (Az. 28 O 391/11) die Klage abgewiesen. 
Das OLG Köln hat den Beklagten mit Urteil vom 14.03.2014 (Az. 6 U 210/12) nach Zeugenvernehmung eines Mitarbeiters des Crawling-Unternehmens sowie der Familienangehörigen antragsgemäß verurteilt. Der OLG-Senat hat es als erwiesen angesehen, dass die Musikdateien von dem Rechner des Beklagten zum Herunterladen angeboten worden sind. Der Beklagte habe als Anschlussinhaber für die Urheberrechtsverletzungen einzustehen, weil nach seinem eigenen Vortrag ein anderer Täter nicht ernsthaft in Betracht komme. Das Bestreiten seiner Verantwortlichkeit stelle sich "als denklogisch fernliegend und daher prozessual nicht erheblich dar."
................................................................................
2. Im BGH-Verfahren I ZR 7/14 wurde der Internetanschluss von der Beklagten, ihrem 16jährigen Sohn und ihrer 14jährigen Tochter genutzt. Gegenüber der Polizei hatte die Tochter zugegeben, "die Musikdateien heruntergeladen zu haben". Auf die anwaltliche Abmahnung reagierte die Mutter mit der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung.
Die Beklagte wendet sich zivilgerichtlichen Klageverfahren gegen die Verwertung des polizeilichen Geständnisses ihrer Tochter. Zudem trägt sie vor, ihre Tochter über die Rechtswidrigkeit der Teilnahme an Musiktauschbörsen belehrt zu haben.

Das LG Köln hat mit Urteil vom 02.05.2013 (Az. 14 O 277/12) nach der Zeugenvernehmung der Tochter der Klage überwiegend stattgegeben. 
Das OLG Köln hat diese Entscheidung mit Berufungsurteil vom 06.12.2013 (Az. 6 U 96/13) im Wesentlichen bestätigt.. Das OLG hält die Täterschaft der Tochter für erwiesen und wirft der Mutter die Verletzung ihrer Aufsichtspflicht vor.
................................................................................
3. Im BGH-Verfahren I ZR 19/14 liegt der Fall so, dass der Internetserviceprovider als angeblichen Inhaber der IP-Adresse eine Person angegeben hatte, die in einem Buchstaben von dem Familiennamen des Beklagten abwich und ansonsten mit seinem Vor- und Nachnamen und seiner Anschrift übereinstimmte.
Nach anwaltlicher Filesharing-Abmahnung gab der Beklagte, ein selbständiger IT-Berater, ohne Rechtsanerkenntnis eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab und wies gleichzeitig die geltend gemachten Zahlungsansprüche zurück. Er bestreitet die Richtigkeit der Recherchen des Crawling-Unternehmens und die per Excel-Tabelle übermittelten Angaben des Internetserviceproviders sowie seine und die Täterschaft eines in gemeinsamen Haushalt lebenden Familienangehörigen. Der im Arbeitszimmer des Beklagten installierte PC war zur fraglichen Zeit unstreitig eingeschaltet und mit dem Internet verbunden. Die beim Beklagten angestellte und den Computer insoweit ebenfalls beruflich nutzende Ehefrau verfügte nicht über ausreichende Administratorenrechte zum Aufspielen von Programmen. Dem damals im Haushalt des Beklagten lebenden, seinerzeit 17 Jahre alten Sohn war das Rechner-Passwort unbekannt.

Das LG Köln hat mit Urteil vom 31.10.2012 (Az. 28 O 306/11) der Klage stattgegeben. 
Zweitinstanzlich wurde auch dieses Urteil im Wesentlichen bestätigt. Die entsprechende Entscheidung des OLG Köln (Az. 6 U 205/12) datiert vom 20.12.2013. Der Berufungssenat des OLG hielt es aufgrund der in beiden Tatsachen-Instanzen durchgeführten Beweisaufnahmen für nachgewiesen, dass die Musikdateien über den Internetanschluss des Beklagten zum Herunterladen verfügbar gemacht worden sind. Der Beklagte sei hinsichtlich der Urheberrechtsverletzungen als Täter anzusehen.

Das Ergebnis:
Der BGH hat für viele überraschend alle drei Revisionen der Beklagten zurückgewiesen.

So gehen nach der soeben veröffentlichten Pressemitteilung des BGH die Richter des 1. Zivilsenats davon aus, dass die Eintragung der Klägerinnen in die Phononet-Datenbank ein erhebliches Indiz für die klägerische Rechteinhaberschaft darstellt. Es seien auch keine Anhaltspunkte zur Entkräftung dieser Indizwirkung vorgetragen worden.
Die theoretische Möglichkeit, dass bei Ermittlungen von proMedia oder des Internetserviceproviders Fehler vorkommen können, spräche nicht gegen die Beweiskraft der Ermittlungsergebnisse, wenn im Einzelfall keine konkreten Fehler dargelegt werden. Ein falscher Buchstabe bei der Namenswiedergabe in einer Auskunftstabelle -  wie im dritten oben angesprochenen Verfahren (I ZR 19/14) - reiche insoweit nicht aus. 
In dem Rechtsstreit I ZR 75/14, dem ersten der drei oben erläuterten Verfahren,  sei das Vorbringen des Beklagten, er und seine Familie seien im Urlaub auf Mallorca gewesen und hätten vor Urlaubsantritt insbesondere Router und Computer vom Stromnetz getrennt, durch die Vernehmung der beiden Söhne des Beklagten und seiner Ehefrau nicht bewiesen worden. Der BGH bejaht sogar eine täterschaftliche Haftung des Beklagten. Dieser habe nicht dargelegt, dass andere Personen zum Tatzeitpunkt selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und deshalb als Täter der geltend gemachten Rechtsverletzungen in Betracht kommen. Somit greife die tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Inhabers des Internetanschlusses ein.
In dem zweiten oben erwähnten Verfahren mit dem Aktenzeichen I ZR 7/14 habe das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass die Tochter der Beklagten die Verletzungshandlung begangen hat. Das OLG habe sich rechtsfehlerfrei auf das im polizeilichen Vernehmungsprotokoll dokumentierte Geständnis der Tochter und dessen zeugenschaftliche Bestätigung vor dem Landgericht gestützt. Die Beklagte hafte für den durch die Verletzungshandlung ihrer damals minderjährigen Tochter verursachten Schaden gemäß § 832 Abs. 1 Satz 1 BGB. Dazu heißt es in der Pressemitteilung des BGH:
"Zwar genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten. Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internets durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht grundsätzlich nicht. Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern erst dann verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass das Kind dem Verbot zuwiderhandelt (BGH, Urteil vom 15. November 2012 - I ZR 74/12, GRUR 2013, 511 Rn. 24 - Morpheus). Das Berufungsgericht hat im Streitfall jedoch nicht feststellen können, dass die Beklagte ihre Tochter entsprechend belehrt hat. Der Umstand, dass die Beklagte für ihre Kinder allgemeine Regeln zu einem "ordentlichen Verhalten" aufgestellt haben mag, reicht insoweit nicht aus."
Schließlich bestätigt der BGH bei der Bemessung des Schadensersatzes in Form der Lizenzanalogie einen Betrag in Höhe von 200 Euro pro Musiktitel sowie ferner den ausgeurteilten Anspruch auf Ersatz von Abmahnkosten auf der Basis des RVG.

Die genauen Entscheidungsgründe bleiben zunächst abzuwarten. In jedem Fall wurde diese BGH-Entscheidung so von vielen - auch von mir - nicht erwartet. Andererseits wird das Urteil des 1. Zivilsenats auch kein Grund zur Panik sein, gelten die höchstrichterlichen Grundsätze zur Beweislast der Abmahner und zur lediglich sekundären Darlegungslast der Abgemahnten doch auch weiterhin.

Festzuhalten bleibt schon jetzt:
  • Kinder sorgfältig und nachweisbar über die Rechtswidrigkeit illegalen Filesharings belehren.
  • Kinder oder andere Familienangehörige nach einer Abmahnung nicht ohne weiteres belasten.
  • Etwaige Verstöße von Familienangehörigen nicht voreilig als alternatives "Tatgeschehen" ausschließen.
  • Nicht allein oder primär auf etwaige technische Zweifel und diesbezügliche Argumentationen setzen, da Gerichte sich damit nur selten vertiefter auseinanderzusetzen bereit sind.
  • Nicht allein oder primär auf Diskussionen über Schadenshöhen und Kosten-Reduzierungen setzen.

Welche sachverhaltlichen Nuancen bei den oben dargestellten drei Revisionsfällen jeweils die entscheidende Rolle spielten, wird sorgfältiger Analyse bedürfen.


Mittwoch, 24. Dezember 2014

Das Urheberrecht des Lukas - Abmahnung in der Weihnachtspost


Die frohe Botschaft zur weihnachtlichen Filesharing-Abmahnung
"Es begab sich aber zu der Zeit, dass  rasch ein Gebot von dem Kaiser Sebastian ausging, dass alle Netzwelt abgemahnt würde. Und diese Abmahnung war weiß Gott nicht die Allererste und geschah zur Zeit, da ein Frommer Warner und Sonyus Lizenz-Halter in Universal war. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeglicher mit seinem Router ohne fliegenden Gerichtsstand in seine Stadt.
Da machte sich auf auch Joe von seiner dynamischen IP-Adresse, aus der Auskunftsliste aus der Stadt Colonia, in das Landgericht fern der Stadt Waldorfs, die da heißt Bielefeld, während er gar nicht aus der Tauschbörse und dem Geschlechte Filesharings war, damit er sich löschen ließe mit Mary, seinem vertrauten Motherboard; das ging mit einem Sony schwanger.
Und als sie daselbst waren, kam die Zeit, dass sie downloaden sollte. Und sie erwarb ihren ersten Song und wickelte ihn in W-Lans und legte ihn in einen Ordner; denn sie hatten sonst keinen Speicher in der Hardware.
Und es waren Piraten in demselben Forum auf dem Hotspot bei den Netzsperren, die hüteten des Nachts ihre Software. Und siehe, die Justizangestellte des Herrn Richter trat zu ihnen und die Ladung des Herrn Richter leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. Und die Angestellte sprach zu ihnen: Fürchtet Euch nicht! Siehe, ich verkündige Euch große Freude, die allem Web widerfahren wird; denn Euch ist heute der Highlander geboren, welcher ist Piratus, der Herr oder die Frau, in der Stadt Karlsruhe. Und das habt zum primären und sekundären Beweis: Ihr werdet nicht finden den Titel in Hashwerte gewickelt und in einer Crawling-Krippe liegen.
Und alsbald war da bei der Justizangestellten die Menge der bloggenden Medienscharen, die lobten den göttlichen Gerichtshof und sprachen: Ehre sei Karlsruhe in der Höhe und Friede auf Erden bei den Urhebern seiner Lizenz und den Störern seines Wohlgefallens. Und da die Juristen von ihnen gen World Wide Web fuhren, sprachen die Piraten untereinander: Lasst uns nun gehen gen Bielefeld und die News sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr Richter gepostet hat. Und sie kamen eilend und fanden beide, Mary und Joe, dazu die Datei in dem Ordner liegen.

Da sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Posting aus, welches zu ihnen von diesem Blog gesagt war. Und alle, vor die es kam, wunderten sich der Tweets, die ihnen die Follower retweetet hatten. Mary aber behielt alle diese Tweets und bewegte sie in ihrem Betriebssystem. Und die Piraten kehrten wieder um, favten die Tweets und lobten das Internet um alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gepostet war."
Mit freundlicher Genehmigung von Lukas und den besten Wünschen
für friedvolle Weihnachten und einen abmahnungsfreien Jahreswechsel

Freitag, 19. Dezember 2014

Die Filesharing-Klage und der Freund: Abmahnungsabwehr auch ohne Familie möglich - aktuelles Urteil des AG Köln


Eine Filesharing-Klage der Splendid Film GmbH wegen des vermeintlichen Tausches bzw. Uploads eines Filmwerkes im Rahmen eines P2P-Systems hat das Amtsgericht Köln mit aktueller Entscheidung vom 20.11.2014 (Az. 137 C 208/14) abgewiesen. Zur Verteidigung reichte es dem Richter aus, dass ein Freund des verklagten Anschlussinhabers zum Zeitpunkt der angeblichen Urheberrechtsverletzung möglicherweise eigenständigen Zugriff auf den häuslichen Anschluss hatte.

Der Kollege Rechtsanwalt Solmecke hat in Köln ein weiteres erfreuliches und ggf. wegweisendes Filesharing-Urteil erwirkt.

Die Klägerin berief sich auf angeblich fortdauernde deutschlandweite „Kinorechte“ und „Videorechte“ sowie auf angebliche „Onlinerechte“, hatte den Anschlussinhaber wegen zwei vermeintlich festgestellter, vom Beklagten allerdings bestrittener Urheberrechtsverletzungen abgemahnt und verlangt mit der Klage nun Ersatz eines Lizenzschadens samt Erstattung von Abmahnungskosten.
Der verklagte Anschlussinhaber bestreitet, die Rechtsverletzung begangen zu haben, und erklärt zudem, dass zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung ein Freund selbstständig Zugriff auf den Anschluss hatte.
Der Richter verneinte nach der Vernehmung des Freundes als Zeugen sowohl die Täterhaftung als auch die Störerhaftung des Beklagten: Es bestehe in diesem Fall keine aufrecht zu erhaltende tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers, weil eine andere Person als Täter in Frage komme. Das Amtsgericht Köln verweist dabei auf die BearShare-Entscheidung des BGH vom 08.01.2014 (Az. I ZR 169/12), nach der die tatsächliche Vermutung zulasten des Anschlussinhabers in den Fällen ausscheidet, in denen ein Dritter Zugriff auf den Anschluss hatte.
Der Freund des Beklagten bestätigte, seinerzeit regelmäßig per zur Verfügung gestelltem Schlüssel eigenständigen Zugang zur Wohnung sowie zum PC und Internetanschluss des Anschlussinhabers gehabt zu haben, wenn er sich auch an die streitgegenständlichen beiden Zeitpunkte nicht mehr genau erinnern konnte.
Dass der Beklagte und sein Freund bestritten, jemals eine Filesharing-Software installiert oder gar genutzt zu haben, veranlasste das Gericht nicht dazu, eine ausreichende sekundäre Darlegung des Beklagten zu verneinen. Zudem verneinte das AG Köln hinsichtlich des erwachsenen Freundes eine anlasslose Belehrungs-, Hinweis- und Überwachungspflicht des Abgemahnten, zumal der Freund vorher noch nie mit irgendeiner Urheberrechtsverletzung auffällig geworden war.
Die Klage der beweispflichtigen Rechteinhaberin wurde erstinstanzlich kostenpflichtig abgewiesen.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, obwohl es das BearShare-Urteil des I. Zivisenates des Bundesgerichtshofes konsequent – auch über den Rahmen familiärer Nutzung des Internetanschlusses hinaus - weiterführt. Die aktuelle Filesharing-Entscheidung ist ein weiterer Mosaikstein zu einem auch vor den Gerichten fortlaufend realistischer werdenden Bild der privaten, oft geteilten Internetnutzung sowie der diesbezüglich manchmal naturgemäß nur begrenzten Recherche- und Darlegungsmöglichkeiten der abgemahnten Anschlussinhaberinnen und –inhaber.

Dienstag, 18. März 2014

Neues Filesharing-Urteil des OLG Köln vom 14.03.2013 (Az. 6 U 109/13)


Verdacht durch Vertrauen - Abmahnung an den Familien-Zusammenhalt

 
Ende Oktober 2013 hatte ich noch optimistische Erwartungen geweckt, dass das bereits mehrfach in Sachen „Tauschbörsen-Abmahnungen“ vom BGH korrigierte OLG Köln die Darlegungs- und Beweis-Pflichten und -Lasten zukünftig angemessener und fairer anwenden wird, als dies mehrfach in der Vergangenheit geschehen ist.
Da habe ich mich geirrt. Das OLG Köln hat mit seiner jüngsten Entscheidung vom 14.03.2014 für eine bemerkenswerte - und kritikwürdige - Überraschung gesorgt. 

Die Fallkonstellation

Der häusliche Internetanschluss wurde vom beklagten Anschlussinhaber, dessen Ehefrau sowie den damals 17 und 19 Jahre alten Söhnen eigenverantwortlich mit jeweils einem ausschließlich selbst genutzten, passwortgeschützten Rechner genutzt. Die vier Rechner befanden sich zur Zeit der angeblichen Filesharing-Vorgänge, an einem Sonntag-Vormittag, im Standby-Betrieb. Alle vier Familienmitglieder waren zu Hause und hatten jeweils die Möglichkeit, auf den Internetanschluss zuzugreifen.
Sämtliche Familienangehörigen haben dem Beklagten gegenüber - und auch im Rahmen der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme - die Teilnahme an Filesharing-Vorgängen bestritten. Der Beklagte vertraute dem, konnte andererseits allerdings auch die Möglichkeit nicht ausschließen, dass eines oder mehrere seiner Familienmitglieder doch die streitgegenständlichen klägerischen Musikdateien per Filesharing zum Online-Download angeboten haben.
 

Verurteilung wegen familiären Vertrauens

Aufgrund einiger Unsicherheiten in den Aussagen der Söhne des Beklagten hält es nach den Entscheidungsgründen denn auch der Senat
„für möglich, dass die Söhne des Beklagten in Bezug auf die Internetnutzung der Familienmitglieder teilweise unvollständige und verfälschte Angaben gemacht haben“
und  
"dass zur fraglichen Zeit wenigstens einer der im Haushalt des Beklagten vorhandenen, im Betrieb befindlichen und mit dem Internet verbundenen Rechner für eine ... Teilnahme an illegalen Internettauschbörsen genutzt wurde."
Das beschreibt eigentlich die Möglichkeit alternativer Geschehensabläufe. Dennoch kommt das OLG Köln zur Verurteilung des Beklagten. Aus dem
„Eindruck eines engen Zusammenhalts und Vertrauensverhältnisses innerhalb der Familie“
will das Berufungsgericht nämlich darauf schließen,
„dass der Beklagte von den am 15.06.2008 über seinen Internetanschluss vorgenommenen Rechtsverletzungen zumindest wusste und er den von ihm als rechtsverletzend erkannten Handlungsverlauf trotz Abwendungsmöglichkeit nicht verhindert, sondern billigend in Kauf genommen hat, so dass er für die Rechtsverletzungen wenigstens als Mittäter oder Gehilfe durch Unterlassen mitverantwortlich ist.“ 
Familiäres Vertrauen als Verdachts- und Verurteilungsgrundlage?
 
Das hat der BGH mit seinen aktuellen Entscheidungen zur Geltung des Vertrauensgrundsatzes in der Familie wohl kaum gemeint. Das OLG hat die Revision - entgegen in der mündlichen Verhandlung geäußerter Andeutungen - nicht zugelassen. Das erinnert an den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21.03.2012 (Az. 1 BvR 2365/11), mit dem ein Urteil des 6. Zivilsenates des Oberlandesgerichts Köln vom 22.07.2011 (Az. 6 U 208/10) nach Verfassungsbeschwerde aufgehoben wurde und der schließlich doch noch zur Korrektur jener OLG-Entscheidung durch den BGH führte. 

 

Samstag, 22. Dezember 2012

Skandal: Abmahnung der Weihnachtsgeschichte

Engel, Hirten und Piraten
Urheberrecht zum Fest
"Es begab sich aber zu der Zeit, dass rasch ein Gebot von dem Kaiser Sonyus ausging, dass alle Netzwelt abgemahnt würde. Und diese Abmahnung war weiß Gott nicht die Allererste und geschah zur Zeit, da ein Frommer Warner und Quälgeistius Lizenz-Halter in Universal war. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeder mit seinem Router.

Da machte sich auf auch Josef von seiner dynamischen IP-Adresse, aus der Auskunftsliste aus der Stadt Colonia, in das bayerische Land zur Stadt Waldorfs, die da heißt Betteldenn, während er gar nicht aus der Tauschbörse und dem Geschlechte Filesharings war, damit er sich löschen ließe mit Maria, seinem vertrauten Motherboard; das ging mit einem W-LAN schwanger.

Und als sie dort waren, kam die Zeit, dass sie downloaden sollte. Und sie erwarb ihren ersten Song und wickelte ihn in Dateien und legte ihn in einen Ordner; denn sie hatten sonst keinen Speicher in der Hardware.

Und es waren Piraten in demselbem Forum auf dem Hotspot bei den Netzsperren, die hüteten des Nachts ihre Software. Und der Pressesprecher des Herrn Richter trat zu ihnen und das Unterlassungsurteil des Herrn Richter leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Sprecher sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Netz-Freiheit, die allem Web widerfahren wird; denn euch ist heute der Highlander geboren, welcher ist Piratus, der Herr oder die Frau, in der Stadt Karlsruhe. Und das habt zum primären und sekundären Beweis: ihr werdet nicht finden den Titel in Hashwerte gewickelt und in einer Crawling-Krippe liegen.

Und alsbald war da bei dem Pressesprecher die Menge der bloggenden Medienscharen, die lobten den göttlichen Gerichtshof und sprachen: Ehre sei Karlsruhe in der Höhe und Friede auf Erden bei den Urhebern seiner Lizenz und den Störern seines Wohlgefallens."

 - Mit freundlicher Genehmigung von Lukas und den besten Wünschen für friedvolle Weihnachten und einen abmahnungsfreien Jahreswechsel -