Posts mit dem Label Journalisten werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Journalisten werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Dienstag, 26. Juni 2018

DSGVO: Mut zum öffentlichen Fotografieren


Fotografieren auf dem schwankenden Boden datenschutzrechtlicher Normen

Wer heutzutage – womit insbesondere die Zeit ab dem 25. Mai 2018 gemeint ist – als Journalist bzw. Fotograf bewegte oder unbewegte Bilder des öffentlichen Lebens erstellt oder gar die Live-Berichterstattung von Sportevents oder ähnlichen Veranstaltungen zu verantworten hat, kann sich häufig nicht von dem Gefühl freimachen, datenschutzrechtlich auf schwankendem Boden unterwegs zu sein.

Selbst wenn man sich vielleicht noch dazu in der Lage sieht, von seinen Interview-Partnern oder von den zuvorderst in Erscheinung tretenden Bild-Akteuren datenschutzrechtliche Einwilligungen – teilweise im mehrseitigem Format – einzuholen, so wird das zumindest hinsichtlich eines im Hintergrund auftauchenden Publikumsverkehrs kaum gelingen.

Was tun?

Gleich vorweg: Eine klare, eindeutige und absolut rechtssichere gesetzliche Regelung existiert dazu aktuell (noch) nicht. Aber es gibt Lösungsstrategien.

Wie war das früher?

Vor Geltung der DSGVO wären die angedeuteten Fälle mehr oder weniger problemlos nach dem Kunsturhebergesetz (KUG) gelöst worden: Danach dürfen Abbildungen von Personen grundsätzlich zwar nur mit Einwilligung des bzw. der Abgebildeten veröffentlicht werden (§ 22 KUG), von diesem Einwilligungserfordernis gibt's dann aber gesetzgeberische Ausnahmen für Bildnisse aus dem Bereich der „Zeitgeschichte“, für Bildnisse, auf denen die Personen nur als „Beiwerk“ neben einer Landschaft oder einer sonstigen Örtlichkeit erscheinen sowie für Bildnisse von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen oder bei einem höheren Interesse der Kunst (vgl. § 23 KUG).

Und heute?

Die neue DSGVO genießt nach Meinung zahlreicher Juristen einen sog. „Anwendungsvorrang“ vor dem KUG.

Nun hat zwar der EU-Gesetzgeber in Art. 85 DSGVO die Mitgliedstaaten aufgefordert, durch Rechtsvorschriften das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, einschl. der Verarbeitung von Daten zu journalistischen Zwecken und zu wissenschaftlichen, künstlerischen und literarischen Zwecken, in Einklang zu bringen. Diese bezüglich der Journalisten als „Presseprivileg“ bezeichnete europarechtliche Vorgabe ist bisher von den dafür zuständigen Landesgesetzgeber aber noch nicht umgesetzt worden. Und das zuvor nach dem alten Bundesdatenschutzgesetz geltende Presse- und Medienprivileg kann gesetzlich nicht mehr herangezogen werden.

Wie sieht eine praktikable rechtliche Lösung aus?

Wenn man sich derzeit dennoch juristisch mit angemessenen, vertretbaren und aktuell handhabbaren Lösungen helfen will, greift man auf die gesetzliche Regelung in Art. 6 Abs. 1 f DSGVO zurück, wonach eine Verarbeitung personenbezogener Daten auch dann rechtmäßig ist, wenn die Verarbeitung „zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte oder Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen“.

Die grundrechtlich geschützte Meinungs- und Informationsfreiheit sowie die Freiheit von Kunst und Wissenschaft bewerte ich als jeweiliges berechtigtes Interesse, das dann mit den Grundrechten und Grundfreiheiten der von der Bildberichterstattung betroffenen Personen, mit deren Persönlichkeitsrechten, abzuwägen ist – auch unter Berücksichtigung etwaig berührter öffentlicher Informationsinteressen sowie unter Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit

Insofern landet man dann praktisch auch wieder bei den grundlegenden gesetzgeberischen Erwägungen und Vorgaben des guten alten KUG. Ob diese Landung mit ausreichender Rechtssicherheit vollzogen wird, bleibt aber vorerst nicht unumstritten.

Und was sagt die Bundesregierung?

Immerhin hat sich zu dieser Problematik noch im Frühjahr dieses Jahres in relativ entspannter Art und Weise das Bundesinnenministerium geäußert und ausdrücklich eine vorrangige Fortgeltung des Kunsturhebergesetzes bejaht sowie gleichzeitig insbesondere die grundrechtlich garantierte Meinungs- und Informationsfreiheit eben als berechtigtes Interesse nach Art. 6 Abs. 1 f der DSGVO eingeordnet.

Zu einer übertriebenen eigenen Knechtung und Knebelung per exzessiver datenschutzrechtlicher Selbstzensur und Selbstbeschneidung besteht m. E. also regelmäßig eher kein Anlass.

Finale oder was oft übersehen wird:

Im für viele unübersichtlichen Meer datenschutzrechtlicher Normen sollte im Übrigen nicht aus den Augen verloren werden, dass die DSGVO insgesamt sechs(!) mögliche Rechtsgrundlagen für die Verarbeitung personenbezogener Daten vorsieht: Das sind schlagwortartig zusammengefasst 

  • neben der Einwilligung (1) 
  • ein abgeschlossener Vertrag (2)
  • bestehende Rechtspflichten (3)
  • Schutz lebenswichtiger Interessen (4) 
  • öffentliches Interesse (5) 
  • berechtigte Interessen auf der einen Seite abgewogen mit etwaig berührten Schutzinteressen auf der anderen Seite (6). 

Damit gibt es noch viel Stoff, die aktuell aufgewühlten datenschutzrechtlichen Wogen in vielerlei Hinsicht in sachgerechter Weise zu glätten.




Freitag, 3. November 2017

Praxis der Gegendarstellung


OLG Hamm stoppt legere gerichtliche Unarten 


Das OLG Hamm mit begrüßenswerter Gesetzestreue und Formenstrenge
Die gerade auch dem verfassungsrechtlichen Schutz der Pressefreiheit geschuldeten, vom Gesetzgeber festgelegten Anforderungen an presserechtliche Gegendarstellungen werden an etlichen deutschen Gerichten seit Jahren heruntergeschraubt.
Während noch Einigkeit darüber besteht, dass mit der „Waffe“ der Gegendarstellung ein persönlich Betroffener ausschließlich auf Tatsachenbehauptungen entgegnen kann und nicht etwa auf journalistische Meinungsäußerungen oder Werturteile, wird die Form, in der der Gegendarstellungstext dem Zeitungsverlag bzw. dem Medienunternehmen übermittelt werden muss, richterlich nicht selten contra legem aufgeweicht.  

Pragmatisch ambitionierte Richterinnen und Richter wollen den Betroffenen – zumal in unserer zunehmend schnelllebigeren und technisierteren Medienwelt – die Veröffentlichung einer Gegendarstellung möglichst erleichtern und verhelfen auch lediglich per Telefax übermittelten Gegendarstellungstexten gerichtlich zum Abdruck bzw. zur öffentlichen Zugänglichmachung (so die Praxis bei den Oberlandesgerichten in München, Saarbrücken und Bremen und auch beim Landgericht Köln). 
Anders sieht dies – mit zutreffender und überzeugender Begründung – seit längerer Zeit das OLG Hamburg (Urteil vom 18.05.2010, Az. 7 U 121/09, unter Bezugnahme u. a. auch auf das Urteil des BGH vom 30.03.1997, NJW 1997, 3169 ff., 3170). Das OLG Hamburg hat den ausdrücklichen und eindeutigen Gesetzestext des Landespressegesetzes auf seiner Seite. Die Landespressegesetze verlangen ausdrücklich „Schriftform“ und dass eine Gegendarstellung von dem Betroffenen oder seinem gesetzlichen Vertreter „unterzeichnet“ sein muss. 
Ungeachtet der vom Gesetzgeber insofern unmissverständlich für Gegendarstellungen normierten gesetzlichen Schriftform (zu unterscheiden von einer lediglich vertraglich vereinbarten, sogenannten „gewillkürten“ Schriftform, für die Telefax oder E-Mail ausreichen), wurde das Hanseatische Oberlandesgericht in Hamburg insoweit lange Zeit als vermeintlich einziger Vertreter einer angeblich exotisch praxisfernen presserechtlichen Mindermeinung belächelt. 
Nun hat allerdings auch das OLG Hamm mit einem diesseits erwirkten Hinweisbeschluss vom 04.09.2017 (Az. I-3 U 127/17) unter Verweis auf die Formvorschrift des § 11 Abs. 2 LPrG NRW klargestellt, dass die gesetzliche Formvorschrift „eng auszulegen (ist), weil der Anspruchsverpflichtete den Text der Gegendarstellung prinzipiell ohne Änderungen zum Abdruck bringen und für ihn daher zweifelsfrei klar sein muss, wie die Gegendarstellung exakt lautet.“ 
Dabei ging der Entscheidung des 3. Zivilsenats sogar eine noch legerere Rechtsanwendung seitens des Landgerichts Bielefeld (Urteil vom 22.08.2017, Az. 2 O 238/17) voraus. Im dortigen schriftlichen Verfahren waren nach mehreren, immer wieder modifizierten außergerichtlichen Abdruckverlangen bereits richterlich verfügte Abdruck-Anordnungen ergangen. Nach Widerspruchseinlegung erfolgten in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung daraufhin seitens des Klägervertreters verschiedene Teile des Gegendarstellungstextes betreffende Hilfsanträge. Im anschließenden Urteilstenor heißt es dann kryptisch:
"Die einstweiligen Verfügungen vom 27.07. und 03.08.2017 werden mit der Maßgabe aufrecht erhalten, dass im letzten Absatz der zu veröffentlichenden/abzudrückenden Gegendarstellungen die Worte ,von der Antragstellerin‘, die sich zwischen den Worten ,Verkaufspreise der genannten 25.000 Produkte seien‘ und den Worten ,unzutreffend angegeben worden,‘ in den angefochtenen Beschlüssen befinden, entfallen.“ 
(Orthographische Fehler bzw. Freud’sche Fehlleistung wörtlich zitiert / Hervorhebung durch den Verfasser)

Einer derart nebulösen Tenorierung widersprach das OLG Hamm. Der Berufungssenat kritisierte:
„Der genaue Wortlaut der nach dem landgerichtlichen Urteil von der Verfügungsbeklagten abzudruckenden Gegendarstellung liegt dieser nicht in der strengen und unmissverständlichen Form des § 11 Abs. 2 S. 3 LPrG vor, sondern ist von ihr erst unter Zuhilfenahme des ursprünglichen Gegendarstellungstextes in Verbindung mit dem Tenor des angegriffenen Urteils selbstständig zu ermitteln.“
Derartigen Auslegungsanforderungen, die praktisch schon in eine Art presserechtlicher „Bastelstunde“ ausarten würden, hat das Berufungsgericht „aber gerade in dem formalisierten Verfahren nach § 11 LPrG“ eine klare Absage erteilt.
 
Damit hat das OLG Hamm zumindest für den Bereich seines OLG-Bezirks im Gegendarstellungsrecht wieder für etwas mehr Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit gesorgt. Das ist zu begrüßen.
 

Donnerstag, 2. April 2015

Presse-Auskunftsrecht der Journalisten vom BVerwG weiter gestärkt

Behörden dürfen sich nur begrenzt auf Geheimhaltungspflichten berufen
Die Pressefreiheit fliegt nicht auf Geschäftsgeheimnisse
Bei überwiegendem Informationsinteresse können Pressevertreter nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.03.2015 (Az. 6 C 12.14) von der staatlichen Stelle – im vorliegenden Fall die Bundesanstalt für Immobilien-Aufgaben (BImA) - Auskunft auch über Sachverhalte verlangen, die dem Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen unterliegen, selbst wenn ein vom Bund vermietetes Flughafen-Gelände betroffen ist.
Konkret ging es um von der Bundesrepublik Deutschland und dem Land Berlin an die BREAD & butter GmbH & Co. KG zur Durchführung von zwei ca. vierwöchigen Modemessen pro Jahr vermietete Teilflächen des stillgelegten Flughafens Tempelhof. Kläger ist ein Chefreporter der BILD-Zeitung, der von der beklagten Bundesanstalt u.a. Auskunft über die Höhe des Mietzinses sowie über weitere Vertragsbestimmungen verlangte, weil in den Medien bzw. in der Öffentlichkeit wegen diverser auffällig gewordener Umstände des Entscheidungsverfahrens nicht unerhebliche Zweifel an der Wirtschaftlichkeit der Vermietung aufgetreten waren.
Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte sein im Ergebnis gleichlautendes Urteil vom 18.12.2013 (Az. 5 A 413/11) trotz betroffener Bundesbehörde und streitgegenständlicher Bundes-Liegenschaft noch auf das Landespressegesetz gestützt. Während der Bundesgesetzgeber bislang keine Regelungen zu Presseauskunftspflichten getroffen hat, steht Journalisten in derartigen Fällen demgegenüber nach der Rechtsprechung des BVerwG ein Anspruch auf Auskunftserteilung unmittelbar aus der Verfassung zu, soweit nicht berechtigte schutzwürdige Interessen Privater oder öffentlicher Stellen an der Vertraulichkeit von Informationen entgegenstehen.
Nach begrüßenswerter und verfassungsrechtlich gebotener Einschätzung der Bundesrichter überwiegt im Flughafen-Fall eindeutig das Informationsinteresse des Journalisten gegenüber dem Vertraulichkeitsinteresse des Bundes bzw. der Bundesbehörde und des mietenden Messe-Unternehmens.
Der Presse musste es anhand der in Rede stehenden Auskünfte über die Konditionen des Mietvertrages ermöglicht werden, sich ein belastbares und sachgerechtes Urteil zu bilden über die Wirtschaftlichkeit der vorgenommenen Vermietung an den Messe-Veranstalter. Durch die eingangs erwähnten öffentlichen Gerüchte und Zweifel an der Wirtschaftlichkeit der Vermietung kommt nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts den journalistischen Auskunftsinteressen ein besonderes Gewicht zu, hinter dem der Vertrauens- und Geheimnis-Schutz zurückstehen muss. Öffentliche Meinungsbildung durch fundierte journalistische Recherche funktioniert nicht ohne starke Auskunftsrechte der Medien, die auch nicht durch Verweis auf Geheimhaltungspflichten quasi automatisch ausgebremst werden dürfen.

Samstag, 28. Dezember 2013

Pressefreiheit und Steuergeheimnis

Verwaltungsgericht bestätigt Informationsanspruch
der Presse gegen das Finanzministerium
Düsseldorf/Bielefeld.  Die Redaktion und der Verlag der regionalen Tageszeitung Neue Westfälische konnten erfolgreich den Informationsanspruch der Presse gegen das Finanzministerium in Düsseldorf durchsetzen. Das Verwaltungsgericht stellte klar, dass Presseauskünfte über regionale Selbstanzeigen-Statistiken weder das Steuergeheimnis verletzen, noch schwebende Ermittlungsverfahren beeinträchtigen. Die Presse- und Informationsfreiheit hat insoweit Vorrang.
Ein Redakteur des Bielefelder Zeitungsverlages recherchiert bereits seit längerer Zeit zum Thema "Steuerhinterziehung" und "Selbstanzeigen" und bat in dem Zusammenhang den nordrhein-westfälischen Finanzminister um Auskunft über Zahlen und die monatliche Entwicklung der in den vergangenen Jahren mit Bezug zur Schweiz erstatteten Selbstanzeigen in Ostwestfalen-Lippe. 

Ministerielle Absage wegen „Steuergeheimnis“
Das Finanzministerium lehnte gegenüber dem Journalisten die erbetenen Auskünfte ab. Die Verhältnisse in den einzelnen Regionen seien sehr unterschiedlich, ein Vergleich sei nicht sachgerecht. Es bestehe ein Auskunftsverweigerungsrecht, da die begehrten Auskünfte die sachgemäße Durchführung schwebender Verfahren vereiteln, erschweren, verzögern oder gefährden könnten. Außerdem wollte man keine Presseauskünfte erteilten, da das Steuergeheimnis dem entgegenstehe. 

Klageverfahren gegen das Land NRW
Der Zeitungsverlag und sein  Redakteur gaben sich mit dieser ministeriellen Absage nicht zufrieden und erhoben eine auf die entsprechende Auskunftserteilung gerichtete Klage gegen das Land NRW.
In der mündlichen Verhandlung vor der 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf am 13.12.2013 machte der Präsident des Verwaltungsgerichts, Dr. Heusch, deutlich, dass der besondere grundrechtliche Schutz der Presse- und Rundfunkfreiheit auch den presserechtlichen Auskunftsanspruch umfasst. Deshalb müssten eine etwaige Auskunftsverweigerung rechtfertigende gesetzliche Ausschlusstatbestände stets restriktiv ausgelegt werden. Entgegen der Argumentation des beklagten Landes seien durch die journalistisch begehrten Auskünfte Rückschlüsse auf einzelne Verfahren oder auf die Identität von Selbstanzeigenerstattern nicht möglich. Auch das Steuergeheimnis  werde nicht tangiert.  

Ostwestfalen ist kein Swinger-Club
Dies gelte auch unter Berücksichtigung eines Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts vom 27.06.2012 (Az. 5 B 1463/11), auf den sich das Ministerium berufen hatte. In jenem Verfahren ging es um journalistische Fragen zu einem behördlichen Einsatz der Polizei und der Steuerfahndung in einem Swinger-Club, um Einzelheiten zu einer Razzia im Rocker-Milieu.
Nach zweistündiger Verhandlung und dem unmissverständlichen richterlichen Hinweis sowie nach mehrfachen Verhandlungsunterbrechungen und etlichen Telefonaten zwischen dem Finanzministerium und seinem Prozessbevollmächtigten erklärte sich das beklagte Land schließlich bereit, den eingeklagten presserechtlichen Auskunftsanspruch zu erfüllen. Das Verfahren konnte auf Kosten des Landes eingestellt werden.  

Der Fall Hoeneß aus Bayern sorgt für Selbstanzeigen-Boom in Ostwestfalen-Lippe
Die vom Finanzminister gegenüber dem klagenden Journalisten offengelegten Zahlen belegen, dass Veröffentlichungen über den Kauf einer Steuer-CD, über das Scheitern des Steuerabkommens mit der Schweiz oder auch über den Fall Hoeneß zu einem jeweils nachfolgenden massiven Anstieg der Selbstanzeigen auch in Ostwestfalen-Lippe geführt hat. Über die Ergebnisse ihrer Recherchen berichtet die Neue Westfälsche in ihrer heutigen Ausgabe.
Nicht selten neigen Behörden bzw. Ministerien dazu, den berechtigten Informationsanspruch der Öffentlichkeit mit im Einzelfall nicht gerechtfertigten Scheinargumenten (wie etwa „Steuergeheimnis“ oder z. B. auch „Urheberrecht“) zu boykottieren. Das Klageverfahren in Düsseldorf bestätigt, dass behördlicher Informationsverweigerung bei journalistischen Recherchen  engagiert und - vor dem Hintergrund von Presse- und Informationsfreiheit - auch hartnäckig zu begegnen ist.
Die rechtlichen Interessen der Kläger vertrat Rechtsanwalt Dr. Ralf Petring, Bielefeld  - www.wendundpartner.de -
 
 

Mittwoch, 28. März 2012

Polizeiliches Fotografier-Verbot verstößt gegen Pressefreiheit - SEK-Einsatz als Ereignis der Zeitgeschichte i. S. d. § 23 KUG

Das Bundesverwaltungsgericht hat am 28.03.2012 ein wegweisendes Urteil (Az. 6 C 12.11) für Journalisten und Fotografen gefällt und ein von der Polizei gegenüber einem Pressefotografen ausgesprochenes Verbot, Polizeibeamte eines Spezialeinsatzkommandos während eines Einsatzes zu fotografieren, für rechtswidrig erklärt.

Im 16.03.2007 waren SEK-Beamte im Rahmen eines Gefangenentransports damit befasst, einen der gewerbsmäßigen Geldwäsche beschuldigten mutmaßlichen Sicherheitschef einer Gruppe organisierter Kriminalität aus der Untersuchungshaft in einer Augenarztpraxis in der Fußgängerzone in Schwäbisch Hall vorzuführen. Der Einsatz wurde von zwei Journalisten, darunter einem Fotoreporter, beobachtet. Der Fotoreporter beabsichtigte, Bilder von den Dienstfahrzeugen und den eingesetzten Beamten anzufertigen. Der SEK-Einsatzleiter sprach daraufhin sofort vor Ort ein Fotografier-Verbot aus und drohte die Beschlagnahme der Fotokamera an, weshalb der Reporter davon absah, Bilder vom Einsatz anzufertigen.

Der Zeitungsverlag erhob nach unbefriedigender außergerichtlicher Korrespondenz mit dem Leiter des Bereitschaftspolizeipräsidiums Feststellungs-Klage vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart, das mit Urteil vom 18.12.2008 (Az. 1 K 5415/07) den Journalisten unter Hinweis auf Gefahr für Leib und Leben der Polizeibeamten kein Recht gab. Das beklagte Land rechtfertigte das auf §§ 1, 3 PolG gestützte Verbot unter anderem damit, dass die eingesetzten SEK-Beamten durch eine Zeitungsveröffentlichung von Bildmaterial hätten enttarnt werden können. Damit hätte ihre künftige Verwendbarkeit bei SEK-Einsetzen beeinträchtigt und sie selbst hätten persönlich durch Racheakte gefährdet werden können.

Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim erklärte mit Urteil vom 19.08.2010 (Az. 1 S 2266/09) auf die Berufung des Zeitungsverlags das polizeiliche Fotografier-Verbot für rechtswidrig.

Die Gefahr einer unzulässigen Veröffentlichung der angefertigten Fotografien habe nicht bestanden. Mangels gegenteiliger konkreter Anhaltspunkte sei von einer Vermutung rechtstreuen Verhaltens der Journalisten und damit davon auszugehen, dass sie keine identifizierenden Porträt- oder  Nahaufnahmen der eingesetzten Polizisten und lediglich Bilder veröffentlichen werden, auf denen die SEK-Beamten insbesondere durch Verpixelung ihrer Gesichter unkenntlich gemacht seien.

Die hiergegen gerichtete Revision des Landes Baden-Württemberg wurde vom Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen.

  • Es war nach höchstrichterlicher Bewertung nicht das mildeste Mittel und damit unverhältnismäßig, bereits das Anfertigen der Fotografien polizeilich zu verbieten. 
  • Der Einsatz von Polizeibeamten bzw. ein Einsatz von SEK-Kräften stellt ein zeitgeschichtliches Ereignis i. S. d. des Kunsturhebergesetzes (§ 23 KUG) dar, so dass Bilder auch ohne Einwilligung der abgelichteten Personen veröffentlicht werden durften. 
  • Ein entgegenstehendes berechtigtes Interesse der eingesetzten Polizisten wird erst dann verletzt, wenn die Fotos ohne den erforderlichen Schutz gegen eine Enttarnung der Beamten veröffentlicht werden. 
  • Zur Abwendung dieser Gefahr bedarf es aber regelmäßig keines Fotografier-Verbots, wenn zwischen der Anfertigung der Fotografien und ihrer Veröffentlichung hinreichend Zeit besteht, den Standpunkt der Polizei auf andere, die Pressefreiheit stärker wahrende Weise durchzusetzen.