Der Streit um die Kappung von Anwaltskosten nach § 97 a II UrhG auf der einen Seite und um angeblich oder tatsächlich überhöhte Anwaltskosten bei Filesharing-Abmahnungen auf der anderen Seite wurde durch das WLAN-Urteil des BGH vom 12.05.2010 zusätzlich entfacht.
Bei dieser Auseinandersetzung werden einige Aspekte verdreht bzw. übersehen oder ausgeblendet:
1. Das Problem überhöhter Kosten-Berechnungen im Rahmen von formularmäßigen anwaltlichen Abmahnungen ist nicht ein Problem der überhöhten In-Rechnung-Stellung der die Abmahnungen fabrizierenden Rechtsanwälte gegenüber deren Mandanten (Musik-, Film-, Porno- und Rechteverwertungs-Branchen); der Angriffspunkt ist vielmehr der Umstand, dass in etlichen Filesharing-Abmahnungen vermeintliche Vergütungs-Szenarien angedeutet oder vorgetäuscht werden, die so zwischen den Rechte-Inhabern und deren Anwälten gar nicht vereinbart und gelebt werden, um auf diese Weise irreale Erstattungsansprüche zu generieren zu Lasten der abgemahnten Inhaber von Internet-Anschlüssen.
2. In gleicher Weise vorwerfbar ist dabei die In-Ansatz-Bringung überhöhter Gegenstandswerte, die nicht selten in keinem vernünftigen Verhältnis zum betroffenen Werk und den daraus ableitbaren Interessen des Urhebers oder Rechteinhabers stehen.
3. Die Bagatell-Klausel des § 97 a II UrhG betrifft nicht die Honorar-Rechnung der abmahnenden Rechtsanwälte, sondern lediglich die Höhe der dem Abmahnenden maximal seitens des Abgemahnten zu erstattenden Aufwendungen. Lediglich der Aufwendungsersatz wird auf 100,00 € gedeckelt in den gesetzlich vorgesehenen Fällen
erstmaliger Abmahnung
in einfach gelagerten Fällen
mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung
außerhalb des geschäftlichen Verkehrs.
4. Soweit einige Abmahner die Deckelung des Aufwendungsersatzes nach § 97 a II UrhG missbilligen als vermeintlich unangemessene Aufbürdung "hängen bleibender" Rechtsverfolgungskosten, werden die oben zitierten engen Geltungsvoraussetzungen übersehen, die "dramatische" Fallkonstellationen wohl eher nicht erfassen. Darüber hinaus entsteht der Eindruck, dem Aufwendungsersatz wird mehr Bedeutung beigemessen als der Verhinderung sich vielleicht dann eben doch nicht derartig dramatisch darstellender, angeblich monokausal durch Filesharing entstehender Vermögenseinbußen. Dass zudem auch Rechteinhaber und Urheber von freierer Netz-Kommunikation profitieren können, soll an dieser Stelle nicht vertiefter thematisiert werden.
5. Der Vergleich mit anderen vergütungspflichtigen Anwaltsmandaten und daraus erwachsenden ungedeckelten Ansprüchen auf Kostenerstattung ist mit Vorsicht "zu genießen". Der Genuss kann schnell im "Halzband" stecken bleiben, wenn man die häufig sehr unterschiedliche Mandats-Struktur, -Organisation und -Strategie bedenkt und die formularmäßige, automatisierte und massenhafte Handhabung und Abwicklung von Teilen der aktuell agierenden "Abmahnungs-Industrie" in die Bewertung einbezieht - unbeschadet des Grundsatzes, dass dort, wo massenhaft Urheberrechte verletzt werden, auch grundsätzlich massenhaft abgemahnt werden darf.
6. Schließlich auch ein (selbst-)kritischer Satz zu den die Filesharing-Abmahnungen abwehrenden Anwaltskollegen: Auch der mit der Abwehr der Abmahnung befasste Rechtsanwalt ist sich - selbstverständlich und naturgemäß - nicht zu schade, mit seiner anwaltlichen Dienstleistung und seinem juristischen und sachverhaltlichen Know-how Geld zu verdienen. Dies allerdings ohne selbst oder im Zusammenwirken mit seiner Mandantschaft originär generierte Massen-Handlings und lediglich in Reaktion auf die oben und anderswo beschriebenen professionalisierten Missstände und Fehlentwicklungen.
Montag, 17. Mai 2010
Anwaltskosten beim Geschäftsmodell "Filesharing-Abmahnung" als Notgroschen, Unverschämtheit oder Gaunerei?
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