Posts mit dem Label TMG werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label TMG werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Samstag, 1. Juli 2017

Das Echo zum WLAN-Gesetz: Das #Einmaleins vom #Eigelb im #Schlupfloch

Das WLAN-Gesetz wird mit den Netzsperren noch einige Fragen aufwerfen

Es war der letzte Sitzungstag der aktuellen Legislaturperiode, als der Bundestag am 30.06.2017 das „TMG-Änderungsgesetz“, das sogenannte WLAN-Gesetz, beschlossen hat. WLAN-Betreiber sollen danach nicht mehr behördlich verpflichtet werden können, ihren Internetanschluss durch ein Passwort zu verschlüsseln und die Nutzer zu registrieren oder gar ihren offenen WLAN-Zugang einzustellen. Die Hoffnung, offenes WLAN anbieten zu können, ohne Angst vor Abmahnungen haben zu müssen, wächst.

Die Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries bewertet die Gesetzesnovelle als einen „wichtigen Baustein der Digitalen Agenda“. Fabian Reinbold witzelt auf netzwelt.de über „die Reform der Reform der Reform“.

Die Störerhaftung ist laut taz.de nun endlich „weitgehend vom Tisch“, nach der Stuttgarter Zeitung ist sie „passé“, die ZEIT redet von „abgeschafft“ - wie sz.de es formuliert „diesmal wirklich“.

Ingo Dachwitz von netzpolitik.org fragt sich, ob das nun ein „Running Gag mit Happy End“ ist und bezeichnet den bisherigen Zustand unserer digitalen Entwicklung in Deutschland als „peinlich“, zumal die bis dato geltende sogenannte Störerhaftung ein „lukratives Geschäftsmodell“ für spezialisierte Anwaltskanzleien bildete. Stefan Krempl bezeichnet deshalb auf heise.de das Ende der Störerhaftung auch als „den Garaus“ für ein „Damoklesschwert“.

Die Rechteinhaber bekommen allerdings nun die Möglichkeit, WLAN-Betreiber zur Sperrung bestimmter Seiten oder Inhalte zu verpflichten.

Diese stattdessen jetzt ermöglichten Netzsperren erzeugen bei Ingo Dachwitz „einen faden Beigeschmack“. Er sieht darin „eine Gefahr für die Kommunikationsfreiheit“, zumal das Sperr-Verfahren auch nach Auffassung zahlreicher Sachverständiger „zu ungenau geregelt sei“.

Netzsperren ohne Richtervorbehalt, praktisch „auf Zuruf“, haben denn auch für den SPD-Netzexperten Lars Klingbiel einen „Beigeschmack“, während sein Fraktionskollege Markus Held von einem „Meilenstein“ spricht. Tobias Keber von der Hochschule für Medien bezeichnet den vorgenommenen Interessenausgleich immerhin als „fair“. Für Stephan Tromp vom Handelsverband Deutschland stellt das Gesetz einen guten „Kompromiss“ dar.

Oliver Süme, Vorstand beim Verband der Internetwirtschaft eco, riecht „Wahlkampf“-Luft mit deshalb bemühter „Symbolkraft“ und kritisiert die privaten Netzsperren als neue „Hürden“, als „absurd und inakzeptabel“.  Und Florian Drücke vom Bundesverband Musikindustrie moniert einen aus seiner Sicht zu beklagenden „Durchsetzungs-Leerraum“. Für den IHA-Manager Stefan Dinnendahl ist das neue Gesetz für die Hotelbranche zumindest noch „nicht das Gelbe vom Ei.“

Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen, spricht vom „kleinen Einmaleins der Digitalisierung“ und rügt die Einführung der Netzsperren laut netzpolitik.org als einen „Elfmeter ohne Torwart, den die Große Koalition trotzdem danebenschieße“. Man lasse „den Bäcker an der Ecke und den Freifunker im Regen stehen“. Auf spiegel.de wird er mit der Befürchtung zitiert: „Gerade nichtkommerzielle Anbieter werden hier wieder abgeschreckt und entweder voreilig blocken oder aber erst gar nicht ihr WLAN öffnen.“ 

Dort führt Fabian Reinbold dann zutreffend aus: „Es wird wohl darauf ankommen, wie die Regelung zu den Unterlassungsansprüchen umgesetzt wird - von Privatpersonen, aber auch von gewerblichen Anbietern, die große WLAN-Hotspots in Städten betreiben - und nicht zuletzt von Abmahnanwälten, die bislang stets die Lücken jedes neuen Gesetzes für sich zu nutzen wussten.“

Ein etwaiges „Schlupfloch“ stellt der Strafrechtler Udo Vetter in seinem law blog vor: Nach dem Gesetzeswortlaut gelte die Privilegierung der WLAN-Betreiber lediglich bei einer Verletzung geistigen Eigentums durch die Nutzung eines „Telemediendienstes“. „Eine dezentral organisierte Tauschbörse, die wohl wichtigste Plattform für Urheberrechtsverletzungen, ist aber eher kein Telemediendienst.“ Das könne „sich doch als Schlupfloch für die Abmahnindustrie erweisen“. Die Rechteinhaber könnten „sich auf den Standpunkt stellen, dass die alten Abmahn- und Schadensersatzregeln unverändert weiter gelten, wenn zum Beispiel der Betrieb eines Filesharing-Clients wie eMule nicht unterbunden wurde.“

Die Linke Petra Sitte bewertet die Websperren als „ein völlig untaugliches Mittel“, illegale Inhalte im Netz zu verhindern. Sie sieht ein weiteres Problem: Kein privater Anbieter könne wissen, wie er seinen Router einstellen müsse.

Rechtsanwalt Christian Solmecke ist nach alledem  gespannt, „wie sich dieses Sperr-Instrument in der Praxis auswirken wird.“ In das gleiche Horn stößt Reto Mantz, Richter am Landgericht Frankfurt am Main, wenn er darauf hinweist, dass „aufgrund gesetzestechnischer Mängel Unklarheiten“ verbleiben, „die der beabsichtigten Rechtssicherheit im Wege stehen könnten“.

Der Abmahnungs-Drops, bzw. das Eigelb ist wohl doch noch nicht vollständig gelutscht. Da können sich noch einige Schlupflöcher der Abmahnbranche im kleinen oder großen Einmaleins aus Urheberrecht, Medienrecht und Prozessrecht auftun. Prost Mahlzeit.




Samstag, 25. Juli 2015

BGH-Verhandlung mit GEMA und Telekom über Überwachung und Netzsperren

 
Da ist Musik drin: Der BGH verhandelt mit GEMA und Telekom zur Störerhaftung

Der 1. Zivilsenat des BGH wird am 30. Juli 2015 im Verfahren I ZR 3/14 mit der klagenden GEMA und der beklagten Deutschen Telekom darüber verhandeln, ob und ggf. in welcher Weise ein Internet-Access-Provider als Störer für Urheberrechtsverletzungen seiner Kunden haftet und durch welche Überwachungsmaßnahmen, Netzsperren oder Netzfilter Telekom & Co. das evtl. zu unterbinden haben.

Die GEMA will Überwachung, Netzsperren oder Filter:

Überprüft wird dabei das vorausgegangene Urteil des OLG Hamburg vom 21. November 2013, Az. 5 U 68/10. Die GEMA wollte und will der Telekom gerichtlich untersagen lassen, über von der Telekom bereitgestellte Internetzugänge Dritten den Zugriff auf Links zu den streitgegenständlichen Musikwerken über die Webseite "3dl.am" zu ermöglichen. Das Hamburger Berufungsgericht hatte – wie auch das Landgericht Hamburg (Urteil vom 12. März 2010, Az. 308 O 640/08) – die Klage abgewiesen und die Verhältnismäßigkeit von Überwachung, Netzsperren oder Filter verneint.
Die GEMA rügt weiterhin eine angebliche Verletzung von ihr wahrgenommener Urheberrechte, da sie auch Inhaberin des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung der streitgegenständlichen Musikwerke sei.
Über die Webseite „3dl.am“, eine werbefinanzierte Linksammlung, konnte nach Darstellung der GEMA auf z. B. bei den Sharehostern "RapidShare", "Netload" oder "Uploaded" widerrechtlich hochgeladene, urheberrechtlich geschützte Musikwerke zugegriffen werden, und zwar über auf entsprechende Datensammlungen hinführende Hyperlinks und URLs. Die GEMA ist der Auffassung, die Deutsche Telekom habe als Störerin einzustehen für das Bereithalten der einen Download durch beliebige Nutzer ermöglichenden Links und URLs auf der Webseite "3dl.am". Es sei ihr als Access-Providerin durchaus möglich und auch zumutbar, derartige Rechtsverletzungen zu verhindern.
Das OLG Hamburg sah dies anders:
Schließlich betrieben  Access Provider ein von der Rechtsordnung ohne Einschränkung gebilligtes Geschäftsmodell. Ihre Dienstleistung sei inhaltlich neutral und sozial erwünscht.
Zwar leiste ein Access Provider durch die Zugangsvermittlung einen adäquat-kausalen Beitrag zu den behaupteten Urheberrechtsverletzungen durch entsprechende Inhalte auf den Webseiten. Bei der Beurteilung von möglicherweise zu verlangenden Prüfungs- und Überwachungspflichten seien allerdings die Wertungen der in §§ 8-10 TMG enthaltenen Haftungsprivilegien zu berücksichtigen. Die Rechtsprechung zu Prüfungs- und Überwachungspflichten für Host Provider fände auf Access Provider keine Anwendung. Insbesondere könnten z. B. URL-Sperren durch Zwangs-Proxys, DNS-Sperren, IP-Sperren und Filter von Access Providern ohne gesetzliche Grundlage nicht verlangt werden. Das gelte unabhängig davon, ob diese wirksam oder ineffektiv sind.
Derartige Maßnahmen können nach zutreffender Einschätzung des Hanseatischen OLG in unverhältnismäßiger Weise die Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG, die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG und die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG verletzen. Durch die Einrichtung einer Filterung des Datenverkehrs würde zudem nicht hinnehmbar der Kernbereich der durch Art. 10 Abs. 1 GG und §§ 88 ff. TKG geschützten Vertraulichkeit der Telekommunikation (Fernmeldegeheimnis) verletzt, auch soweit rein automatisierte Vorgänge stattfinden.
Die medienrechtlichen und verfassungsrechtlichen Bewertungen der Vorinstanzen überzeugen. Ich prognostiziere eine erneute prozessuale Niederlage der GEMA.

Donnerstag, 16. Oktober 2014

Filesharing-Abmahnung vor dem EuGH - Piraten-Klage für offenes W-LAN

Ein Mitglied der Piratenpartei aus Bayern kämpft vor dem Landgericht München I und nun auch vor dem EuGH für Netzneutralität und Haftungsfreiheit beim Betrieb von ungesichertem offenem W-LAN.

Der Kläger betreibt per offenem WLAN einen Internetzugang für Geschäftspartner und Besucher. Er betreibt ein Gewerbe, in dessen Rahmen er Licht- und Tontechnik für Veranstaltungen aller Art verkauft und vermietet. Das offene W-LAN dient nach Angaben des Event-Unternehmers auch der Werbung für seinen Betrieb.
Der engagierte Pirat erhielt eine Filesharing-Abmahnung von der Anwaltskanzlei Waldorf-Frommer, die für Sony Music Unterlassungs-, Schadensersatz- und Kostenerstattungsansprüche geltend machte. Der Abmahnungsempfänger erhob eine negative Feststellungsklage gegen Sony Music und beruft sich darauf, dass er praktisch Zugangsanbieter und Provider ist und somit nach dem TMG nicht für die über das W-LAN-Netzwerk von Dritten übermittelten Inhalte verantwortlich ist. Er sei auch als Zugangsanbieter nicht verpflichtet, irgendwelche Vorkehrungen zu treffen zur Vorbeugung gegen oder zur Verhinderung von vermeintlichen Rechtsverletzungen Dritter. Im Gegenteil: Wenn er als Zugangsanbieter derartiges täte, würde er die Netzneutralität eklatant verletzen und eine Auswahl der Inhalte, die über seinen Anschluss übermittelt werden, würde ihn als Betreiber erst recht haftbar für die angebotenen Inhalte machen.
Die beklagte Tonträger-Produzentin hat auf Unterlassung, Schadensersatz und Erstattung von Abmahnungskosten gerichtete Widerklage gegen den Kläger erhoben.
Das Landgericht München tendiert zu der Rechtsauffassung,  eine Störerhaftung des W-LAN-Betreibers und damit eine Berechtigung zur Abmahnung sowie eine Verpflichtung zur Unterlassung zu bejahen, wenn das W-LAN-Netzwerk betrieben wird ohne die technisch möglichen Sicherungsmaßnahmen.
Die Münchener Richter haben allerdings erkannt, dass diese Rechtsauffassung mit den Haftungsprivilegierungen der E-Commerce-Richtlinie (insbesondere Art. 12,14 und 15),  in Deutschland gesetzlich umgesetzt im TMG, unvereinbar sein könnte. Der Kläger hat nämlich für den Fall, dass das Gericht § 8 TMG nicht anzuwenden beabsichtigt, hilfsweise beantragt, nach Art. 267 AEUV dem EuGH folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
“Ist die Richtlinie 2000/31/EG oder die Europäische Grundrechtecharta dahin auszulegen, dass sie den Mitgliedstaaten verbietet, Anbieter öffentlich oder anonym zugänglicher lnternet-Zugangsdienste unabhängig von einer gegen sie gerichteten gerichtlichen oder behördlichen Entscheidung und unabhängig von konkreten Anhaltspunkten für eine bestimmte drohende Rechtsverletzung zu verpflichten. allgemeine und permanente Maßnahmen zur Vorbeugung oder Verhinderung etwaiger zukünftiger Rechtsverletzungen seitens Teilnehmer des öffentlichen Internetzugangsdienstes zu treffen.” 
Das  Landgericht München I hat dem EuGH mit Beschluss vom 18.09.2014, Az. 7 O 14719/12, nun folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt: 
1. Ist Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (“Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr”) in Verbindung mit Art. 2 lit. a) der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der lnformationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (“Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr”) in Verbindung mit Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34/EG in der Fassung der Richtlinie 98/48/EG so auszulegen, dass “in der Regel gegen Entgelt” bedeutet, dass das nationale Gericht feststellen muss, ob die konkret betroffene Person, die sich auf die Diensteanbietereigenschaft beruft, diese konkrete Dienstleistung in der Regel entgeltlich anbietet,
 oder
 überhaupt Anbieter auf dem Markt sind, die diese Dienstleistung oder vergleichbare Dienstleistungen gegen Entgelt anbieten,
 oder
 die Mehrheit dieser oder vergleichbarer Dienstleistungen gegen Entgelt angeboten werden?
2. Ist Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (“Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr”) so auszulegen, dass “Zugang zu einem Kommunikationsnetzwerk zu vermitteln” bedeutet, dass es für eine richtlinienkonforme Vermittlung lediglich darauf ankommt, dass der Erfolg eintritt, indem der Zugang zu einem Kommunikationsnetzwerk (z. B. dem Internet) vermittelt wird?
3. Ist Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (“Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr”) in Verbindung mit Art 2 Iit b) der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (“Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr”) so auszulegen, dass es für “anbieten” im Sinne von Art. 2 lit. b) der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der lnformationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (“Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr”) ausreicht, wenn der Dienst der lnformationsgesellschaft rein tatsächlich zur Verfügung gestellt wird, im konkreten Fall also ein offenes WLAN bereitgestellt wird, oder ist z. B. darüber hinaus auch ein “Anpreisen” erforderlich?
 4. Ist Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (“Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr”) so auszulegen, dass mit “nicht für die übermittelten Informationen verantwortlich” bedeutet, dass etwaige Ansprüche auf Unterlassung, Schadensersatz, Zahlung der Abmahnkosten und Gerichtsgebühren des aufgrund einer Urheberrechtsverletzung Betroffenen gegen den Zugangs-Provider grundsätzlich oder jedenfalls in Bezug auf eine erste festgestellte Urheberrechtsverletzung ausgeschlossen sind?
5. Ist Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 in Verbindung mit Art 12 Abs. 3 der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (“Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr”) so auszulegen, dass die Mitgliedstaaten dem nationalen Richter nicht erlauben dürfen, in einem Hauptsacheverfahren gegen den Zugangs-Provider eine Anordnung zu erlassen, wonach dieser es künftig zu unterlassen hat, es Dritten zu ermöglichen, über einen konkreten Internetanschluss ein bestimmtes urheberrechtlich geschütztes Werk über lnternet-Tauschbörsen zum elektronischen Abruf bereitzustellen?
6. Ist Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (“Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr”) dahingehend auszulegen, dass unter den Umständen des Ausgangsverfahrens die Regelung von Art. 14 Abs. 1 lit. b) der RichtlinIe 2000/31 EG entsprechend auf einen Unterlassungsanspruch anzuwenden ist?
7. Ist Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (“Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr”) in Verbindung mit Art. 2 lit. b) der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (“Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr”) so auszulegen, dass sich die Anforderungen an einen Diensteanbieter darin erschöpfen, dass Diensteanbieter jede natürliche oder juristische Person ist, die einen Dienst der Informationsgesellschaft anbietet?
8. Falls Frage 7 verneint wird, welche zusätzlichen Anforderungen sind im Rahmen der Auslegung von Art. 2 lit. b) der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (“Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr”) an einen Diensteanbieter zu stellen?
9. a) Ist Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (“Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr”) unter Berücksichtigung des bestehenden grundrechtlichen Schutzes des geistigen Eigentums, das sich aus dem Eigentumsrecht ergibt (Art. 17 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union), sowie der in folgenden Richtlinien getroffenen Regelungen zum Schutz des geistigen Eigentums, vor allem des Urheberrechts:
– 2001/29fEG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.5.2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft,
– 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums
 sowie unter Berücksichtigung der Informationsfreiheit sowie des Unionsgrundrechts der unternehmerischen Freiheit (Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union)
 dahingehend auszulegen, dass er einer Entscheidung des nationalen Gerichts in einem Hauptsacheverfahren nicht entgegensteht, wenn in dieser Entscheidung der Zugangs-Provider kostenpflichtig dazu verurteilt wird, es künftig zu unterlassen, Dritten zu ermöglichen, über einen konkreten Internetanschluss ein bestimmtes urheberrechtlich geschütztes Werk oder Teile daraus über Internet-Tauschbörsen zum elektronischen Abruf bereitzustellen und dem Zugangs-Provider damit freigestellt wird, welche technischen Maßnahmen er konkret ergreift, um dieser Anordnung nachzukommen?
   b) Gilt dies auch dann, wenn der Zugangs-Provider dem gerichtlichen Verbot faktisch nur dadurch nachkommen kann, dass er den Internetanschluss stilllegt oder mit Passwortschutz versieht oder sämtliche darüber laufende Kommunikation darauf untersucht, ob das bestimmte urheberrechtlich geschützte Werk erneut rechtswidrig übermittelt wird, wobei dies schon von Anfang an feststeht und sich nicht erst im Rahmen des Zwangsvollstreckungs- oder Bestrafungsverfahrens herausstellt? 
Die dem EuGH vorgelegten Fragestellungen entbehren zwar durchaus teilweise bereits selbst nicht gewisser Kritikwürdigkeit, wie der Kollege Stadler zu Recht kommentiert hat, das weitere Verfahren darf man dennoch mit Interesse verfolgen.

Freitag, 24. Mai 2013

Gestörte Störerhaftung und BGH-Thesen im Urteil zu Google-„Autocomplete“

    Mit Updates vom

    26.05.2013 und 08.04.2014 und 11.04.2014


  • Haftet Google für Kombinationen mit Suchwortergänzungen? 
  • Welchen Sinngehalt haben die generierten begrifflichen Kombinationen? 
  • Und wie weit geht die Störerhaftung?
1. Nimmt ein Betroffener den Betreiber einer Internet Suchmaschine mit Suchwortergänzungsfunktion auf Unterlassung der Ergänzung persönlichkeitsrechtsverletzender Begriffe bei Eingabe des Namens des Betroffenen in Anspruch, setzt die Haftung des Betreibers die Verletzung zumutbarer Prüfpflichten voraus.
2. Der Betreiber ist grundsätzlich erst verantwortlich, wenn er Kenntnis von der rechtswidrigen Verletzung des Persönlichkeitsrechts erlangt.
3. Weist ein Betroffener den Betreiber auf eine rechtswidrige Verletzung seines Persönlichkeitsrechts hin, ist der Betreiber verpflichtet, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern.

Auf die Revision der Kläger wurde das Berufungsurteil des 15. Zivilsenats des OLG Köln vom 10.05.2012 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

 

Sachverhalt:

Gegen Google machen eine Aktiengesellschaft, die im Internet über ein "Network-Marketing-System" Nahrungsergänzungsmittel und Kosmetika vertreibt, sowie deren Gründer und Vorstandsvorsitzender Unterlassungs- und Geldentschädigungsansprüche und ferner den Ersatz außergerichtlicher Abmahnungskosten geltend wegen als rechtsverletzend gerügter „predictions“ im Rahmen der "Autocomplete"-Funktion.

Die auftauchenden Suchvorschläge werden durch eine von Google entwickelte und eingesetzte Software auf der Basis eines Algorithmus ermittelt, der u.a. die Anzahl der von anderen Nutzern eingegebenen Suchanfragen einbezieht.

Bei Eingabe des klägerischen Namens erschienen im Wege der "Autocomplete"-Funktion per sich öffnendem Fenster als Kombinations-Vorschläge die Worte "Scientology" und "Betrug". Dadurch sehen sich die Kläger in ihrem Persönlichkeitsrecht und in ihrem geschäftlichen Ansehen verletzt, da der Vorstandsvorsitzende weder in irgendeinem Zusammenhang mit Scientology stehe, noch sei ihm ein Betrug vorzuwerfen oder je ein entsprechendes Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet worden. Zudem sei in keinem einzigen Suchergebnis eine Verbindung zwischen dem Kläger und "Scientology" bzw. "Betrug" ersichtlich.

Die Kläger haben zunächst im Beschlusswege eine einstweilige Verfügung vom 12. Mai 2010 erwirkt, durch die Google verboten wurde, nach Eingabe des Namens des Klägers als Suchbegriff im Rahmen der "Autocomplete"-Funktion die ergänzenden Kombinationsbegriffe "Scientology" und "Betrug" vorzuschlagen.

 

Nach Abmahnung und zunächst ergangener einstweiliger Verfügung haben sowohl die 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln als auch das OLG Köln die Klage abgewiesen, weil den automatisierten Suchergänzungsvorschlägen in der Suchmaschine kein eigener Aussagegehalt beizumessen sei. Aus Sicht eines durchschnittlichen Nutzers lasse sich der Anzeige der Ergänzungssuchbegriffe lediglich die eigene Aussage der Suchmaschine entnehmen, dass mehrere vorherige Nutzer die gewählten Begriffskombinationen zur Recherche eingegeben hätten oder dass sich die Ergänzungssuchbegriffe in verlinkten Drittinhalten jeweils als solche auffinden ließen. Diese Aussage sei wahr und daher von den Klägern hinzunehmen.. Das OLG hat die Revision zugelassen.

 

Zur Urteilsbegründung:

 
Nach Einschätzung des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes reichen demgegenüber die bisher in den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen (noch?) nicht aus, die Klage gegen Google abzuweisen.

Nach Auffassung der Karlsruher Richter beinhalten die dem klägerischen Namen zugewiesenen Suchwortergänzungsvorschläge "Scientology" und "Betrug" doch einen verletzenden Aussagegehalt und damit eine Beeinträchtigung der Persönlichkeitsrechte der Kläger.

Der mit dem Begriff "Scientology" in Verbindung mit dem Namen einer real existierenden Person zum Ausdruck gebrachte Sinngehalt ließe sich „hinreichend dahin spezifizieren“, dass zwischen dieser Sekte und der namentlich erwähnten Person „eine Verbindung besteht“, die auch geeignet sei, „eine aus sich heraus aussagekräftige Vorstellung hervorzurufen“. Aber welche von etlichen denkbaren "Verbindungen"? Welche konkrete "aussagekräftige" Vorstellung?


Mit der Verwendung des Begriffes „Betrug“ verbinde der Durchschnittsleser „zumindest ein sittlich vorwerfbares Übervorteilen eines anderen“ und verleihe ihm damit „einen hinreichend konkreten Aussagegehalt“.

Der BGH widerspricht der Auffassung der Vorinstanzen, dass man den von der Suchmaschine der Beklagten angezeigten Ergänzungssuchvorschlägen lediglich die Aussage entnehmen könne, dass vorherige Nutzer die gewählten Begriffskombinationen zur Recherche eingegeben haben oder dass sich die Ergänzungssuchbegriffe in verlinkten Drittinhalten auffinden lassen. Die mit Google nach Informationen suchenden Internetnutzer erwarteten von den ihnen nach der Eingabe des Suchbegriffs angezeigten ergänzenden Suchvorschlägen eben doch „einen inhaltlichen Bezug zu dem von ihm verwandten Suchbegriff“, würden ihn zumindest für möglich halten. Hierzu heißt es im Urteil:

 
„Aus dem "Ozean von Daten" werden dem suchenden Internetnutzer von der Suchmaschine der Beklagten nicht x-beliebige ergänzende Suchvorschläge präsentiert, die nur zufällig "Treffer" liefern. Die Suchmaschine ist, um für Internetnutzer möglichst attraktiv zu sein - und damit den gewerblichen Kunden der Beklagten ein möglichst großes Publikum zu eröffnen - auf inhaltlich weiterführende ergänzende Suchvorschläge angelegt. Das algorithmusgesteuerte Suchprogramm bezieht die schon gestellten Suchanfragen ein und präsentiert dem Internetnutzer als Ergänzungsvorschläge die Wortkombinationen, die zu dem fraglichen Suchbegriff am häufigsten eingegeben worden waren. Das geschieht in der - in der Praxis oft bestätigten - Erwartung, dass die mit dem Suchbegriff bereits verwandten Wortkombinationen - je häufiger desto eher - dem aktuell suchenden Internetnutzer hilfreich sein können, weil die zum Suchbegriff ergänzend angezeigten Wortkombinationen inhaltliche Bezüge widerspiegeln.“

Die vom BGH gewählte Figur „inhaltlicher Bezüge“ ist abstrakt und substanzlos und eine daran festgemachte vermeintliche Nutzer-Erwartung bereits deshalb m.E. sehr fragwürdig. Umso fragwürdiger aber erscheint mir die These, den streitgegenständlichen Wort-Komplettierungen sei die Aussage zu entnehmen, zwischen dem Kläger und den Begriffen "Scientology" und/oder "Betrug" bestehe ein sachlicher Zusammenhang. Selbst wenn man dem folgen wollte, fragt sich doch, welcher Art diese Verbindung denn sein soll, beispielsweise als Täter oder als Opfer oder etwa nur als Berichterstatter?

Die vom BGH dennoch ohne diesbezügliche Differenzierung und Problematisierung bejahte Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Kläger will das Gericht der Betreiberin der Suchmaschine auch unmittelbar zurechnen. Google habe per selbst geschaffenem Computerprogramm das Nutzerverhalten ausgewertet und sodann den Nutzern die entsprechenden Vorschläge unterbreitet. Google und nicht Dritte hätten die Verknüpfungen der Begriffe „hergestellt“ und im Netz zum Abruf bereitgehalten. Sie stammten deshalb unmittelbar von Google. Dieses so schlicht zu behaupten, ersetzt m. E. keine überzeugende Begründung.


Google haftet allerdings auch nach Auffassung des BGH nicht unbedingt für jede Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung durch Suchvorschläge. Zwar sei Google nicht bereits nach
§ 10 TMG von der Verantwortlichkeit für den Inhalt der von ihr betriebenen Website befreit. Google sei Diensteanbieter i. S. v. § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG, der eigene Informationen zur Nutzung bereit hält und deshalb auch gemäß § 7 Abs. 1 TMG nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich sei. Google würde im vorliegenden Fall nicht wegen der Durchleitung, Zwischenspeicherung oder Speicherung fremder Informationen in Anspruch genommen, sondern wegen „einer eigenen Information“, nämlich „konkret wegen der als Ergebnisse ihres Autocomplete-Hilfsprogramms dem Nutzer ihrer Internet-Suchmaschine angezeigten Suchwortergänzungsvorschläge“. Es ginge insofern um einen von Google angebotenen "eigenen" Inhalt und nicht um das Zugänglichmachen und/oder Präsentieren von Fremdinhalten, für die ein Diensteanbieter gemäß §§ 8 bis 10 TMG nur eingeschränkt verantwortlich ist. Auch an dieser Stelle wird Begründung durch schlichte These ersetzt.

Bei der Abwägung der Interessen der Kläger am Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte einerseits und der durch
Art. 2, 5 Abs. 1 und 14 GG geschützten Interessen von Google auf Meinungs- und wirtschaftliche Handlungsfreiheit andererseits berücksichtigt der Bundesgerichtshof, dass Google die Suchmaschinenfunktion zwar in ihrem eigenen geschäftlichen Interesse in der beschriebenen Weise betreibt, um Nutzer wegen der Effektivität der Suche an sich zu binden. Doch würden die Nutzer ihrerseits daraus den Vorteil einer begriffsorientierten Suche nach Daten und Informationen ziehen. Auf Seiten der Kläger sei für die Abwägung entscheidend, dass die verknüpften Begriffe einen unwahren Aussagegehalt hätten, weil der Kläger zu 2 weder in Verbindung mit einem Betrug gebracht werden könne, noch Scientology angehöre oder auch nur nahe stände. Äußerungen von unwahren Tatsachen müssten nicht hingenommen werden. Welche ausreichend substanzreiche Tatsachenbehauptung hier vermeintlich vorliegt, bleibt im Unklaren.

Jedenfalls könne eine Haftung von Google „als Störerin nicht von vornherein verneint werden“.

Eine Täterhaftung prüft der BGH immerhin erst gar nicht.

Selbst bei einer etwaigen Störerhaftung müsse Google allerdings nicht uneingeschränkt und unabhängig von Zumutbarkeitsgesichtspunkten haften, da nach den besonderen Umständen des Streitfalles der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit in einem Unterlassen liege. Das Entwickeln und die Verwendung der die Suchvorschläge erarbeitenden Software sei Google doch nicht vorzuwerfen, da es sich hierbei um eine durch
Art. 2, 14 GG geschützte wirtschaftliche Tätigkeit handele. Ein „Fallrückzieher“ der Karlsruher?

Der BGH verkennt nicht, dass das Suchmaschinenangebot zumindest nicht von vornherein auf eine Rechtsverletzung durch eine gegen eine bestimmte Person gerichtete unwahre Tatsachenbehauptung abzielt, da erst durch das Hinzutreten eines bestimmten Nutzerverhaltens „ehrverletzende Begriffsverbindungen entstehen“ können.

Die Tätigkeit von Google sei aber nicht nur rein technischer, automatischer und passiver Art und nicht ausschließlich beschränkt auf die Bereitstellung von Informationen für den Zugriff durch Dritte.

Google verarbeite die Abfragedaten der Nutzer in einem eigenen Programm, das die Begriffsverbindungen dann bilde. Für deren Angebot in Form eigener Suchvorschläge sei Google „grundsätzlich aufgrund der ihr zuzurechnenden Erarbeitung verantwortlich“. Google müsse sich grundsätzlich vorwerfen lassen, „keine hinreichenden Vorkehrungen getroffen zu haben, um zu verhindern, dass die von der Software generierten Suchvorschläge Rechte Dritter verletzen“. Schon wieder eine argumentative Kehrtwende?
 
Google sei allerdings grundsätzlich nicht verpflichtet, die generierten Suchergänzungsvorschläge generell vorab auf etwaige Rechtsverletzungen zu überprüfen. Da dies den Betrieb einer Suchmaschine mit einer der schnellen Recherche der Nutzer dienenden Suchergänzungsfunktion entweder sogar unmöglich machen, zumindest aber unzumutbar erschweren würde. Den Betreiber einer Internet-Suchmaschine treffe deshalb grundsätzlich erst bei Kenntnis von einer Rechtsverletzung – z.B. durch Hinweise des Betroffenen - eine Prüfungspflicht und die Verpflichtung, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern.

Da das Oberlandesgericht Köln keine rechtliche Würdigung unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Prüfungspflichten vorgenommen habe und auch einen - nur in engen Grenzen zu gewährenden - Anspruch auf Geldentschädigung sowie einen etwaigen Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nicht geprüft habe, sei dies nun nachzuholen.

Die Argumentationswendungen des BGH erscheinen bemüht und dabei wenig überzeugend und machen die rechtliche Einordnung und Prognose der Rechtsfigur einer „Störerhaftung“ nicht transparenter und nicht einfacher.

Update vom 26.05.2013:

Wenn beim Suchwort "Merkel" Google's Suchmaschine 
den Ergänzungsbegriff "Waffen" vorschlägt,

bei der Suche nach "Guido Westerwelle" dieser mit der BGH-Lesart durch
Autocomplete dann wohl zum "Vater" gemacht wird und

bei der Google-Suche nach Bundespräsident "Joachim Gauck"
die etwa diskreditierende Assoziation "Steckbrief" auftaucht,

wird deutlich, das die höchstrichterlichen Bewertungen über
"Erwartungen", "Zusammenhänge", "Verknüpfungen", "Verbindungen", "Bezüge", "Inhalte", "Informationen", "Aussagegehalt" und "Tatsachen"
im Zusammenhang mit der Autocomplete-Funktion den tatsächlichen technischen und medialen Abläufen und Verständnissen nicht ausreichend differenziert gerecht werden. Die Kombination eines Namens mit einem Wort ist und bleibt so mehrdeutig und damit gleichzeitig so substanzlos unkonkret und nichtssagend-vielsagend, dass ein derartig begründetes Verbot die Informationsfreiheit und Kommunikationsfreiheit in gefährlicher Weise beeinträchtigen würde.
 Da werden voraussichtlich auch das Bundesverfassungsgericht und der EuGH noch "Ergänzungen" zu "komplettieren" haben. 

Update vom 08.04.2014: 

Das OLG Köln hat Google nun mit Urteil vom 08.04.2014, Az. 15 U 199/11, teilweise (hinsichtlich der Suchwortergänzung "Scientology") zur Unterlassung verurteilt, weil Google auf die diesbezügliche Löschungsaufforderung nicht reagiert hatte. Geldentschädigungen wurden nicht zugesprochen. Eine nochmalige Revision hat das Oberlandesgericht nicht zugelassen. Die Kläger können Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof einlegen. Die Entscheidungsgründe des OLG liegen noch nicht vor.

 

Update vom 11.04.2014:

Heute liegen die schriftlichen Entscheidungsgründe des OLG-Urteils aus Köln vom 08.04.2014, Az. 15 U 199/11, vor. Das Berufungsgericht begründet seine Entscheidung auf der Basis der oben von mir kommentierten Wertungen des BGH aus dessen Urteil vom 14.05.2013. Da werden Google auf der einen Seite und zahlreiche Anwälte auf der anderen Seite ja noch viel zu tun bekommen im Streit um so manche Suchwortkombination.




Freitag, 7. Januar 2011

"Spiel mir das WLAN-Lied vom Hot-Spot-Tod" - Immer mehr Filesharing-Abmahnungen von Hotels und Internetcafés

In letzter Zeit häuft sich die Abmahnung von gewerblichen Betreibern offener WLAN-Netze wegen vermeintlicher Teilnahme an illegalen Musik- oder Film-Tauschbörsen. Die "Rechteinhaber" versuchen dabei, sich u.a. auf aktuelle BGH- und Landgerichts-Urteile zu stützen. Bei den jüngsten Diskussionen um eine WLAN-Haftung bei Hot Spots (oder Hotspots ;)  erleichtert m. E. - wie so oft - ein Blick in das Gesetz die Rechtsfindung, selbstverständlich ohne damit jeden weiteren Streit vermeiden zu können:


Das Telemediengesetz (TMG) regelt die Haftung eines Diensteanbieters im Telekommunikationsrecht. Als Diensteanbieter gilt gemäß § 2 TMG 

jede natürliche oder juristische Person, die eigene oder fremde Telemedien zur Nutzung bereithält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt. 

Zu den Telemedien gehört unzwiefelhaft auch das Internet.
In § 8 Abs. 1 TMG heißt es dann:
 
Diensteanbieter sind für fremde Informationen, die sie in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich, sofern sie
 1. die Übermittlung nicht veranlasst,
 2. den Adressaten der übermittelten Informationen nicht ausgewählt und
 3. die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben.

Ein Hotspot-Betreiber (egal ob z. B. Hotel, Flughafen, Behörde, Shopping-Center oder Internetcafé) ist grundsätzlich Diensteanbieter i. S. d. Telemediengesetzes, da er anderen seinen Internetzugang zur Verfügung stellt. Ob er dies gewerblich oder zu privaten Zwecken macht, ist für die Anwendung des TMG an dieser Stelle nicht relevant. Der Diensteanbieter haftet, wenn er anderen seinen Webzugang zur Verfügung stellt, nur dann, wenn er Kenntnis von den über seinen Anschluss begangenen Rechtsverstößen hat und nicht etwa generell und immer.

Nach § 7 Abs. 2 TMG besteht auch keine Pflicht des Hotspot-Betreibers, den Webzugang nach rechtswidrigen Benutzungen zu untersuchen bzw. zu kontrollieren oder zu überwachen. Im Gesetz heißt es dazu:

Diensteanbieter im Sinne der §§ 8 bis 10 sind nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen.

§ 10 TMG lautet unter dem Titel "Speicherung von Informationen" wie folgt:

Diensteanbieter sind für fremde Informationen, die sie für einen Nutzer speichern, nicht verantwortlich, sofern

1. sie keine Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder der Information haben und ihnen im Falle von Schadensersatzansprüchen auch keine Tatsachen oder Umstände bekannt sind, aus denen die rechtswidrige Handlung oder die Information offensichtlich wird, oder

2. sie unverzüglich tätig geworden sind, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren, sobald sie diese Kenntnis erlangt haben.
Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Nutzer dem Diensteanbieter untersteht oder von ihm beaufsichtigt wird.

Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers nach der Rechtsprechung des Senats die Verletzung von Prüfpflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist ...

Der BGH grenzt in dem bisher ersten höchstrichterlichen Urteil zur Filesharing-Haftung die aus seiner Sicht geringere Schutzbedürftigkeit des privaten WLAN-Anschlussinhabers bekanntlich ab vom gewerblichen bzw. geschäftlichen Betreiber eines WLAN-Anschlusses:

Es geht hier nicht um ein Geschäftsmodell, das durch die Auferlegung präventiver Prüfungspflichten gefährdet wäre (vgl. BGHZ 158, 236, 251 f. - Internet-Versteigerung I). Es gelten auch nicht die Haftungsprivilegien nach § 10 TMG und Art. 14 f. der Richtlinie 2000/ 31/ EG über den elektronischen Geschäftsverkehr, die im Falle des Diensteanbieters nach § 10 Satz 1 TMG (Host Provider) einen weitergehenden Unterlassungsanspruch ausschließen.

Dennoch bejaht das Landgerichts Hamburg mit in einem Eilverfahren ergangenen Beschluss vom 25.11.2010, Az. 310 O 433/10, die Verantwortlichkeit eines Internetcafé-Inhabers für Urheberrechtsverletzungen bei Tauschbörsen-Nutzung seitens seiner Kunden mangels Absicherung des WLAN-Netzwerkes durch "geeignete Sicherungsmaßnahmen". Das Hamburger Landgericht übersieht dabei nicht nur die obigen Vorgaben des TMG, sondern auch die nur lückenhaften technischen Möglichkeiten zur zumutbaren Beschränkung der Internet-Zugriffe für die Gäste derartiger Internetcafés oder Hot Spots.

Die Privilegierungen des Telemediengesetzes gelten nach umstrittener, aber zutreffender Ansicht nicht nur für eine etwaige Schadenshaftung, sondern auch gerade für etwaige Unterlassungsverpflichtungen gewerblicher WLAN-Betreiber; das TMG basiert auf der oben erwähnten europäischen  „E-Commerce-Richtlinie“. Nach Auffassung des EuGH darf bei Diensteanbietern im Sinne dieser RL eine Verantwortlichkeit für eine Rechtsverletzung Dritter gerade nicht angenommen werden.

Eine Überwachung der Nutzer von Hot Spots verbietet sich darüber hinaus auch aus verfassungsrechtlichen und strafrechtlichen Gründen. Das Fernmeldegeheimnis beinhaltet ein umfassendes Kenntnisnahmeverbot und schützt sowohl die Inhalte als auch die näheren Umstände der jeweils stattfindenden Telekommunikation der Hot Spot User bzw. Gäste. Zu den geschützten Inhalten gehören Empfangenes und Übermitteltes, Downloads und Uploads.

Es spricht also vieles dafür, dass das offene WLAN in Hotels, Bahnhöfen, Eisdielen und Behörden-Centern trotz aktueller p2p-Abmahnungen nicht ausstirbt. Totgesagte leben länger.

Samstag, 2. Oktober 2010

Manche mögen's heiß: Mehrfach-Abmahnungen, Hot Spots und Cafés

Aus aktuellem Anlasss der Schließung von zuvor offenem WLAN für die Gäste einer Düsseldorfer Café-Kette hier zunächst nochmals Auszüge meiner bereits vor dem WLAN-Urteil des BGH vom 12. Mai 2010 geäußerten medienrechtlichen Einordnungen zu Risiken und Chancen von Hot Spots (oder Hotspots) im Hinblick auf drohende oder bereits erhaltene urheberrechtliche Abmahnung wegen Filesharing. Das Thema Störerhaftung bleibt weiter spannend ... und offen!

Und so hörte sich das vor  fünf Monaten - m.E. zu Recht - an:
Besonders könnte das Urteil die erwähnten Heißpunkte bzw. Hotspots treffen .. und deren bisherige Nutzer. Da kann es schnell passieren, dass einem das "Halzband"-Urteil (I ZR 114/06) im Hals stecken bleibt; aber wem?


Bei Hotspots erleichtert m. E. wie so oft ein Blick in das Gesetz die Rechtsfindung


Das Telemediengesetz (TMG) regelt die Haftung eines Diensteanbieters im Telekommunikationsrecht. Als Diensteanbieter gilt gemäß § 2 TMG 

jede natürliche oder juristische Person, die eigene oder fremde Telemedien zur Nutzung bereithält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt. 

Zu den Telemedien gehört unzwiefelhaft auch das Internet.
In § 8 Abs. 1 TMG heißt es dann:
 
Diensteanbieter sind für fremde Informationen, die sie in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich, sofern sie
 1.
die Übermittlung nicht veranlasst,
 2.
den Adressaten der übermittelten Informationen nicht ausgewählt und
 3.
die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben.

Ein Hotspot-Betreiber ist grundsätzlich Diensteanbieter i. S. d. Telemediengesetzes, da er anderen seinen Internetzugang zur Verfügung stellt. Ob er dies gewerblich oder zu privaten Zwecken macht, ist für die Anwendung des TMG an dieser Stelle nicht relevant. Der Diensteanbieter haftet, wenn er anderen seinen Webzugang zur Verfügung stellt, nur dann, wenn er Kenntnis von den über seinen Anschluss begangenen Rechtsverstößen hat und nicht etwa generell und immer.

Nach § 7 Abs. 2 TMG besteht auch keine Pflicht des Hotspot-Betreibers, den Webzugang nach rechwidrigen Benutzungen zu untersuchen bzw. zu kontrollieren oder zu überwachen. Im Gesetz heißt es dazu:

Diensteanbieter im Sinne der §§ 8 bis 10 sind nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen.

Wenn der 1. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes die gesetzlichen Vorgaben zur Haftungsbeschränkung derjenigen beachtet, die bewusst, gewollt und damit "schuldhaft" (vorsätzlich) Webzugänge für Dritte (seien es z. B. Kunden, Gäste oder Besucher) schaffen, muss er eigentlich im Erst-Recht-Schluss die Begrenzung der Haftung auch für Anschlussinhaber anwenden, die ohne entsprechenden Plan, ohne Vorsatz und unfreiwillig praktisch zum "Diensteanbieter" werden - egal ob von Dritten (ohne vorherige Kenntnis des Anschlussinhabers) Mai-Lieder, Rap-Songs oder Hardcore-Filme öffentlich beim Filesharing zugänglich gemacht wurden.

Die Instanzen-Gerichte und die meisten Anwälte (anders als z. B. die Kollegen Stadler und Euler) haben bisher das TMG praktisch links des Maiwaldes liegen lassen. Wir wollen hoffen, dass der BGH den Baum vor lauter Wald sieht und bei seinen Abwägungen die Wertungen des TMG-Gesetzgebers angemessen berücksichtigt.

Ein unbegrenzter Freibrief wird den Hotspots - und anderen Anschlussinhabern - ohnehin am 12. Mai 2010 nicht geschrieben werden: Nach Kenntnis, für die die Abmahner oder Kläger wohl in den meisten Fällen "sorgen", bleibt für den Hotspot-Betreiber - wie für jeden anderen Anschlussinhaber - "nichts wie vorher"; dann beginnen in jedem Fall Untersuchungs- und Überwachungspflichten. Dies wird nicht selten zur anschließenden Schließung des offenen W-LAN-Hotspots führen. Der (Mai-)Regen scheint mal wieder für alle sicher.

Mittwoch, 12. Mai 2010

BGH-Urteil zur Störerhaftung bei unzureichend gesichertem WLAN-Anschluss und Konsequenzen für Filesharing-Abmahnungen

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit heutigem Urteil vom 12.05.2010 - I ZR 121/08 - ("Sommer unseres Lebens") einige Klarstellungen im Zusammenhang mit offenen Fragen bei Filesharing-Abmahnungen getroffen. Gleichzeitig bleiben allerdings auch weiterhin einige Problemfelder ungeklärt.

Festhalten lässt sich im derzeitigen Stadium - die schriftlichen Urteilsgründe liegen noch nicht vor - die folgenden Schlüsse:



1. Bei nicht ausreichend gesichertem WLAN-Anschluss haftet der private Anschlussinhaber nach den Rechtsgrundsätzen der Störerhaftung auf Unterlassung und auf Erstattung der Abmahnkosten, wenn der nicht ausreichend gesicherte WLAN-Anschluss von unberechtigten Dritten für Urheberrechtsverletzungen - beispielsweise im Rahmen von Filesharing - genutzt wurde.


2. Wird lediglich ein Musiktitel im Rahmen unberechtigter Tauschbörsen-Teilnahme öffentlich zugänglich gemacht, findet die Bagatellklausel des § 97a Abs. 2 UrhG Anwendung mit der darin geregelten Obergrenze für die anwaltlichen Kosten einer erstmaligen Abmahnung in Höhe von 100,00 Euro.


3. Dem privaten Betreiber eines WLAN-Netzes kann nicht zugemutet werden, die Netzwerksicherheit fortlaufend dem neuesten Stand der Technik anzupassen und dafür entsprechende finanzielle Mittel einzusetzen. Privatpersonen haben insofern lediglich die im Zeitpunkt der Installation des Routers für den privaten Bereich marktüblichen Sicherungen aufrecht zu erhalten und deren Einhaltung regelmäßig zu prüfen.
Sie sollten es allerdings nicht bei den werkseitigen Standardsicherheitseinstellungen des WLAN-Routers belassen und das vorgegebene Passwort durch ein persönliches, ausreichend langes und sicheres Passwort ersetzen.


4. In den Fällen der obigen Ziff. 1. ist der Anschlussinhaber mangels Vorsatz nicht zum Schadensersatz verpflichtet. Der BGH bewertet den Anschlussinhaber in derartigen Fällen weder als Täter, noch als Gehilfen oder Teilnehmer der durch einen unberechtigten Dritten vorgenommenen Urheberrechtsverletzung.


5. Nicht abschließend geklärt wird durch das BGH-Urteil vom 12.05.2010 die Frage, welche Art der Absicherungen bzw. Verschlüsselungen vom BGH als zum Zeitpunkt der Installation des Routers jeweils "marktübliche Sicherung" angesehen wird. Dies wird insofern auch zukünftig einer der offenen Streitpunkte bleiben und im Einzelfall ggf. auch erst durch Sachverständigen-Beweis einer Klärung näher gebracht werden können.

Als aktueller Mindest-Sicherungsstandard wird derzeit eine WPA2-Verschlüsselung verlangt.


6. Das BGH-Urteil wird nach Vorliegen der vollständigen schriftlichen Entscheidungsgründe genau zu analysieren sein, zeigt allerdings bereits jetzt Grenzen für Filesharing-Abmahnungen gegenüber Privatpersonen auf. Andererseits bleiben z. B. offene Fragen nicht ohne Dramatik für gewerbliche Betreiber von Hotspots, Internet-Cafes o. Ä.  im Hinblick auf die Anwendbarkeit des § 8 TMG.

Ergänzung vom 03.06.2010: Zwischenzeitlich liegen die schriftlichen Entscheidungsgünde des I. Zivilsenates vor, die ich hier recht kritisch kommentiert habe.

Samstag, 24. April 2010

Der Mai wird kommen und die Hotspots schlagen aus. Blühende Phantasien zum anstehenden Filesharing-W-LAN-Urteil des BGH und zum Wetter.

Am 12. Mai 2010 wird der Bundesgerichtshof (I ZR 121/08) vielleicht alle Blütenträume der Abmahnungs-Zunft oder stattdessen eine Bombe zu Lasten aller Hotspots in Hotels, Service-Einrichtungen, Flughäfen oder Cocktail-Bars platzen lassen. Die Angst vor Filesharing-Abmahnung ist trotz oder wegen der kommenden Maienzeit ungeschmälert.


Moses Pelham's Power Productions (Musiklabel 3P) wird der Musik-, Film- und Porno-Branche - nach dem vor dem OLG Frankfurt verlorenen Berufungsverfahren - mit den im Revisionsverfahren weiterverfolgten vermeintlichen urheberrechtlichen Ansprüchen eventuell den "Sommer ihres Lebens" bereiten (in leichter Abwandlung des betroffenen Musiktitels von Sebastian Hämer). Dann nämlich, wenn der 1. Zivilsenat (wegen eines während des Urlaubs des Anschlussinhabers nicht ausreichend verschlüsselten W-LAN-Netzwerkes und einer angeblich in dem Zusammenhang durch einen Dritten stattgefundenen illegalen Teilnahme an einer Musik-Tauschbörse) den Urlauber zum haftenden (Mit-)Störer erklärt. Dann wäre der Erholungswert jenes Urlaubs wohl dahin - schöner Mai hin oder her.


Argumente sind pro und contra zahlreich und z. T. auch vertieft ausgetauscht worden - selbstverständlich außerhalb von Tauschbörsen. Akademisch und dogmatisch lassen sich da ohne alle Frühlingsgefühle zahlreiche Gesichtspunkte und eine Menge juristischer Theorien heranziehen oder neu begründen. Verkehrssicherungspflichten (die nun wirklich nichts mit Frühlingsgefühlen zu tun haben), Halter-Haftungen (die nichts mit Mikrofonhaltern zu tun haben), Garantie-Haftungen ohne Garanten, verschuldensähnliche Bewertungen (bei denen jede Ähnlichkeit rein zufällig ist), Sphären-Theorien und -Klänge oder weitere störende Störer-Geräusche rauschen durch den maienhaften Blätter-Wald. 


Auf der anderen Seite - des Waldes - werden dem gegenüber Lieder von Waldeslust und Userfrust, von Piraten-Freiheit und offenen Netzen sowie von Schüler- und Rentner-Abzocke gesungen - möglichst ohne dabei die Urheberrechte anderen Liedgutes zu tangieren.

Wer wird letzlich im Regen - im Mairegen - stehen?


Wahrscheinlich ist es so, wie es häufig mit dem Wetter ist: Schwer vorherzusagen und hinterher stehen meistens alle etwas im Regen.


Besonders könnte das Urteil die erwähnten Heißpunkte bzw. Hotspots treffen .. und deren bisherige Nutzer. Da kann es schnell passieren, dass einem das "Halzband"-Urteil (I ZR 114/06) im Hals stecken bleibt; aber wem?


Bei Hotspots erleichtert m. E. wie so oft ein Blick in das Gesetz die Rechtsfindung

Das Telemediengesetz (TMG) regelt die Haftung eines Diensteanbieters im Telekommunikationsrecht. Als Diensteanbieter gilt gemäß § 2 TMG 

jede natürliche oder juristische Person, die eigene oder fremde Telemedien zur Nutzung bereithält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt. 

Zu den Telemedien gehört unzwiefelhaft auch das Internet.
In § 8 Abs. 1 TMG heißt es dann:
 
Diensteanbieter sind für fremde Informationen, die sie in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich, sofern sie
 1.
die Übermittlung nicht veranlasst,
 2.
den Adressaten der übermittelten Informationen nicht ausgewählt und
 3.
die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben.

Ein Hotspot-Betreiber ist grundsätzlich Diensteanbieter i. S. d. Telemediengesetzes, da er anderen seinen Internetzugang zur Verfügung stellt. Ob er dies gewerblich oder zu privaten Zwecken macht, ist für die Anwendung des TMG an dieser Stelle nicht relevant. Der Diensteanbieter haftet, wenn er anderen seinen Webzugang zur Verfügung stellt, nur dann, wenn er Kenntnis von den über seinen Anschluss begangenen Rechtsverstößen hat und nicht etwa generell und immer.

Nach § 7 Abs. 2 TMG besteht auch keine Pflicht des Hotspot-Betreibers, den Webzugang nach rechwidrigen Benutzungen zu untersuchen bzw. zu kontrollieren oder zu überwachen. Im Gesetz heißt es dazu:

Diensteanbieter im Sinne der §§ 8 bis 10 sind nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen.

Wenn der 1. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes die gesetzlichen Vorgaben zur Haftungsbeschränkung derjenigen beachtet, die bewusst, gewollt und damit "schuldhaft" (vorsätzlich) Webzugänge für Dritte (seien es z. B. Kunden, Gäste oder Besucher) schaffen, muss er eigentlich im Erst-Recht-Schluss die Begrenzung der Haftung auch für Anschlussinhaber anwenden, die ohne entsprechenden Plan, ohne Vorsatz und unfreiwillig praktisch zum "Diensteanbieter" werden - egal ob von Dritten (ohne vorherige Kenntnis des Anschlussinhabers) Mai-Lieder, Rap-Songs oder Hardcore-Filme öffentlich beim Filesharing zugänglich gemacht wurden.

Die Instanzen-Gerichte und die meisten Anwälte (anders als z. B. die Kollegen Stadler und Euler) haben bisher das TMG praktisch links des Maiwaldes liegen lassen. Wir wollen hoffen, dass der BGH den Baum vor lauter Wald sieht und bei seinen Abwägungen die Wertungen des TMG-Gesetzgebers angemessen berücksichtigt.

Ein unbegrenzter Freibrief wird den Hotspots - und anderen Anschlussinhabern - ohnehin am 12. Mai 2010 nicht geschrieben werden: Nach Kenntnis, für die die Abmahner oder Kläger wohl in den meisten Fällen "sorgen", bleibt für den Hotspot-Betreiber - wie für jeden anderen Anschlussinhaber - "nichts wie vorher"; dann beginnen in jedem Fall Untersuchungs- und Überwachungspflichten. Dies wird nicht selten zur anschließenden Schließung des offenen W-LAN-Hotspots führen. Der (Mai-)Regen scheint mal wieder für alle sicher.