Posts mit dem Label Eilverfahren werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Eilverfahren werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Sonntag, 19. Juli 2015

Bundesverfassungsgericht stoppt privates Hausverbot für Flashmob-Demo


Eigentum mit Schranken: BVerfG stärkt Kommunikationsfreiheit - Foto: Labeth
Das Bundesverfassungsgericht hat am 18.07.2015 eine Einstweilige Anordnung erlassen (Az. 1 BvQ 25/15) zur Durchführung einer Flashmob-Versammlung. Das Hausverbot für ein am Ende einer Fußgängerzone gelegenes Privatgrundstück wurde aufgehoben. 
Der Veranstalter beabsichtigt, am 20.07.2015 von 18:15 Uhr bis 18:30 Uhr eine stationäre öffentliche Versammlung durchzuführen, und zwar auf dem im Eigentum einer GmbH & Co. KG stehenden „Nibelungenplatz“ in Passau.
Mit der geplanten Versammlung unter dem Motto „Bierdosen-Flashmob für die Freiheit“ will der Veranstalter auf dem für den Publikumsverkehr geöffneten, zentral gelegenen Platz gegen die zunehmende Aushöhlung des staatlichen Gewaltmonopols sowie die zunehmende Beschränkung von Freiheitsrechten demonstrieren. Auf das Kommando „Für die Freiheit - trinkt AUS!“ sollen die Demonstranten jeweils eine Dose Bier öffnen und diese dann so schnell wie möglich auf Ex leeren. Danach plant der Veranstalter eine kurze Ansprache mit anschließender Diskussion.
Mit seinem Antrag, ein von der GmbH & Co. KG ausgesprochenes Hausverbot für die Dauer der Versammlung aufzuheben, war der Beschwerdeführer vor dem Amtsgericht und dem Landgericht noch gescheitert. Diese zivilgerichtlichen Entscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht gestern im Wesentlichen aufgehoben.
Es gibt bisher keine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung der Karlsruher Richterinnen und Richter zur Versammlungsfreiheit auf öffentlich zugänglich gemachten Privatgrundstücken. Im Eilverfahren zeigt das Bundesverfassungsgericht nun die grundsätzliche Geltung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit auch dort auf, wo durch einen Privateigentümer "bereits ein allgemeiner öffentlicher Verkehr eröffnet worden ist“.

In der Pressemitteilung aus Karlsruhe heißt es dazu:
"Der beabsichtigte Ort der Versammlung steht zwar im Eigentum einer Privaten, ist zugleich aber für den Publikumsverkehr offen und schafft nach den Feststellungen des Landgerichts einen Raum des Flanierens, des Verweilens und der Begegnung, der dem Leitbild des öffentlichen Forums entspricht.
Als private Grundstückseigentümerin ist die GmbH & Co. KG nicht wie die staatliche Gewalt unmittelbar an Grundrechte gebunden. Dennoch entfalten die Grundrechte als objektive Prinzipien rechtliche Wirkungen; die Versammlungsfreiheit ist im Wege der mittelbaren Drittwirkung nach Maßgabe einer Abwägung zu beachten. Je nach Fallgestaltung kann dies einer Grundrechtsbindung des Staates nahe oder auch gleich kommen. Für den Schutz der Kommunikation kommt das insbesondere dann in Betracht, wenn private Unternehmen die Bereitstellung der Rahmenbedingungen öffentlicher Kommunikation selbst übernehmen und damit in Funktionen eintreten, die früher in der Praxis allein dem Staat zugewiesen waren (vgl. BVerfGE 128, 226).“
Weiter heißt es zu dem von der Eigentümerin  ausgesprochenen und von den Zivilgerichten bestätigten Hausverbot:
„Vorliegend träfe das aus dem Hausverbot folgende faktische Verbot einer Durchführung der Versammlung den Antragsteller schwer. Dem vom Beschwerdeführer ausgewählten Versammlungsort kommt angesichts des Themas der Versammlung - die zunehmende Beschränkung von Freiheitsrechten und die Privatisierung der inneren Sicherheit - eine besondere Bedeutung zu. Demgegenüber ist eine gleichwertige Beeinträchtigung von Eigentumsrechten der Grundstückseigentümerin nicht zu erkennen. Die Versammlung ist auf einen Zeitraum von etwa 15 Minuten beschränkt und soll stationär abgehalten werden. Versammlungsrechtliche Bedenken gegen die Veranstaltung vermochte die Versammlungsbehörde nicht zu erkennen.“ 
Die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte geht an Privateigentümern nicht vorbei. Eigentum verpflichtet in einer demokratischen Gesellschaft eben auch zu Verantwortung und Augenmaß bei der privaten Ermöglichung öffentlicher Kommunikation und Demonstration.

Donnerstag, 1. März 2012

Kein Bielefelder "Pudding-Mono-Paula": Landgericht verneint Verletzung von Geschmacksmuster und Verstoß gegen Wettbewerbsrecht

Hunde geben keine Milch. Weiterhin fleckiger Aldi-Schoko-Vanille-Pudding in Europa. Am 01. März 2012 hat die Zivilkammer 14c des Landgerichts Düsseldorf (Aktenzeichen 14c O 302/11) einen auf ein Verkaufsverbot gegen die Aldi Einkauf GmbH & Co. OHG gerichteten Eilantrag der Dr. Oetker KG aus Bielefeld zurückgewiesen.

Das Gericht verneinte eine Verletzung des vom Bielefelder Pudding-Produzenten eingetragenen europäischen Gemeinschaftsgeschmacksmusters, da sich zwischen dem vor ca. sieben Jahren eingetragenen Geschmacksmuster und dem Konkurrenz-Pudding von Aldi kein übereinstimmender Gesamteindruck ergebe. Die Gestaltungsunterschiede zwischen Aldis Flecki und Dr. Oetkers Paula seien ausreichend. Zwar sei  Flecki in der Seitenansicht ähnlich gefleckt wie Paula, in der Draufsicht jedoch nahezu einfarbig und damit vom eingetragenen Geschmacksmuster deutlich abweichend.

Ferner verneinte das Landgericht Düsseldorf einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht. Eine vermeidbare Herkunftstäuschung oder eine Rufausbeutung lägen nicht vor. Die kuhfellähnliche Gestaltung der Vanille- und Schoko-Anteile im Dr. Oetker-Pudding bedeute zwar eine innovative Produkt-Neuheit mit großer Bekanntheit und hoher wettbewerblicher Eigenart. Das Markt- und Werbeverhalten von Flecki finde aber nicht in unlauterer Weise statt und sei deshalb wettbewersrechtlich erlaubt. Zudem sei alles Erforderliche getan worden, eine etwaige Herkunftstäuschung zu Lasten von Paula zu vermeiden. Hierzu gehören insbesondere eine abweichende Gestaltung und Abgrenzung der Flecken, andere Verpackungseinheiten und eine unterschiedliche Aufmachung und Verpackung mit unterschiedlichen Kuh-Darstellungen. Flecki ist z. B. eine recht magere, weiße Kuh mit Kuhglocke, die vor einem Bauernhof vom Rand her ins Bild schaut, während Paula kräftiger und cool mit einer Sonnenbrille im Mittelpunkt steht - bei unterschiedlicher Blickrichtung.

Die Richterin scheiterte mt einem Vergleichsvorschlag: Sie fragte, ob man nicht Flecki in einen Dalmatiner verwandeln könne. Der Rechtsanwalt der Beklagten wies schlagfertig - und zu Recht - darauf hin, dass Hunde keine Milch geben. Also kein Monopol für Paula aus Bielefeld.

Update 27.05.2012: Ein Sprecher des Oetker-Konzerns teilte mit, dass man gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf Berufung beim Oberlandesgericht Düsseldorf eingelegt hat und die Unterlassungs- und Auskunftsansprüche weiterverfolge. Der Kampf um ein Flecken-Monopol geht also weiter.

Sonntag, 30. Januar 2011

Filesharing-Abmahnungen: Quantitäts-Rausch vor Qualitäts-Anspruch? Prozesse ohne wirklich seriöse Prüfung?

Wenn am Fließband teure anwaltliche Abmahnungen wegen vermeintlicher Tauschbörsen-Teilnahme und gerichtliche Auskunftsbeschlüsse nach § 101 Abs. 9 UrhG auf den Weg zu den geschockten Inhabern von Internet-Anschlüssen gebracht werden, scheint mitunter Schlamperei im Spiel zu sein.

Gleich vorweg: Wo massenhaft Urheberrechte massiv verletzt werden, darf - und muss - auch erforderlichenfalls massenhaft abgemant werden.

Die "Initiative Abmahnwahn-Dreipage" hat allerdings beispielsweise Fälle aus Regensburg und Hamburg veröffentlicht, die erneut ernsthafte Zweifel nicht nur an "Ermittlungsergebnissen" von Anti-Piracy-Unternehmen begründen, sondern auch an den richterlichen Plausibilitäts-Kontrollen im Rahmen der mittlerweile massenhaft durchgeführten Auskunftsverfahren. In diesen gerichtlichen Eil-Verfahren werden die Internet-Service-Provider dazu veranlasst, zu den mit teilweise fragwürdigen Zeitstempeln versehenen dynamischen IP-Adressen die persönlichen Daten der angeblich maßgeblichen Anschlussinhaber an die tatsächlichen oder vermeintlichen Rechteinhaber und Abmahner herauszugeben.

Es ist nun schon mehrfach aufgedeckt worden: Teilweise enthalten die in den P2P-Netzwerken ermittelten Dateien die behaupteten Inhalte überhaupt nicht, obwohl der dokumentierte Dateiname eigentlich darauf hinzuweisen scheint und sogar mit dem generierten Hashwert korrespondiert.

Bei genauerer Überprüfung müssen sich die Abmahner - und gfls. auch die den Auskunftsbeschluss erlassende Urheberrechtskammer des Landgerichts - dann Irrtümer und unangebrachte Schnellschüsse vorwerfen lassen. Soweit falsche eidesstattliche Versicherungen durch Mitarbeiter der Log-Firmen vorliegen, stehen sogar strafrechtlich relevante Sachverhalte im Raum.

Dennoch wird in Unmengen von Abmahnungsschreiben weiterhin das hohe Lied von der absoluten Fehlerfreiheit und der hundertprozentigen Verstoß-Gewissheit gesungen und - was fast noch schlimmer ist - es werden angeblich genaueste inhaltliche Sicht- oder Hör-Prüfungen behauptet und gerichtlich beschworen.

Hashwerte waren im Übrigen schon häufiger Anlass auch für kritische gerichtliche Würdigungen.

Gerät die Abmahnungsindustrie immer mehr in Hektik und in eine Art Verfolgungs-Rausch? Leidet zunehmend die Qualität und Seriösität beim "Geschäftsmodells Filesharing-Abmahnung"? Die oben angesprochenen Vorkommnisse, die ständig wachsende Zahl von Filesharing-Abmahnungen in den vergangenen Jahren, der zunehmende Ausbau der anwaltlichen Infrastruktur der Abmahn-Kanzleien und die immer dramatischer werdende Verbreitung von Psycho-Stress zu Lasten von immer mehr Internetnutzern sprechen eine deutliche Sprache.

Samstag, 22. Januar 2011

Abmahnung an Schnellschüsse in gerichtlichen Eil- und Vollstreckungsverfahren

Kommando zurück: Die vermeintlichen Wirkungen der Pfändung der Internet-Domain "nerdcore.de" durch einen nach eigenen Angaben "Full-Service-Internetdienstleister" werden seit gestern Abend wieder rückgängig gemacht und auf den früheren Stand der Inhaberdaten gebracht. Die im Verfahren aufgelaufenen Kosten, die Anlass der Pfändung gewesen sein sollen, sind zwischenzeitlich bezahlt worden. Auch deshalb droht wohl keine weitere Pfändung mehr. Netzpolitik.org berichtet aktuell darüber.

Der Kollege Thomas Stadler bewertet die Rückgängigmachung der Domain-Übertragung unter Berücksichtigung des Beschlusses des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg als fragwürdig.

Fragwürdiger sind allerdings wohl die konkreten Pfändungs-Inhalte bzw. der stattgefundene konkrete Verfahrensgang mit offenen Fragen zu einem ausreichenden rechtlichen Gehör (Grundrecht) des oder der Beteiligten insbesondere im Rahmen der Umschreibung.

Hier zeigt sich mal wieder:

Nicht jeder gerichtliche “Schnellschuss” in Eil- oder Vollstreckungsverfahren entfaltet ohne Rechtsmittel-Einlegung immer sofort klaren faktischen Handlungs- oder Unterlassungs-Zwang … schon deshalb, weil der Inhalt und die Folgen gerichtlicher Verfügungen manchmal nicht ausreichend klar und bestimmt sind. Wie so oft gilt der Grundsatz - nicht nur für den jeweils agierenden Rechtsanwalt: “Much Sorgfalt, aber no panic!”