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Freitag, 7. Juni 2013

Neues Filesharing-Urteil des LG Köln verlangt mehr Familien-Misstrauen bei Abmahnung und Klage


Das Landgericht Köln hat mit Urteil vom 05.06.2013 (Az. 28 O 346/12) erneut im Zusammenhang mit Filesharing-Vorwürfen einen Familienvater und Inhaber eines häuslichen Internetanschlusses zur Zahlung von Schadensersatz und zur Erstattung vorgerichtlicher Abmahnungskosten verurteilt zugunsten von vier großen deutschen Musikverlagen. 

Die klagenden Musiklabel behaupten, der beklagte Ehemann und Vater von zwei Kindern habe Nutzungs- und Verwertungsrechten an 15 Musikwerken verletzt – und zwar durch angeblich über den häuslichen Internetanschluss an einem Sonntagvormittag im Juni 2008 vorgenommene illegale Filesharing-Teilnahme.

Der Beklagte hat im Verfahren vorgetragen und durch Zeugen sowie durch sachverständige Analyse der noch vorhandenen Router- und Rechner-Hardware unter Beweis gestellt, dass er zu keinem Zeitpunkt jemals Filesharing betrieben hat - auch nicht an dem in der urheberrechtlichen Klage behaupteten Vormittag. Das Landgericht Köln ist den Beweisantritten allerdings nicht nachgekommen

Auf die anwaltliche Abmahnung hin hatte der Anschlussinhaber eine modifizierte strafbewehrte Unterlassungserklärung ohne weitergehende Rechtsanerkenntnisse abgegeben.

Nachdem seine Ehefrau und sowohl der zum damaligen Zeitpunkt minderjährige, als auch der zum damaligen Zeitpunkt bereits erwachsene Sohn dem Beklagten versichert hatten, ebenfalls kein illegales Filesharing betrieben zu haben, sah dieser keinen Anlass, seine Familienangehörigen gegenüber den Musikverlagen, den abmahnenden Rechtsanwälten oder dem Gericht dennoch vermeintlicher illegaler Filesharing-Teilnahme zu bezichtigen. Der beklagte Familienvater wies allerdings gleichzeitig darauf hin, dass er - ungeachtet seines grundsätzlichen Vertrauens in die Angaben seiner Ehefrau und seiner beiden Söhne - andererseits selbstverständlich naturgemäß etwaige ihm entgangene oder verheimlichte Rechtsverstöße seiner Familienangehörigen oder von Freunden oder Gästen seiner Familienangehörigen nicht völlig ausschließen kann und dass jede andere Bewertung vermessen wäre. 

Der Beklagte hatte bereits im Jahre 2007 und insbesondere auch in der ersten Hälfte des Jahres 2008 seine Familienmitglieder eingehend auf das Verbot einer öffentlichen Zugänglichmachung von urheberrechtlich geschützten Musik- oder Filmdateien im Rahmen von sog. Filesharing-Börsen hingewiesen und generell die Teilnahme an Online-Tauschbörsen über seinen häuslichen Internetanschluss untersagt. Diesbezüglich benannte der Beklagte ebenfalls mehrere Zeugen.

Die 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln hat den Beklagten dennoch als angeblichen "Täter" zu Schadensersatz und Kostenerstattung verurteilt.  

Der Beklagte habe eine gegen ihn gerichtete "tatsächliche Vermutung ... nicht erschüttern können, da er keine konkrete Möglichkeit eines atypischen Lebenssachverhalts dargelegt" habe. Aus dem Umstand, dass der Beklagte den Angaben seiner Familienangehörigen dahingehend, dass auch diese kein Filesharing betrieben haben, grundsätzlich vertraut, und dass der Beklagte auf der anderen Seite gleichzeitig klarstellt, dass er naturgemäß etwaige ihm entgangene oder ihm verheimlichte Rechtsverstöße seiner Familienangehörigen (oder auch von Gästen seiner Familienangehörigen) nicht völlig ausschließen kann, leitet das Gericht "widersprüchlichen Vortrag" ab, aufgrund dessen der Beklagte "seiner sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen" sei.

Dies wird der Lebenssituation im Zusammenhang mit familiären Internetanschlüssen, den zwangsläufig insoweit oft eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Anschlussinhabers und realistischen Anforderungen an die sekundäre Darlegungspflicht eines familiären Internetanschlussinhabers sowie insbesondere den in dem Zusammenhang zu berücksichtigenden Zumutbarkeitsgrenzen nicht gerecht.

Zumindest hätte das Gericht den Beweisantritten des Beklagten, der schließlich sogar überpflichtmäßig zum Gegenbeweis bereit war, nachkommen müssen. Oder? Ist letzteres wirklich richtig? Nein! Das Gericht hätte nicht den Beweisantritten des Beklagten nachgehen müssen, es hätte allenfalls entsprechenden Beweisantritten der klagenden Musikverlage nachgehen müssen. Die klagenden Musikverlage haben aber von ihrem Recht, derartige, vom Beklagten überpflichtmäßig angebotene Beweismittel auch ihrerseits aufzugreifen, nicht Gebrauch gemacht. Das kann nicht dem nur sekundär Darlegungspflichtigen angelastet werden. Und dies werden die klagenden Musiklabel zivilprozessual auch zweitinstanzlich nicht mehr nachholen können.

Hier das nicht rechtskräftige Urteil im Original-Text:
 










 


























Wie man demgegenüber fair und sachgerecht mit vergleichbaren Fällen familiärer Filesharing-Vorwürfe und diesbezüglichem Sachvortrag des Internetanschlussinhabers bzw. der Internetanschlussinhaberin umgeht, zeigt - neben Entscheidungen auch des OLG Köln - sehr anschaulich u.a. das Urteil der 33. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 11.09.2012 (Az. 33 O 353/11).

Donnerstag, 21. März 2013

Woran Filesharing-Abmahnungen immer häufiger kranken: Prüfungsstress, Kontrollwahn und Vermutungsfieber




So langsam wird einem Großteil der von der Rechte-Industrie massenhaft unters Volk gebrachten Filesharing-Abmahnungen zunehmend der schwankende Boden unter den tönernen Füßen weggezogen.

Neuster Mosaikstein auf diesem weggezogenen Boden ist das gestern vom Kollegen Solmecke bekannt gegebene aktuelle Urteil des Landgerichts Köln vom 14.03.2013 (Az. 14 O 320/12). Die 14. Zivilkammer des LG Köln hatte über die etwaige Störerhaftung des Hauptmieters einer Studenten-WG zu entscheiden und in dem Zusammenhang unter anderem ausgeführt:
„Nach Auffassung der Kammer bestehen auch keine anlasslosen Prüfungs- und Belehrungspflichten gegenüber seinen Untermietern, die nicht in seinem Haushalt wohnen. Prüfungs- und Kontrollpflichten vor Ort könnte der Hauptmieter, der die Räumlichkeiten und den Internetanschluss vollständig an die Untermieter überlässt, nicht erfüllen, wollte er nicht die im Rahmen des Mietverhältnisses geschuldete Unverletzlichkeit der Privatsphäre des Mieters verletzen. Auch eine gesonderte Belehrung ist nicht erforderlich, sofern keine konkreten Anhaltspunkte für eine mögliche Verletzung bestehen. Denn aus dem Untermietverhältnis folgen Schutz- und Rücksichtnahmepflichten der Untermieter, die auch die ordnungsgemäße und rechtmäßige Nutzung des Internetanschlusses umfassen, die ihnen im Rahmen des Untermietverhältnisses gestattet war.“
Es scheitern zunehmend die Versuche der Abmahnungs-Lobby, die jeweils offiziellen Inhaber oder Inhaberinnen des jeweiligen Internetanschlusses zu Oberlehren und Ober-Kontrollettis gegenüber den übrigen Nutzerinnen und –Nutzern des jeweiligen Internetanschlusses zu generieren. Immer mehr Gerichte erkennen, dass gekünstelte Einweisungs- und Disziplinierungs-Szenarien genauso realitätsfern und im Ergebnis asozial sind wie ein übertriebener, von einem inhumanen Misstrauensdogma gespeister Überwachungs- und Kontrollwahn.

Pauschale Besserwisserei und aufoktroyierter Prüfungsstress gehören nicht in das erwachsene Zusammenleben von Wohngemeinschaften und Lebensgemeinschaften. Dort sollte man sich vielmehr auf Augenhöhe begegnen. Allenfalls dann, wenn der Anschlussinhaber, wie es das Landgericht Köln formuliert hat, in der Nutzergruppe  
„… einen Informationsvorsprung hinsichtlich der Benutzung und der Gefahren des Internets …“
hat, wäre der Anschlussinhaber bzw. die Anschlussinhaberin
„… kraft überlegenen Wissens verpflichtet … , eine Belehrung auszusprechen, wie dies etwa im Verhältnis der sorgepflichtigen Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern der Fall ist.“
Hinsichtlich der genaueren Ausprägung der diesbezüglichen Eltern-Pflichten bleibt den schriftlichen Entscheidungsgründen des jüngsten Filesharing-Urteil des Ersten Zivilsenats des BGH vom 15.11.2012 („Morpheus“ – Az. I ZR 74/12) entgegenzusehen. Der Bundesgerichtshof hat vor vier Monaten auch gegenüber minderjährigen Kindern mit ausreichender Einsichtsfähigkeit eine von Misstrauen geprägte Prüfungs- und Überwachungspflicht jedenfalls eindeutig abgelehnt.

Eines der nächsten Fallstricke für die tönernden Füße so mancher Filesharing-Abmahnung werden weitere gerichtliche Klarstellungen zum tatsächlichen Umfang der häufig überinterpretierten sogenannten „tatsächlichen Vermutung“ sein, mit der praktisch (oder besser unpraktisch) jedem Anschlussinhaber bzw. jeder Anschlussinhaber ohne weiteres per se illegales Filesharing unterstellt werden soll, obwohl die Internetanschlüsse wohl zumindest nicht weniger häufig von Nicht-Anschlussinhaberinnen oder –inhabern benutzt werden. Was soll dann bei nachweislich mehreren regelmäßigen Anschlussnutzern gerade eine „tatsächliche Vermutung“ zu Lasten der beim Internet-Service-Provider offiziell (und oft zufällig oder beliebig) registrierten Person begründen. Oder gibt es eine gesetzliche Halterhaftung für Internetanschlüsse? Nein, es gibt sie nicht. Aber es gibt noch einiges zu tun bei der Offenlegung der oft mangelhaften Grundlagen unzähliger auf Prüfungsstress, Besserwisserei, Kontrollwahn sowie Vermutungs- und Verdächtigungs-Fieber gestützter Tauschbörsen-Abmahnungen und deren "Heilung".