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Mittwoch, 5. Juli 2023

Rechte an Selfies und anderen Schnappschüssen

 Kurz eingeworfen:  Wenn Bilder ungewollt auf Reisen gehen

Fotos können auch ungewollt um die ganze Welt fliegen.


Es ist schon erstaunlich, wo heutzutage Deine Bilder alle „landen“ können. Damit sind
nicht nur Fotos gemeint, die Du selbst zuhause, im Urlaub oder auf der letzten Fete
geschossen hast. Zudem geht es um nicht nur von Dir, sondern auch von Dritten 
gefertigte Abbildungen, die Dich, Deine Person, Dein Gesicht oder sonstige erkennbare Merkmale zeigen.

Das kann gegenüber einem kleineren oder größeren Freundeskreis oder „Follower“-Kreis
erfolgen, die Bilder können aber in anderen Fällen auch für fremde Dritte oder sogar praktisch für die ganze Welt sichtbar sein ... und sichtbar bleiben.

 Dein Urheberrecht 

Findest Du z. B. selbst gefertigte Urlaubsschnappschüsse oder von Dir aufgenommene Bilder Deines Haustieres oder einer Dir etwa besonders ins Auge gefallenen Blütenpracht im Internet an Stellen bzw. auf Web- oder Social Media-Seiten, auf denen Du diese Fotografien nicht eingestellt hast und für die Du die Fotos auch nicht freigegeben hast, kannst Du Dich als Urheber
bzw. Urheberin bekanntermaßen dagegen vorgehen. Per selbst verfasster oder anwaltlicher
Abmahnung können diejenigen, die für die ohne Deine Einwilligung erfolgte Verbreitung und
öffentliche Zugänglichmachung Deiner Fotografien verantwortlich sind, insbesondere auf
Entfernung, Löschung, Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen werden.
Und was ist, wenn Du Dich nicht oder nicht primär über die ungenehmigte Verwendung Deiner
fotografischen „Werke“ ärgerst, wenn dir stattdessen vielmehr die identifizierbare Abbildung
Deiner Person gegen den Strich geht?
Auch dann bist Du grundsätzlich nicht schutzlos. Du hast ein – notfalls juristisch durchsetzbares
sog. „Recht am eigenen Bild“. Was bedeutet das?



 Dein Recht am eigenen Bild 

Gemeint ist jede bildliche Darstellung, die Deine Person einem weiteren Kreis als nur dem
engeren Familien- und Freundeskreis erkennbar macht. Bezüglich derartiger Abbildungen hast
Du das Recht, darauf zu bestehen, dass diese nur mit Deiner Einwilligung verbreitet oder
öffentlich zur Schau gestellt werden dürfen. Diese Rechtsposition ist eine Ausprägung Deines
allgemeinen Persönlichkeitsrechts, Deiner verfassungsrechtlich garantierten Menschenwürde
und Deines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, damit gleichzeitig auch eine Facette
Deiner Datenschutzrechte.
Es handelt sich folglich um eine für Dich äußerst stark legitimierte Rechtsposition, auf die Du
Dich gegenüber Rechtsverletzern massiv berufen kannst – und zwar wiederum mit
Entfernungs-, Löschungs-, Unterlassungs- und Schadensersatz- bzw.
Entschädigungsansprüchen. Diese können korrespondieren mit gegen den Rechtsverletzer
gerichteten ergänzenden Auskunfts- und Kostenerstattungsansprüchen.



 Deine Rechte gegenüber Portalen und Suchmaschinen 

Freitag, 27. November 2015

Foto-Abmahnung: Land haftet für vom Lehrer gestaltete Schul-Webseite


Das OLG Celle hat mit Beschluss vom 09.11.2015 (Az. 13 U 95/15) entschieden, dass ein Lehrer, der für das Fachangebot seiner Schule im Internet wirbt, „in Ausübung eines öffentlichen Amtes“ handelt und dass das beklagte Land deshalb für dadurch entstehende Urheberrechtsverletzungen haftet (nach §§ 13, 15, 72, 97 Abs. 2 UrhG  i. V. m. § 839 BGB und Art. 34 GG).

Damit hat das OLG das vorausgegangene Urteil des LG Hannover vom 14.07.2015 (Az. 18 O 413/14) bestätigt und die Berufung des Landes Niedersachsen zurückgewiesen.

Das fremde Foto auf der Schul-Homepage

Auf seinen Internetseiten warb ein niedersächsisches Gymnasium u.a. für seine Fremdsprachen-Angebote. Der Schulleiter oder - was nicht aufgeklärt werden konnte - ein anderer Lehrer hatte, ein vom Kläger gefertigtes Foto in die Schul-Webseite eingestellt, um so für den an der Schule angebotenen Spanisch-Unterricht zu werben.
Der Kläger verlangte nun dafür erfolgreich Schadensersatz vom Land Niedersachsen - nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie und unter Berücksichtigung der Honorartabellen der Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing (MFM).

Die Webseiten-Gestaltung vom Beamten

Schulleiter und die Lehrerinnen und Lehrer des Gymnasiums sind Landesbeamte im staatsrechtlichen bzw. zumindest im haftungsrechtlichen Sinne. Das OLG stellte fest, dass „der jeweilige Beamte, der das von dem Kläger gefertigte Lichtbild zur Bewerbung der an dem …-Gymnasium G. angebotenen Fremdsprache Spanisch auf die Internet-Seiten dieser Schule eingestellt hat, dabei in Ausübung seines öffentlichen Amtes gehandelt hat.“
Dies begründete das Berufungsgericht wie folgt:

„Ist die eigentliche Zielsetzung, in deren Dienst der Beamte tätig wurde, eine hoheitliche, so ist „Ausübung eines öffentlichen Amtes“ nicht nur die unmittelbare Verwirklichung, sondern auch eine entferntere (vorangehende, begleitende oder nachfolgende) dienstliche Betätigung, wenn ein solcher Zusammenhang besteht, dass die vorangehende oder nachfolgende Tätigkeit ebenfalls noch als dem Bereich der hoheitlichen Betätigung zugehörend anzusehen ist (Wöstmann, a. a. O. Rn. 85 m. w. N.).“

Die hoheitliche Online-Werbung 

Den haftungsrechtlich erforderlichen "engen Zusammenhang mit dem Schulbetrieb" begründet das Gericht wie folgt:

„Der hiernach erforderliche enge Bezug der Nutzung des Lichtbildes des Klägers auf den Internet-Seiten der Schule zum Zwecke der Werbung für deren Fremdsprachenangebot mit einer hoheitlichen Tätigkeit besteht. Der Schulbetrieb an öffentlichen Schulen ist eine hoheitliche Aufgabe und für Lehrer die Ausübung eines vom Staat anvertrauten öffentlichen Amtes (Wöstmann a. a. O. Rn. 778 m. w. N.). Zwar ist nicht zu verkennen, dass die Werbung für das Fremdsprachenangebot der Schule im vorliegenden Fall weder eine Lehrtätigkeit als solche darstellte, die den Kernbereich des hoheitlichen Schulbetriebs darstellt, noch vergleichbar eng mit dieser Lehrtätigkeit verbunden war, wie beispielsweise die Zurverfügungstellung von Lehrmaterialien oder Computerprogrammen zur Nutzung während des Studiums, die Gegenstand der vorzitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 16. Januar 1992 und vom 20. Mai 2009 waren. Dennoch besteht der erforderliche enge Zusammenhang. Die als hoheitlich einzuordnende Tätigkeit von Lehrkräften und Beamten der Schulverwaltung geht über den eigentlichen Lehrbetrieb hinaus und umfasst den gesamten Schulbetrieb. Die Bewerbung eines Fremdsprachenangebots stellt sowohl formal als auch materiell Teil des Schulbetriebes dar. Sie soll einerseits die Nachfrage nach entsprechenden Fremdsprachenkursen steigern und damit deren Angebot ermöglichen. Als dergestalt der eigentlichen Lehrtätigkeit vorgelagerte Handlung steht sie weiter auch in der Sache mit dieser im engen Zusammenhang, weil sie auf die in der Lehrveranstaltung zu vermittelnden Inhalte bezogen ist. Sie ist insbesondere nicht mit Fiskalmaßnahmen wie der Beschaffung von Verwaltungshilfsmitteln (z. B. Schreibmaterial) vergleichbar, die nicht Ausübung öffentlicher Gewalt sind (vgl. dazu auch BGH, Urteil vom 16. Januar 1992, a. a. O., Tz. 20 a. E.). Solche nicht als hoheitlich einzuordnenden Fiskalmaßnahmen sind regelmäßig Maßnahmen, die nur die wirtschaftlichen oder technischen Voraussetzungen für die eigentliche hoheitliche Tätigkeit schaffen (BGH, Urteil vom 4. März 1982 - III ZR 150/80, juris Tz. 8). Hierüber geht die Bewerbung des fachlichen Angebots einer Schule aus den vorgenannten Gründen hinaus."


Die Verletzungen von Urheberrecht und Amtspflicht

Der 13. Zivilsenat des OLG Celle bestätigt die erstinstanzlich bereits vom Landgericht Hannover vertretene Rechtsauffassung und bewertet Urheberrechtsverletzungen als gleichzeitige Amtspflichtverletzungen:

"Das Landgericht hat weiter zutreffend erkannt, dass ein Beamter, der in Ausübung seines öffentlichen Amtes eine unerlaubte Handlung auch i. S. d. § 97 UrhG begeht, dadurch zugleich eine ihm dem Träger des Rechts oder Rechtsguts gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt (vgl. BGH, Urteil vom 16. Januar 1992, a. a. O. Tz. 21).
Dass Diensteanbieter nach dem Telemediengesetz nicht die Anstellungskörperschaft, sondern der Schulträger ist, ist für die Beurteilung des Anspruchsübergangs nach § 839 BGB, Art. 34 GG unerheblich.“ 

Die anderen Gerichte

Zu vom beklagten Land eingewendeten anderslautenden gerichtlichen Entscheidungen führte das OLG aus:
„Im Hinblick auf die vorprozessual von dem beklagten Land vertretene Rechtsauffassung weist der Senat insbesondere darauf hin, dass das dort in Bezug genommene Urteil des OLG Braunschweig vom 8. Februar 2012 den hier nicht vergleichbaren Sonderfall einer ungenehmigten Fotonutzung für einen privaten E.-Verkauf betraf (2 U 7/11, juris Tz. 57 ff.). Die in Bezug genommene Entscheidung des OLG Hamburg vom 2. September 2009 stützte sich insoweit, als die Zuerkennung eines Zuschlags zum üblichen Honorar aufgrund der unterlassenen Urheberbenennung nicht zuerkannt wurde, tragend darauf, dass dort die unterbliebene Urheberbenennung bereits Teil der vorangegangenen Vereinbarungen und daher durch die dort vereinbarte Vergütung mit abgegolten war (Urteil vom 2. September 2009 - 5 U 8/08, juris Tz. 34).“

Der Internetauftritt als kommunale "Schulanlage"

Das OLG stellt zur nicht in Betracht kommenden Haftung des kommunalen Schulträgers klar:
„Dass der Schulleiter nach § 111 Abs. 2 Satz 1 NSchG u.a. die Aufsicht über die Schulanlage im Auftrag des Schulträgers ausübt, führt nicht dazu, dass der Schulträger anstelle des beklagten Landes passivlegitimiert wäre. Dabei kann offen bleiben, ob der Internetauftritt der Schule Teil der „Schulanlage“ i.S.d. § 111 Abs. 2 Satz 1 NSchG ist, wofür allerdings einiges spricht. ...
 Allein durch die Heranziehung eines Kommunalbeamten zur Erfüllung staatlicher Aufgaben wird dieser aber nicht zu einem Beamten mit einer Doppelstellung im haftungsrechtlichen Sinne; er verbleibt vielmehr in seinem ursprünglichen Anstellungsverhältnis (BGH a.a.O. Tz. 19). Dieser Grundsatz gilt vorliegend entsprechend, wo der Schulleiter als Landesbeamter für die Erfüllung kommunaler Aufgaben herangezogen wird.“ 

Die Bundesländer als neue bzw. nun vielleicht öfter bedachte Abmahnungsadressaten: ... Wenn das "Schule macht", kündigen sich ja spannende Vorgänge an - und vielleicht auch zukünftige Ambitionen des Gesetzgebers, über das sanierungsbedürftige Urheberrecht im digitalen, medialen und kulturellen Wandel neu nachzudenken. 


 

Samstag, 16. August 2014

Dashcam-Beweis verletzt Recht am Bild

Videoaufnahmen im Straßenverkehr im Spannungsfeld von Beweisnot und Persönlichkeitsrecht

Dashcam vom Gericht zu karger Landschaft verurteilt

Das Amtsgericht München hat mit Beschluss vom 13.08.2014 (Az. 345 C 5551/14) unter Verweis auf Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG sowie § 22 Satz 1 KunstUrhG und § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG darauf hingewiesen, dass Aufzeichnungen aus einer Dashcam bzw. Car-Cam im Zivilprozess nicht als Beweismittel verwertet werden dürfen.

Das Gericht begründet dies mit der Abwägung der jeweils schutzwürdigen Interessen der Beteiligten bzw. Unbeteiligten. Durch Gesetzesverstoß erlangte Beweismittel seien nur ausnahmsweise verwertbar. Voraussetzung sei, dass „der geschützten Eigensphäre überwiegende berechtigte Interessen gegenüberstehen“, was dann im Ergebnis m. E. zu Recht verneint wird.

Dazu führt das AG München aus:

„Die permanente, anlasslose Überwachung des Straßenverkehrs durch eine in einem PKW installierte Autokamera („Car-Cam“ bzw. „Dash-Cam“) verstößt gegen § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG sowie gegen § 22 S. 1 KunstUrhG und verletzt den Beklagten in seinem Recht auf Informationelle Selbstbestimmung als Ausfluss seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG. Es liegen auch keine überwiegenden Interessen des Beweisführers vor, die die Verwertung dieser rechtswidrig erlangten Beweismittel erlauben würden.“

Nach § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG ist die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit Videoüberwachung nur zulässig, soweit sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen. Der Zweck der Dashcam im Fahrzeug, Beweismittel im Falle möglicher Verkehrsunfälle zu sichern, ist nach Ansicht des Amtsgerichts München zwar ausreichend konkret, die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen an der Wahrung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts würden allerdings überwiegen. Es sei bei Zulassung derartiger Video-Aufzeichnungen durch deutsche Gerichte eine weite Verbreitung des Einsatzes derartiger Car-Cams zu befürchten und „was mit den so gefertigten Aufzeichnungen geschieht und wem diese zum Beispiel über eine Cloud zugänglich gemacht werden, wäre jeglicher Kontrolle insbesondere durch die aufgezeichneten Personen entzogen.“ Zudem befürchtet das Gericht eine unkontrollierbare Auswertung z. B. durch Gesichtserkennungssoftware sowie „eine privat organisierte dauerhafte und flächendeckende Überwachung sämtlicher Personen, welche am öffentlichen Verkehr teilnehmen“. Anders als bei der freiwilligen Teilnahme an sozialen Netzwerken wie Facebook sei der Datensammlung durch Dashcams jedermann ausgesetzt, der sich in die Öffentlichkeit begibt.

Außerdem verstoße eine anlasslose Verwendung der Car-Cams gegen § 22 S. 1 KunstUrhG, da eine Einwilligung der Abgebildeten, verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt zu werden, nicht vorliege und die Ausnahme des § 23 Abs. 1 Nr. 2 KunstUrhG für Bilder, auf denen Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen, ebenfalls nicht eingreife.

Das Gericht weist ferner darauf hin, dass ein andauernder Einsatz einer Dashcam im Straßenverkehr auch beliebige andere, unbeteiligte Personen, wie z. B. Passanten, fotografisch erfasst – und zwar mit dem Risiko der Verwendung in einer nach § 169 S. 1 GVG öffentlichen Gerichtsverhandlung.

Es würde schließlich durch die permanente, anlasslose Überwachung des Straßenverkehrs und der an ihm beteiligten oder sogar unbeteiligten Personen das berechtigte Interesse der Abgebildeten verletzt im Sinne von § 23 Abs. 2 KunstUrhG sowie deren allgemeines Persönlichkeitsrecht und deren Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, das auch das Recht am eigenen Bild umfasst.

Das Amtsgericht München verkennt dabei nicht, dass die Grundrechte nicht nur die staatliche Gewalt binden, sondern im Rahmen der sogenannten „mittelbaren Drittwirkung“ auch in das Privatrecht ausstrahlen und u.a. für die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe im Zivilrecht heranzuziehen sind.

Die aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbare Verpflichtung zu einer fairen Handhabung des Beweisrechts überwiegt nach der richterlichen Bewertung nicht generell dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen. Das Beweiserhebungsinteresse überwiege jedenfalls dann nicht der Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen, „wenn nicht konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine gerichtliche Beweisführung wegen einer erheblichen Beeinträchtigung in naher Zukunft unmittelbar erforderlich wird.“

Weiter heißt es in dem Beschluss:

„Die bloße Möglichkeit des Notwendigwerdens einer Beweisführung aufgrund der generellen Gefährlichkeit des Straßenverkehrs genügt diesen Anforderungen nicht. … Selbst wenn man davon ausgeht, manche Bürger seien in Zeiten sozialer Netzwerke ohnehin mit der Preisgabe persönlicher Informationsgehalte einverstanden bzw. sie hätten sich in Ermangelung einer Alternative hiermit abgefunden, vermag dieser „(…) Verzicht auf Persönlichkeitsrechte jene Bürger, die sie weiterhin schützen wollen, nicht zu binden.“ (Bachmeier, DAR 2014, 21). … Die Alternative zu dieser Ansicht des Gerichts würde konsequenterweise bedeuten, dass jeder Bürger Kameras ohne jeden Anlass nicht nur in seinem PKW, sondern etwa auch an seiner Kleidung befestigen könnte, jedermann permanent gefilmt und überwacht würde und so das Recht auf Informationelle Selbstbestimmung praktisch aufgegeben würde.“

Das überzeugt.

Donnerstag, 29. März 2012

Playboy im Bild - Prominenz in der Presse: Abmahnung und Klage wegen "werblicher Vereinnahmung"

Am 31. Mai 2012 wird der 1. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs ( I ZR 234/10) über einen besonders spannenden medienrechtlichen Fall verhandeln. Es geht um Fragen von Pressefreiheit, Persönlichkeitsrecht, öffentlichem Informationsinteresse und werblicher Vereinnahmung.
Nach erfolgloser Abmahnung erhob der zwischenzeitlich verstorbene Gunter Sachs Klage vor der Pressekammer des Landgerichts Hamburg. Der Öffentlichkeit war er u. a. bekannt als prominenter Fotograf, Unternehmer, Kunstsammler, Buchautor und Playboy, in den sechziger Jahren Ehemann von Brigitte Bardot. 

Was war passiert?

Der beklagte Springer-Verlag hatte in der „BILD am Sonntag“-Ausgabe vom 10. August 2008 auf der letzten Seite unter der Überschrift: „Psst, nicht stören! Playboy (75) am Sonntag“ einen redaktionell aufgemachten Artikel mit drei Fotos des Klägers veröffentlicht. Die Zwischenüberschrift lautete: „Auf einer Jacht in St.-Tropez schaukelt Gunter Sachs. Bild am Sonntag ist sein Hafen“. Auf einem großflächigen Foto ist der Kläger bei der Lektüre einer Zeitung mit dem „BILD“-Symbol zu erkennen. Die Bildinnenschrift lautete:
„Gunter Sachs auf der Jacht „Lady Dracula“. Er liest BILD am SONNTAG, wie über elf Millionen andere Deutsche auch.“ 
Auch im Fließtext wurde die Lektüre des Klägers herausgestellt. Dort hieß es:  
„St.-Tropez - Als legendärer Playboy und weltberühmter Fotograf hat er ein Auge für die schönen Seiten des Lebens. Im Sommer ist St.-Tropez das Open-Air-Wohnzimmer von Gunter Sachs (75). Auch wenn seine Wohnzimmer-Couch sich in diesem Fall auf einer Jacht befindet, darf auch in Südfrankreich ein Stück Heimathafen nicht fehlen. Entspannt sitzt der Millionär im Schatten, mit Polo-Shirt und Lesebrille. Genüsslich blättert er durch die Seiten der BILD am SONNTAG. So vertieft, dass er nicht einmal Ehefrau M. (65) neben sich bemerkt. Tut uns leid, M., wir sind einfach zu verführerisch...“.
Auf Antrag des Klägers hat das Landgericht Hamburg mit Urteil vom 4. Dezember 2009 (324 O 338/09) die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt,
es zu unterlassen, zu verbreiten „Psst, nicht stören! Playboy am Sonntag - Auf einer Jacht in St.-Tropez schaukelt Gunter Sachs“. 
Einen Lizenzanspruch hat das Landgericht u.a. mit folgender Begründung verneint:
"Im vorliegenden Fall hat die Beklagte dagegen gerade nicht ein Bildnis des Klägers und ihr Produkt nebeneinandergestellt, um das Interesse der Öffentlichkeit am Kläger und dessen Beliebtheit auf ihre Zeitung zu übertragen. Sie hat gerade kein beliebiges Bildnis des Klägers abdruckt um sodann einen künstlichen und willkürlichen Bezug zu ihrem Produkt zu konstruieren. Vielmehr hat sie ein Bildnis zum Gegenstand der Berichterstattung gemacht, das bereits für sich genommen den Bezug zwischen dem Kläger und ihrem Produkt enthielt. Sie hat insoweit lediglich den wahren Umstand, dass der Kläger als berühmter Deutscher im Ausland die Tageszeitung Bild am Sonntag liest, zum Gegenstand der Berichterstattung gemacht."
Auf die Berufung des Klägers hat das Hanseatische Oberlandesgericht mit Urteil vom 10. August 2010 (7 U 130/09) die Beklagte dann doch zusätzlich verurteilt, 
an den Kläger eine Lizenz in Höhe von 50.000 € zu zahlen. 
Das Berufungsgericht hat das Urteil damit begründet, das Persönlichkeitsrecht des Klägers habe Vorrang gegenüber dem geringen Interesse der Öffentlichkeit an der Neuigkeit, dass der Kläger auf seiner Jacht die Zeitung „Bild am Sonntag“ liest. Durch die Darstellung habe die Beklagte auch einen vermögenswerten Vorteil erlangt, der den Anspruch auf Zahlung der Lizenz begründe. In der zweitinstanzlichen Entscheidung heißt es dazu:
"Bei redaktionellen Beiträgen kommt allerdings im Regelfall weder ein Bereicherungsanspruch noch ein Schadensersatzanspruch in Betracht, da nach der Verkehrssitte für derartige Berichterstattungen kein Honorar gezahlt wird. In diesem Zusammenhang wird diskutiert, angesichts der weitreichenden Kommerzialisierung des Rechts auf Schutz der Privatsphäre, wie sie etwa in der Verbreitung von Homestories zum Ausdruck kommt, die von den Betroffenen gegen Entgelt ermöglicht werden, im Falle eines Eingriffs in die Privatsphäre zugleich einen Eingriff in vermögensrechtliche Bestandteile des Persönlichkeitsrecht zu sehen, der zu einem Lizenzanspruch führt (Götting/Schertz/Götting, Handpunkt des Persönlichkeitsrechts, §45, Rn. 4.; HH-Ko/MedienR/Wanckel, 44,43). Ob eine derartige Ausweitung von Lizenzansprüchen mit dem Recht der Presse auf freie Berichterstattung in Einklang zu bringen ist, erscheint fraglich. Zweifel ergeben sich schon deshalb, weil oftmals die Grenzen des Privatsphärenschutzes unklar sind, so dass in Zweifelsfällen die Bedrohung mit einem Anspruch auf Lizenz zu einem Einschüchterungseffekt und damit einer unangemessenen Einschränkung der Pressefreiheit führen kann. Dies kann im vorliegenden Fall jedoch dahin stehen.
Dieser ist nämlich dadurch gekennzeichnet, dass die Beklagte mit dem offenkundig rechtswidrigen Beitrag unter Verwendung der Abbildung des Klägers in Verbindung mit dem Begleittext offen für ihr Produkt wirbt. Im Unterschied zu einer Maßnahme zur Förderung des Verkaufs einer konkreten Ausgabe eines Presseprodukts, die mit der Veröffentlichung eines unzulässigen Beitrags über das Privatleben Dritter oder mit dem unrechtmäßigen Abdruck eines Bildnisses auf der Titelseite geschieht, hat der hier in Frage stehende Artikel generell werbenden Charakter für das Produkt der Beklagten. Insofern ähnelt der in Frage stehende Beitrag inhaltlich weitgehend einer Werbeanzeige für BILD am SONNTAG.

Zwar ist für den Leser erkennbar, dass der Kläger nicht bewusst als Testimonial für die Zeitung wirbt, sondern dass es sich um ein ohne seine Einwilligung gefertigtes Paparazzi-Foto und um einen von der Redaktion gefertigten Text handelt. Ein Eingriff in die vermögensrechtlichen Aspekte des Persönlichkeitsrechts kann aber auch dann vorliegen, wenn der Abgebildete nicht als Testimonial fungiert, wenn aber durch das unmittelbare Nebeneinander der Ware und des Abgebildeten das Interesse der Öffentlichkeit an der Person und deren Beliebtheit auf die Ware übertragen wird, weil der Betrachter eine gedankliche Verbindung zwischen dem Abgebildeten und dem beworbenen Produkt herstellt, der zu einem Imagetransfer führt (BGH AfP 2009, 485; BGH AfP 2010, 237ff). Hiervon ist im vorliegenden Fall auszugehen, wobei die werbliche Vereinnahmung des Klägers deshalb besonders schwer wiegt, weil sie im Zentrum der Berichterstattung steht. Die Lektüre der BILD am SONNTAG durch den Kläger ist die einzige aktuelle Information, die sich dem Text entnehmen lässt, während die übrigen Informationen erkennbar allein den Zweck verfolgen, zur Vergrößerung seines Werbewertes die Person des Klägers näher zu bezeichnen. Die Bezeichnung des Klägers als „Playboy und weltberühmter Fotograf“ sowie die Erwähnung seiner dreijährigen Ehe mit B. B. hat lediglich zum Ziel, die aktuelle sowie die in der Vergangenheit liegende Prominenz des Klägers ins Gedächtnis zu rufen bzw. – insbesondere der jüngeren Generation – die frühere Bekanntheit des Klägers zu vermitteln, um seine Werbewirksamkeit zu steigern. Die im Zentrum stehende Mitteilung, dass der Kläger die BILD am SONNTAG in St. Tropez lese, hat keinen Nachrichtenwert mit Orientierungsfunktion im Hinblick auf eine die Allgemeinheit interessierende Sachdebatte. Vielmehr stellen der Text und die Abbildung des Klägers in der Mitte der Seite ganz überwiegend Instrumente der Werbung für die Zeitung dar."

Auf Antrag des Verlages hat der BGH die Revision zugelassen. Der 1. Zivilsenat wird sich vertieft mit dem Spannungsfeld zwischen Pressefreiheit und Persönlichkeitsrecht sowie Recht am eigenen Bild, öffentlichem Informationsinteresse und geschützter Privatsphäre, redaktioneller journalistischer Berichterstattung und einwilligungsloser werblicher Vereinnahmung zu befassen haben. Keine leichte Aufgabe, wenn das Ergebnis und seine Begründung nachhaltig überzeugen sollen.

Samstag, 21. Januar 2012

Mach Dir ein Bild von der BILD-Werbung: Der Preis von Briefkästen, Schenkungen, Verboten und Abmahnungen.

Ein werbliches Sonderprodukt der BILD-Zeitung sorgt aktuell für - z. T. negative - Furore in den Medien.
Die "geburtstagskindische" Werbe-Strategie der Axel  Springer AG mit dem Slagan:
"BILD für ALLE"
steht in der Kritik.

Muss da noch nachgebessert werden? Die abgegebenen Werbeversprechen sind praktisch und rechtlich nicht in jeder Hinsicht unangreifbar.

Einige kritische Bewertungen:

Die 
"kostenlose Sonderausgabe" 
vom 23. Juni 2012 zum 60. Geburtstag der Boulevard-Zeitung soll angeblich 
"an alle Haushalte in Deutschland" 
verteilt bzw. 
"verschenkt" 
werden.

Viele haben bereits signalisiert diese "Schenkung" nicht annehmen zu wollen. Eine Schenkung ist ein Vertrag (gemäß § 516 BGB), der frühestens mit der Annahme durch den Beschenkten wirksam wird; es muss sich also niemand eine schenkungsweise Zuwendung aufzwingen lassen.

Dies gilt erst recht bei "Postwurfsendungen". So hat beispielsweise die 4. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg im vergangenen Jahr mit Urteil vom 30.09.2011 (Az. 4 S 44/11) folgende Leitsätze aufgestellt:
"1. Das Zusenden von Postwurfsendungen gegen den ausdrücklichen Willen des Empfängers stellt einen rechtswidrigen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar.
2. Postwurfsendungen, die der Empfänger erkennbar nicht wünscht, stellen stets eine unzumutbare Belästigung im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG dar.
3. Für die Erkennbarkeit eines entgegenstehenden Willens des Empfängers genügt eine entsprechende Mitteilung an das werbende Unternehmen, es besteht keine Pflicht zum Anbringen eines Aufklebers "Werbung - Nein danke" auf dem Briefkasten."
Andererseits reicht ein sich lediglich auf "Werbung" beziehender Verbots-Aufkleber nicht einmal aus zur eindeutigen Ablehnung des Einwurfs von Anzeigenblättern. Der 4. Zivilseat des OLG Hamm hat mit Urteil vom 14.07.2011 (Az. I-4 U 42/11) entschieden:
"Die auf Werbeprospekte bezogene ablehnende Willensbekundung ist dabei nicht so auszulegen, dass den betreffenden Verbrauchern auch Anzeigenblätter mit redaktionellem Teil als solche unerwünscht wären (OLG Stuttgart NJW-RR 1994, 502). Der Begriff "Werbung" hat aus der maßgeblichen Sicht des Durchschnittsverbrauchers keinen eindeutigen Erklärungsinhalt und lässt somit für den Verleger eines Anzeigenblattes nicht sicher erkennen, ob derjenige, der keine Werbeprospekte im Briefkasten haben will, auch den Einwurf von Anzeigenblättern ausschließen will oder nicht (vgl. Harte / Henning / Ubber, UWG, 2. Auflage, § 7 Rdn. 74). Erfasst von dem Sperrvermerk ist im Übrigen auch nicht die Zeitungsbeilagenwerbung, die regelmäßig mit dem Bezug von abonnierten Zeitungen und Zeitschriften verbunden ist."
Handelt es sich bei dem in der Kritik stehenden "Sonderprodukt" überhaupt um ein Anzeigenblatt? 

In der Bewerbung  der BILD gegenüber Anzeigenkunden heißt es ausdrücklich:
"Diese Sonderausgabe ist nicht tagesaktuell."
Der Verlag will 
"einen Bogen von der Vergangenheit in die Zukunft spannen" 
und so erkennbar insbesondere auch zu eigenen Werbezwecken agieren (wogegen selbstverständlich grundsätzlich zunächst nichts einzuwenden ist). Verteilt wird insofern nicht die übliche BILD-Zeitung. Dennoch wird man rechtlich die Wurfsendung nicht als bloße Werbung bewerten können; immerhin wird die Sonderausgabe auch redaktionelle und damit presserechtlich und verfassungsrechtlich besonders geschützte Inhalte enthalten. Deshalb wird man - wie oben erwähnt - durch ein bloßes Verbot des Einwurfs von "Werbung" dem Briefkasten eine entsprechende Befüllung nicht ersparen. Andererseits handelt es sich bei der kostenlosen Sonderausgabe aber wohl auch nicht um ein klassisches Anzeigenblatt - wenn man den verbleibenden redaktionellen Kontext mit der "klassischen" BILD-Zeitung berücksichtigt. Deshalb wird ein Briefkasten-Aufkleber, der den Einwurf von Anzeigenblättern untersagt, von den Zustellern wohl ebenfalls nicht zwingend beachtet werden müssen.

Der Kollege Udo Vetter denkt deshalb etwa an einen Briefkasten-Hinweis wie "Bitte keine BILD einwerfen". Der Kollege Andreas Schwartmann hat alternativ ein Muster-Anschreiben an die Springer AG entworfen.

Beide Möglichkeiten dürften eine hinreichende Möglichkeit bieten, die Zustellung des "Sonderproduktes" in den eigenen Briefkasten rechtswirksam zu untersagen und bei Verstoß im Wege der Abmahnung bzw. Klage die entstandenen Unterlassungsansprüche rechtlich erfolgreich durchzusetzen. Der Kollege Arno Lampmann meldet sogar etwas plakativ: "Es drohen 41 Millionen Abmahnungen".

Auf einer Seite der an die Anzeigenkunden gerichteten Bewerbung des fast pensionsreifen Jubilars heißt es vielleicht auch deshalb bei genauerer Betrachtung - indem das Angebot insoweit einschränkend nicht als Zusage, sondern als bloßes "Ziel" deklariert wird:
"Unser Ziel: jeder Haushalt erhält ein Exemplar in den Briefkasten!"
Sich hohe Ziele zu setzen, hat ja grundsätzlich noch keiner (Werbe-) Kampagne geschadet. Ob die Ziele dann auch erreicht werden, ist natürlich eine andere Frage.

An anderer Stelle der Kundenwerbung wird der Mund dann allerdings schon wieder etwas voller genommen:
"Die größte Auflage aller Zeiten
Alle Haushalte in Deutschland"
und
"Verteilung: ca. 41 Mio. Haushalte inkl. Werbeverweigerer, innerhalb eines Tages"
Also doch Freiwild für BILD und Frei-Bild für alle? 

Mit der pauschal behaupteten Verteilung an "ALLE" und insbesondere auch an alle "Werbeverweigerer" könnten einige Mitbewerber i. S. v. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG wettbewerbsrechtliche Probleme haben und diese Vollmundigkeit ihrerseits zum Anlass nehmen, über wettbewerbsrechtliche Abmahnungen wegen etwaiger unlauterer und/oder irreführender Werbung nachzudenken. Ausgeschlossen ist auch das vor dem Hintergrund der oben erwähnten rechtlichen Bewertungen nicht. Vollmundige Werbung hat ihren Preis.

Zumindest soll nach dem Willen der BILD auch das fulminante Werbe-/Anzeigen-Angebot seinen Preis haben (nämlich vier Millionen Euro pro Anzeigenseite) und:
"Bestehende Konditionsvereinbarungen sowie die Rabattstaffeln laut BILD Preisliste sind für dieses Sonderprodukt nicht anwendbar. Angebote folgen auf Anfrage."
Und nicht übersehen werden darf zusätzlich:
"Bei Stornierung einer Buchung wird eine Gebühr in Höhe von 10% des gebuchten Anzeigen-Bruttopreises erhoben."
Mal sehen, wie die Kampagne und das daraus erwachsene Streit-Potenzial sich weiter entwickeln. Der öffentlich ausgetragene Streit stellt - jedenfalls und immerhin - auch selbst bereits eine nicht zu unterschätzende Werbe-Kampagne dar, worauf vielleicht sogar der Blogger dieses Beitrags hereingefallen ist.