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Donnerstag, 6. Juni 2019

Im Namen der Marke

Der Stress mit den Kennzeichen
 
http://www.zumanwalt.de
Die Qual der Wahl? Marke, Werktitel, Unternehmenskennzeichen, Domain, Name
 
Allein in Deutschland sind mittlerweile über 800.000 nationale Marken beim Deutschen Patent- und Markenamt registriert – und die Zahl wächst weiter an. 
Gleichzeitig nehmen auch die außergerichtlichen und gerichtlichen Streitigkeiten im Zusammenhang mit Marken und anderen Kennzeichen kontinuierlich zu. Dabei stellt sich die Frage, inwieweit der Trend zur eigenen Marke insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) stets Sinn macht oder ob häufig ein substantielleres Nachdenken über etwaige Kennzeichnungsalternativen nicht sinnvoller wäre. 

In dem Zusammenhang sollen nachfolgend

11 immer noch recht weit verbreitete Irrtümer

über die Marke und ihre Alternativen aufgezeigt werden. 

1.     Die Herbeiführung einer Markeneintragung beim Deutschen Patent- und Markenamt sichert keineswegs, dass eine identische oder verwechslungsfähige Marke nicht bereits zuvor zugunsten eines andere Markeninhabers in das Markenregister eingetragen worden ist, der dann etwaige vorgehende Rechte geltend machen kann. Das Deutsche Patent- und Markenamt führt keine Ähnlichkeitsrecherche für den Anmelder durch. 

2.     Es stimmt zwar, dass man mit einer registrierten Marke Waren und Dienstleistungen kennzeichnen kann. Man ist allerdings nicht gezwungen, bei einer beabsichtigten Benennung eigener Waren oder Dienstleistungen die entsprechende Kennzeichnung markenmäßig anzumelden. Dennoch kann dies im jeweiligen Einzelfall sinnvoll sein. 

3.     Oft wird vergessen, dass auch der eigene Name oder der eigene Firmenname bzw. das sog. Unternehmenskennzeichen einen Kennzeichenschutz gewähren. 

4.     Nicht selten verlangen Markeninhaber von Domaininhabern die Löschung einer Domain, selbst wenn das vermeintlich anspruchsbegründende Markenrecht erst nach Registrierung bzw. Nutzung der Domain entstanden ist. Zwar beinhaltet eine Marke oft eine stärkere Rechtsposition als eine Domain; falls die Domain vor Markenanmeldung allerdings bereits als Unternehmenskennzeichen oder auch als Werktitel benutzt worden ist, gilt insoweit der sog. Prioritätsgrundsatz. Gleiches gilt auch dann, wenn die Domain als solche jedenfalls nicht markenrechtswidrig, wettbewerbswidrig, unlauter oder irreführend benutzt wird. 

5.     Nicht selten wird von einer beabsichtigten Markenanmeldung ohne weiteres abgesehen, wenn der Hinweis erfolgt, dass die für die Markenanmeldung gewählte Begrifflichkeit wegen ihres rein beschreibenden Charakters und eines damit verbundenen sog. „Freihaltebedürfnisses“ nicht schutzfähig ist. Selbst wenn Letzteres im jeweiligen Fall zutreffen mag, so ist es dennoch möglich, durch zusätzliche grafische bzw. bildliche Gestaltungen zumindest eine entsprechende sog. Wort-Bildmarke im Markenregister eintragen und auf diese Weise schützten zu lassen. 

6.     Im Zusammenhang mit der vorgenannten Vorgehensweise wird dann allerdings manchmal der dadurch erlangte Schutzbereich fälschlicherweise derart überinterpretiert, als ob er nicht nur verwechslungsfähige grafische bzw. bildliche Gestaltungen erfasst, sondern auch allein die in der entsprechenden Abbildung enthaltenen, für sich genommen nicht schutzfähigen Wortbestandteile. 

7.     Es kommt immer noch vor, dass Mandanten meinen, von ihnen geschaffene individuelle Texte (Schriftwerke) oder von ihnen hergestellte Bildnisse bedürften zu ihrem rechtlichen Schutz einer entsprechenden „Registrierung“ etwa beim „Patentamt“. Dass die diesbezüglichen entsprechenden Urheberrechte bereits qua Schöpfungsakt gesetzlich entstanden sind, wird dabei übersehen. 

8.     Einem vergleichbaren Rechtsirrtum unterliegen Autoren oder Publizisten, die meinen, die Titel ihrer Schriftwerke vorsorglich als Marke anmelden zu müssen. Dies kann im Einzelfall zwar angebracht sein – wie etwa wenn parallel zu der Verwertung der Schriftwerke etwa der Vertrieb mit gleicher Kennzeichnung versehener Produkte oder Dienstleistungen beabsichtigt ist; in der Mehrzahl der Fälle entsteht allerdings bereits durch die Veröffentlichung der entsprechenden Werke ein sog. Werktitelschutz, der identischen oder verwechslungsfähigen nachfolgenden Titeln entgegengehalten werden kann. 

9.     Unbeschadet dessen sollte nicht versäumt werden, vor der eigentlichen Veröffentlichung der entsprechenden Werke in einem der dafür vorgesehenen Medien eine sog. Titelschutzanzeige hinsichtlich des beabsichtigten Werktitels zu schalten, damit nicht einige Monate vor der eigentlichen Veröffentlichung Dritte den beabsichtigten Werktitel noch „wegschnappen“. 

10.  In dem Zusammenhang wird manchmal übersehen, dass eine aus den vorgenannten Gründen veröffentlichte Titelschutzanzeige nicht unbegrenzt für alle Zukunft Gültigkeit und Wirkung entfaltet. Je nach betroffener Werkgattung (Zeitung, Illustrierte, Buch, Film, Theaterstück, TV-Serie etc.) kommt ein Zeitraum von ca. drei Monaten bis zu im Einzelfall 18 Monaten in Betracht. 

11.  Auch ein letztendlich tatsächlich verwendeter Werktitel behält nicht zwingend unbegrenzte Zeit seinen Rechtsschutz. Wenn das entsprechende Werk etwa fünf Jahre lang nicht mehr lieferbar bzw. sonst wie erhältlich ist und praktisch vollständig vergriffen ist, endet regelmäßig der diesbezügliche Titelschutz.

 

 

Montag, 19. März 2012

Abmahnung und Klage vom Pelikan: Wie und wie weit reichen das Markenrecht und weitere Schutzrechte?

Schnell ist man Adressat einer Abmahnung - und dennoch gar nicht so leicht ist die gerichtsfeste Geltendmachung von Markenrecht, Kennzeichenrecht, Firmenrecht oder Domainrecht ... oder gar mehrerer dieser Schutzrechte.


Der Erste Zivilsenat des BGH (Az. I ZR 86/10) verhandelt am 19. April 2012 über die "Musikschule Pelikan"

Die VII. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bielefeld hatte mit Urteil vom 9. September 2009 zum Az. 16 O 52/09 der auf  Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz gerichteten Klage der Pelikan Vertriebsgesellschaft mbH & Co. KG, einer der größten Papier-, Büro- und Schreibwarenhersteller in Deutschland, stattgegeben. 

Das erstinstanzliche Urteil lautet:


Den Beklagten wird es untersagt,
im geschäftlichen Verkehr das Zeichen "Pelikan" in Alleinstellung und/oder als Bestandteil eines kombinierten Zeichens, insbesondere als "Musikschule Pelikan", als geschäftliche Bezeichnung einer Musikschule und/oder als Zeichen für Dienstleistungen einer Musikschule zu benutzen;
im geschäftlichen Verkehr das Zeichen "Pelikan" als Domainnamen anzumelden und/oder zu benutzen, insbesondere in Form des Domainnamens "musikschulepelikan.de".
Ihnen wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht, wobei das einzelne Ordnungsgeld den Betrag von 250.000,00 €, die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser aus Handlungen gemäß Ziffer 1. entstanden ist und noch entstehen wird, soweit diese Handlungen ab dem 11.01.2005 erfolgten.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1. verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser aus Handlungen gemäß Ziffer 1. entstanden ist und noch entstehen wird, soweit diese Handlungen vor dem 11.01.2005 erfolgten.
Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin Auskunft über die von der Beklagten seit deren Bestehen erzielten Umsätze zu erteilen, und zwar durch Vorlage eines chronologisch geordneten Verzeichnisses, in dem die Umsätze monatlich, nach dem jeweils tätigen Musiklehrer geordnet, aufgeführt sind.


Der 4. Zivilsenat des OLG Hamm hat auf die Berufung hin den Inhabern der privaten Musikschule Recht gegeben und die Klage abgewiesen - mit Urteil vom 23. März 2010 zum Aktenzeichen I-4 U 175/09.  

Der Bundesgerichtshof hat die Revision auf entsprechenden Antrag der Klägerin hin zugelassen.



Die Klägerin ist Inhaberin zahlreicher Marken, die den Wortbestandteil „Pelikan“ oder die Abbildung eines Pelikans enthalten. Dazu gehört auch die mit Priorität vom 28. November 1942 eingetragenen Wortmarke „Pelikan“. Diese ist u.a. für Lehrmittel eingetragen.

Die Beklagten betreiben in Minden eine im Januar 2004 ins Handelsregister eingetragene private Musikschule unter der Bezeichnung „Musikschule Pelikan GmbH“, in der Instrumental- und Gesangsunterricht angeboten wird. Ferner betreiben die Beklagten unter dem Domainnamen „www.musikschule-pelikan.de“ eine Internetseite.

Die Klägerin macht geltend, dass sie seit längerer Zeit auch Unterrichtshilfen für Lehrer im Grundschulbereich anbietet. Die Klägerin unterhält zudem seit mehreren Jahren im Internet unter der Adresse www.pelikanlehrerinfo.de auch ein Onlineangebot. Sie stützt ihre Abmahnung sowie die nachfolgende Klage auf eine nach ihrer Auffassung vorliegende Verletzung ihrer Marken und ihres Unternehmenskennzeichens.

Das Berufungsgericht hält den Klageantrag in mehrfacher Hinsicht für zu unbestimmt. Außerdem bestehe zwischen den von der Klägerin vertriebenen Waren und den von den Beklagten erbrachten Dienstleistungen keine ausreichende Ähnlichkeit. Ansprüche aufgrund des Unternehmenskennzeichens scheiterten an der vollständigen Branchenunähnlichkeit.

Der BGH wird sich eingehend mit den prozessualen, formalen und materiellen Voraussetzungen der Geltendmachung unterschiedlicher Schutzrechte (Markenrecht, Kennzeichenrecht, Firmenrecht, Domainrecht) zu befassen haben wie auch mit Fragen nach der gerichtlichen Hinweispflicht gem. § 139 ZPO. So begrüßenswert die kritischen und anspruchsvollen Anforderungen des OLG Hamm an die Geltendmachung von Schutzrechten sind, so bedenklich ist andererseits die nach dem Inhalt des Berufungsurteils wohl allenfalls "zurückhaltend" ausgeübte richterliche Hinweispraxis. Wenn das Verfahren vom BGH man nicht wieder an das OLG zurückverwiesen wird ... mit noch länger andauernder Rechtsunsicherheit für alle Beteiligten.

Mittwoch, 5. Oktober 2011

BGH-Urteil zur Verselbständigung von Namen: Das Recht, nach Erwerb von Immobilien den Namen des früheren Eigentümers als Geschäftsbezeichnung und Domain zu nutzen

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Gleichzeitig ein Reminder zum Risiko eines Untergangs bzw. Verfalls sogenannter generischer Marken

Mit Urteil vom 28.09.2011 (Az. I ZR 188/09 - Landgut Borsig) hat der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes entschieden, dass mit dem Erwerb eines Gebäudes oder eines Grundstücks das Recht verbunden sein kann, dieses Anwesen mit dem Namen eines früheren Eigentümers zu bezeichnen (BGH-Pressemitteilung  Nr. 151/2011 vom 29.09.2011).



Kläger ist der in München lebende Nachkomme der Berliner Industriellenfamilie von Borsig. Er hatte den ersten Teil seiner Kindheit auf dem Landgut verbracht.. 

Dessen Vorfahre, Albert Borsig, hatte 1866 das ca. 40 km westlich von Berlin gelegene Gut Groß Behnitz erworben. Nachdem der Grundbesitz 1947 von der sowjetischen Besatzungsmacht enteignet worden war, erwarb der Beklagte zu 1 im Jahr 2000 einen Teil der Liegenschaft von der Treuhand. Der Beklagte zu 1 ist Geschäftsführer der Landgut Borsig Kontor GmbH, die auf dem Anwesen nach der Sanierung unter der Bezeichnung "Landgut Borsig Groß Behnitz" kulturelle und andere Freizeitveranstaltungen durchführt und dort auch typische Produkte aus der Region vertreibt.

Der Beklagte zu 1 hat für sich zudem bei der DENIC den Domainnamen "landgut-borsig.de" registrieren lassen. 


Der Kläger will nach entsprechender Abmahnung die Beklagten verurteilen lassen, es zu unterlassen, die umstrittene Kennzeichnung auf die beschriebene Art und Weise zu verwenden, und ferner die Löschung der registrierten Domain erwirken.

Die Beklagten haben u. a. vorgetragen, ihnen sei die Verwendung des Namens "Borsig" aufgrund einer Gestattung der Borsig GmbH erlaubt. Zudem habe sich der Name "Landgut Borsig" für das Gut in Groß Behnitz verselbständigt und durch den Namensgebrauch seien auch keine schutzwürdigen Interessen des Klägers verletzt.

Die Klage war vor dem Berliner Landgericht (Urteil vom 12.10.2007, Az. 35 O 106/07) und dem Kammergericht (Urteil vom 2010.2009, Az. 5 U 173/07) weitgehend erfolgreich. 

Der BGH hob das Berufungsurteil auf die Revision der Beklagten hin auf. 


Nach Einschätzung des I. Zivilsenats kann der Gebrauch der Bezeichnung "Landgut Borsig" beim Publikum zwar den unzutreffenden Eindruck erwecken, der Kläger habe als Nachfahre des früheren Eigentümers Ernst von Borsig dem Gebrauch seines Namens zugestimmt. Die Beklagten könnten sich auch nicht mit Erfolg auf eine Gestattung der Namensverwendung durch die heutige Borsig GmbH berufen. 

Nach dem Vortrag der Beklagten könne allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass sich der Name "Landgut Borsig" für das Gut Groß Behnitz derartig verselbständigt hat, dass die Zustimmung der Träger des Namens "Borsig" nicht mehr erforderlich war. Voraussetzung hierfür sei, dass die Bezeichnung "Landgut Borsig" zu dem Zeitpunkt, zu dem die Beklagten die Benutzung der Bezeichnung "Landgut Borsig" aufgenommen haben, im allgemeinen Sprachgebrauch der näheren Umgebung üblich war. Hätte sich der Name "Landgut Borsig" auf diese Weise verselbständigt, könnten sich die Beklagten auf dieses Namensrecht stützen. Ihr berechtigtes Interesse, ihre dort betriebenen wirtschaftlichen Aktivitäten mit diesem Namen zu bezeichnen, wäre in diesem Fall nicht zu leugnen. 


Da das Berufungsgericht noch keine Feststellungen dazu getroffen hat, verwies der BGH die Sache an das Kammergericht zurück. 

Vor dem Kammergericht wird es nun auf das Ergebnis der dort durchzuführenden Beweisaufnahme zu den vorgenannten Fragen ankommen. 

Schon jetzt bleibt festzuhalten, dass durch allgemeinen Sprachgebrauch Namensrechte und Kennzeichnungsrechte teilweise untergehen bzw. sich verlagern können und dass mit dem Erwerb von Immobilien oder anderen Objekten auch manchmal unbeabsichtigt oder zunächst unerkannt ein Namensrecht oder Kennzeichnungsrecht bzw. eine Geschäftsbezeichnung generiert oder übertragen werden kann. Diese Phänomen wird auch bei Marken sorgfältig zu beachten bleiben. 

Das Risiko eines Untergangs oder Verfalls von Marken thematisiert § 49 Abs. 2 Ziff. 1 MarkenG, wo es heißt:

... Die Eintragung einer Marke wird ferner auf Antrag wegen Verfalls gelöscht
wenn die Marke infolge des Verhaltens oder der Untätigkeit ihres Inhabers im geschäftlichen Verkehr zur gebräuchlichen Bezeichnung der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, geworden ist ...

Sogenannte praktisch fast zu Gattungsbegriffen gewordene generische Marken wie Aspirin, Bobbycar, Frisbee, Jeep, Kleenex, Nylon, Pampers, Plexiglas, Rigips, Selters, Tempo, Tesa, Uhu oder Vespa können ein Lied davon singen und führen teilweise in dem Zusammenhang harte - manchmal auch gerichtliche - Auseinandersetzungen.

Der Streit um das "Landgut Borsig" bildet in dem Zusammenhang lediglich einen gediegenen Teilaspekt ab, bei dem ein mit einer Kennzeichnung verbundener Immobilienerwerb durch Dritte eine zusätzliche Rolle spielt - neben einer etwaigen Kennzeichen-Verselbständigung durch Eingang in den allgemeinen (regionalen) Sprachgebrauch. Der BGH paart hier die etwaige Entstehung eines allgemeinen regionalen Sprach- und Namensgebrauchs mit einem möglichen Untergang eines objektbezogenen Untersagungsrechts. Den Urteilsgründen kann mit Spannung entgegengesehen werden.


Sonntag, 4. September 2011

Die Marke als Allheilmittel oder unnötiger Blindflug in die Welt der Abmahnung


Ähnlichkeitsrecherche wichtiger als Markenanmeldung?

In den vergangenen Jahren wurden allein beim Deutschen Patent- und Markenamt jährlich jeweils fast 75.000 Markenanmeldungen vorgenommen. Ist schon schön, so eine eigene MARKE. Das denken sich auch viele (Klein-)Unternehmer und Dienstleister, die mit ihrer Außendarstellung "was hermachen" möchten. Da geht es u.a. darum, den eigenen Namen bzw. das eigene Kennzeichen zu schützen ... und manchmal auch darum, die eigenen kleinen Eitelkeiten zu bedienen und/oder zu befriedigen.

Das ist ja grundsätzlich auch nichts Schlimmes. Schlimm können allerdings die Folgen unüberlegt kurzfristiger und kurzsichtiger "Marken-Aktionen" sein.

So ist der Schritt zu rechtlich und finanziell dramatischen Kollisionen mit ggf. vorrangigen Namens-, Firmen-, Kennzeichen- oder Markenrechten Dritter oft nicht weit. Dies gilt nicht nur bei identischen Bezeichnungen und bei der Berührung von Rechten unmittelbarer Konkurrenten. Das kann auch bei lediglich ähnlicher Logo- oder Wortwahl bzw. bei der Tangierung bekannter Marken - selbst ohne Branchennähe oder sich aufdrängernde Verwechslungsgefahr - auf dem Terrain von Markenrecht und Wettbewerbsrecht gefährlich werden.

Eine nicht geringe Menge Rechtsanwälte und Patentanwälte befasst sich fast ausschließlich mit der Recherche nach mutmaßlichen Verletzungen von Markenrechten ihrer Mandanten und mit daraus erwachsenden Abmahnungen und auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz gerichteten gerichtlichen Verfahren. Da kommt schnell Kater-Stimmung auf, wenn hohe Regress- und Kosten-Forderungen im Briefkasten landen. Was ist denn da schiefgelaufen?

Nicht nur vor einer Markenregistrierung, schon bei Nutzung einer Bezeichnung oder Kennzeichnung im geschäftlichen Verkehr - etwa auch als Domain - ohne vorherige Markenanmeldung ist Umsicht und Vorsicht geboten vor rechtsverletzenden Kollisionen mit vorgehenden Rechten Dritter. Deshalb ist eine Verwendung von Wort-Kennzeichen oder grafischen Logos im Geschäftsleben ohne vorausgegangene Ähnlichkeitsrecherche kaum zu verantworten. Eine eigene Online-Suche bei Google (und anderen geeignet erscheinenden Suchmaschinen) und die eigene Durchsicht von Markenregistern, Handelsregistern und Branchen-Listen sind ein erster Schritt zu vielleicht hilfreichen Überprüfungen. Vertieftere Ergebnisse kann ggf. eine anwaltliche Ähnlichkeitsrecherche liefern. Dabei sollten neben dem jeweils konkreten Risiko-Potenzial auch etwaige konstruktive Begrenzungsmöglichkeiten und Handlungs-Alternativen abgefragt werden.

Und was ist nun mit der Markenanmeldung?

Da wird häufig vom kleinen Unternehmen(sgründer) bzw. Dienstleister die gerade durch eine Markenanmeldung stattfindende Erhöhung der Kollisions- und Konflikt-Risiken unterschätzt ... und der Sinn der schnellen Anmeldung im konkreten Fall nicht selten überschätzt.

Durch die Anmeldung werden manche Streitigkeiten im Markenrecht erst "provoziert", die ohne Anmeldung vielleicht - mangels transparenter Registrierung - gar nicht aufgekommen wären. Dies kann selbstverständlich kein Aufruf sein, Markenverletzungen ohne Markenanmeldung zu betreiben!

In einer großen Zahl von Fällen bedarf  es für einen ausreichenden Kennzeichenschutz allerdings nicht unbedingt einer Markeneintragung: Der Familienname und das Unternehmens-Kennzeichen bzw. die Firma (der Name, unter dem ein Kaufmann auftritt) genießen auch ohne Markeneintragung rechtlichen Schutz vor Verletzung und Missbrauch. Der Dienstleister wird in seinem Geschäftsumfeld oft keine zusätzliche Produkt-Kennzeichnung benötigen - zumal seine Leistungen im Wesentlichen durch seine Persönlichkeit und seine Individualität gekennzeichnet werden. Allerdings kann ein Unternehmens-Kennzeichen nicht ohne Weiteres übertragen bzw. lizensiert werden, wie dies bei der Marke der Fall ist. In vielen Fällen wird es auf eine derartige Verwertungsmöglichkeit aber nicht entscheidend ankommen. Dann kann eine kreativ und klug eingesetzte Unternehmenskennzeichnung für eine gelungene und rechtlich geschützte Außendarstellung völlig ausreichen.

Und dann ist es wichtiger, bei der Auswahl und Gestaltung der Firmierung und Domain eine sorgfältige Recherche nach konfliktträchtigen ähnlichen Kennzeichen oder Marken Dritter durchzuführen, als eine "chicke" Marke für das geschäftliche und werbliche Allheilmittel zu halten. Zumal gerade in der Gründungsphase die finanziellen Ressourcen ohnehin regelmäßig eher begrenzt sein werden.


Samstag, 22. Januar 2011

Domain-Pfändung: Vollstreckungsschutz bei geschäftlicher Internet-Domain

Auch ein Beitrag zur Meinungsfreiheit und Informationsfreiheit im Blog

Die Pfändung der Internet-Domain nerdcore.de durch Euroweb dürfte einige Domain-Inhaber in Angst und Schrecken versetzt haben. Eine etwas beruhigendere Nachricht für alle Onlineshop-Betreiber und andere Domain-Inhaber, die vielleicht eine Abmahnung erhalten haben oder sonstigen Forderungen ausgesetzt sind und eine geschäftlich und nicht nur privat genutzte Website betreiben:
Wenn eine Internet-Domain als Arbeitsmittel in Betracht kommt und von ihrem Inhaber zur Ausübung seines Berufes benötigt wird, kann sich der Domain-Inhaber gfls. auf Vollstreckungsschutz berufen.
Einer Pfändung  sind nach § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO nämlich nicht unterworfen
die zur Fortsetzung der Erwerbstätigkeit erforderlichen Gegenstände - bei Personen, die aus ihrer körperlichen oder geistigen Arbeit oder sonstigen persönlichen Leistungen ihren Erwerb ziehen.

Dem Schuldner sollen nach dem Willen des Gesetzgebers nicht Gegenstände entzogen werden, die er zur Fortsetzung seiner Erwerbstätigkeit und zur Sicherung seines Lebensunterhaltes braucht. Die betroffenen Gegenstände müssen dabei nach Auffasung des Bundesgerichtshofes - Beschluss vom 28.01.2010, Az. VII ZB 16/09 - nicht unbedingt unentbehrlich sein, der BGH neigt insoweit zu einer eher weiten Auslegung der gesetzlichen Schutzvorschrift.

Da die Domain kein Gegenstand im Sinne des § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO ist, findet diese gesetzliche Vorschrift allerdings keine direkte, aber - so auch das Landgericht Mönchengladbach mit Beschluss vom 22.09.2004, Az. 5 T 445/04 - eine entsprechende (analoge) Anwendung. Dies hat beispielsweise auch das Landgericht Essen in seiner Entscheidung vom 22.09.1999, Az. 11 T 370/99, nicht ausgeschlossen.


Die gesetzliche Schuldnerschutz-Regelung findet analoge Anwendung für die Betreiber eines Onlineshops, aber auch für andere Gewerbetreibende oder Freiberufler, die im Internet ihre Waren oder Dienstleistungen vorstellen, bewerben und anbieten: Bauunternehmer, Ärzte, Unternehmensberater, Webdesigner, Handwerker, Architekten oder auch Rechtsanwälte und Steuerberater.

Zur grundsätzlichen Zulässigkeit der Pfändung einer Domain vgl. den Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 05.07.2005, Az. VII ZB 5/0.
 
Der wilden Jagd auf Internet-Domains durch Zwangsvollstreckung betreibende Gläubiger dürften allerdings insofern doch oft engere Grenzen gesetzt sein.

Interessant scheint mir in dem Zusammenhang auch der Gesichtspunkt, dass im Rahmen des gesetzlichen Vollstreckungsschutzes nach § 765a ZPO bei betroffenen Bloggern auch die Grundrechte der Meinungsfreiheit und Informationsfreiheit nach Art.5 Grundgesetz stärker in eine Zulässigkeits- und Schutz-Abwägung einzubeziehen sind. Dass die Grundrechte und die Grundentscheidungen des Grundgesetzes im Rahmen der Zwangsvollstreckung und bei Fragen des Vollstreckungsschutzes insbesondere auch vom Vollstreckungsgericht zu beachten sind, hat das Bundesverfassungsgericht z. B.in seiner Entscheidung vom 16.8.20011, Az. 1 BvR 1002/01, deutlich gemacht. Auch der nicht primär geschäftlich bzw. beruflich agierende Blogger oder die insoweit aktive Bloggerin muss folglich nicht schutzlos sein. In der medialen Außendarstellung dürften die Grenzen zwischen privater und beruflicher Meinungs- und Informationsbildung ohnehin schwer zu ziehen sein.

Abmahnung an Schnellschüsse in gerichtlichen Eil- und Vollstreckungsverfahren

Kommando zurück: Die vermeintlichen Wirkungen der Pfändung der Internet-Domain "nerdcore.de" durch einen nach eigenen Angaben "Full-Service-Internetdienstleister" werden seit gestern Abend wieder rückgängig gemacht und auf den früheren Stand der Inhaberdaten gebracht. Die im Verfahren aufgelaufenen Kosten, die Anlass der Pfändung gewesen sein sollen, sind zwischenzeitlich bezahlt worden. Auch deshalb droht wohl keine weitere Pfändung mehr. Netzpolitik.org berichtet aktuell darüber.

Der Kollege Thomas Stadler bewertet die Rückgängigmachung der Domain-Übertragung unter Berücksichtigung des Beschlusses des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg als fragwürdig.

Fragwürdiger sind allerdings wohl die konkreten Pfändungs-Inhalte bzw. der stattgefundene konkrete Verfahrensgang mit offenen Fragen zu einem ausreichenden rechtlichen Gehör (Grundrecht) des oder der Beteiligten insbesondere im Rahmen der Umschreibung.

Hier zeigt sich mal wieder:

Nicht jeder gerichtliche “Schnellschuss” in Eil- oder Vollstreckungsverfahren entfaltet ohne Rechtsmittel-Einlegung immer sofort klaren faktischen Handlungs- oder Unterlassungs-Zwang … schon deshalb, weil der Inhalt und die Folgen gerichtlicher Verfügungen manchmal nicht ausreichend klar und bestimmt sind. Wie so oft gilt der Grundsatz - nicht nur für den jeweils agierenden Rechtsanwalt: “Much Sorgfalt, aber no panic!”