Montag, 12. April 2010

Wer soll das bezahlen? Erstattung überhöhter Rechtsanwaltskosten bei Filesharing-Abmahnung

Es geht um's Geld. Im Musikgeschäft, in der Filmbranche und auch in der Abmahnungs-Industrie. Aber wie seriös, wie belastbar sind die Kostenerstattungs-Begehren in einer Vielzahl der kursierenden Filesharing-Abmahnungen?

Kostenerstattung kann derjenige beanspruchen, dem wegen berechtigter urheberrechtlicher Abmahnung Kosten entstanden sind, ersetzbar in bestimmter Höhe, maximal in Höhe der gesetzlichen Rechtsanwaltsgebühren nach dem RVG. Voraussetzung für ein berechtigtes Verlangen nach Erstattung von Anwaltskosten ist deren tatsächliche Vereinbarung, In-Rechnung-Stellung durch den Rechtsanwalt und Zahlung durch den abmahnenden Rechteinhaber.

In vielen Fällen wird bereits zu prüfen sein, ob ggf. die für einfach gelagerte Erst-Abmahnungen gesetzlich geschaffene Kosten-Deckelung durch die 100 Euro-Bagatellgrenze des § 97 a Abs. 2 UrhG eingreift.

Auch über die z. T. in den Raum gestellten Streitwert-Höhen lässt sich trefflich streiten. Die aktuelle obergerichtliche Rechtsprechung tendiert in den vergangenen Monaten insoweit zu eher zurückhaltenderen Festsetzungen und verabschiedet sich von der schlichten "Multiplikations-Praxis" der vergangenen Jahre. Die demgegenüber in den Abmahnungen enthaltenen Streitwert-Phantasien entbehren nicht selten seriöser Substanz.

Es ist allerdings in zahlreichen Fällen noch viel zweifelhafter, ob zwischen dem abmahnenden, vermeintlichen Rechteinhaber und dem die Abmahnung versendenden Rechtsanwalt überhaupt eine anwaltliche Vergütung in der geltend gemachten Art und Höhe rechtsverbindlich vereinbart worden ist, ob die angeblichen Anwaltskosten in dieser Weise abgerechnet worden sind bzw. überhaupt abgerechnet werden sollen und ob die zur Erstattung aufgegebene oder angedrohte Zahlungsforderung vom Abmahner beglichen wurde oder zumindest beglichen wird.

Die aktuelle Rechtsprechung (z. B. Amtsgericht Frankfurt und Landgericht Köln) tendiert insoweit zu Recht zunehmend zu kritischer Hinterfragung der häufig von der Abmahnungs-Branche pauschal und ungenügend substantiierten Kostenerstattungsansprüche. Wie so oft gilt : Bange machen gilt nicht ... und Papier ist geduldig.

Wer kann glauben, dass bei der ungeheuren Masse von Abmahnungen einzelner Musik-Konzerne, Film-Produzenten oder Rechte-Verwerter diese Mandanten ihren Rechtsanwälten wirklich für jedes verschickte Abmahnungsformular die vollen gesetzlichen Gebühren zu dem im Abmahnungsschreiben bezifferten Streitwert vergüten? Probeberechnungen haben belegt, dass dann einige Abmahnungs-Unternehmen bereits vor einiger Zeit wegen immenser Anwaltskosten zahlungsunfähig gewesen wären.

Das Thema Kostenerstattung ist für die Abmahnungsbranche durchaus sensibel und diffzil, kann die Vorgabe überhöhter, fiktiver und nicht tatsächlich entstandener Kosten doch durchaus auch den Staatsanwalt interessieren. Zudem wäre die Aufdeckung im deutschen Recht für die hier betroffenen Abmahnungs-Fälle unzulässiger Vergütungsabreden - etwa in der Form eines Erfolgshonorars - auch standesrechtlich nicht ohne Konsequenzen.

Dies kann auch ein Grund dafür sein, dass viele abmahnende Rechtsanwälte mittlerweile zunehmend dazu übergehen, die Kostenerstattungsbeträge nicht mehr konkret zu beziffern, sondern lediglich mehr oder weniger nebulös in dramatisierender Höhe anzudeuten, um anschließend eine nicht näher aufgeschlüsselte, vermeintlich günstige Vergleichssumme zu nennen - zur "Erledigung" sämtlicher Schadensersatz-, Aufwendungsersatz- und Kostenerstattungsbeträge.

Bei der Abwehr von Filesharing-Abmahnungen gilt es folglich nicht nur, die angebliche Verletzung von Urheberrecht und behauptete Schadenshöhen und Lizenzen sowie eine etwaig modifizierte strafbewehrte Unterlassungserklärung zu prüfen, sondern auch die anwaltlichen Kosten-Szenarien kritisch unter die Lupe zu nehmen.