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Freitag, 22. Juli 2016

Marke und Firma: Der Abmahner ist auch mal der Gärtner


Streit ums Markenrecht verlangt oft ein feines Gespür. Sogar unter Gärtnern.

Mit einer aktuellen Entscheidung zum Markenrecht hat das OLG Frankfurt am Main (Beschl. v. 30.05.2016, Az. 6 U 27/16) Abmahnungen der Konkurrenz den rechtlichen Wert des eigenen (Vor-)Namens aufgezeigt.


Die oft überforderten Adressaten markenrechtlicher Abmahnungen haben nämlich häufig bereits selbst beachtliche Rechtspositionen, die der Abmahnung sowie einer etwaigen anschließenden Klage entgegengehalten werden können.

Dies ist neben z. B.  bestehenden Werktiteln, die auch ohne markenamtliche Registrierung rechtliche Bedeutung und Wirkung haben können, ein evtl. existierendes Unternehmenskennzeichen, die Firma bzw. der Name eines Unternehmens - mit älterer Priorität.

Im hier betroffenen Prozessfall sah sich ein Garten- und Landschaftsbauer der Klage eines Konkurrenten ausgesetzt. Der Kläger ging aus einer im Jahre 2014 angemeldeten Marke „A Objektservice – Peter B e.K.“ (eingetragen u. a. in Klasse 37 – „Bauwesen“) gegen den Beklagten vor. Der Beklagte firmierte seit 1995 unter der Bezeichnung "Peter´s Objektservice".
Der Kläger gelangte mit seiner Abmahnung außergerichtlich nicht ans Ziel und wollte dem Beklagten Gärtner nun gerichtlich verbieten lassen,
„im Zusammenhang mit der Erbringung von Dienstleistungen im Bereich des Bauwesens, insbesondere des Garten- und Landschaftsbaus und damit zusammenhängender Tätigkeiten, die Unternehmensbezeichnung "Peter" Objektservice oder eine sonstige Unternehmensbezeichnung, die mehr als einen der Begriffe "Peter", "B", "A" oder "Objektservice" enthält, zu verwenden.“
Ferner verlangte der Abmahner und Kläger Auskunft über Art, Umfang und Dauer der vermeintlichen Verletzungshandlungen unter Angabe von Umsatz und Gewinn sowie die gerichtliche Feststellung angeblicher Schadensersatzansprüche und Ersatz der vorgerichtlichen anwaltlichen Abmahnungskosten.

Der klagende Gartenbauer unterlag zu Recht in beiden Instanzen.

Bereits das Landgericht hatte aufgezeigt, dass der Beklagte seit 1995 Inhaber eines „Unternehmenskennzeichenrechts“ (gem. § 5 MarkenG) hinsichtlich der seitdem verwendeten Bezeichnung "Peter´s Objektservice" ist. Und dieses Zeichen verfügt eben insbesondere auch über die für eine Schutzfähigkeit ausreichende sogenannte „originäre Kennzeichnungskraft“. Dem vom Beklagten benutzten Zeichen kann entgegen der Auffassung der den Kläger vertretenden Anwälte eine originäre Kennzeichnungskraft nicht abgesprochen werden, weil auch ein Vorname durchaus geeignet ist, das so bezeichnete Unternehmen von anderen Unternehmen zu unterscheiden.

„Dem steht nicht entgegen, dass ein Vorname vielfach verwendet wird und den Inhaber des Unternehmens daher nicht erkennen lässt; denn dies ist nicht Voraussetzung für die originäre Kennzeichnungskraft eines Unternehmenskennzeichens. Insoweit gilt für Vornamen nichts anderes als für weit verbreitete Familiennamen (vgl. hierzu BGH GRUR 2008, 801 [BGH 30.01.2008 - I ZR 134/05] - Hansen-Bau, juris-Tz. 12).“

„Bei § 5 II S. 1 MarkenG geht es - im Gegensatz zu den genannten Entscheidungen zu § 12 BGB - nicht um die namensmäßige Individualisierung einer natürlichen Person, sondern eines Unternehmens. Die Individualisierung kann zwar auch hier durch Namhaftmachung des Unternehmensträgers erfolgen; Kennzeichnungsobjekt ist aber allein das Unternehmen bzw. der Geschäftsbetrieb, nicht der Unternehmensträger als Person (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 5, Rn. 6). Für ein Unternehmen kann einem Vornamen - ggf. in Verbindung mit einem den Unternehmensgegenstand beschreibenden Zusatz - durchaus eine Namensfunktion zukommen. Der Grund dafür, dass Vornamen grundsätzlich nicht geeignet sind, natürliche Personen zu individualisieren, liegt in ihrer weiten Verbreitung. Dies gilt nicht in gleicher Weise für Unternehmen und Geschäftsbetriebe. Die Benennung von Unternehmen mit dem Vornamen des Inhabers ist gerade nicht weit verbreitet. Die Bezeichnung "Peter´s Objektservice" ist jedenfalls ohne weiteres geeignet, bei der Verwendung im Verkehr als Name des Unternehmens zu wirken.“

Und der Kläger verfügt durch die Markenregistrierung eben nicht über ein gegenüber dem Unternehmenskennzeichen des Beklagten älteres Kennzeichen- bzw. Markenrecht.

Besonders hilfreich kann in vielen Abmahnungsstreitigkeiten der zusätzlich in die Berufungsentscheidung aufgenommene, folgende richterliche Hinweis sein:

„Wollte man - wie der Kläger - der angegriffenen Bezeichnung jegliche Kennzeichnungskraft absprechen, wäre auch die Klagemarke nicht verletzt, weil es dann an der für eine solche Verletzung erforderlichen markenmäßigen Benutzung fehlen würde.“


Abmahnung und Klage scheitern also erst recht dann, wenn die angegriffene Bezeichnung selbst gar keine genügende Kennzeichnungskraft hat, sondern lediglich beschreibenden Charakter aufweist. Dann liegt nämlich überhaupt keine irgendwie angreifbare markenmäßige Benutzung des Abgemahnten vor, was nicht selten übersehen wird.

Es lohnt sich vor der voreiligen Abgabe verlangter strafbewehrter Unterlassungserklärungen und vor übereilter Zahlung anwaltlicher Abmahnungskosten also ein genauerer Blick auf die konkret berührte Sach- und Rechtslage ... auch im Gartenbau.


Samstag, 13. Juni 2015

Huren-Humor statt Marken-Zensur: Die Wanderhure im Markenrecht

 EU-Behörde punktet mit Witz: Der Mörder ist nicht immer der Gärtner
  • Ist "Die Wanderhure" als Marke zu vulgär?
  • Hatte das Mittelalter "Dienstleistungserbringerinnen"?
  • Darf Konstanz fantasieren?
  • Und muss Reinhard Mey auf den Scheiterhaufen?
Eine freche und erfrischende, weise und humorvolle Entscheidung zur Wortmarke
„DIE WANDERHURE“
hat zugunsten eines Verlages aus München und des Autoren-Ehepaares aus dem oberbayerischen Poing die 4. Beschwerdekammer beim HARMONISIERUNGSAMT FÜR DEN BINNENMARKT (MARKEN, MUSTER UND MODELLE) am 28.05.2015 (Az. R 2889/2014-4) getroffen. Die vorausgegangen behördliche Ablehnung der Markeneintragung wurde aufgehoben und sodann heißt es im Entscheidungstenor tatsächlich: 
 
„Die Gemeinschaftsmarkenanmeldung wird zum Weiterwandern zugelassen.“
Dieser kesse Spruch betrifft die Gemeinschaftsmarkenanmeldung Nr. 1 291 7621. 

Zu vulgär?

Die vorher agierende Prüferin hatte die Eintragung der Wortmarke noch verweigert, weil der Begriff „HURE“ als Synonym für Prostituierte ein vulgärer und unanständiger Ausdruck und ein anstößiges Schimpfwort sei, das eben Anstoß errege und gegen die guten Sitten verstoße. 

Hatte das Mittelalter Dienstleistungserbringerinnen?


Die HABM-Juristen ordneten die Markenbezeichnung demgegenüber mit entspannter Analyse und historischem Durchblick in den zeitlichen Kontext des gleichnamigen Romans ein. In dem schriftstellerischen Werk ginge es immerhin „um eine eher jüngere Person weiblichen Geschlechts, die im 15. Jahrhundert ihre Dienstleistungen auf der Wanderschaft erbringt und schließlich diese auf dem vom Kaiser einberufenen Konzil zu Konstanz besorgt, wobei das relevante Publikum (nicht der vorliegenden Markenanmeldung, sondern der betr. mittelalterlichen Dienstleistungsempfänger) aus Klerikern besteht. Der Leser des Romans wird mit der These konfrontiert, dass die wandernden Damen besagter Art seinerzeit einen eigenen Berufsstand oder genauer eine spezialisierte Gruppe von Dienstleistungserbringerinnen waren.“

Darf Konstanz fantasieren?

Auch die Stadt Konstanz habe ersichtlich kein Problem damit, hochoffiziell sogar spezielle Wanderungen „auf den Spuren des Anmeldezeichens“ anzubieten. Schließlich existiere im aktuellen Sprachgebrauch der Begriff einer „Wanderdienstleistungserbringerin“ ja auch nicht. Die angemeldete Wortmarke nehme „auf die versunkene Welt des Mittelalters Bezug, über die wir so wenig wissen, dass man über sie umso besser fantasieren kann.“

Muss Reinhard Mey auf den Scheiterhaufen?

"Großes Kino" ist m.E. dann das weitere juristische Plädoyer gegen den vorinstanzlichen Zensur- und Verbots-Eifer sowie gegen medien- und kultur-schädlichen Prüderie-Aktionismus:
„Die angefochtene Entscheidung vermischt die Erwähnung eines Phänomens mit dem Phänomen selbst. Sie eignet sich hervorragend zum Verbot von Krimis mit dem Wort „Mord“ im Titel, denn bekanntlich sind Morde gemäß § 211 des deutschen Strafgesetzbuchs ein Verbrechen, und es gibt nichts sittenwidrigeres als solche zu begehen, und sie eignet sich hervorragend, den Liedermacher Reinhard Mey dem Scheiterhaufen zu überantworten, weil mit dem Lied „Der Mörder war immer der Gärtner“ letztgenannter Berufsstand sittenwidrig verunglimpft worden sei. Kurz: Die angefochtene Entscheidung versäumt die Unterscheidung von Fact und Fiction.“
Es geht der Beschwerdekammer dabei ausdrücklich „um die Wertordnung des europäischen Rechts als einer Rechtsordnung, die die Grund- und Menschenrechte schützt, nicht um ein Sprachgesetzbuch zur Unterdrückung von Schimpfwörtern.“

Schließlich enden die HABM-Entscheidungsgründe mit einer launigen Freigabe:

„Die Wanderdame darf also weiterwandern, und ihre Wanderwege können mit „wissenschaftlichen und Vermessungs-Instrumenten“ kartographiert, in „Loseblattsammlungen“ regelmäßig aktualisiert, mit „OCR-Zeichenerkennung“ aufbereitet, in „Chat-Rooms“ breitgetreten und zur „sportlichen Aktivität“ erklärt werden, wobei die Kammer selbstverständlich davon ausgeht, dass mit den beanspruchten „Erziehungs“-Dienstleistungen solche der gemeinnützigen Sozialarbeit gemeint sind und nicht solche der Erziehung zur Prostitution.“
Es gibt doch noch Juristen mit frecher Lebensnähe und -freude sowie gelebter Kultur- und Freiheitsliebe.

Die Gemeinschaftsmarke wurde übrigens für die folgenden Waren und Dienstleistungen angemeldet:
Klasse 9 – Wissenschaftliche, Schifffahrts-, Vermessungs-, fotographische, Film-, optische, Wäge-, Mess-, Signal-, Kontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate und -instrumente; Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Magnetaufzeichnungsträger, Schallplatten; CDs, DVDs und andere digitale Aufzeichnungsträger; bespielte Bild- und Tonträger; Datenträger aller Art mit und ohne Daten; herunterladbare Ton- und Bilddateien; Audio-Bücher; Pod-Casts; Datenverarbeitungsgeräte, Computer und Computersoftware; elektronische Publikationen (herunterladbar).
Klasse 16 – Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien (soweit in Klasse 16 enthalten), nämlich Anzeigekarten [Papeteriewaren], Aufkleber, Stickers [Papeteriewaren], Etiketten aus Papier, Anhänger, Aufbewahrungsbehälter, Schachteln, Behälter, Plakate, Poster, Ausstellungstransparente, Werbeschilder, Verpackungsmaterial; Druckereierzeugnisse, insbesondere gedruckte Veröffentlichungen, Bücher, Broschüren, Handbücher, Loseblattbinder, Zeitungen, Informationsblätter, Magazine und Zeitschriften sowie Seiten aus dem Internet in gedruckter Form; Fotografien; Stifte (Schreibwaren); Blöcke [Papier- und Schreibwaren].
Klasse 35 – Verkauf von Büchern; Sammeln, Zusammenstellen, Aktualisieren und Pflegen von Daten, Informationen und Publikationen in Datenbanken, insbesondere von E-Books, E-Zeitungen, E-Zeitschriften, E-Magazinen und anderen Ton-, Video-, Bild- und Textdateien; Werbung; Verbreitung von Werbeanzeigen für Dritte, insbesondere in Druckerzeugnissen, im Internet und über mobile Telekommunikationsgeräte; Vermietung von Werbeflächen; Vermietung von Werbezeit in Kommunikationsmedien, auch in digitalen Netzen; Marketing und Öffentlichkeitsarbeit für Dritte, auch in digitalen Netzen; Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen, insbesondere E-Commercedienstleistungen im Bereich gedruckter und elektronischer Verlagserzeugnisse; Digitalisierung von Dokumenten, Textvorlagen und Belegen mittels optischer Zeichenerkennung (OCR) für Dritte (Büroarbeiten).
Klasse 38 – Telekommunikation; Bereitstellung von Plattformen oder Portalen im Internet; Bereitstellung des Zugriffs auf Informationen und Computerprogramme in Datennetzen wie dem Internet, einschließlich Eingabe-, Such- und Navigationsfunktionen; Bereitstellung des Zugriffs auf Datenbanken mit elektronischen Publikationen und Verlagserzeugnissen in Datennetzen wie dem Internet, einschließlich Eingabe-, Such- und Navigationsfunktionen; elektronische Nachrichten-, Bild- und Textübermittlung, insbesondere Übermittlung von elektronischen Verlagserzeugnissen wie E-Books, E-Magazines und E-Zeitungen; Dienste von Presseagenturen; Bereitstellung von Chat-Lines, Chat-Rooms und Foren im Internet oder anderen Datennetzen.
Klasse 41 – Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; kulturelle und sportliche Aktivitäten; Publikation von Druckereierzeugnissen (auch in elektronischer Form), ausgenommen für Werbezwecke; Dienstleistungen eines Verlages, ausgenommen Druckarbeiten.

Donnerstag, 9. April 2015

Falsche Abmahnungen im Namen der Marke

Neues hilfreiches Urteil: Landgericht Bielefeld zu Grenzen im Markenrecht

Mit bisher unveröffentlichtem Urteil vom 06.03.2015 (Az. 17 O 12/15) hat das Landgericht Bielefeld einem Apotheker Recht gegeben, der sich nach vorausgegangener Abmahnung gegen angebliche markenrechtliche Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche sowie Abmahnungskosten in Höhe von über 2.500,00 Euro wehren musste. Die Klage der vermeintlichen Rechteinhaberin wurde zurückgewiesen. Abmahnung und Klage enthalten einen häufig übersehenen Fehler: 
 
Die Klägerin beruft sich auf eine beim DPMA eingetragene Wortmarke und eine gleichlautende Wort-/Bildmarke. Dabei handelt es sich um eine Kombination von dem rein beschreibenden Begriff „Apotheke“ mit einer lateinisch anmutenden, aus den Bereich „Medizin“ abgeleiteten Begrifflichkeit. 

Die von mir anwaltlich vertretene Apotheke führt in ihrem Namen eine aus Sicht der Klägerin ähnliche und angeblich verwechslungsfähige Bezeichnung: Die Abweichung besteht darin, dass der letzte Buchstabe des Klage-Kennzeichens fehlte und die von der beklagten Apotheke gewählte Begrifflichkeit eine sog. Zentralversalie (das ist ein Großbuchstabe innerhalb eines Wortes) aufwies.  

In dem landgerichtlichen Verfahren wurde heftig gestritten - u. a. über markenrechtliche Freihaltebedürfnisse und Monopolisierungsverbote, über die Aktivlegitimation,  über das Recht beschreibender Kennzeichnungen sowie über Kennzeichnungen mit örtlichem oder geografischem Bezug und über einige andere juristische Gesichtspunkte.  

Streitentscheidend war - auch aus Sicht des Gerichts - allerdings ein in markenrechtlichen Auseinandersetzungen häufig übersehener Aspekt: Nämlich die Frage, ob der beklagte Apotheker die angegriffene Kennzeichnung lediglich im Namen der Apotheke und damit als Kennzeichnung seines Unternehmens benutzt, oder ob er die Kennzeichnung tatsächlich markenmäßig für seine Waren oder Dienstleistungen verwendet. Eine Markenverletzung setzt nämlich im Regelfall voraus, dass das gerügte Kennzeichen tatsächlich auch als Marke und nicht lediglich als Name, Firmierung oder Unternehmenskennzeichen verwendet wird. Dies ignorieren aber zahlreiche Abmahnungen bzw. Abmahner. So auch hier.  

Das Landgericht Bielefeld hat dazu u. a. ausgeführt: 

"Letztlich kann die Verwechslungsgefahr dahinstehen, weil die Klägerin nicht dargelegt hat, dass die Beklagte die Bezeichnung M…-Apotheke nicht nur als Bezeichnung ihres Unternehmens benutzt, sondern darüber hinaus markenmäßig für die Dienstleistungen eines Apothekers. Dies ist aber Voraussetzung eines markenrechtlichen Anspruchs nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, da dieser nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und des Europäischen Gerichtshofes (GRUR 2007, 971) eine Benutzung des Zeichens für Waren und Dienstleistungen und nicht lediglich zur Kennzeichnung des Unternehmens voraussetzt. 
 
 
Als Dienstleistung kann insoweit nicht schon das Haben des Unternehmens ausreichen, weil es sonst keinen Unterschied zwischen einem Unternehmenskennzeichen und einer Produktkennzeichnung gäbe; erforderlich ist zumindest eine Benutzung des Zeichens in der Weise, dass zwischen dem Unternehmenskennzeichen und den vertriebenen Produkten oder Dienstleistungen eine Verbindung hergestellt wird (EUGH aaO). 

Eine derartige Verbindung zwischen Unternehmen und Dienstleistungen der Beklagten legt die Klägerin nicht dar. Es ergibt sich aus ihrem Vortrag nicht, dass die Beklagte ihre Dienstleistung, etwa die Beratung der Kunden oder die Herstellung besonderer Mixturen, unter der Bezeichnung M… erbrächte. Soweit die Beklagte vorgefertigte Produkte der Pharmaindustrie vertreibt, geschieht das ohnehin unter Bezugnahme auf die Produktnamen oder allenfalls auf die Namen der Hersteller, nicht aber auf den Namen der eigenen Apotheke. Lediglich bei eigenen Anfertigungen, Beratungen und anderen individuellen Leistungen kommt ein das Produkt aber die Dienstleistung kennzeichnender Hinweis auf die Herkunft aus dem Betrieb der Beklagten überhaupt in Betracht. Eine derartige Benutzung der Bezeichnung „M…-Apotheke“ legt aber die Klägerin nicht dar. 

Derartiges ergibt sich auch nicht aus dem Internetauftritt der Beklagten. Eine Produkte und Dienstleistungen kennzeichnende Benutzung des Apothekennamens ist auch nicht etwa selbstverständlich. Namen von Apotheken dienen regelmäßig nur deren Individualisierung, sei es, dass etwa an einen Tiernamen angeknüpft wird (Adler-, Bären-, Löwenapotheke) oder an Örtlichkeiten (Dom-, Bahnhofs-, Marktapotheke). Bei den Dienstleistungen gerade eines Apothekers wird demgegenüber regelmäßig das besondere Vertrauen des Apothekers selbst in Anspruch genommen und nicht der Name des Geschäftslokals. Das gilt auch für die Apotheke der Beklagten. 

Dasselbe Ergebnis folgt im Übrigen aus der Vorschrift des § 23 Nr. 1 MarkenG, wonach der Inhaber einer Marke einem Dritten nicht untersagen kann, im geschäftlichen Verkehr seinen Namen zu benutzen; als Name kommt insoweit nach neuerer Rechtsprechung nicht nur der bürgerliche Name, sondern auch der Handelsname oder Name eines Betriebs in Betracht, und zwar ohne Rücksicht auf die Priorität der Benutzung (…). Die Einschränkung, dass dies nicht in sittenwidriger Weise geschehen darf, spielt hier keine Rolle, weil die Benutzung eines an der Örtlichkeit (dem M…-Zentrum) orientierten Namens nicht gegen die guten Sitten verstößt und der Klägerin, deren Apotheken im wesentlichen im Raum … beheimatet sind, auch ersichtlich keinen Schaden zufügt.“ 

Die Klage wurde so m. E. zu Recht abgewiesen. Das - noch nicht rechtskräftige – Urteil aus Bielefeld fußt auf überraschend häufig übersehenen oder ignorierten Entscheidungen des EuGH vom 16.11.2004 (Az. C-245/02;„Anheuser Busch“) und vom 11.09.2007 (Az. C-17/06; „Céline“) sowie des BGH vom 13.09.2007 (Az. I ZR 33/05; „THE HOME DEPOT“) und ist ein ermutigendes Signal gegen die aktuell wieder ausufernden Tendenzen „überambitionierter“ markenrechtlicher Abmahnungen. Im Namen der Marke können eben doch nicht so einfach unzählige kleine Unternehmer, Dienstleister, (Online)-Händler, Gaststätten-, Praxis-, Institut-, Agentur- und Salon-Inhaber oder Handwerker um ihre gutwillig geführten Namen gebracht werden.
 
 

Sonntag, 4. September 2011

Die Marke als Allheilmittel oder unnötiger Blindflug in die Welt der Abmahnung


Ähnlichkeitsrecherche wichtiger als Markenanmeldung?

In den vergangenen Jahren wurden allein beim Deutschen Patent- und Markenamt jährlich jeweils fast 75.000 Markenanmeldungen vorgenommen. Ist schon schön, so eine eigene MARKE. Das denken sich auch viele (Klein-)Unternehmer und Dienstleister, die mit ihrer Außendarstellung "was hermachen" möchten. Da geht es u.a. darum, den eigenen Namen bzw. das eigene Kennzeichen zu schützen ... und manchmal auch darum, die eigenen kleinen Eitelkeiten zu bedienen und/oder zu befriedigen.

Das ist ja grundsätzlich auch nichts Schlimmes. Schlimm können allerdings die Folgen unüberlegt kurzfristiger und kurzsichtiger "Marken-Aktionen" sein.

So ist der Schritt zu rechtlich und finanziell dramatischen Kollisionen mit ggf. vorrangigen Namens-, Firmen-, Kennzeichen- oder Markenrechten Dritter oft nicht weit. Dies gilt nicht nur bei identischen Bezeichnungen und bei der Berührung von Rechten unmittelbarer Konkurrenten. Das kann auch bei lediglich ähnlicher Logo- oder Wortwahl bzw. bei der Tangierung bekannter Marken - selbst ohne Branchennähe oder sich aufdrängernde Verwechslungsgefahr - auf dem Terrain von Markenrecht und Wettbewerbsrecht gefährlich werden.

Eine nicht geringe Menge Rechtsanwälte und Patentanwälte befasst sich fast ausschließlich mit der Recherche nach mutmaßlichen Verletzungen von Markenrechten ihrer Mandanten und mit daraus erwachsenden Abmahnungen und auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz gerichteten gerichtlichen Verfahren. Da kommt schnell Kater-Stimmung auf, wenn hohe Regress- und Kosten-Forderungen im Briefkasten landen. Was ist denn da schiefgelaufen?

Nicht nur vor einer Markenregistrierung, schon bei Nutzung einer Bezeichnung oder Kennzeichnung im geschäftlichen Verkehr - etwa auch als Domain - ohne vorherige Markenanmeldung ist Umsicht und Vorsicht geboten vor rechtsverletzenden Kollisionen mit vorgehenden Rechten Dritter. Deshalb ist eine Verwendung von Wort-Kennzeichen oder grafischen Logos im Geschäftsleben ohne vorausgegangene Ähnlichkeitsrecherche kaum zu verantworten. Eine eigene Online-Suche bei Google (und anderen geeignet erscheinenden Suchmaschinen) und die eigene Durchsicht von Markenregistern, Handelsregistern und Branchen-Listen sind ein erster Schritt zu vielleicht hilfreichen Überprüfungen. Vertieftere Ergebnisse kann ggf. eine anwaltliche Ähnlichkeitsrecherche liefern. Dabei sollten neben dem jeweils konkreten Risiko-Potenzial auch etwaige konstruktive Begrenzungsmöglichkeiten und Handlungs-Alternativen abgefragt werden.

Und was ist nun mit der Markenanmeldung?

Da wird häufig vom kleinen Unternehmen(sgründer) bzw. Dienstleister die gerade durch eine Markenanmeldung stattfindende Erhöhung der Kollisions- und Konflikt-Risiken unterschätzt ... und der Sinn der schnellen Anmeldung im konkreten Fall nicht selten überschätzt.

Durch die Anmeldung werden manche Streitigkeiten im Markenrecht erst "provoziert", die ohne Anmeldung vielleicht - mangels transparenter Registrierung - gar nicht aufgekommen wären. Dies kann selbstverständlich kein Aufruf sein, Markenverletzungen ohne Markenanmeldung zu betreiben!

In einer großen Zahl von Fällen bedarf  es für einen ausreichenden Kennzeichenschutz allerdings nicht unbedingt einer Markeneintragung: Der Familienname und das Unternehmens-Kennzeichen bzw. die Firma (der Name, unter dem ein Kaufmann auftritt) genießen auch ohne Markeneintragung rechtlichen Schutz vor Verletzung und Missbrauch. Der Dienstleister wird in seinem Geschäftsumfeld oft keine zusätzliche Produkt-Kennzeichnung benötigen - zumal seine Leistungen im Wesentlichen durch seine Persönlichkeit und seine Individualität gekennzeichnet werden. Allerdings kann ein Unternehmens-Kennzeichen nicht ohne Weiteres übertragen bzw. lizensiert werden, wie dies bei der Marke der Fall ist. In vielen Fällen wird es auf eine derartige Verwertungsmöglichkeit aber nicht entscheidend ankommen. Dann kann eine kreativ und klug eingesetzte Unternehmenskennzeichnung für eine gelungene und rechtlich geschützte Außendarstellung völlig ausreichen.

Und dann ist es wichtiger, bei der Auswahl und Gestaltung der Firmierung und Domain eine sorgfältige Recherche nach konfliktträchtigen ähnlichen Kennzeichen oder Marken Dritter durchzuführen, als eine "chicke" Marke für das geschäftliche und werbliche Allheilmittel zu halten. Zumal gerade in der Gründungsphase die finanziellen Ressourcen ohnehin regelmäßig eher begrenzt sein werden.


Sonntag, 17. April 2011

Die Angst vor'm "TOOOR!"-Schrei: Markenrecht, Monopole, T-Shirts und Abmahnungen

Mit aktuellem Beschluss in der Beschwerdesache 29 W (pat) 85/07 hat das Bundespatentgericht die Eintragung der Wortmarke "TOOOR!" für die Waren

“Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen, Sportbekleidung, insbesondere T-Shirts, Sweatshirts, Baseballkappen, Fußballtrikots, Fußballhosen, Fußballschuhe, Schienbeinschoner, Trainingsanzüge” 

zugelassen. 


Zuvor hatte der BGH die Sache an das Bundespatentgericht zurückverwiesen, weil die vormals vom Bundespatentgericht getroffenen Feststellungen zur Frage vermeintlich fehlender Unterscheidungskraft nicht ausreichten. 

Bei aller Sympathie für einen großzügigeren Umgang mit den im Markenrecht manchmal zu destruktiv gebrauchten Prüfungsmerkmalen der Unterscheidungskraft und des Freihaltebedürfnisses

Ich sehe in Fällen dieser Art das Risiko neuer Wellen von Abmahnungen, in denen z. B. auf T-Shirts abgedruckte Sprüche (oder Tor-, Toor- oder Tooor-Schreie) zum Anlass genommen werden, strafbewehrte Unterlassungserklärungen und die Erstattung von Anwaltskosten zu beanspruchen. Diese Gefahr entsteht nicht selten, wenn gebräuchliche Aussprüche als Marke monopolisiert werden

(man denke etwa an die "Uschi", auf die sich nichts reimt,  des Mario Barth - hierzu vgl. die kritischen Anmerkungen des Kollegen Stadler)

und dann trefflich darüber gestritten werden kann, ob die Abmahnungs-Adressaten den Begriff, Spruch oder Slogan markenmäßig und damit rechtlich angreifbar verwendet haben oder nicht. Viele werden dann einen diesbezüglichen Rechtsstreit und die damit verbunden (Prozess-)Kosten scheuen und stattdessen klein beigeben, wenn sie T-Shirts mit entsprechendem Aufdruck erworben und/oder angeboten bzw. vertrieben haben. 

Gerecht werden kann man derartigen Fällen m. E. nur, soweit eine großzügige Bewertung der Unterscheidungskraft von "Spruch"-Marken korrespondiert mit der Bereitschaft der Gerichte, die Anforderungen an eine wirklich markenmäßige Benutzung eines Spruches sehr kritisch zu prüfen (vgl. zu ähnlicher Thematik das "CCCP"-Urteil des I. Zivilsenats des BGH vom 14.01.2010 - I ZR 82/08 sowie das entsprechende "DDR"-Urteil des BGH gleichen Datums - I ZR 92/08). 

In der "CCCP"-Entscheidung stellt der BGH zur T-Shirt-Abbildung von Zeichen oder Begriffen, die gerade in anderen Zusammenhängen und nicht als Produktkennzeichen bekannt sind, klar:

"Der durchschnittlich informierte situationsadäquat aufmerksame Durchschnittsverbraucher hat danach bei der Wiedergabe auf der Vorderseite von Bekleidungsstücken keine Veranlassung, der Bezeichnung statt dieser ihm bekannten Bedeutung nunmehr auch einen Herkunftshinweis zu entnehmen. Aber selbst diejenigen Teile des angesprochenen Publikums, die die Bedeutung der Buchstabenfolge "CCCP" nicht kennen, haben keine Veranlassung, in der angegriffenen Bezeichnung in Kombination mit dem Hammer-und-Sichel-Symbol mehr als ein dekoratives Element zu sehen."

Es kommt folglich wesentlich darauf an, ob das Zeichen oder der Spruch oder Ausspruch erkennbar lediglich dekorative, schmückende Bedeutung hat, oder ob der für Marken typische Zweck, die Herkunft eines Produktes zu dokumentieren, eine Rolle spielt. Dabei kann es auch auf die typische oder untypische Platzierung und Anbringung des Zeichens bzw. des Spruches auf, an oder in der Kleidung ankommen - will man markenrechtliche Abmahnungen vermeiden.

Also Vorsicht und Nachsicht beim Tor-Schrei - wenn Kleider Sprüche machen.

Dienstag, 6. Juli 2010

Erneuter Satz-Gewinn im Marken-Tennis für Barbara Becker und ihre Namensmarke

Ein Sieg gegen die oft zu pauschale und zu übereilte Annahme markenrechtlicher Verwechslungsgefahr:

Barbara Becker, die Ex-Gattin der Tennislegende Boris Becker, meldete 2002 die Namensmarke "Barbara Becker" u.a. für Elektronik-Produkte als Gemeinschaftsmarke an. Hiergegen legte die Fa. Harman Becker International Industries Inc., Inhaberin der Marke "BECKER" und Produzentin u. a. von Navigationsgeräten und Autoradios, zunächst erfolgreich Widerspruch ein. Die Beschwerdekammer des HABM gab demgegenüber Barbara Becker Recht und verneinte eine Verwechslungsgefahr.

Die 4. Kammer des EuGH hat mit Urteil vom 24.06.2010 ( Az. C-51/09 P)  nun ein prozessual im Dezember 2008 von der Fa. Harman Becker errungenes entgegengesetztes Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (Az. T-212/07) wiederum aufgehoben und die Sache an das Gericht der Europäischen Union zurückverwiesen.

Ein Hin und Her wie beim richtig großen Tennis.

Das höchstrichterliche Urteil bedeutet noch nicht zwingend das letzte Wort, macht aber auch für die nun wieder am Ball befindliche erste gerichtliche Instanz zum Thema "Verwechslungsgefahr" verbindlich deutlich,

  • dass es keine grundsätzliche Monopolisierung von Nachnamen im Markenrecht gibt,

  • dass der Zusatz eines Vornamens geeignet sein kann, eine Verwechslungsgefahr auszuschließen,

  • dass bei der Prüfung einer etwaigen Verwechslungsgefahr alle relevanten Umstände des Einzelfalls jeweils umfassend zu berücksichtigen sind und nicht nur auf Einzelaspekte abgestellt werden darf,

  • dass maßgeblich auf den Gesammteindruck des Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist,

  • dass auch die Häufigkeit eines Nachnamens von Relevanz sein kann

  • und dass auch die Bekanntheit eines Namens Einfluss auf die Wahrnehmung der entsprechenden Marke und auf deren Kennzeichnungskraft haben kann.

Weitere Gesichtspunkte - wie z. B. Branchen-Usancen oder das in manchen Fällen berechtigte und auch verfassungsrechtlich nicht völlig ungeschützte Bedürfnis mehrerer Namensträger, den eigenen Familiennamen zumindest als Bestandteil einer eigenen Wortmarke zu benutzen - sind bei der anwaltlichen Befassung mit vergleichbaren Marken-Fällen zusätzlich zu beachten und könnten hinzugefügt werden. In jedem Fall deutet nach dieser Entscheidung vieles darauf hin, dass Barbara Becker und ihr Rechtsanwalt nach dem zweiten und vierten Satz nun auch den fünften Satz - zu recht - gewinnen.