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Freitag, 31. März 2017

Filesharing: Eltern haften eigentlich doch nicht für ihre Kinder


Da wird der BGH vielleicht doch noch vor dem
Bundesverfassungsgericht sein "blaues Wunder" erleben

Erstaunlich, was Heribert Prantl aus der Süddeutschen heute zum gestrigen Filesharing-Urteil des BGH (Urteil vom 30. März 2017 - I ZR 19/16 – Loud) kundtut:
Das ist zu großen Teilen Blödsinn:

Verpflichtung
Eltern haften nicht generell im Internet für Ihre Kinder: Minderjährige Kinder sind von ihren Eltern über das Verbot illegalen Filesharings zu belehren. Nicht mehr und nicht weniger. Bei volljährigen Kindern sind die Eltern nicht einmal zu Belehrungen verpflichtet. Zu mehr schon gar nicht.

Es gibt keine verschuldensunabhängige "Halterhaftung" für Kinder oder den Internetanschluss - anders als z. B. bei der Betriebsgefahr von Kraftfahrzeugen.

Verraten
Gegenteiliges hat auch der BGH gestern gar nicht verlauten lassen. Der BGH hat aber - m. E. zu Unrecht und verfassungswidrig - den „Schwarzen Haftungspeter“ der sogenannten „tatsächlichen Vermutung“ bei den Elternteilen gelassen, die Internet-Anschlussinhaber sind und trotz konkreter Detail-Kenntnis (!) ihr Kind nicht an die Abmahnlobby verraten.

Verfassung
Das verstößt zumindest gegen den grundrechtlichen Schutz der Familie und gegen geltende zivilprozessuale und strafrechtliche Aussage- und Zeugnisverweigerungsrechte.
Hier geht es nicht um die Haftung seitens ihrer Aufsichtspflicht nicht genügender Eltern für als Täter ermittelte, aufsichtsbedürftige Minderjährige, sondern um eine ansonsten in keinem vergleichbaren Bereich propagierte Verpflichtung zur Denunzierung bzw. zum Verrat innerhalb der Familie.
Da wundert das Frohlocken des Herrn Prantl doch.

Verhören
Eltern ist  auf der Basis vorausgegangener Urteile aus Karlsruhe  zu empfehlen, ihren Kindern auch nach dem Empfang einer Filesharing-Abmahnung mit Respekt zu begegnen und nicht zu quälenden und überpflichtmäßigen Verhör- oder Recherche-Methoden auszusetzten. Eltern müssen eben nicht den Spion oder gar Folterknecht vermeintlicher Rechteinhaber spielen.


Sonntag, 1. November 2015

Neues Filesharing-Urteil des AG Bielefeld: Kein Verdacht gegen Kinder „ins Blaue hinein“ und kein Ausforschungsbeweis



Einbahnstraße für Filesharing-Klagen "ins Blaue hinein"
Internetrecht: Keine Sippenhaft vor dem Amtsgericht Bielefeld
Der Versuch, nach einer Filesharing-Abmahnung die gegen den abgemahnten Anschlussinhaber erhobene Klage anschließend durch Klageerweiterung gegen die beiden Söhne des Beklagten durchzusetzen, ist erstinstanzlich gescheitert.
 
Der Hintergrund:
Der klagende Insolvenzverwalter der insolventen Computerspiel-Produzentin hielt es jüngst für raffiniert, die fehlende Tatbegehung des zunächst allein verklagten Familienvaters unstreitig zu stellen und sich dann zusätzlich dessen zwei minderjährige Söhne als Beklagte zu 2) und zu 3) vorzunehmen.  Diese verdächtigte der Kläger wegen „üblichem Nutzungsverhalten von ähnlichen Jugendlichen in entsprechendem Alter“ als die angeblichen „Täter“ der behaupteten Urheberrechtsverletzung.  Und der Vater, der Beklagte zu 1), sollte sodann wegen Verletzung seiner elterlichen Aufsichtspflicht gemäß § 832 BGB haften.
Dem folgte das Amtsgericht Bielefeld mit aktuellem Urteil vom 15.10.2015 (Az. 42 C 526/14) zu Recht nicht:
In den richterlichen Entscheidungsgründen heißt es dazu u.a. (Fettdruck durch den Blogger):  

„Allein der Umstand, dass das behauptete Filesharing über den Internetanschluss des Beklagten zu 1) durchgeführt worden sein soll, führt nicht zu einer Haftung des Beklagten zu 1) als Störer. Vielmehr setzt die verschuldensunabhängige Haftung als Störer voraus, dass eine Verletzung von Prüfpflichten gegeben ist. Dies ist aber nicht der Fall, weil ohne besonderen Anlass keine Verpflichtung des Anschlussinhabers besteht, die Internetnutzung volljähriger Mitbenutzer, wie vorliegend durch die Ehefrau S., auf mögliche Urheberrechtsverletzungen zu überwachen.“
„Der Beklagte zu 1) haftet auch nicht aus § 832 BGB, da es insoweit bereits an einer substantiierten Darlegung fehlt, dass die behauptete Urheberrechtsverletzung durch eine Person widerrechtlich verursacht wurde, über die der Beklagte zu 1) kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht verpflichtet ist. Insoweit hat der Kläger vorgetragen, dass der Beklagte zu 1) die streitgegenständliche Nutzungshandlung nicht begangen habe und daher nur 2 Personen als Täter übrig blieben. Es handele sich hierbei um die beiden Söhne des Beklagten zu 1), … . Im Übrigen entspreche es dem üblichen Nutzungsverhalten von ähnlichen Jugendlichen im seinerzeitigen Alter der beiden jetzigen Beklagten zu 2) und 3), entsprechende Computerspiele wie beispielsweise „Two Worlds II“ zu spielen. Bei diesem Vorbringen des Klägers handelt es sich um eine ins Blaue hinein aufgestellte Behauptung, da der Kläger keine näheren Tatsachen vorträgt, aus denen sich ergibt, dass die Beklagten zu 2) und 3) für die Rechtsverletzung verantwortlich seien. Neben dem Beklagten zu 1) hatte nämlich des Weiteren die Ehefrau des Beklagten zu 1), Frau S., ungehinderten Zugang zum Internetanschluss. Darüber hinaus ist eine gemeinschaftliche Tatbegehung durch die Beklagten zu 2) und 3) nicht plausibel. Allein die bloße Vermutung, dass Spielen entsprechender Computerspiele gehöre zum üblichen Nutzungsverhalten von ähnlichen Jugendlichen im seinerzeitigen Alter rechtfertigt es nicht, eine Tatbegehung durch die Beklagten zu 2) und 3) anzunehmen. Für eine Haftung des Beklagten zu 1) aus § 832 BGB reicht es auch nicht aus, vorzutragen, dass möglicherweise eines der Kinder des Beklagten zu 1) für die Rechtsverletzung verantwortlich sei. Die Haftung nach § 832 BGB setzt vielmehr voraus, dass konkret der Minderjährige festgestellt wird, der für die Rechtsverletzung verantwortlich ist. Der Beklagte zu 1) kann nämlich erst dann, wenn der konkrete Täter feststeht, nach § 832 Abs. 1 S. 2 BGB dazu vortragen, dass er seiner Aufsichtspflicht hinsichtlich des konkreten Täters genügt hat. Ohne Feststellung des konkret handelnden Täters wird nach § 832 Abs. 1 BGB nicht verlangt, dass sich der Erziehungsberechtigte bzgl. aller möglichen in Betracht kommenden minderjährigen Täter entlastet.
„Ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten zu 2) und zu 3) scheitert bereits daran, dass es an einer substantiierten Darlegung des Klägers fehlt, dass die Beklagten zu 2) und zu 3) für das behauptete Anbieten des Computerspiels verantwortlich sind. … Mangels eines substantiierten Sachvortrages zu einer Verantwortlichkeit der Beklagten zu 2) und zu 3) für die behauptete Urheberrechtsverletzung kam auch eine Vernehmung der Beklagten zu 2) und zu 3) als Partei nicht in Frage. Bei der entsprechenden Vernehmung der Beklagten zu 2) und zu 3) hätte es sich aufgrund des Fehlens eines substantiierten Sachvortrags bzgl. einer Haftung der Beklagten zu 2) und zu 3) um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis gehandelt.“ 
 
Résumé:

Viele diskutieren den Umfang sekundärer Darlegungspflichten der Abmahnungsadressaten und Filesharing-Beklagten.

Es wird Zeit, sich - wie in dem von meinem Mandanten errungenen neuen urheberrechtlichen Urteil des Amtsgerichts Bielefeld - auch prozessual sachgerecht mit den primären Darlegungs-, Substantiierungs- und Beweispflichten der abmahnenden und klagenden Rechteinhaber zu befassen. Schlichter familiärer Generalverdacht, realitätsferne "tatsächliche Vermutungen" und Sippenhaft ins Blaue hinein widersprechen geltendem Urheberrecht, Zivilprozessrecht und Verfassungsrecht.
 

Donnerstag, 20. August 2015

AG Bielefeld stoppt Filesharing-Abmahnung

... Mit 12 Argumenten auf einen Schlag

++++ Verliebt. Verlobt. Verklagt. Und nicht verurteilt. ++++

Filesharing-Klagen kommen beim Amtgericht Bielefeld kaum durch.

Auch ohne Trauschein muss man nach urheberrechtlichen Tauschbörsen-Abmahnungen keine Ermittlungen gegen den Partner oder die Partnerin aufnehmen. Und die Frage nach ausreichender Belehrung der den häuslichen Internetanschluss nutzenden minderjährigen Kinder stellt sich prozessual gar nicht, wenn es weitere potentielle Nutzer des Internetanschlusses gibt.

Dies und 10 weitere Gesichtspunkte hat das Bielefelder Amtsgericht nun in einem besonders klar, plausibel und umfassend begründeten Urteil vom 08.07.2015 (Az. 42 C 708/14) gebündelt. 

Mit dem für unsere Mandantin errungenem Urteil hat das Gericht zahlreichen angeblichen Argumenten aus derzeit wieder grassierenden Filesharing-Abmahnungen einen Riegel vorgeschoben. 
 
Das überzeugend begründete und nachvollziehbar strukturierte Urteil lässt sich auch nicht von dem gegenwärtigen unangebrachten Hype um die vier Wochen vor Urteilsverkündung verhandelten und entschiedenen drei BGH-Verfahren (noch nicht veröffentlichte Urteile des BGH vom 11.06.2015 zu den Az. I ZR 7/14, I ZR 19/14 und I ZR 75/14) in die Irre leiten. In der gegenwärtigen Abmahnungspraxis werden die absehbaren Entscheidungsfindungen der Karlsruher Richter in den vorerwähnten drei BGH-Verfahren nämlich zumeist fehlinterpretiert bzw. überinterpretiert.

Im Einklang mit derzeit seriös ableitbarer BGH-Rechtsprechung bleibt vor dem Hintergrund der einleuchtenden Urteilsfindung des Amtsgerichts Bielefeld vom 08.07.2015 insbesondere Folgendes festzuhalten:
 
1.    „Wird über einen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen, ist eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers nicht begründet, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung (auch) andere Personen diesen Anschluss benutzen konnten.“

2.    „Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Internetanschluss zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung nicht hinreichend gesichert war oder … bewusst anderen Personen zur Benutzung überlassen wurde.“

3.    „Den Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei trifft in der Regel eine sekundäre Darlegungslast. Diese führt weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen.“

4.    „Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast dadurch, dass er vorträgt, auch andere Personen und ggf. welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen.“

5.    Nur in „diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet (BGH NJW 2014, 2360 „Bearshare“).“

6.    „Hinsichtlich einer etwaigen Aufsichtspflichtsverletzung kann eine Kausalität zum etwaigen Schaden nicht bejaht werden, wenn nicht feststeht, dass die Person, über die Aufsicht zu führen ist, eine Verletzungshandlung überhaupt begangen hat.“

7.    Der Beklagtenseite ist es „nicht zumutbar, den Täter im von Art. 6 GG geschützten Bereich zu ermitteln.“

8.    „Die Intention, den Familienfrieden zu wahren und niemanden zu verpflichten, den Partner auszuforschen und ihn einer illegalen Handlung zu überführen, muss auch für Verlobte gelten. Diese Intention ergibt sich auch aus § 383 Abs. 1 NR 1 ZPO, welcher auch dem Verlobten ein Zeugnisverweigerungsrecht einräumt.“

9.    „Der BGH hat zwar entschieden, dass der Inhaber eines ungesicherten WLAN Anschlusses als Störer auf Unterlassung haftet, wenn außenstehende Dritte diesen Anschluss missbräuchlich nutzen, um urheberrechtlich geschützte Musiktitel in Internet-Tauschbörsen einzustellen (BGH NJW 2010, 2061 „Sommer unseres Lebens“). Diese Entscheidung ist aber nicht auf die … Fallgestaltung übertragbar, bei der der Anschlussinhaber seinen Internetanschluss einem Familienangehörigen zur Verfügung stellt (BGH NJW 2014, 2360; ebenso LG Bielefeld Beschluss vom 22. Juli 2014, 21 S 76/14).“

10.  „Die dreijährige Verjährungsfrist gilt auch für den Schadensersatzanspruch.“

11.  Ein Mahnbescheid, der verjährungshemmende Wirkung haben soll, muss den geltend gemachten Anspruch, und soweit es um mehrere Ansprüche geht, jeden einzelnen Anspruch ausreichend genau und individualisiert bezeichnen. Eine Bezugnahme auf ein vorausgegangenes Abmahnungsschreiben setzt eine sich entsprechende, nachvollziehbare einzelne und individualisierte Bezifferung der konkreten Forderungsbeträge verbunden mit dem vermeintlichen Anspruchsgrund voraus. Eine Individualisierung der Ansprüche erst in der Anspruchsbegründung bzw. der Klagebegründung nach bereits eingetretener Verjährung lässt die Verjährung nicht entfallen.“

12.  Auch ein auf die Erstattung außergerichtlicher anwaltlicher Abmahnungskosten gerichteter Anspruch verjährt in der dreijährigen Regelverjährungsfrist des § 195 BGB.

 

Sonntag, 9. Februar 2014

Abmahnung und Klage: Zeugnistag mit Kinder-Daten vor dem BGH

Am 03.04.2014 gibt es Zeugnisse beim Ersten Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (Az. I ZR 96/13) und evtl.

„2 € für jede Eins“:

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen schickte einem Elektronik-Fachmarkt eine Abmahnung. Der Elektronikmarkt hatte in einer Zeitungsanzeige mit einer Werbeaktion geworben, bei der Schüler eine Kaufpreisermäßigung von 2 € für jede Eins auf dem Zeugnis erhielten. Laut der Anzeige sollte dafür das Originalzeugnis vorgelegt werden. Was nicht in der Annonce stand: Für den Erhalt der Ermäßigung verlangte der kreative Fachmarkt zusätzlich, das vorgelegte Zeugnis kopieren und diese Kopie bei sich behalten zu dürfen – auch eine phantasievolle Art, an interessante persönliche Daten jugendlicher Kunden heranzukommen.

Die Klage ist auf Unterlassung der angegriffenen Werbung und auf Erstattung der Abmahnkosten gerichtet.
Die Verbraucherschützer halten die Anzeige vor allem deshalb für unlauter, da die Werbeannonce die angesprochenen minderjährigen Schüler in unzulässiger Weise zum Kauf auffordere und deren geschäftliche Unerfahrenheit ausnutze.
Hilfsweise stützt der Verband die Klage darauf, dass die Werbung zudem deshalb unlauter sei, weil die Beklagte darin verschweige, dass sie das Zeugnis kopiert und speichert.
Das Landgericht Passau (Urteil vom 26.07.2012, Az. 3 O 843/11) hatte den Elektronik-Fachmarkt gemäß dem Hilfsantrag verurteilt.
Die Berufung des Elektronikmarktes vor dem OLG München (Urteil vom 06.12.2012, Az. 6 U 3496/12) hatte lediglich hinsichtlich der Abmahnkosten Erfolg. Nach Ansicht des OLG enthält die Werbung zwar eine an Kinder gerichtete Aufforderung zum Kauf. Sie verstoße aber nicht gegen die Verbotsnorm der Nr. 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG, weil sich der allgemeine Kaufappell nicht auf eine konkrete Ware, auf bestimmte Produkte beziehe, sondern auf das gesamte Warensortiment der Beklagten. Die Werbung übe auch keinen unangemessenen unsachlichen Einfluss auf die Entscheidungsfreiheit der angesprochenen Verbraucher aus und nutze auch nicht deren geschäftliche Unerfahrenheit aus.
Die Unlauterkeit der Anzeige folge aber aus § 4 Nr. 4 UWG, da in der Werbung keine ausreichenden Angaben über die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Preisermäßigung enthalten seien. Hieran fehle es, weil die Beklagte nicht angegeben habe, dass sie von dem vorzulegenden Zeugnis Kopien für ihre Unterlagen fertige.
Das OLG München hat die Revision zugelassen. Die Verbraucherschützer streben die Verurteilung des Elektronik-Fachmarktes entsprechend der Abmahnung und des Hauptantrages an.
Mal schauen, ob der BGH der Reklame zum Zeugnistag eine „Eins“ gibt oder ob diese unmittelbar an Minderjährige gerichtete Kauf-Einladung sowie die sich daran anschließende Daten-Sammlung in der mündlichen Verhandlung am 03. April 2014 als unlauterer „April-Scherz“ eine höchstrichterliche Abmahnung erhält.
 
 

Sonntag, 27. Oktober 2013

Filesharing Abmahnungen: OLG Köln sucht den BGH und findet Grenzen der „tatsächlichen Vermutung“


Einbahnstraße für Filesharing-Abmahnungen vor dem OLG Köln?
Wie Familien bei Filesharing-Abmahnung nicht in eine Einbahnstraße geraten
 
Berufungsverhandlungen vor dem 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts am vergangenen Freitag am Reichensperger Platz in Köln: 
 
  • Einbahnstraße für Tauschbörsen-Abmahner bei familiärem Internetanschluss?

  • Eiskalte Haftung für den Anschlussinhaber, nur weil er seine Familienangehörigen, seine Ehefrau oder seine Kinder, nicht verhören, nicht verdächtigen oder nicht denunzieren will?

  • Oder etwa „Sippenhaft“, weil der abgemahnte und verklagte Anschlussinhaber seiner abstreitenden Familie vertraut und glaubt?


Erstaunlich aufgeräumt und offen zeigte sich am 25.10.2013 der Berufungssenat des OLG Köln anlässlich von ihm als rechtsfehlerhaft erkannter landgerichtlicher Verurteilungen zu Schadensersatz und zur Erstattung anwaltlicher Abmahnungskosten:

Das OLG habe etwas längere Zeit gebraucht, um eine klare Linie zur sekundären Darlegungslast bei Filesharing-Abmahnungen zu finden, erläuterte der Vorsitzende. Gleichzeitig bedauerte der Senat, dass der BGH bisher keine Gelegenheit bekommen hat, sich eindeutiger dazu zu äußern, welche Angaben vom abgemahnten Anschlussinhaber verlangt werden können (und müssen). Die Fall-Konstellationen seien durchaus unterschiedlich und man mache sich den schmalen Grat zwischen dem Schutz der Rechteinhaber vor wahrheitswidrigen pauschalen Schutzbehauptungen und der Ablehnung pauschaler falscher Verdächtigung von vielleicht unschuldigen Anschlussinhabern keineswegs leicht. 
Was ist zur Zerstreuung der angeblichen tatsächlichen Vermutung, der Anschlussinhaber selbst habe die streitgegenständlichen Uploads vorgenommen oder zugelassen, darzulegen? Reicht die substantiierte Behauptung, der Anschlussinhaber selbst sei es nicht gewesen, sein Ehepartner oder seine Kinder hätten zur fraglichen Zeit zwar grundsätzlich eine eigene Internetanschluss-Zugriffsmöglichkeit gehabt, ein eigenes Fehlverhalten aber ebenfalls bestritten und dem würde der Anschlussinhaber vertrauen?

Ja!

Nach zwischenzeitlichen Irritationen über tatsächliche oder vermeintliche Rückzieher des 6. Zivilsenats von entsprechenden Bewertungen z. B. im OLG-Beschluss vom 28.05.2013 (Az. 6 W 60/13) durch nachfolgende Berufungsurteile des OLG Köln (z. B. vom 02.08.2013, Az. 6 U 10/13) und über fortgesetzt unangemessene Verurteilungen der 28. Zivilkammer des Kölner Landgerichts kündigt sich nun eine klare, gefestigte und angemessene Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Köln zur sekundären Darlegungslast an. Die Ausführungen der Berufungsrichter im Verlauf der mündlichen Verhandlungen vom 25. Oktober 2013 geben berechtigten Anlass dazu, weitere Rückzieher des OLG Köln von einer angemessenen familienfreundlichen Rechtsprechung für die Zukunft nahezu auszuschließen.
Festzuhalten bleibt bei sachgerechter Würdigung des aktuellen Verhandlungsverlaufs vor dem OLG-Senat:
  • Im Fall eines über einen bestimmten Internetanschluss verifizierten Filesharing-Verstoßes nimmt auch das OLG Köln an, dass eine tatsächliche Vermutung, ein Anscheinsbeweis, dafür spricht, dass der Verstoß vom Anschlussinhaber selbst zu verantworten ist (als unmittelbarer oder mittelbarer Täter oder als vorsätzlicher Anstifter oder Gehilfe).
  • Diese (m. E. durchaus fragwürdige) Vermutung kann nun zumindest dann nicht aufrechterhalten werden, wenn der/die Abgemahnte darlegt (und im Bestreitensfall beweist), dass zumindest eine andere berechtigte Person im verifizierten Zeitraum grundsätzlich die Möglichkeit hatte, auf den Internetzugang zuzugreifen.
  • Dies gilt auch dann, wenn der/die beklagte Anschlussinhaber/in vorträgt, die Familie habe zwar die Zugriffsmöglichkeit gehabt, eigene Verstöße aber glaubwürdig bestritten. Der Anschlussinhaber darf seiner Familie vertrauen, muss ihr nicht misstrauen – was in (anderem) Zusammenhang mit einer in Abmahnungen gern unterstellten Überwachungspflicht des Anschlussinhabers auch bereits vom BGH mit seiner (Morpheus)-Entscheidung vom 15.11.2012 festgestellt worden ist.
  • Auch wenn die abgemahnte und beklagte Partei den bestreitenden Angaben der zum Verstoßzeitpunkt mit grundsätzlicher Zugriffsmöglichkeit ausgestatteten Familienangehörigen vertraut, kann dennoch eine zur Zerstreuung der tatsächlichen Täterschaftsvermutung geeignete ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs nicht ausgeschlossen werden, was zur erfolgreichen Abmahnungs- und Klageabwehr ausreichen kann.
Der steinige Weg aus der Abmahnungs-Einbahnstraße für zu Unrecht abgemahnte Inhaber eines familiären bzw. häuslichen Internetanschlusses wird also doch weiter geebnet. Voraussetzung sind nicht die Überwachung, Aushorchung, Verdächtigung oder Denunzierung von Familienangehörigen, wohl aber wahrheitsgemäßer und sachgerechter, nicht lediglich pauschaler Sach-und Rechtsvortrag, der aber nicht darauf hinauslaufen muss, Ehefrau oder Kinder ans Messer zu liefern.
Den weiteren Entscheidungen des OLG Köln dürfen viele Familien folglich optimistisch entgegensehen.
Dennoch bleiben weiterhin - auch beim OLG Köln - sachverhaltliche, technische und rechtliche Streitfelder mit nicht unerheblichem Klärungs- und Argumentationsbedarf: So etwa, wenn der Berufungssenat davon ausgeht, bei bloßem LAN-Netzwerk wären mit krimineller Energie ausgestattete Trojaner-Infektionen nicht möglich (unter Verkennung von möglichen E-Mail- und Webseiten-Angriffen sowie der etwaigen Verschleierung z. B. durch Rootkits). Oder wenn Recherche-, Protokollierungs- und Archivierungs-Abläufe von Anti-Piracy-Unternehmen im Streit stehen. Auch die Qualität mancher tatsächlichen Vermutung sowie die konkreten Anforderungen an sekundäre Darlegungs- und Beweis-Pflichten werden für die verschiedensten Fall-Konstellationen noch so manche Einbahnstraße entstehen lassen, die es zu öffnen gilt.

 

Sonntag, 11. August 2013

Wie Filesharing-Abmahnungen zu leicht Vertragsstrafen "ermöglichen"

Mit Update des Erklärungsentwurfes vom 03. Oktober 2013


Die Abfassung einer verantwortbaren modifizierten strafbewehrten Unterlassungserklärung stellt gewachsene Herausforderungen an Laien und Juristen, wenn unnötige Schadensrisiken, teure Prozesse und unangemessene Vertragsstrafen möglichst vermieden werden sollen.


Immer häufiger werden in Filesharing-Abmahnungen unter Hinweis auf die sogenannte Störerhaftung viel zu weitgehende Anerkenntnisse und Unterlassungserklärungen verlangt:

So soll der Abgemahnte dem Abmahner die Zahlung hoher Vertragsstrafen zusagen für die Fälle, dass der Internetanschlussinhaber es zukünftig "ermöglicht", urheberrechtlich geschützte Dateien zum Abruf durch andere Filesharing-Teilnehmer "bereitzustellen".

Dabei beziehen sich viele Abmahnungen auf die m. E. recht fragwürdige Tenorierung im kritikwürdigen Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 11.01.2013
 
Hintergrund sind die unterschiedlichen sachverhaltlichen und rechtlichen Voraussetzungen einerseits der Täterhaftung (einschließlich Teilnehmer-Haftung) und andererseits der sogenannten Störerhaftung, die ihrerseits etliche unterschiedliche und höchst umstrittene Ausprägungen hat. Dem werden offene und vieldeutige Begriffe wie das "Ermöglichen" und das "Bereitstellen" allerdings kaum gerecht, zumindest nicht ohne geeignete Konkretisierungen und Einschränkungen. Wo fängt das "Ermöglichen" von illegalem Filesharing durch den Internetanschlussinhaber an, wo hört es auf?
 
Soweit sich im Einzelfall überhaupt vorsorglich eine die Störerhaftung ausdrücklich erfassende Unterlassungserklärung empfiehlt, ist dabei aus meiner Sicht neben vielen weiteren erforderlichen Gesichtspunkten im Zusammenhang mit modifizierten Unterlassungserklärungen an folgende eingrenzende Formulierungsvariante zu denken (zur Ergänzung der modifiziert zugesagten Unterlassungsverpflichtung):
 

"... Die eingegangene Unterlassungsverpflichtung ist so zu verstehen ist, dass sie auch eine sogenannte "Störerhaftung" umfasst im Sinne eines kausalen und schuldhaften zukünftigen Verhaltens, das ein entsprechendes vertragsstrafenbewehrtes öffentliches Zugänglichmachen vorhersehbar und vermeidbar außenstehenden, unbefugten Dritten ermöglicht, indem der Zugang zum privaten WLAN-Anschluss des/der Erklärenden nicht pflichtgemäß durch zum Zeitpunkt der Router-Installation und für die vorhandene technische Ausstattung technisch anerkannte, übliche und sinnvolle, dem/der Erklärenden mögliche und zumutbare Maßnahmen gesichert wird, und/oder das ein entsprechendes vertragsstrafenbewehrtes öffentliches Zugänglichmachen vorhersehbar und vermeidbar minderjährigen befugten, aber nicht einsichtsfähigen Nutzern des privaten Internetanschlusses ermöglicht oder minderjährigen befugten und einsichtsfähigen Nutzern des privaten Internetanschlusses ermöglicht, wenn letztere nicht pflichtgemäß über das Verbot einer rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen belehrt sind. ..."

Hiermit wird sowohl eine zukünftige (und für die Vergangenheit übrigens keineswegs eingeräumte) Störerhaftung wegen unzureichender realistischer Sicherung des häuslichen WLAN-Netzwerkes als auch der Zugang nicht einsichtsfähiger Kinder oder eine unzureichende Belehrung minderjähriger Kinder erfasst, ohne die Störerhaftung etwa z.B. auf übertriebene Kontroll- und Überwachungspflichten oder vermeintliche Belehrungspflichten gegenüber erwachsenen Kindern oder Ehepartnern auszuweiten.

Auch ein derartiges Erklärungsfragment sollte selbstverständlich grundsätzlich ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht und ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage sowie für weitergehende Ansprüche und insbesondere auch unter Protest gegen irgendeine Kostentragungspflicht, dennoch allerdings mit rechtlicher Verbindlichkeit abgegeben werden. Darüber hinaus sind - wie immer - auch die spezifischen Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls sorgfältig zu klären und zu berücksichtigen, bevor voreilig Erklärungstexte aus der Abmahnung, aus diversen Internetangeboten oder aus diesem Blog ungeprüft übernommen werden. Das Thema "Unterlassungserklärung" bleibt in jedem Fall spannend und vielschichtig und kann weiteren Streit und weitere Anregungen "ermöglichen".
 
 

Donnerstag, 15. November 2012

Filesharing-Abmahnung verliert nach BGH-Urteil an Boden und Grund

Mit dem heutigen Urteil des Bundesgerichtshofs (Az. I ZR 74/12 - "Morpheus" ) haben die Musik-Konzerne und die Abmahn-Industrie nicht nur einen Prozess verloren, sondern auch die Grundlage für unzählige Filesharing-Abmahnungen.

Der Pressemitteilung des BGH vom 15.11.2012 sind unter Berücksichtigung des mit der höchstrichterlichen Entscheidung aufgehoben Urteils des OLG Köln vom 23.03.2012 (Az. 6 U 67/11) sowie des erstinstanzlichen Urteils der vielkritisierten 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 30.03.2011 (Az. 28 O 716/10) aus meiner Sicht insbesondere die folgenden berechtigten Bewertungen bzw. Erwartungen zu entnehmen:

  1. Es gibt keine grundsätzliche oder grundsätzlich vermutbare deliktische Schadenshaftung der Eltern für illegale Filesharing-Aktivitäten ihrer minderjährigen Kinder.
  2. Erst recht gibt es keine grundsätzliche oder grundsätzlich vermutbare deliktische Schadenshaftung der Eltern für illegale Filesharing-Aktivitäten ihrer volljährigen Kinder.
  3. Es gibt auch keine grundsätzliche oder grundsätzlich vermutbare Störerhaftung der Eltern für illegale Filesharing-Aktivitäten ihrer Kinder und damit auch keine grundsätzliche Berechtigung zur Abmahnung der Eltern sowie insbesondere keine grundsätzlich daraus etwa ableitbare Verpflichtung der Eltern zur Erstattung anwaltlicher Abmahnungskosten.
  4. Eltern sind bei häuslichem Internetanschluss lediglich verpflichtet, minderjährige Kinder über das Verbot einer rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen zu belehren. Dies reicht zumindest dann aus, wenn das Kind (im Streitfall 13 Jahre alt) normal entwickelt ist und grundlegende Gebote und Verbote der Eltern regelmäßig befolgt.
  5.  Eine grundsätzliche Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internetanschlusses durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren - z. B. durch Portsperren oder Kindersicherungen, besteht nicht. Eine Verpflichtung der Eltern zu derartigen Maßnahmen besteht allenfalls dann, wenn die Eltern konkrete Anhaltspunkte für eine rechtsverletzende Nutzung des Internetanschlusses durch das Kind haben.
Das entzieht zu Recht etlichen an die Inhaber familiärer Internetanschlüsse gerichteten Filesharing-Abmahnungen die deliktsrechtliche und urheberrechtliche Grundlage.

  • Update:  "Früher hätten die Eltern dafür auch schon mal Ohrfeigen verteilt." Interessanter Terminsbericht zur Verhandlung vor dem 1. Zivisenat des BGH von Rechtsanwalt Solmecke

Freitag, 4. Juni 2010

OLG Hamm zum Streit um Pressefoto von Kindern bei politischer Protest-Demo im Karneval

Wenn Eltern ihre minderjährigen Kinder unter den Bedingungen eines öffentlichen Auftretens vor Zuschauern bewusst in der dann abgelichteten Situation der Öffentlichkeit präsentieren, scheidet aus mehreren presserechtlichen und verfassungsrechtlichen Gründen ein Veröffentlichungs-Verbot hinsichtlich anlassbezogen gefertigter und veröffentlichter Fotos der Kinder aus, auch wenn die Fotos nur einen ein oder zwei Kinder abbildenden repräsentativen Ausschnitt zeigen. Das OLG Hamm hat mit Beschlüssen vom 31.05.2010 ( I-3 W 26/10 und I-3 W 27/10) im einstweiligen Verfügungsverfahren zwei vorausgegangene Beschlüsse des Landgerichts Bielefeld bestätigt. 

Mit in diesem Blog bereits bekanntgegebenen und kommentierten Beschlüssen vom 16.04.2010 hatte das Landgericht Bielefeld in zwei Eilverfahren - 2 O 143/10 und 2 O 144/10 - die gegen eine Tagezeitung gerichteten Anträge von zwei seitens ihrer Eltern vertretenen Minderjährigen zurückgewiesen, die Veröffentlichung von sie abbildenden Fotos zu verbieten.

Eine kleine Gruppe von Eltern hatte am Rosenmontag 2010 in der Gemeinde L. einen Karnevalsumzug dazu genutzt, unter dem Motto "Reisende" bzw. "Zugereiste in L. unerwünscht!" sich und ihre Kinder als "Flüchtlinge" mit in Frakturschrift beschriebenen Plakaten (mit den Worten "Zugereist" oder "Wohin?") sowie mit an die Verfolgung jüdischer Mitbürger erinnernden gelben Binden auszustaffieren und so der Öffentlichkeit zu präsentieren.

Daraufhin wurde in einem Leserbrief massiv kritisiert, wie bei dem Umzug und der darin veranstalteten Protest-Demo einige Eltern ihre Kinder für politische Absichten benutzten. Zur Bebilderung dieser Kritik veröffentlichte die Tageszeitung eine ausschnittweise Abbildung des Umzugs, die im Vordergrund zwei entsprechend "ausstaffierte" Kinder zeigt.


Das Landgericht wies die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück.

Zur Begründung stützte sich das Landgericht auf das aktuelle Urteil des BGH vom 06.10.2009, VI ZR 314/08, GRUR 2010, 173 ff., wonach das generelle Verbot einer Bildberichterstattung grundsätzlich nicht beansprucht werden kann, da eine in jedem Einzelfall vorzunehmende Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Interesse des Abgebildeten an dem Schutz seiner Privatsphäre auch jeweils eine Berücksichtigung verlangt, in welchem Kontext das Foto veröffentlicht wird.

In diesem Zusammenhang hatte ich bereits ergänzend auf das aktuelle Urteil des OLG Düsseldorf vom 08.03.2010 - I-20 U 188/09 - zu heimlichen Ton- und Bild-Aufnahmen in einer Arzt-Praxis hingewiesen; diese Entscheidung ging in eine ähnliche Richtung.

Das Landgericht Bielefeld verneinte im vorliegenden Fall bereits das Vorliegen eines Verfügungsgrundes. Eine besondere Eilbedürftigkeit war nicht erkennbar. Es waren keine Anhaltspunkte für erneute Veröffentlichungen ersichtlich.

Ferner bewertete das Landgericht den Umstand, dass die Eltern ihre Kinder bewusst und gewollt "ausstaffiert" und der Öffentlichkeit präsentiert hatten, zu Recht als Einwilligung gemäß § 22 KUG.

Zudem stellte die Zivilkammer - auch an dieser Stelle der Argumentation der Antragsgegnerin, des Zeitungsverlages, folgend - darauf ab, dass die minderjährigen Antragsteller von ihren die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich und die Kinder ziehenden Eltern gezielt in den Mittelpunkt öffentlicher Wahrnehmung gestellt worden waren und es sich damit auch um "sogenannte relative Personen der Zeitgeschichte" gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG handelt.

Schließlich waren der Karnevalsumzug sowie die darin gleichzeitig erfolgende politische Protest-Demonstration als Aufzug und Versammlung gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG einzuordnen. Es war insoweit legitim, einen repräsentativen Ausschnitt der streitgegenständlichen Veröffentlichungs-Thematik abzubilden.

Nach Abwägung aller Gesichtspunkte unter Einbeziehung der wohlverstandenen Schutzbedürfnisse von Kindern im Hinblick auf deren freie Persönlichkeitsentfaltung sah das Landgericht in überzeugender Weise hier keine Grundlage für eine Beschneidung der verfassungsrechtlich geschützten Meinungs- und Pressefreiheit.

Dies hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm nun ohne Einschränkungen bestätigt. In den Beschwerde-Beschlüssen heißt es u. a.:

Der Senat teilt insoweit angesichts der konkreten Umstände, unter denen das streitgegenständliche Foto (anlassbezogen) gefertigt und unter denen es von der Beklagten (anlassbezogen) veröffentlicht wurde, die Erwägungen des Landgerichts, dass es vorliegend vor allem deshalb an einem Schutzbedürfnis der (so) abgebildeten Kinder fehlt, weil sie von ihren Eltern in der abgelichteten Situation "bewusst der Öffentlichkeit zugewendet" wurden und den "Bedingungen eines (derartigen) öffentlichen Auftretens vor Zuschauern ausgeliefert" wurden (vgl. dazu: BGH, GRUR 2010, 173 - juris-Rdnr. 10). Zudem wurden die Kinder hier weder durch die abgelichtete öffentliche Situation noch durch das textliche Umfeld der in Rede stehenden Aufnahme verfälschend oder herabsetzend dargestellt noch sie selbst als heranreifende Persönlichkeiten in irgendeiner Weise kritisiert.

Kritik war textlich vielmehr an dem Verhalten der in der oben beschriebenen Weise provokant agierenden Eltern geübt worden, was diese zum Anlass genommen hatten, zunächst per Abmahnung und sodann bei Gericht ein Veröffentlichungs-Verbot gegen den Zeitungsverlag anzustreben. Dieser Versuch, die Meinungs- und Pressefreiheit zu beschneiden, scheiterte nun zu Recht auch vor dem OLG Hamm.

Dienstag, 20. April 2010

Landgericht stärkt Presse- und Meinungsfreiheit in Eilverfahren um Pressefoto von politischer Protest-Demonstration

Mit Beschluss vom 16.04.2010 hat das Landgericht Bielefeld in zwei Eilverfahren - 2 O 143/10 und 2 O 144/10 - die gegen eine Tagezeitung gerichteten Anträge von zwei seitens ihrer Eltern vertretenen Minderjährigen zurückgewiesen, die Veröffentlichung eines sie abbildenden Fotos zu verbieten.

Eine kleine Gruppe von Eltern hatte am Rosenmontag 2010 in der Gemeinde L. einen Karnevalsumzug dazu genutzt, unter dem Motto "Reisende" bzw. "Zugereiste in L. unerwünscht!" sich und ihre Kinder als "Flüchtlinge" mit in Frakturschrift beschriebenen Plakaten (mit den Worten "Zugereist" oder "Wohin?") sowie mit an die Verfolgung jüdischer Mitbürger erinnernden gelben Binden auszustaffieren und so der Öffentlichkeit zu präsentieren.

Daraufhin wurde in einem Leserbrief massiv kritisiert, wie bei dem Umzug und der darin veranstalteten Protest-Demo einige Eltern ihre Kinder für politische Absichten benutzten. Zur Bebilderung dieser Kritik veröffentlichte die Tageszeitung eine ausschnittweise Abbildung des Umzugs, die im Vordergrund zwei entsprechend "ausstaffierte" Kinder zeigt.


Das Landgericht wies die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück.

Zur Begründung stützt sich das Landgericht auf das aktuelle Urteil des BGH vom 06.10.2009, VI ZR 314/08, GRUR 2010, 173 ff., wonach das generelle Verbot einer Bildberichterstattung grundsätzlich nicht beansprucht werden kann, da eine in jedem Einzelfall vorzunehmende Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Interesse des Abgebildeten an dem Schutz seiner Privatsphäre auch jeweils eine Berücksichtigung verlangt, in welchem Kontext das Foto veröffentlicht wird.

In diesem Zusammenhang möchte ich ergänzend auf das aktuelle Urteil des OLG Düsseldorf vom 08.03.2010 - I-20 U 188/09 - zu heimlichen Ton- und Bild-Aufnahmen in einer Arzt-Praxis hinweisen; diese Entscheidung geht in eine ähnliche Richtung.

Das Landgericht Bielefeld verneinte im vorliegenden Fall bereits das Vorliegen eines Verfügungsgrundes. Eine besondere Eilbedürftigkeit war nicht erkennbar. Es waren keine Anhaltspunkte für erneute Veröffentlichungen ersichtlich.

Ferner bewertete das Landgericht den Umstand, dass die Eltern ihre Kinder bewusst und gewollt "ausstaffiert" und der Öffentlichkeit präsentiert hatten, zu Recht als Einwilligung gemäß § 22 KUG.

Zudem stellte das Gericht - auch an dieser Stelle der Argumentation der Antragsgegnerin, des Zeitungsverlages, folgend - darauf ab, dass die minderjährigen Antragsteller von ihren die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich und die Kinder ziehenden Eltern gezielt in den Mittelpunkt öffentlicher Wahrnehmung gestellt worden waren und es sich damit auch um "sogenannte relative Personen der Zeitgeschichte" gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG handelt.

Schließlich waren der Karnevalsumzug sowie die darin gleichzeitig erfolgende politische Protest-Demonstration als Aufzug und Versammlung gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG einzuordnen. Es war insoweit legitim, einen repräsentativen Ausschnitt der streitgegenständlichen Veröffentlichungs-Thematik abzubilden.

Nach Abwägung aller Gesichtspunkte unter Einbeziehung der wohlverstandenen Schutzbedürfnisse von Kindern im Hinblick auf deren freie Persönlichkeitsentfaltung sah das Landgericht in überzeugender Weise hier keine Grundlage für eine Beschneidung der verfassungsrechtlich geschützten Meinungs- und Pressefreiheit.