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Montag, 6. August 2012

Einbahnstraße in die Abmahnung - Über Filesharing-Verkehr beim Amtsgericht München (3)

Teil 3:

Der Gutachter soll die "Messung" vom Filesharing-"Blitzer" prüfen

 - mit Update vom 09. Februar 2013 -


Jetzt kommt verkehrs-technischer Sachverstand vom Sachverständigen: Das Amtsgericht München nimmt die Ermittlungssoftware der Firma ipoque GmbH aufs Korn.

Amtsgericht München Pacellistraße
Was bisher geschah:
Es geht um die Filesharing-Abmahnung von mehreren (Hör-)Buch-Verlagen.

Diese fordern vom verklagten Internetanschluss-Inhaber  urheberrechtlichen Schadensersatz und Erstattung vorgerichtlicher Abmahnungskosten - auf der Basis angeblicher Recherche-Ergebnisse aus dem Jahre 2007. Das engagierte Bemühen des Gerichts, den "verfahrenen" Streit um vermeintlichen Filesharing-Verkehr des Beklagten durch einen Zahlungs-Vergleich zu beenden, scheiterte - obwohl das Gericht den Inhaber eines Internetanschlusses haftungsmäßig mit dem Halter eines PKWs zu vergleichen versuchte.

Das Gericht führte dem verklagten Internetanschluss-Inhaber vermeintlich dramatische Beweislasten vor Augen. Es verwechselte dabei m. E. "tatsächliche Vermutungen" auf der einen Seite mit "gesetzlichen Vermutungen", "Tatsachenvermutungen" und "Rechtsvermutungen" auf der anderen Seite. Bei letzteren muss der damit Belastete den Beweis des Gegenteils erbringen, was bei tatsächlichen Vermutungen gerade nicht der Fall ist.
Das Gericht erklärte, es sei noch nie festgestellt worden, dass seitens des Recherche-Unternehmens nicht ordnungsgemäß ermittelt worden sei, woraufhin der Anwalt des Beklagten anmerkte, dass dem Amtsgericht München nach seiner Kenntnis überhaupt noch kein Sachverständigengutachten zur Frage konkreter ordnungsgemäßer P2P-Recherche und ordnungsgemäßer Dokumentierung und Archivierung vorliegt, sondern vielmehr erst in jüngerer Zeit entsprechende Gutachterkosten-Vorschüsse seitens des Gerichts von der klagenden Rechte-Industrie angefordert worden sind.

Und so ist nun der folgende Beweisbeschluss ergangen (orthographische und interpunktionelle Fehler werden mitzitiert):

"I.         Es ist Beweis zu erheben über die Behauptungen der Klageparteien,


1. 
In den in der Anspruchsbegründung vom 01.02.2012 auf S. 11 und 12 (Bl. 20/21 der Akte) aufgeführten Zeiträumen protokollierte die Software "PFS", der Firma ipoque GmbH, dass ausgehend von einem Rechner, der über die jeweils dort aufgeführte IP Adresse mit dem edonkey Netzwerk verbunden war, jeweils eine Datei mit dem jeweils dort genannten File-Hash-Wert vervielfältigt und zum Download angeboten wurde.

2.
Die jeweiligen Dateien, die in der Anspruchsbegründung vom 01.02.2012 auf S. 11 und 12 (Bl. 20/21 der Akte) genannt sind, mit den jeweiligen File-Hash-Werten enthielten die jeweils aufgeführten Hörbücher/Werke:

"Unsichtbare Spuren", File-Hash: ...
"Nacht über den Wassern", File-Hash: ...
"Das Methusalem-Komplott", File-Hash: ...
"Der Schwarm", File-Hash: ...
"Eine Billion Dollar", File-Hash: ...
"Eisfieber", File-Hash: ...
"Die Pfleiler der Macht", File-Hash: ...

durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens zu I.

 II.         Zum Sachverständigen wird bestimmt:

                   ...
                   ...
                   ... München



 III.        Der Klagepartei wird aufgegeben den Netzwerkmitschnitt der hier gegenständlichen Verletzungsdaten dem Sachverständigen zur Erstattung seines Gutachtens auszuhändigen.


 IV.        Die Klagepartei hat einen Auslagenvorschuss von 6.000,00 € einzuzahlen.
Die Versendung der Akten zum Sachverständigen wird davon abhängig gemacht, dass bis spätestens 14.08.2012 die Einzahlung des Auslagenvorschusses dem Gericht nachgewiesen wird."


Der gerichtlich bestimmte Sachverständige aus München zeichnet sich durch ausgewiesene Expertise und anscheinend gründliche Vorgehensweise aus - ohne Angst vor längeren Fahr- oder Flugstrecken. Der Kollege Stadler berichtet aus einem parallelen Filesharing-Klageverfahren beim Amtsgericht München, wo derselbe Sachverständige für die vergangene Woche einen Ortstermin in den Räumlichkeiten des Recherche-Unternehmens angesetzt hat und das Amtsgericht München durch Beschluss vom 25.07.2012 dem abgemahnten Beklagten gestattet hat, eine sachkundige Person vom Chaos Computer Club quasi als Beifahrer zum Ortstermin nach Leipzig mitzunehmen.

Die Einbahnstraße in die Filesharing-Abmahnung muss also nicht unbedingt eine Sackgasse sein. Das gilt übrigens auch deshalb, weil es auf die Klärung der oben zitierten Beweisfragen und damit das Ergebnis des aktuell in Auftrag gegebenen Sachverständigen-Gutachtens nicht einmal allein streitentscheidend ankommen muss.

Fortsetzung folgt.


Update vom 09. Februar 2013:

Nun konnte doch noch - mit viel Geduld und konsequenter Verhandlung - eine "recht und billige" außergerichtliche Lösung erzielt werden - unter angemessener Berücksichtigung der in diesem Fall vorgebrachten sachverhaltlichen, technischen und rechtlichen Argumente und weit unterhalb der Abmahnungs- und Klageforderungen - auch ohne teure sachverständige Untersuchung technischer Fragen. 

In einigen Parallelverfahren liegen allerdings nach meinem Informationsstand zwischenzeitlich Sachverständigengutachten vor, deren Inhalte und Bewertungen aber wohl noch nicht vollständig außer Streit stehen und im Übrigen ja ohnehin nicht alle entscheidungserheblichen Fragen klären können.



Zuvor im zweiten Teil der Filesharing-Verkehrs-Glosse:

Der Beweislast(er)-Schwerverkehr


Und davor im ersten Teil der Filesharing-Verkehrs-Glosse:

Auto-Routen und WLAN-Router - Halterhaftung und Störerhaftung bei Filesharing

Samstag, 30. Juni 2012

Einbahnstraße in die Abmahnung - Über Filesharing-Verkehr beim Amtsgericht München (2)

Teil 2:

Der Beweislast(er)-Schwerverkehr


Ein sommerlicher Tag in München, auch an der Pacellistraße 5, in der 8. Etage des Justizgebäudes. Das Bayerische Amtsgericht tagt immer noch.

Amtsgericht München Pacellistraße
Was bisher geschah:
Es geht um die Filesharing-Abmahnung von mehreren (Hör-)Buch-Verlagen. Diese fordern vom verklagten Internetanschluss-Inhaber  urheberrechtlichen Schadensersatz und Erstattung vorgerichtlicher Abmahnungskosten - auf der Basis angeblicher Recherche-Ergebnisse aus dem Jahre 2007.
Das Gericht hatte mit bemerkenswerter, die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften deutlich überschreitender Sprech-Geschwindigkeit in den Sach- und Streitstoff eingeführt und bemühte sich erkennbar darum, möglichst innerhalb der zunächst angesetzten 30-minütigen Verhandlung den "verfahrenen" Streit um vermeintlichen Filesharing-Verkehr des Beklagten durch einen Zahlungs-Vergleich zu beenden. Die Vergleichsbereitschaft des Internetanschluss-Inhabers sollte mit einem - nach den Worten des Gerichts - "laienhaften" Vergleich, und zwar einem Vergleich vom Halter eines Autos mit dem Inhaber eines Internetanschlusses, beflügelt werden: Das sei schließlich "wie beim Auto". Wenn der Beklagte sein Auto von einem Anderen im Straßenverkehr benutzen lasse, müsse er als Halter schließlich auch haften, wenn mit dem Auto ein Schaden verursacht würde, auch wenn er selbst nicht gefahren sei.

Die - ohnehin und insbesondere auch in ihren konkreten Anwendung - umstrittene Störerhaftung ist allerdings nicht wirklich seriös mit der verkehrsrechtlichen Halterhaftung vergleichbar: Für Internetanschlüsse gibt es (noch) keine Halterhaftung gem. StVG oder gem. anderer gesetzlicher Vorschriften. Die von der Rechtsprechung entwickelte urheberrechtliche Störerhaftung verlangt - anders als die Halterhaftung - zudem die Verletzung von zumutbaren Prüfpflichten. PKW und Router: Ein verkehrs- und urheberechtlich vollkommen "verunglückter" Vergleich also. Der LAN-/WLAN-Router ist eben kein PKW. 
Da hilft es auch nichts, dass die Prozessbevollmächtigten der klagenden Verlage wieder mal zu zweit bei Gericht erscheinen, also praktisch mit "Beifahrer" - oder man könnte auch, humorvoll und nett gemeint, sagen: Wie "Waldorf und Statler".
Der engagierte Amtsrichter meinte dann, es gehe ihm darum, "gewisse Wahrscheinlichkeiten nachzufragen."

Damit sind wir beim Thema "Beweislast im Filesharing-Verkehr" angekommen:
Das Gericht führte dem verklagten Internetanschluss-Inhaber dramatische Beweislasten vor Augen, m. E. so dramatisch wie falsch: Tatsächlichen Vermutungen dürfe nicht mit anderen Vermutungen begegnet werden. Unwägbarkeiten gingen zu Lasten des Internetanschluss-Inabers. Ja, dann ist ja alles klar. Keine Chance für Internet-User.

Nein. Das Gericht verwechselt anscheinend "tatsächliche Vermutungen" auf der einen Seite mit "gesetzlichen Vermutungen", "Tatsachenvermutungen" und "Rechtsvermutungen" auf der anderen Seite. Bei letzteren muss der damit Belastete den Beweis des Gegenteils erbringen, was bei tatsächlichen Vermutungen gerade nicht der Fall ist. 
Insoweit werden gleichzeitig - wie so oft - eingeschränkte Beweisführungspflichten mit weitergehenden Beweislasten verwechselt.

Ist das der gerichtliche Filesharing-Beweislaster-Schwerverkehr oder der schwer lastende Verkehrsbeweis bei Filesharing-Gerichten oder sind das die verkehrten Gerichtslasten bei schweren Filesharing-Beweisen? Es gipfelte jedenfalls - wie gesagt - in der gerichtlichen Kundgabe: "Unwägbarkeiten gehen zu Lasten des Beklagten."

Das Gericht erklärte, nach seiner Kenntnis sei noch nie festgestellt worden, dass seitens des Recherche-Unternehmens nicht ordnungsgemäß ermittelt worden sei. Der Anwalt des Beklagten wies darauf hin, dass dem Amtsgericht München nach seiner Kenntnis überhaupt noch kein Sachverständigengutachten zur Frage konkreter ordnungsgemäßer P2P-Recherche und ordnungsgemäßer Dokumentierung und Archivierung vorliegt, sondern vielmehr erst in jüngerer Zeit erstmalig entsprechende Gutachterkosten-Vorschüsse seitens des Gerichts von der klagenden Rechte-Industrie angefordert worden sind. Aussagekräftige Gutachten liegen bis heute nicht vor, schon gar nicht zu Lasten von Abmahnungsempfängern.

Auch die beiden anwesenden Rechtsanwälte der klagenden (Hör-)Buch-Verlage konnten nichts Gegenteiliges darlegen.
Ein Vergleich - bis auf den zwischen PKW und Internet-Router - ist in dieser Angelenheit bisher nicht zustande gekommen. Zu viel verkehrter Filesharing-Verkehr zu Lasten des Beklagten.

Das verfahrene Verfahren geht weiter.

Fortsetzung folgt.


Und zuvor im ersten Teil der Filesharing-Verkehrs-Glosse:

Auto-Routen und WLAN-Router - Halterhaftung und Störerhaftung bei Filesharing

Mittwoch, 27. Juni 2012

Einbahnstraße in die Abmahnung - Über Filesharing-Verkehr beim Amtsgericht München

Teil 1:

Auto-Routen und WLAN-Router - Halterhaftung und Störerhaftung bei Filesharing


Ein sommerlicher Tag in München, auch an der Pacellistraße 5, in der 8. Etage des Justizgebäudes. Das Bayerische Amtsgericht tagt:

Amtsgericht München Pacellistraße
Keine krachlederne Verhandlungsführung - nein, eine von erkennbarer Aktenkenntnis des promovierten Richters geprägte Einführung in den Sach- und Streitstand. Es geht um die Filesharing-Abmahnung von drei (Hör-)Buch-Verlagen, aus denen mittlerweile zwei Verlagskonzerne geworden sind. Diese fordern Schadensersatz und Erstattung vorgerichtlicher Abmahnungskosten vom Beklagten, der auf der Basis angeblicher Recherche-Ergebnisse aus dem Jahre 2007 der Verletzung von Urheberrechten per Online-Tauschbörse verdächtigt wird.

Der Verkehrsfunk von Radio Arabella hatte im Taxi vom Münchener Flughafen in diePacellistraße eine freie Fahrt und keine Verkehrsstörungen vorhergesagt. Und so war es auch. Bis zur pünktlichen Ankunft bei Gericht.

Die sehr konzentrierte richterliche Zusammenfassung der  zuvor schriftsätzlich anwaltlich gewechselten Standpunkte erfolgte in einer bewundernswerten gerichtlichen Sprech-Geschwindigkeit, die - gefühlt - die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften deutlich überschritten hat. Wäre der Beklagte nicht zuvor eingehend von seinem Anwalt über alle relevanten materiell-rechtlichen und verfahrens-rechtlichen (das hat manchmal auch mit "sich verfahren" zu tun ;-) Gesichtspunkte eingehend unterrichtet worden, hätte der juristische Laie der Verhandlung wohl kaum folgen können - weder zu Fuß, noch mit dem Auto. Für den Verhandlungstermin nach über 100 anwaltlichen Schriftsatzseiten (zzgl. umfangreicher Anlagen) waren allerdings auch nur 30 Minuten angesetzt. Das erwies sich als knapp bemessen. Aber zunächst einmal Schluss mit dem Thema "Raserei" in "Zone 30".


Auf konkretere Sachverhalt-Details wird evtl. zu späterer Zeit einzugehen sein. Hier im ersten Teil dieser Filesharing-Verkehrs-Glosse soll es zunächst um einen Gesichtspunkt gehen:

Die Halterhaftung für Autos.

Das Gericht führte - wie in München insbesondere bei Filesharing-Verfahren (nomen est omen, s.o.) bewährt - intensive Vergleichsgespräche, woran grundsätzlich natürlich nichts auszusetzen ist. Die Mandanten sollten auch prozess-ökonomische Überlegungen nie außer Acht lassen und es ist eine der vornehmsten Aufgaben des Gerichts, gerade in der Güteverhandlung den Versuch der einverständlichen Lösung einer evtl. verfahrenen (!) Streit-Situation zu unternehmen.

Im hier betroffenen Streit um Täterhaftung und Störerhaftung beim vermeintlichen Filersharing-Verkehr wagte das Gericht allerdings eine Vergleichs-Förderung und -Forderung mit einem - nach eigenen Worten - "laienhaften" Vergleich, und zwar einem Vergleich vom Halter eines Autos mit dem Inhaber eines Internetanschlusses: Das sei schließlich "wie beim Auto". Wenn der Beklagte sein Auto von einem Anderen im Straßenverkehr benutzen lasse, müsse er als Halter schließlich auch haften, wenn mit dem Auto ein Schaden verursacht würde, auch wenn er selbst nicht gefahren ist.

Das diese Beispiel nicht nur ein schlechtes, sondern ein sehr schlechtes Beispiel zur Darlegung bzw. Begründung der Störerhaftung ist, wurde selbstverständlich anwaltlich sofort unmissverständlich vorgetragen - unter anderem unter Hinweis darauf, dass es für Internetanschlüsse (noch) keine Halterhaftung gem. StVG oder gem. anderer gesetzlicher Vorschriften gibt. Entlarvend für eine unangemessene Ausweitung des richterlich entwickelten Rechtsinstituts der Störerhaftung ist das unglückliche oder verunglückte Beispiel allemal. Die Prozessbevollmächtigten der klagenden Verlage waren übrigens wieder mal zu zweit erschienen, praktisch mit "Beifahrer".

Und demnächst im zweiten Teil der Filesharing-Verkehrs-Glosse:

Der Beweislast(er)-Schwerverkehr

Fortsetzung folgt.