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Freitag, 6. Dezember 2024

Die 7 Todsünden bei Online-Bestellungen


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Nicht nur in der Vorweihnachtszeit suchen viele nach verlockenden Kaufangeboten im Internet. Dabei werden oft riskante Fallstricke übersehen, wodurch man gutes Geld verlieren kann.

Aber was sind nun die häufigsten, teuersten und sündhaftesten Fehler bei Bestellungen im Internet?



Todsünde Nr. 1 bei Online-Bestellungen

Es wäre so leicht und so einfach und es wird dennoch nicht selten ausgelassen: Ein zumindest kurzer Blick in das Impressum des Anbieters:

Gibt es überhaupt einen entsprechenden Menüpunkt? Und wenn ja, welche Abgaben fehlen dort eventuell? Eine kryptische Firmenangabe ohne Benennung der als Inhaber oder Vertreter verantwortlichen Person(en)? Keine plausible Anschrift? Oder eine Adresse im außereuropäischen Ausland? Keine E-Mail-Adresse? Keine Telefonnummer? Keine Angabe zur Aufsichtsbehörde? Keine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer? All dies kann Anlass sein, die Alarmglocken zum Schrillen zu bringen. Zumindest besteht umso mehr Anlass zur Vorsicht, je mehr der vorgenannten Mankos auftauchen.



Todsünde Nr. 2 bei Online-Bestellungen

Keine eindeutigen und vollständigen Angaben zum Produkt? Und vielleicht keine erforderliche Widerrufsbelehrung? Finger weg von derartigen Angeboten. Die „Katze im Sack“ lässt grüßen.



Todsünde Nr. 3 bei Online-Bestellungen

Das Internet enthält soviel nützliche Informationen. Warum nicht mal einen Blick in evtl. vorhandene Onlinebewertungen und -tests riskieren – sowohl hinsichtlich des Anbieters als auch zum konkreten Produkt. Aber Achtung: Es gibt auch Fake-Bewertungen, manchmal erkennbar durch Werbetext-Anmutung, ausschweifende, übertriebene Lobhudelei, eine Vielzahl gleichlautender positiver Bewertungstexte oder auch das vollständige Fehlen kritischer Stimmen.



Todsünde Nr. 4 bei Online-Bestellungen

Sofort beim ersten aufgefundenen Angebot zuzuschlagen und von einem vorherigen Preisvergleich abzusehen, kann zu einem unnötig teuren Einkauf führen und damit bares Geld verschwenden. Dabei gibt es doch durchaus seriöse, transparente und aussagekräftige Vergleichsportale.



Todsünde Nr. 5 bei Online-Bestellungen

Beim Bestellvorgang sollte zudem auf eine sichere Zahlungsabwicklung geachtet werden. Sich schutzlos auf eine risikoreiche „Vorkasse“ einzulassen, wird nicht selten mit nicht rückholbarem Geldverlust und fehlender oder mangelhafter Lieferung bestraft.



Todsünde Nr. 6 bei Online-Bestellungen

Obwohl gesetzlich der Grundsatz der sogenannten „Datensparsamkeit“ gilt, werden manchmal bei der Bestellung oder auch schon bei einer ggf. vorausgehenden Online-Registrierung persönliche Daten abgefragt, deren Offenlegung für die Geschäftsabwicklung gar nicht erforderlich wäre. Was geht den Anbieter mein Familienstand, meine Kinderzahl, mein Beruf, meine Wohn- bzw. Eigentumsverhältnisse, meine Freizeit-Vorlieben oder meine persönlichen Kontakte an? Aber Daten sind eben in der heutigen Welt sehr wertvoll und stellen immer häufiger die „Währung“ dar, mit der die Kundin oder der Kunde bezahlen oder zusätzlich bezahlen soll. Den Einsatz sollte man sich in jedem Einzelfall gut überlegen.



Todsünde Nr. 7 bei Online-Bestellungen

Als nicht zu vernachlässigende Todsünde bei Bestellungen im Internet wird es oft übersehen, den Bestellvorgang und die Inhalte der Bestellung selbst zu dokumentieren und durch entsprechende Downloads und/oder Screenshots zu sichern. Dabei ist das wirklich nicht schwer und kann im Falle späterer Auseinandersetzung durchaus hilfreich sein. Es sich zu sparen, kann sich demgegenüber später sündhaft rächen – wie das so ist bei „Todsünden“.



Donnerstag, 13. Juni 2019

Mit einem Ohr im Knast?

Zu Gast bei Alexa & Co.
 
http://zumanwalt.de
Die "Abhör"-Boxen finden im Medien- und Datenschutzrecht ein geteiltes Echo.

Die Risiken der von Mediengiganten wie Google, Apple oder Amazon in die deutschen Wohn- und wohl auch Schlafzimmer eingeschleusten sog. „Sprach­assistenten“ beunruhigen immer mehr deutsche NutzerInnen. 

Geht gerade die jüngere Generation auch relativ unbefangen – wenn nicht sogar ungehemmt – mit der Installation und der Verwendung entsprechenden "Smart Speaker"-Equipments um, so stellen sich doch mittlerweile einige die Frage, ob es vielleicht Ärger geben kann, wenn Personen aus dem engeren eigenen Umfeld in die in Rede stehende Abhörmaschinerie „hineingezogen“ werden. 
 

Müssen Begleiter oder Besucher über die smarten „Wanzen“ informiert werden? 


Nach dem mittlerweile etwas abgeklungenen Hype um die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ist anscheinend eine gesteigerte Sensibilität hinsichtlich des Themas "Datenschutz" entstanden – und dies zu Recht. 

Die Vertraulichkeit des nichtöffentlich gesprochenen Wortes wird bereits seit etlichen Jahren strafrechtlich geschützt (§ 201 StGB), wobei unter bestimmten Voraussetzungen das Abhören, die Aufnahme und die Weitergabe des Gesprochenen mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bestraft werden können. Schon dies gibt m. E. Anlass, den häuslichen Betrieb derartiger technischer Helferlein seinen Gästen nicht zu verheimlichen und nur im Falle eines ausdrücklichen Einverständnisses ggf. fortzusetzen. 

Die Einwilligung Dritter ist aber auch speziell datenschutzrechtlich dringend geboten, zumal derzeit nicht in ausreichender Weise klar ist, wie die Vertreiber der „Assistenten“ mit den erlangten Daten umgehen. 
 

Der datenschutzrechtliche „Rattenschwanz“ 


Ungeklärt ist allerdings, in welchem Ausmaß, in welcher Form und über welche Details die Alexa-Fans und die übrigen Geräteeigner ihr persönliches Umfeld unterrichten müssen. 

Aus meiner Sicht spricht bei stringenter Anwendung der aktuellen gesetzlichen Datenschutz-Vorgaben vieles dafür, dass die NutzerInnen als zumindest Mitverantwortliche i. S. d. Datenschutzrechts vor der Einholung etwaiger Einwilligungen ihre Gäste genauer informieren müssen (Art. 13, 14 DSGVO) über die seitens der Anbieter tatsächlich oder mutmaßlich stattfindende Datenverarbeitung, deren Zwecke und Risiken, die Speicherdauer sowie über Auskunfts-, Einwilligungswiderrufs-, Löschungs-, Widerspruchs- und Beschwerderechte. 

Das Dilemma ist, dass die Kundschaft die entsprechenden Details regelmäßig nicht annähernd kennt. Da beißt sich dann die Katze beim Daten-Mausen in den Rattenschwanz.

 

  

Dienstag, 26. Juni 2018

DSGVO: Mut zum öffentlichen Fotografieren


Fotografieren auf dem schwankenden Boden datenschutzrechtlicher Normen

Wer heutzutage – womit insbesondere die Zeit ab dem 25. Mai 2018 gemeint ist – als Journalist bzw. Fotograf bewegte oder unbewegte Bilder des öffentlichen Lebens erstellt oder gar die Live-Berichterstattung von Sportevents oder ähnlichen Veranstaltungen zu verantworten hat, kann sich häufig nicht von dem Gefühl freimachen, datenschutzrechtlich auf schwankendem Boden unterwegs zu sein.

Selbst wenn man sich vielleicht noch dazu in der Lage sieht, von seinen Interview-Partnern oder von den zuvorderst in Erscheinung tretenden Bild-Akteuren datenschutzrechtliche Einwilligungen – teilweise im mehrseitigem Format – einzuholen, so wird das zumindest hinsichtlich eines im Hintergrund auftauchenden Publikumsverkehrs kaum gelingen.

Was tun?

Gleich vorweg: Eine klare, eindeutige und absolut rechtssichere gesetzliche Regelung existiert dazu aktuell (noch) nicht. Aber es gibt Lösungsstrategien.

Wie war das früher?

Vor Geltung der DSGVO wären die angedeuteten Fälle mehr oder weniger problemlos nach dem Kunsturhebergesetz (KUG) gelöst worden: Danach dürfen Abbildungen von Personen grundsätzlich zwar nur mit Einwilligung des bzw. der Abgebildeten veröffentlicht werden (§ 22 KUG), von diesem Einwilligungserfordernis gibt's dann aber gesetzgeberische Ausnahmen für Bildnisse aus dem Bereich der „Zeitgeschichte“, für Bildnisse, auf denen die Personen nur als „Beiwerk“ neben einer Landschaft oder einer sonstigen Örtlichkeit erscheinen sowie für Bildnisse von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen oder bei einem höheren Interesse der Kunst (vgl. § 23 KUG).

Und heute?

Die neue DSGVO genießt nach Meinung zahlreicher Juristen einen sog. „Anwendungsvorrang“ vor dem KUG.

Nun hat zwar der EU-Gesetzgeber in Art. 85 DSGVO die Mitgliedstaaten aufgefordert, durch Rechtsvorschriften das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, einschl. der Verarbeitung von Daten zu journalistischen Zwecken und zu wissenschaftlichen, künstlerischen und literarischen Zwecken, in Einklang zu bringen. Diese bezüglich der Journalisten als „Presseprivileg“ bezeichnete europarechtliche Vorgabe ist bisher von den dafür zuständigen Landesgesetzgeber aber noch nicht umgesetzt worden. Und das zuvor nach dem alten Bundesdatenschutzgesetz geltende Presse- und Medienprivileg kann gesetzlich nicht mehr herangezogen werden.

Wie sieht eine praktikable rechtliche Lösung aus?

Wenn man sich derzeit dennoch juristisch mit angemessenen, vertretbaren und aktuell handhabbaren Lösungen helfen will, greift man auf die gesetzliche Regelung in Art. 6 Abs. 1 f DSGVO zurück, wonach eine Verarbeitung personenbezogener Daten auch dann rechtmäßig ist, wenn die Verarbeitung „zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte oder Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen“.

Die grundrechtlich geschützte Meinungs- und Informationsfreiheit sowie die Freiheit von Kunst und Wissenschaft bewerte ich als jeweiliges berechtigtes Interesse, das dann mit den Grundrechten und Grundfreiheiten der von der Bildberichterstattung betroffenen Personen, mit deren Persönlichkeitsrechten, abzuwägen ist – auch unter Berücksichtigung etwaig berührter öffentlicher Informationsinteressen sowie unter Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit

Insofern landet man dann praktisch auch wieder bei den grundlegenden gesetzgeberischen Erwägungen und Vorgaben des guten alten KUG. Ob diese Landung mit ausreichender Rechtssicherheit vollzogen wird, bleibt aber vorerst nicht unumstritten.

Und was sagt die Bundesregierung?

Immerhin hat sich zu dieser Problematik noch im Frühjahr dieses Jahres in relativ entspannter Art und Weise das Bundesinnenministerium geäußert und ausdrücklich eine vorrangige Fortgeltung des Kunsturhebergesetzes bejaht sowie gleichzeitig insbesondere die grundrechtlich garantierte Meinungs- und Informationsfreiheit eben als berechtigtes Interesse nach Art. 6 Abs. 1 f der DSGVO eingeordnet.

Zu einer übertriebenen eigenen Knechtung und Knebelung per exzessiver datenschutzrechtlicher Selbstzensur und Selbstbeschneidung besteht m. E. also regelmäßig eher kein Anlass.

Finale oder was oft übersehen wird:

Im für viele unübersichtlichen Meer datenschutzrechtlicher Normen sollte im Übrigen nicht aus den Augen verloren werden, dass die DSGVO insgesamt sechs(!) mögliche Rechtsgrundlagen für die Verarbeitung personenbezogener Daten vorsieht: Das sind schlagwortartig zusammengefasst 

  • neben der Einwilligung (1) 
  • ein abgeschlossener Vertrag (2)
  • bestehende Rechtspflichten (3)
  • Schutz lebenswichtiger Interessen (4) 
  • öffentliches Interesse (5) 
  • berechtigte Interessen auf der einen Seite abgewogen mit etwaig berührten Schutzinteressen auf der anderen Seite (6). 

Damit gibt es noch viel Stoff, die aktuell aufgewühlten datenschutzrechtlichen Wogen in vielerlei Hinsicht in sachgerechter Weise zu glätten.




Donnerstag, 14. Januar 2016

Facebook-Mail-Werbung findet beim BGH keine Freunde


Sieg der Verbraucherzentralen gegen Facebook: Mit heutigem Urteil (14.01.2016) hat der Erste Zivilsenat des BGH höchstrichterlich bestätigt, dass die Versendung von Einladungs-E-Mails durch eine soziale Plattform oder deren Nutzer an nicht auf der Plattform registrierte Personen (über die sogenannte Funktion „Freunde finden“) wettbewerbsrechtlich unzulässig ist, da es faktisch belästigende Werbung gem. § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG ist, wenn der Empfänger dem nicht zugestimmt hat.

Der Karlsruher Wettbewerbssenat unter Vorsitz von Wolfgang Büscher untersagte zum Az. I ZR 65/14 ferner die von Facebook im Jahr 2010 eingesetzte Handhabung der Importierung von Kontaktdaten ohne korrekte Offenlegung der nach der Registrierung stattfindenden tatsächlichen Datennutzung. Letzteres bewertet der BGH als unlautere Irreführung gem. § 5 UWG.
Der Bundesgerichtshof folgt damit auf Klage des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände in Deutschland zu Recht den vorausgegangen Urteilen des Berliner Landgerichts vom 06.03.2012 (Az. 16 O 551/10) und des Kammergerichts vom 24.01.2014 (Az.  5 U 42/12) und hat die von Facebook eingelegte Revision zurückgewiesen.
Soziale Plattformen dürfen nicht in automatisiert vorgegebener Form ihre Nutzer dazu instrumentalisieren, unaufgeforderte Werbung an Dritte zu verbreiten. Die in das „nette“ Kleid einer privaten Kontaktaufnahme gekleidete E-Mail stellt sich nämlich in Wahrheit als eine getarnte Werbetrommel medialer Großkonzerne dar – und ist zudem eine bedenkliche Datenschleuder. Die kostbarsten „Produkte“ bei diesen Werbeaktionen sind m. E. die (potentiellen) Nutzer selbst mit ihren Daten und Datenverflechtungen.
An dieser grundsätzlichen Problematik ändert auch der Umstand nichts, das Facebook auf zwischenzeitlich veränderte Portalversionen hinweist: Aktuell geben Nutzer über den Link "Lade Deine Freunde ein" jeweils einzelne E-Mail-Adressen ein und können zudem jede „Einladung“ um eine persönliche Nachricht ergänzen. Auch diese Handhabung ist kritikwürdig, handelt es sich doch auch dabei um unverlangte E-Mail-Werbung und im Endeffekt um unklare Datenverwendung und -verknüpfung.
In Berlin sind derzeit in den unteren Instanzen nach ca. 20 Abmahnungen noch mindestens zwei weitere Verfahren der Verbraucherschützer gegen Facebook anhängig. Irreführung, fehlende Transparenz und unzureichende Beachtung des Datenschutzes sind die wesentlichen Themen.

Montag, 7. September 2015

Geniales Filesharing-Urteil zu Datenmüll und Datenschutz, Beweislast und Beweisverwertungsverbot

 
 
Der Kollege Loebisch lobt in seinem heutigen, sehr lesenswerten Posting zu Recht die technisch versierten und datenschutzrechtlich sattelfesten Richterinnen und Richter der 6. Zivilkammer des LG Frankenthal, „für die technische und datenschutzrechtliche Erwägungen keine unnötige Verkomplizierung sind, dem Beschleunigungsgrundsatz des Zivilprozessrechts zuwiderlaufend, sondern Basis jeder Rechtsprechung mit Online-Bezug“.
Und in jeder Hinsicht zustimmen kann ich dem versierten Kollegen auch darin:
„Zu lange profitierte die Abmahnindustrie nicht zuletzt von einem technischen Wissensgefälle zwischen ihr und den Gerichten. Mit Erwägungen aus dem Datenschutzrecht lässt sich manche vorschnelle und all zu routiniert herausgejagte Filesharing-Abmahnung zu Fall bringen.“ So ist es.
Und so sieht das lobenswerte Urteil - zumindest in "Dateifragmenten" - aus:
Das Filesharing-Urteil des LG Frankenthal/Pfalz vom 11. August 2015 (Az. 6 O 55/15) befasst sich instruktiv mit einem Beweisverwertungsverbot bei Reseller-Verträgen und mit der Beweislastverteilung bei recherchierten Dateifragmenten – mit sehr kenntnisreichen und konsequenten Erwägungen und daraus abgeleiteter Klageabweisung.
1. Wenn der abgemahnte Internetanschlussinhaber einen Internet-Vertrag mit einem Reseller - wie z. B. 1&1 – abgeschlossen hat, macht der Abmahner seinen Auskunftsanspruch nach § 101 UrhG aber demgegenüber nur gegen den Netzbetreiber (z. B. die Deutsche Telekom) geltend, dann gilt hinsichtlich der ermittelten Auskunftsdaten ein Beweisverwertungsverbot:
„Soweit Netzbetreiber und Endkundenanbieter nicht identisch sind …, ist am Auskunftsverfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG der allein als Vertragspartner des Anschlussinhabers in Erscheinung tretende Accessprovider (‚Reseller‘) zu beteiligen; ohne ein solches Verfahren erlangte Daten unterliegen nach ständiger Rechtsprechung der Kammer in einem späteren Verfahren gegen den Anschlussinhaber regelmäßig einem Beweisverwertungsverbot (…). Im Übrigen entscheidet bei Auseinanderfallen des Sitzes von Netzbetreiber und Endkundenanbieter in verschiedene Gerichtsbezirke … aufgrund der in § 101 Abs. 9 Satz 2 UrhG geregelten ausschließlichen örtlichen Zuständigkeit nur so der gesetzliche Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.“
Das Landgericht sieht das Grundrecht des abgemahnten und verklagten Anschlussinhabers auf Wahrung des Post- und Fernmeldegeheimnisses nach Art. 10 GG berührt.
2. Zur Darlegungslast des Abmahners und Klägers hinsichtlich der Frage, ob über den fraglichen Internetanschluss tatsächlich eine vollständige und lauffähige Werk-Version zum Download angeboten wurde oder ob es sich lediglich um eine unvollständige Datei und damit etwaigen „Datenmüll“ handelte, führt die 6. Zivilkammer des Pfälzer Landgerichts aus:
„Da das Urheberrecht den Urheber vor der unberechtigten Nutzung seines Werkes schützt (§ 11 UrhG), hat der Anspruchsteller in sog. „Filesharing“-Fällen grundsätzlich substantiiert darzulegen, dass über den Anschluss des in Anspruch Genommenen tatsächlich eine vollständige und lauffähige, das fragliche Werk beinhaltende Datei zum Download bereitgestellt worden ist. Eine nur teilweise zur Verfügung gestellte Datei ist im Hinblick auf die darin enthaltenen Daten nämlich regelmäßig nicht lauffähig und konsumierbar, weshalb das Zurverfügungstellen einer derartigen Teildatei keine – auch nur teilweise – Nutzung des geschützten Werkes darstellt; es handelt sich in diesem Fall demnach nicht um isoliert nutz- oder wahrnehmbare Werkteile, sondern lediglich um sog. „Datenmüll“ (ständige Rechtsprechung der Kammer, vgl. zuletzt Urteil vom 30.09.2014 – 6 O 518/13 (…). Dies unterscheidet „Filesharing“-Fälle wie den vorliegenden grundlegend u.a. von Fällen, in denen kleine oder auch nur kleinste Teile eines Werkes durch einen Dritten unberechtigter Weise genutzt werden (…).“
3. Zur Beweislastverteilung, wenn es sich lediglich um Dateifragmente handelt, heißt es in dem aktuellen Urteil:
„Kann dagegen nicht nachgewiesen werden, dass die beklagte Partei eine vollständige und lauffähige, das fragliche Werk (oder Teile davon) enthaltende Datei zum Herunterladen zur Verfügung gestellt hat oder war dies unstreitig nicht der Fall, hat der Anspruchsteller darzulegen und im Bestreitensfall nachzuweisen, dass die vom in Anspruch Genommenen konkret zum Download bereit gestellten Dateifragmente tatsächlich zumindest auch Werkfragmente enthalten, die sich mit Hilfe gängiger oder zumindest allgemein zugänglicher Hard- und Software wiedergeben bzw. in sonstiger Weise sinnvoll im Sinne des § 11 UrhG nutzen lassen und damit mehr darstellen als bloßen „Datenmüll“. Erst wenn dieser Beweis erfolgreich geführt werden kann, wäre im Hinblick auf die Höhe etwaiger Schadensersatzansprüche weiter zu prüfen, in welchem konkreten Umfang Werkfragmente genutzt worden sind.“

Diese Urteil sollte wirklich weit davon entfernt sein, als "Datenmüll" abgelegt zu werden, findet sich hier doch mal ein geniales Beispiel dafür, das technischer Sachverstand, datenschutzrechtliche Sensibilität und urheberrechtliches Know-how sich nicht ausschließen müssen - auch nicht an deutschen Gerichten.  

Dienstag, 13. Januar 2015

Studie beweist: Facebook kennt Dich besser als Deine Familie

   ... und viel besser als Deine Freunde oder Dein Anwalt
"Gefällt mir das?"
Mit dem „Gefällt mir"-Button „liken“ Facebook-Nutzerinnen und -Nutzer zahllose Inhalte wie Texte, Bilder, Videos oder Meinungen, die im Netz verbreitet werden. Sie legen damit oft unbedacht gleichzeitig persönliche Daten und Eigenschaften offen, die häufig nicht einmal ihr engstes Umfeld kennt.

Wissenschaftler der Universitäten Cambridge und Stanford um die Forscher Wu Youyou, Michal Kosinski und David Stillwell haben jetzt veröffentlicht, dass durch digitale Auswertung dieser Facebook-„Likes“ die Persönlichkeitsmerkmale der Nutzer ermittelbar sind, und zwar in einem Umfang und mit einer Genauigkeit, die sogar die Kenntnisse von Freunden und Familienmitgliedern deutlich übertreffen kann.
Das führt zu berechtigten Sorgen um die Persönlichkeitsrechte der Nutzerinnen und Nutzer.
Für die Studie stellten über 86.000 Facebook-Nutzer der Forschungsgruppe ihre Daten und ihr Profil zur Verfügung. Aus den diversen „Likes“ ergaben sich - was noch nicht verwundert - ihre Vorlieben für bestimmte Arten von Textbeiträgen, Bildern, Videos oder z. B. auch von Meinungen. Die Probanden nahmen im Rahmen der Untersuchung auch an detaillierten Psycho-Tests teil, in deren Verlauf es den Wissenschaftlern insbesondere um die fünf („Big Five“) wesentlichen Persönlichkeitsmerkmale
  • Neurotizismus (der Grad emotionaler Labilität),
  • Introversion/Extraversion (das Substantiv zum gebräuchlichen Adjektiv „extrovertiert“ ist nicht „Extroversion“),
  • Offenheit für Erfahrungen,
  • Gewissenhaftigkeit und
  • Verträglichkeit ging.
Die Facebook-Daten und die Test-Ergebnisse wurden sodann abgeglichen, um so festzustellen, welche „Likes“-Struktur typischerweise auf welche Persönlichkeitsmerkmale hinweist. So ergab sich etwa, dass das „Liken“ von Dali-Bildern oder von Beiträgen zum Thema Meditation auf eine überdurchschnittlich große Offenheit schließen lässt. Unzählige weitere entsprechende Muster konnten gesichert werden. Auf diese Weise gelang es, ein Programm zu entwickeln, mit dem anhand der „Like“-Button-Nutzung die persönlichen Wesenszüge bzw. Charaktere der jeweiligen Facebook-Nutzerinnen und -Nutzer feststellbar sind.
Zusätzlich ließen die Wissenschaftler das persönliche Umfeld wie Arbeitskollegen, Freunde und Familienangehörige der Test-Personen befragen, welche Persönlichkeitsmerkmale die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aufweisen. Wiederum waren insbesondere die oben genannten wesentlichen fünf Eigenschaften gefragt.
Und dann der spannende Vergleich, wessen Urteilsvermögen treffsicherer ist: Facebook-Button oder Familie? Mit überraschendem, wenn nicht sogar gruseligem Ergebnis:
Bei lediglich 10 Likes konnte eine Button-Analyse per Software die Charaktermerkmale der jeweiligen Person besser einzuschätzen als Arbeitskolleginnen oder -kollegen. Schon bei 70 „Gefällt mir“-Einträgen war das Programm treffsicherer als private Freunde und bei mindestens 150 Button-Klicks übertraf das Analyse-Programm sogar Familienmitglieder (bei Lebenspartnern waren 300 Klicks ausreichend, um gleichzuziehen). Facebook scheint regelmäßig also zumindest mehr über Dich zu wissen als Dein Anwalt. 
Auch wenn es einigen ganz nett erscheinen mag, wenn die Anbieter weltumspannender Netz- und Daten-Werke zunehmend „digitale emotionale Kompetenz“ hinsichtlich der User erlangen (um es beschönigend zu bezeichnen), ist es tatsächlich bereits seit längerer Zeit unverzichtbar, sich auch bei auf den ersten Blick banalen Klicks im World Wide Web sorgfältig zu überlegen, welche Abdrücke, Eindrücke und Spuren aus der eigenen Privat- und Intimsphäre man hinterlässt und hinterlassen will. 

Sonntag, 9. Februar 2014

Abmahnung und Klage: Zeugnistag mit Kinder-Daten vor dem BGH

Am 03.04.2014 gibt es Zeugnisse beim Ersten Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (Az. I ZR 96/13) und evtl.

„2 € für jede Eins“:

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen schickte einem Elektronik-Fachmarkt eine Abmahnung. Der Elektronikmarkt hatte in einer Zeitungsanzeige mit einer Werbeaktion geworben, bei der Schüler eine Kaufpreisermäßigung von 2 € für jede Eins auf dem Zeugnis erhielten. Laut der Anzeige sollte dafür das Originalzeugnis vorgelegt werden. Was nicht in der Annonce stand: Für den Erhalt der Ermäßigung verlangte der kreative Fachmarkt zusätzlich, das vorgelegte Zeugnis kopieren und diese Kopie bei sich behalten zu dürfen – auch eine phantasievolle Art, an interessante persönliche Daten jugendlicher Kunden heranzukommen.

Die Klage ist auf Unterlassung der angegriffenen Werbung und auf Erstattung der Abmahnkosten gerichtet.
Die Verbraucherschützer halten die Anzeige vor allem deshalb für unlauter, da die Werbeannonce die angesprochenen minderjährigen Schüler in unzulässiger Weise zum Kauf auffordere und deren geschäftliche Unerfahrenheit ausnutze.
Hilfsweise stützt der Verband die Klage darauf, dass die Werbung zudem deshalb unlauter sei, weil die Beklagte darin verschweige, dass sie das Zeugnis kopiert und speichert.
Das Landgericht Passau (Urteil vom 26.07.2012, Az. 3 O 843/11) hatte den Elektronik-Fachmarkt gemäß dem Hilfsantrag verurteilt.
Die Berufung des Elektronikmarktes vor dem OLG München (Urteil vom 06.12.2012, Az. 6 U 3496/12) hatte lediglich hinsichtlich der Abmahnkosten Erfolg. Nach Ansicht des OLG enthält die Werbung zwar eine an Kinder gerichtete Aufforderung zum Kauf. Sie verstoße aber nicht gegen die Verbotsnorm der Nr. 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG, weil sich der allgemeine Kaufappell nicht auf eine konkrete Ware, auf bestimmte Produkte beziehe, sondern auf das gesamte Warensortiment der Beklagten. Die Werbung übe auch keinen unangemessenen unsachlichen Einfluss auf die Entscheidungsfreiheit der angesprochenen Verbraucher aus und nutze auch nicht deren geschäftliche Unerfahrenheit aus.
Die Unlauterkeit der Anzeige folge aber aus § 4 Nr. 4 UWG, da in der Werbung keine ausreichenden Angaben über die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Preisermäßigung enthalten seien. Hieran fehle es, weil die Beklagte nicht angegeben habe, dass sie von dem vorzulegenden Zeugnis Kopien für ihre Unterlagen fertige.
Das OLG München hat die Revision zugelassen. Die Verbraucherschützer streben die Verurteilung des Elektronik-Fachmarktes entsprechend der Abmahnung und des Hauptantrages an.
Mal schauen, ob der BGH der Reklame zum Zeugnistag eine „Eins“ gibt oder ob diese unmittelbar an Minderjährige gerichtete Kauf-Einladung sowie die sich daran anschließende Daten-Sammlung in der mündlichen Verhandlung am 03. April 2014 als unlauterer „April-Scherz“ eine höchstrichterliche Abmahnung erhält.
 
 

Donnerstag, 16. Februar 2012

Aktuelles EuGH-Urteil: Urheberrecht rechtfertigt keine Netzfilter und keine vorbeugende Überwachungspflicht für Soziale Netzwerke - Verwertungsgesellschaft scheitert in Luxemburg

Es wirkt wie eine weitere Abmahnung des höchsten Europäischen Gerichts an die Rechte-Industrie: Der EuGH hat per Pressemitteilung vom 16.02.2012 ein Urteil in der Rechtssache C-360/10 - Belgische Vereniging van Auteurs, Componisten en Uitgevers CVBA (SABAM) gegen Netlog NV - bekanntgegeben.

Danach kann der Betreiber eines Sozialen Netzwerks im Internet nicht dazu gezwungen werden, ein generelles, alle Nutzer des Netzwerks erfassendes Filtersystem einzurichten, um die unzulässige Nutzung musikalischer bzw. audiovisueller Werke zu verhindern. 


Klägerin ist die belgische Verwertungsgesellschaft SABAM, die Autoren, Komponisten und Herausgeber musikalischer Werke vertritt und sich auf die Urheberrechte ihrer Mitglieder berufen will. Sie ist u. a. auch für die Genehmigung der Verwendung ihrer geschützten Werke durch Dritte zuständig ist.

Beklagte ist die Netlog NV, die eine von über 10 Millionen Personen genutzte Plattform für ein Soziales Netzwerk im Internet betreibt. In dem sozialen Netzwerk bekommt jeder User einen persönlichen Bereich, ein weltweit zugängliches Profil, zur Verfügung gestellt. Dies kann der jeweilige Inhaber dann selbst in üblicher Weise mit Inhalten versehen. Es werden die für soziale Netzwerke klassischen Funktionen bereitgestellt: Man kann online kommunizierende Gemeinschaften (und Freundschaften) aufbauen und z. B. ein Tagebuch führen, eigene Hobbies, Vorlieben und Freunde dokumentieren, Fotos und Videos veröffentlichen oder seine Meinung kundtun.

Die SABAM rügte, das Soziale Netzwerk der Netlog NV ermögliche allen Usern, über das Profil musikalische bzw. audiovisuelle Werke aus dem SABAM-Repertoire zu nutzen, indem sie diese Werke andern Usern bzw. der Öffentlichkeit zugänglich machten, ohne dass die SABAM dem zugestimmt hätte und ohne dass die Netlog NV hierfür eine Vergütung zahlte.

Am 23.06.2009 verklagte die SABAM die Netlog NV beim Präsidenten der "Rechtbank van eerste aanleg te Brussel" in Belgien .

Die Klägerin beantragte u. a.,
der Netlog NV unter Androhung eines Zwangsgelds von 1000 Euro für jeden Tag des Verzugs aufzugeben, ab sofort jede unzulässige Zurverfügungstellung musikalischer oder audiovisueller Werke aus dem Repertoire von SABAM zu unterlassen. 
Die Netlog NV war der Ansicht, der Erlass der von SABAM beantragten Unterlassungsanordnung würde dazu führen, dass ihr eine allgemeine Überwachungspflicht auferlegt würde, was nach der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr (Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 08.06.2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt - ABl. L 178, S. 1 - Art. 15.) verboten sei.

Die Rechtbank van eerste aanleg hat den EuGH angerufen mit der Fragestellung, "ob das Unionsrecht einer Anordnung eines nationalen Gerichts an einen Hosting-Anbieter in Gestalt des Betreibers eines Sozialen Netzwerks im Internet entgegensteht, ein System der Filterung der von den Nutzern seiner Dienste auf seinen Servern gespeicherten Informationen, das unterschiedslos auf alle diese Nutzer anwendbar ist, präventiv, allein auf eigene Kosten und zeitlich unbegrenzt einzurichten."
Der EuGH hat entschieden: Der Betreiber eines Sozialen Netzwerks im Internet kann nicht dazu gezwungen werden, ein generelles, alle Nutzer des Netzwerks erfassendes Filtersystem einzurichten, um die unzulässige Nutzung musikalischer bzw. audiovisueller Werke zu verhindern.
Der EuGH betrachtet die Netlog NV als Hosting-Anbieter und begründet seine Entscheidung damit, dass eine Filter-Pflicht gegen das Verbot verstößt, dem Anbieter eines derartigen Netzwerkes eine allgemeine Überwachungspflicht aufzuerlegen. Gleichzeitig würde so auch das Erfordernis missachtet, "ein angemessenes Gleichgewicht zwischen dem Urheberrecht einerseits und der unternehmerischen Freiheit, dem Recht auf den Schutz personenbezogener Daten und dem Recht auf freien Empfang oder freie Sendung von Informationen andererseits zu gewährleisten."

Ein Filtersystem würde nach Einschätzung des höchsten Europäischen Gerichts dazu führen, dass im Interesse der Inhaber von Urheberrechten sämtliche, zumindest aber der größte Teil der beim Hosting-Provider gespeicherten Informationen überwacht werden müsse. Dies führe zu einer deutlichen Beeinträchtigung der unternehmerischen Freiheit der Netlog NV. Der Betreiber des Sozialen Netzwerks würde nämlich auf diese Weise gezwungen, allein auf seine Kosten ein kompliziertes, kostspieliges, auf Dauer angelegtes Informatiksystem einzurichten. Zudem könne ein derartiges Filtersystem auch Grundrechte der User beeinträchtigen wie die oben bereits erwähnten Rechte auf den Schutz personenbezogener Daten und auf freien Empfang oder freie Sendung von Informationen.

Das sind deutliche Worte aus Luxemburg, die in einigen aktuellen Debatten nicht überhört werden sollten.

Upgrade: Und hier der Link zum vollständigen Urteil der Dritten Kammer des EuGH vom 16.02.2012, Az. C‑360/10.

Samstag, 16. April 2011

"Filesharing"-Sperren und-Filter verfassungswidrig: EuGH-Generalanwalt erteilt "Abmahnung" an Verwertungsgesellschaft und Gericht

Der EuGH-Generalanwalt M. Pedro Cruz Villalón hat in seinem Schlussantrag in einem Rechtsstreit (Az. C-70/10) zwischen der belgischen Verwertungsgesellschaft SABAM und dem Internet-Provider Scarlet Extended zu den EU-rechtlichen Voraussetzungen von Filter- und Sperrsystemen gegen Filesharing Stellung bezogen:
 

Der mit einem Filter- und Sperrsystem einhergehende Eingriff in Art. 7 (Kommunikationsfreiheit), Art. 8 (Schutz personenbezogener Daten) und Art. 11 (Informationsfreiheit) der EU-Grundrechte-Charta ist nur auf der Grundlage eines zugänglichen, klaren und vorhersehbaren Gesetzes rechtlich zulässig. Die belgische Regelung erfüllt diese Kriterien nicht, sondern ist "ungewöhnlich, neu und unerwartet".


In Belgien kann bisher schon per bloßer gerichtlicher Verbotsverfügung ein umfassendes Filter- und Sperrsystem zu Lasten einer unbestimmten Vielzahl natürlicher und juristischer Personen angeordnet werden. Betroffen sind dabei ebenso Nutzer anderer Internet-Provider, soweit diese sich mit den Kunden des jeweils betroffenen Providers austauschen. Damit müssten nicht nur Daten gesperrt bzw. gefiltert werden, die von belgischen Nutzern eingestellt werden, sondern auch die Daten ausländischer User. 


Es gibt zudem nach Auffassung des Generalanwalts am EuGH kein System von Internetfiltern und -sperren, das konkret ausnahmslos spezifisch unzulässige Inhalte erfasst. Das wäre aber Voraussetzung, um im Einklang mit Art. 11 EU-Grundrechtecharta (Informationsfreiheit) zu stehen. In dem Zusammenhang wird ferner gerügt, dass die Zwangsmaßnahmen allgemein und präventiv angewandt werden - ohne konkrete vorherige Feststellung einer tatsächlichen Verletzung oder der Gefahr einer unmittelbaren Verletzung von Urheberrechten. 

Der Generalanwalt sieht auch Einschränkungen des Rechts auf Beachtung des Kommunikationsgeheimnisses sowie - mangels hinreichender Möglichkeiten der rechtlichen Anfechtung durch Betroffene - Verletzungen der Rechtsstaats-Garantie

Es wird davon ausgegangen, dass der Europäische Gerichtshof , der an den Entscheidungsvorschlag des Generalanwalts nicht gebunden ist, diesem - wie in der Mehrzahl der Fälle - folgt. Vorausgegangen war ein Vorabentscheidungsersuchen des nationalen Berufungsgerichts in Brüssel. 

Die Augen sind nun auf den belgischen Gesetzgeber gerichtet und darauf, inwieweit dieser sachgerecht, angemessen und verhältnismäßig den schutzwürdigen Belangen aller Beteiligter gerecht wird.