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Freitag, 16. Oktober 2015

BGH-Abmahnung an das OLG Hamburg: Der Rap zum Urheberrecht

BGH-Urteil: Da ist Musik drin.
Mit nachlesbarem Urteil des BGH vom 16. April 2015 (Az.I ZR 225/12) hat der Erste Zivilsenat aus Karlsruhe dem OLG-Senat in Hamburg zur Musik von Bushido den urheberrechtlichen und verfahrensrechtlichen Marsch geblasen.

Die Kläger sind Mitglieder einer französischen Band. Sie behaupten, Bushido habe bei 13 von ihm veröffentlichten Musiktiteln Musik-Sequenzen von je etwa zehn Sekunden verwendet, die aus den Originalaufnahmen der Band gesampelt worden seien. Diese Musikteile habe Bushido jeweils als sich ständig wiederholende Tonschleifen, sogenannte Loops, zusammengesetzt, mit einem Schlagzeug-Beat verbunden und darüber seinen Rap gelegt.  
Einer der Kläger beruft sich auf sein Urheberrecht als Komponist. Die anderen Kläger berufen sich auf vermeintliche urheberrechtliche Ansprüche als Texter, obwohl der beklagte Rapper deren Texte nicht übernommen hat. Die Kläger verlangen nach vorausgegangener Abmahnung mit der Klage Unterlassung, Erstattung von Abmahnkosten und Zahlung einer Entschädigung für einen erlittenen immateriellen Schaden sowie ferner, dass der Beklagte einer Auskunftserteilung der GEMA gegenüber den Klägern über die sämtlichen Auswertungen und gegenüber dem Beklagten abzurechnenden Erlöse zustimmt. Die Kläger streben außerdem an, dass der Beklagte im Hinblick auf 12 der beanstandeten Musikstücke gegenüber der GEMA die Zustimmung zu seiner Streichung als Komponist sowie zur Eintragung des Klägers zu 1 als Komponist erteilt.

Der Rapper hat gegen das der Klage überwiegend stattgebende OLG-Urteil Revision zum BGH eingelegt.   
Die Karlsruher Richter stellen klar, dass die klagenden Textdichter keine Urheberrechte hinsichtlich der Musik-Sequenzen geltend machen können, sie nicht als Miturheber der Musikstücke anzusehen sind. Deren sogenannte Aktivlegitimation wird also verneint. Die Annahme einer Miturheberschaft setzt nämlich voraus, dass mehrere ein Werk gemeinsam geschaffen haben, ohne dass sich ihre Anteile gesondert verwerten lassen, was aber bei einerseits Text und andererseits Musik nicht der Fall ist. Liedtexte sind Sprachwerke gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG, musikalische Kompositionen sind demgegenüber Werke der Musik gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 UrhG. Diese beiden Werkarten sind selbstverständlich gesondert verwertbar und ein urheberrechtlicher Schutz hinsichtlich einer Verbindung von zwei unterschiedlichen Werkarten gewährt das Gesetz nicht.
Der BGH-Senat hat dann geprüft, ob eine Bearbeitung oder andere Umgestaltung oder lediglich eine freie Benutzung fremder Werke vorliegt. Dabei ist zu untersuchen, ob und ggf. welche objektiven Merkmale die schöpferische Eigentümlichkeit des benutzten Werkes ausmachen. Danach sind die streitgegenständlichen Gestaltungen zu vergleichen dahingehend, ob und ggf. in welchem Umfang in der gerügten Gestaltung eigenschöpferische Züge des älteren Werkes übernommen worden sind. Dabei kommt es auf den Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Gestaltungen an. Stimmt der Gesamteindruck überein, liegt eine Vervielfältigung des früheren Werkes vor. Dennoch kann das gerügte Werk derart wesentliche Veränderungen aufweisen, dass es nicht als reine Kopie zu bewerten ist. Es kann sich dann entweder als unzulässige Bearbeitung oder andere Umgestaltung gemäß § 23 UrhG darstellen oder als zulässige freie Benutzung des Ausgangswerkes gemäß § 24 UrhG. Die schöpferische Eigentümlichkeit liegt bei Musikwerken in ihrer individuellen ästhetischen Ausdruckskraft, woran urheberrechtlich auch nicht zu übertriebene Anforderungen gestellt werden dürfen. Es wird auch die sogenannte  kleine Münze geschützt, also auch recht einfache Kompositionsleistungen mit verhältnismäßig geringem Eigentümlichkeitsgrad.
Auf den künstlerischen Wert kommt es also nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht an. Eine schutzfähige Leistung kann sich aus der Melodie, dem Einsatz von Rhythmik, Tempo, Harmonik und Arrangement, aber auch Instrumentierung und Orchestrierung ableiten lassen. Keinen Urheberrechtsschutz genießen allerdings rein handwerkliche Leistungen „unter Verwendung formaler Gestaltungselemente, die auf den Lehren von Harmonik, Rhythmik und Melodik beruhen“.
Zum sogenannten „musikalischen Allgemeingut“ gehörende Tonfolgen einfachster Art oder bekannte rhythmische Strukturen sind nicht urheberrechtsfähig. Eine gewisse Gestaltungshöhe ist eben auch bei Musikwerken unverzichtbar. Maßgeblich ist insoweit die Auffassung „der mit musikalischen Fragen einigermaßen vertrauten und hierfür aufgeschlossenen Verkehrskreise“.
Der BGH vermisst beim Urteil des Hanseatischen OLG dazu nachvollziehbare Darlegungen des Gesamteindrucks der sich im Streitfall gegenüberstehenden Musik-Sequenzen. 
Die Rügen des BGH gegenüber dem Hamburger Berufungsgericht lauten unter Anderem:
„Soweit im Berufungsurteil auf einen ‚Gesamteindruck‘ Bezug genommen wird und sich das Berufungsgericht insoweit auf das den wechselseitig eingereichten Parteigutachten zu entnehmende Notenbild sowie auf den durch wiederholtes Anhören der entsprechenden Passagen gewonnenen Höreindruck gestützt hat, hat es zwar die tatsächlichen Grundlagen seiner Beurteilung benannt, nicht aber den daraus gewonnenen Gesamteindruck selbst nachvollziehbar beschrieben.“ 
und

„Die Beurteilung des Berufungsgerichts lässt nicht erkennen, warum der kompositorische Einsatz sphärischer Klänge mit Blick auf die vom Kläger verfolgte musikalische Stilrichtung des ‚Gothic‘ nicht als musikalisches Allgemeingut anzusehen ist, sondern über ein rein handwerks- oder routinemäßig anzusehendes Klangspektrum hinausgeht und deshalb eine individuelle Leistung ist.“
und

„Soweit das Berufungsgericht die von ihm durch Anhören der vom Kläger zur Akte gereichten Tonträger ermittelten Instrumente nur benennt (‚Streichinstrumente und Keyboard‘), ohne diese Instrumentierung konkret von einer rein handwerks- oder routinemäßigen Leistung abzugrenzen, fehlt es bereits im Ausgangspunkt an der Darlegung einer individuellen kompositorischen Schöpfung. Soweit das Berufungsgericht von einer ‚besonderen Art der Instrumentierung‘ oder deren ‚Eigentümlichkeit‘ ausgeht, hat es nicht nachvollziehbar dargelegt, worin die Besonderheit und Eigentümlichkeit bestehen soll. Auch die Annahme des Berufungsgerichts, der Einsatz einer ‚Röhrenglocke (tatsächlich wohl Keyboard)‘, die an den Klang von Kirchenglocken erinnere, sei eine Besonderheit, ist ohne Feststellungen zur für die im Streitfall maßgebliche Musikrichtung des ‚Gothic‘ gewöhnlich gewählten Instrumentierung nicht nachvollziehbar. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass das Berufungsgericht an anderer Stelle festgestellt hat, dass die Musikrichtung des ‚Gothic‘ sich durch eine getragene Musik und einen mit Metaphern geschmückten Inhalt der Texte über Abschied und Tod auszeichnet. In diesem Kontext erscheint die Annahme nicht fernliegend, dass der Einsatz von Kirchenglocken zum musikalischen Allgemeingut zählt.“
und

„Die Ausführungen des Berufungsgerichts lassen weder erkennen, wodurch sich der Rhythmus der jeweiligen Passagen in Bezug auf Takt, Tempo, Betonung und Phrasierung auszeichnet, noch welchen Einfluss der gewählte Rhythmus in der Zusammenschau mit anderen Gestaltungsmitteln auf die ästhetische Gesamtwirkung der Passage hat.
Auch die vom Berufungsgericht teilweise zusätzlich zur Instrumentierung und Rhythmisierung herangezogenen Kriterien begründen nicht hinreichend nachvollziehbar eine hinreichende Schöpfungshöhe der als übernommen gerügten Musiksequenzen. Die vom Berufungsgericht herangezogenen Gesichtspunkte der ‚Einprägsamkeit‘ und des ‚Wiedererkennungseffekts‘ sind für die Begründung einer eigenschöpferischen kompositorischen Leistung nicht geeignet.“
und

„Die Revision hat ferner zutreffend einen Verfahrensfehler darin gesehen, dass das Berufungsgericht die urheberrechtliche Schutzfähigkeit der streitbefangenen Passagen der vom Kläger komponierten Musiktitel aufgrund eigener Sachkunde beurteilt hat.

… Hat das Berufungsgericht das Verständnis des Verkehrs ohne Inanspruchnahme sachverständiger Hilfe beurteilt, obwohl es selbst nicht hinreichend sachkundig ist, oder hat es eine mögliche, aber keineswegs selbstverständliche eigene Sachkunde nicht dargelegt, handelt es sich um einen Verfahrensfehler nach § 286 ZPO, der im Revisionsverfahren uneingeschränkt gerügt werden kann (BGH, Urteil vom 2. Oktober 2003 - I ZR 150/01, BGHZ 156, 250, 254 - Marktführerschaft, mwN). Im Streitfall liegt ein solcher Verfahrensfehler vor.“
und
„Soweit das Berufungsgericht ausgeführt hat, seine Mitglieder verfügten über eigene Sachkunde, die zum Teil aus eigener musikalischer Praxis erwachsen sei, hat es weder Art noch Umfang dieser Praxis und der sich daraus ergebenden Kenntnisse mitgeteilt. Es ist auch nicht ersichtlich, ob damit allein praktische Fertigkeiten gemeint sind oder die für die Beurteilung der Schutzfähigkeit von Musikwerken notwendigen theoretischen Kenntnisse der Lehren der Harmonik, Rhythmik und Melodik sowie das notwendige spezielle Wissen über die Üblichkeit der Verwendung von Gestaltungsmitteln in der maßgeblichen Musikrichtung. Auch der Hinweis auf die langjährige Beschäftigung mit Musik im Zusammenhang mit Urheberrechtsverletzungen als Mitglieder eines auf Urheberrecht spezialisierten Senats lässt nicht hinreichend konkret erkennen, ob der Inhalt und Umfang der Sachkunde des Berufungsgerichts den im Streitfall maßgeblichen Anforderungen genügen.“
Der BGH wendet sich gegen die Auffassung des OLG, die Übernahme der Musiksequenzen stelle eine unzulässige urheberrechtsverletzende Bearbeitung, weil sich der Beklagte nicht auf eine zulässige freie Benutzung im Sinne von § 24 UrhG berufen könne. Der BGH vermisst in dem Zusammenhang eine sachgerechte Analyse nach objektiven Merkmalen seitens das Hanseatische Oberlandesgericht.
Dazu heißt es dann im BGH-Urteil:
„Den Ausführungen des Berufungsgerichts, mit denen es urheberrechtsverletzende Benutzungshandlungen angenommen hat, fehlt damit eine tragfähige Grundlage.“
Der dritte Leitsatz der Bundesrichter lautet schließlich:

„Für die Beurteilung der schöpferischen Eigentümlichkeit eines Musikstücks und die insoweit maßgebliche Abgrenzung von nicht dem Urheberrechtsschutz zugänglichem rein handwerklichem Schaffen unter Verwendung formaler Gestaltungselemente, die auf den Lehren von Harmonik, Rhythmik und Melodik beruhen oder die sonst zum musikalischen Allgemeingut gehören, reicht das bloße Anhören eines Tonträgers durch die Tatrichter grundsätzlich nicht aus; es wird vielmehr im Regelfall die Hilfe eines Sachverständigen unerlässlich sein.“ 
Da werden dem Hanseatischen Berufungsurteil musikalisch aber im rhythmisch heftigen Takt die urheberrechtlichen Leviten gelesen; dass hört sich schon fast wie eine gerappte Abmahnung aus Karlsruhe an.  

Freitag, 8. Mai 2015

OLG Köln begrenzt Abmahnungsrecht bei Film-Filesharing-Abmahnungen


Kein roter Teppich für Film-Filesharing-Abmahnung vor dem OLG Köln
Das Oberlandesgericht Köln hat einer abmahnenden Filmproduktionsgesellschaft die Grenzen ambitionierter Filesharing-Abmahnungen aufgezeigt, wenn ein Filmproduzent an einem Film Dritten ein ausschließliches Nutzungsrecht einräumt. Dann kann der Filmproduzent nämlich in seiner Möglichkeit, Internetanschlussinhaber wegen vermeintlicher illegaler Filesharing-Verstöße abzumahnen, mangels eigenen Urheberrechts und bei fehlendem materiellen Interesse beschränkt oder sogar gehindert sein. 
Nach einem zur Vorbereitung von Filesharing-Abmahnungen stattfindenden Auskunfts- bzw. Gestattungsverfahren zur Ermittlung von Internetanschlussinhabern, denen zu bestimmten Zeitpunkten bestimmte dynamische IP-Adressen zugewiesen gewesen sein sollen, hat das OLG Köln mit Beschluss vom 17.04.2015 (Az. 6 W 14/15) dem Abmahnungsadressaten Recht gegeben. Auf seine Beschwerde hin wurde festgestellt, dass der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 204 O 24/14 – vom 11. 2. 2014 den Abmahnungsempfänger in seinen Rechten verletzt hat, soweit darin dem Internetserviceprovider gestattet worden ist, der abmahnenden, in Kanada ansässigen Filmproduktionsgesellschaft unter Verwendung von Verkehrsdaten Auskunft über den Namen und die Anschrift desjenigen Inhabers eines Internetanschlusses zu erteilen, dem am 09. 02. 2014 um 10:12:30 Uhr (CET) die IP-Adresse 217.xxx.xxx.xx zugewiesen war. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens wurden der abmahnenden Filmproduzentin auferlegt.
Das Oberlandesgericht hat eine ausreichende Aktivlegitimation der vermeintlichen Rechteinhaberin und damit im Ergebnis auch Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche der Abmahnerin verneint.
Der OLG-Senat führt dazu aus:
„Das der dinglichen Rechtsposition des ausschließlich Nutzungsberechtigten zugeordnete Verbietungsrecht gemäß § 97 Abs. 1 UrhG wird grundsätzlich durch den Inhalt der eingeräumten Nutzungsart (§ 31 Abs. 1 UrhG) bestimmt (Senat, GRUR 2000, 414, 416 – „GRUR/GRUR Int“) und findet seine Grenze regelmäßig in der jeweils eingeräumten Nutzungsart und den hierzu getroffenen vertraglichen Vereinbarungen (BGH, GRUR 1992, 310, 311 – Taschenbuch-Lizenz; Senat, ZUM-RD 2014, 162 = juris Tz. 5; Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Auflage 2010, vor § 28 Rn. 82; Fromm/Nordemann, UrhG, 10. Auflage 2008, § 97 Rn. 133). Das Verbietungsrecht kann zwar über das Benutzungsrecht hinausgehen, wenn dies erforderlich erscheint, um die Nutzungsbefugnis zu dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch wirksam zu schützen (BGH, NJW 1953, 1258, 1259 – Lied der Wildbahn; BGHZ 141, 267 = GRUR 1999, 984, 985 – Laras Tochter; Wild in: Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Auflage 2010, § 97 Rn. 50).
Ein Verbietungsrecht besteht jedoch nicht mehr, wenn der Inhaber eines ausschließlichen Nutzungsrechts seine Rechte an Dritte übertragen hat. Mit der Übertragung des ausschließlichen Nutzungsrechts erlischt die Aktivlegitimation des bisherigen Inhabers und die Aktivlegitimation des neuen Inhabers wird begründet (Dreier, in: Dreier/Schulze, UrhG, 4. Aufl. 2013, § 97 Rn. 19). Der Inhaber eines ausschließlichen Nutzungsrechts bleibt ferner auch nach der Einräumung eines solchen Nutzungsrechts weiterer Stufe klageberechtigt, wenn er an den Verkaufserlösen des Unterlizenznehmers beteiligt ist. Der Feststellung, dass seine Lizenzeinnahmen durch die Verletzungshandlung tatsächlich beeinträchtigt sind, bedarf es dazu nicht (BGHZ 141, 267 = GRUR 1999, 984, 985 – Laras Tochter; GRUR 2010, 920 Tz. 16 – Klingeltöne für Mobiltelefone II).“ 
Die Filmproduzentin aus Vancouver wollte sich zum Nachweis ihrer angeblichen Rechteinhaberschaft auf einen Eintrag im US Copyright Register sowie eine eidesstattliche Erklärung ihres CEO E. W. berufen, nach der sie für Produktion und Finanzierung des Filmes verantwortlich gewesen ist. Sie bestritt allerdings nicht, dass sie Nutzungsrechte zur Verwertung des Films an Dritte vergeben hat, zumal sie selbst ein sogenanntes „Sales Agency Agreement“ vorlegte. Der Abgemahnte Inhaber des Internetanschlusses konnte außerdem Ausdrucke aus dem Internet vorweisen, nach denen die Rechte für Deutschland zumindest teilweise bei einer „J. GmbH“ liegen.
Die Filmproduktionsgesellschaft meinte, ihre Aktivlegitimation sei unabhängig von der Frage, ob sie an den Erlösen der Filmverwertung partizipiere und Ihre Berechtigung folge aus ihrem Urheberpersönlichkeitsrecht.
Demgegenüber differenziert das OLG Köln zu Recht zwischen Urheberrecht, Urheberpersönlichkeitsrecht, Leistungsschutzrecht und Nutzungsrecht sowie ideellen Interessen und materiellen Verwertungsinteressen, prüft juristisch penibel und stellt klar:
„Zutreffend ist, dass dem Urheber selber trotz der Übertragung der ausschließlichen Nutzungsrechte ein eigenes negatives Verwertungsrecht, mithin ein selbständige Verbotsrecht gegenüber rechtswidrigen Verwertungshandlungen Dritter zustehen kann (OLG München, GRUR 2005, 1038, 1039 – Hundertwasserhaus II; Nordemann, in: Fromm/Nordemann, UrhG, 10. Aufl. 2008, § 97 Rn. 128; Wild, in: Schricker/Loewenheim, UrhG, 4. Aufl. 2010, § 97 Rn. 48). Die Beteiligte zu 1) übersieht jedoch, dass sie nach dem infolge des Schutzlandprinzips hier anwendbaren deutschen Recht nicht Urheberin des Films ist. Zutreffend ist, dass nach dem Recht der USA dem Filmhersteller ein originäres Urheberrecht zukommen kann. Ob dies auch nach dem kanadischen Recht der Fall ist – die Beteiligte zu 1) hat ihren Sitz in Kanada –, kann offen bleiben. Selbst wenn US-Recht anwendbar sein sollte oder das kanadische Recht ein entsprechendes Rechtsinstitut vorsehen sollte, so würde dies nicht dazu führen, dass die Beteiligte zu 1) nach deutschem Recht als Urheberin anzusehen wäre, da ein originäres Urheberrecht des Filmherstellers mit dem Schöpferprinzip des § 7 UrhG nicht vereinbar ist. Ein nach US-Recht bestehendes originäres Urheberrecht ist daher in ein von den einzelnen Filmurhebern eingeräumtes ausschließliches und unbeschränktes Verwertungsrecht umzudeuten (vgl. Senat, Beschluss vom 11. 11. 2010 – 6 W 182/10; Nordemann, in: Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 10. Aufl. 2008, vor §§ 88 ff. Rn. 25). An einem eigenen Urheberrecht der Beteiligten zu 1) fehlt es daher.
Urheberpersönlichkeitsrechte können daher nur den an der Herstellung des Films beteiligten Schöpfern zukommen, nicht jedoch der Beteiligten zu 1). Ideelle Interessen der Beteiligten zu 1), die über diejenigen der Filmurheber hinausgehen würden, sind nicht erkennbar. Auf ein – zumindest im Recht der USA unbekanntes – Leistungsschutzrecht des Filmherstellers beruft sie sich nicht. Sie kann daher für den Fall, dass sie Dritten ausschließliche Nutzungsrechte übertragen hat, nach den oben dargelegten Grundsätzen nur dann selber gegen Rechtsverletzungen vorgehen, wenn sie ein eigenes materielles Interesse an der Rechtsverfolgung hat. Ein solches hat sie jedoch nicht dargelegt. Soweit sie gegenüber dem Landgericht darauf verwiesen hat, das „Sales Agency Agreement“ sehe ihre Beteiligung an den Lizenzeinnahmen vor, hatte sie zuvor im gleichen Schriftsatz (vom 26. 9. 2014) ausgeführt, nach diesem Vertrag sei eine Auswertung in Deutschland nicht vorgesehen. Ihm kann daher für die – maßgebliche – Nutzungsrechtslage in Deutschland nichts entnommen werden.“ 
Es ist folglich bei der Abwehr von Filesharing-Abmahnungen – neben zahlreichen weiteren Gesichtspunkten – auch verstärkt zu prüfen, ob dem jeweils abmahnenden Unternehmen die behaupteten Rechte überhaupt in urheberrechtlich relevanter Weise (weiter) zustehen.
  

Samstag, 22. Juni 2013

Filesharing-Abmahnung beim Pornofilm: Mehr Argumente zur Verteidigung

Hardcore-Abmahner sehen oft recht alt aus


Mit einem aktuellen Beschluss des LG München vom 29.05.2013 (7 O 22293/12) - errungen von den Kollegen SKW Schwarz - zeigt sich, dass bei Filesharing-Abmahnungen wegen "erotischer" Filme zusätzliche, bei der Rechtsverteidigung oft übersehene Gegenargumente existieren, die hier kurz zusammengefasst werden sollen:
  • Die Aktivlegitimation des in der anwaltlichen Abmahnung genannten angeblichen Rechteinhabers ist häufig mehr als zweifelhaft. Die abmahnende Unternehmung ist oft gar nicht der Produzent oder ein Online-Anbieter der erotisch bewegten Bilder. Ableitende Rechteketten werden nicht nachvollziehbar dargelegt.
  • Ein Schutz als Filmwerk nach § 94 UrhG scheitert, wenn an einer persönlichen geistigen Schöpfung i. S. d. § 2 Abs. 2 UrhG fehlt. Dies kann bei bewegten Bildern der Fall sein, die lediglich sexuelle Vorgänge in primitiver Weise zeigen und reine Pornografie darstellen.
  • Selbst ein lediglich subsidiärer und in der Abmahnung regelmäßig gar nicht geltend gemachter Schutz als Laufbilder gem. §§ 94, 95, 128 Abs. 2, 126 Abs. 2 UrhG scheidet aus, wenn ein Ersterscheinen der leibestüchtigen Laufbilder in Deutschland bzw. ein Ersterscheinen im Ausland und ein Nacherscheinen in Deutschland nicht ordnungsgemäß dargelegt werden können – etwa eine Kino-Vorführung, ein Online-Angebot von Video-on-Demand oder der Vertrieb von DVDs.
Auf zusätzliche Gesichtspunkte nicht vorliegender Täterhaftung bzw. nicht erfüllter Störerhaftung oder überhöhter Schadens- und Kosten-Bezifferung kommt es dann nicht einmal mehr streitentscheidend an. Bei Abmahnung wegen angeblicher Tauschbörsen-Teilnahme mit Hardcore-Filmen sieht der oder die abgemahnte Internet-Anschlussinhaber(in) also häufig gar nicht so alt aus wie manche Darsteller.