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Sonntag, 1. November 2015

Neues Filesharing-Urteil des AG Bielefeld: Kein Verdacht gegen Kinder „ins Blaue hinein“ und kein Ausforschungsbeweis



Einbahnstraße für Filesharing-Klagen "ins Blaue hinein"
Internetrecht: Keine Sippenhaft vor dem Amtsgericht Bielefeld
Der Versuch, nach einer Filesharing-Abmahnung die gegen den abgemahnten Anschlussinhaber erhobene Klage anschließend durch Klageerweiterung gegen die beiden Söhne des Beklagten durchzusetzen, ist erstinstanzlich gescheitert.
 
Der Hintergrund:
Der klagende Insolvenzverwalter der insolventen Computerspiel-Produzentin hielt es jüngst für raffiniert, die fehlende Tatbegehung des zunächst allein verklagten Familienvaters unstreitig zu stellen und sich dann zusätzlich dessen zwei minderjährige Söhne als Beklagte zu 2) und zu 3) vorzunehmen.  Diese verdächtigte der Kläger wegen „üblichem Nutzungsverhalten von ähnlichen Jugendlichen in entsprechendem Alter“ als die angeblichen „Täter“ der behaupteten Urheberrechtsverletzung.  Und der Vater, der Beklagte zu 1), sollte sodann wegen Verletzung seiner elterlichen Aufsichtspflicht gemäß § 832 BGB haften.
Dem folgte das Amtsgericht Bielefeld mit aktuellem Urteil vom 15.10.2015 (Az. 42 C 526/14) zu Recht nicht:
In den richterlichen Entscheidungsgründen heißt es dazu u.a. (Fettdruck durch den Blogger):  

„Allein der Umstand, dass das behauptete Filesharing über den Internetanschluss des Beklagten zu 1) durchgeführt worden sein soll, führt nicht zu einer Haftung des Beklagten zu 1) als Störer. Vielmehr setzt die verschuldensunabhängige Haftung als Störer voraus, dass eine Verletzung von Prüfpflichten gegeben ist. Dies ist aber nicht der Fall, weil ohne besonderen Anlass keine Verpflichtung des Anschlussinhabers besteht, die Internetnutzung volljähriger Mitbenutzer, wie vorliegend durch die Ehefrau S., auf mögliche Urheberrechtsverletzungen zu überwachen.“
„Der Beklagte zu 1) haftet auch nicht aus § 832 BGB, da es insoweit bereits an einer substantiierten Darlegung fehlt, dass die behauptete Urheberrechtsverletzung durch eine Person widerrechtlich verursacht wurde, über die der Beklagte zu 1) kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht verpflichtet ist. Insoweit hat der Kläger vorgetragen, dass der Beklagte zu 1) die streitgegenständliche Nutzungshandlung nicht begangen habe und daher nur 2 Personen als Täter übrig blieben. Es handele sich hierbei um die beiden Söhne des Beklagten zu 1), … . Im Übrigen entspreche es dem üblichen Nutzungsverhalten von ähnlichen Jugendlichen im seinerzeitigen Alter der beiden jetzigen Beklagten zu 2) und 3), entsprechende Computerspiele wie beispielsweise „Two Worlds II“ zu spielen. Bei diesem Vorbringen des Klägers handelt es sich um eine ins Blaue hinein aufgestellte Behauptung, da der Kläger keine näheren Tatsachen vorträgt, aus denen sich ergibt, dass die Beklagten zu 2) und 3) für die Rechtsverletzung verantwortlich seien. Neben dem Beklagten zu 1) hatte nämlich des Weiteren die Ehefrau des Beklagten zu 1), Frau S., ungehinderten Zugang zum Internetanschluss. Darüber hinaus ist eine gemeinschaftliche Tatbegehung durch die Beklagten zu 2) und 3) nicht plausibel. Allein die bloße Vermutung, dass Spielen entsprechender Computerspiele gehöre zum üblichen Nutzungsverhalten von ähnlichen Jugendlichen im seinerzeitigen Alter rechtfertigt es nicht, eine Tatbegehung durch die Beklagten zu 2) und 3) anzunehmen. Für eine Haftung des Beklagten zu 1) aus § 832 BGB reicht es auch nicht aus, vorzutragen, dass möglicherweise eines der Kinder des Beklagten zu 1) für die Rechtsverletzung verantwortlich sei. Die Haftung nach § 832 BGB setzt vielmehr voraus, dass konkret der Minderjährige festgestellt wird, der für die Rechtsverletzung verantwortlich ist. Der Beklagte zu 1) kann nämlich erst dann, wenn der konkrete Täter feststeht, nach § 832 Abs. 1 S. 2 BGB dazu vortragen, dass er seiner Aufsichtspflicht hinsichtlich des konkreten Täters genügt hat. Ohne Feststellung des konkret handelnden Täters wird nach § 832 Abs. 1 BGB nicht verlangt, dass sich der Erziehungsberechtigte bzgl. aller möglichen in Betracht kommenden minderjährigen Täter entlastet.
„Ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten zu 2) und zu 3) scheitert bereits daran, dass es an einer substantiierten Darlegung des Klägers fehlt, dass die Beklagten zu 2) und zu 3) für das behauptete Anbieten des Computerspiels verantwortlich sind. … Mangels eines substantiierten Sachvortrages zu einer Verantwortlichkeit der Beklagten zu 2) und zu 3) für die behauptete Urheberrechtsverletzung kam auch eine Vernehmung der Beklagten zu 2) und zu 3) als Partei nicht in Frage. Bei der entsprechenden Vernehmung der Beklagten zu 2) und zu 3) hätte es sich aufgrund des Fehlens eines substantiierten Sachvortrags bzgl. einer Haftung der Beklagten zu 2) und zu 3) um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis gehandelt.“ 
 
Résumé:

Viele diskutieren den Umfang sekundärer Darlegungspflichten der Abmahnungsadressaten und Filesharing-Beklagten.

Es wird Zeit, sich - wie in dem von meinem Mandanten errungenen neuen urheberrechtlichen Urteil des Amtsgerichts Bielefeld - auch prozessual sachgerecht mit den primären Darlegungs-, Substantiierungs- und Beweispflichten der abmahnenden und klagenden Rechteinhaber zu befassen. Schlichter familiärer Generalverdacht, realitätsferne "tatsächliche Vermutungen" und Sippenhaft ins Blaue hinein widersprechen geltendem Urheberrecht, Zivilprozessrecht und Verfassungsrecht.
 

Donnerstag, 15. Januar 2015

Neues Google-Urteil: Klage gegen Zeitungsverlag wegen „Sex and Crime“-Snippets abgewiesen


Google bleibt auch weiter Gegenstand medienrechtlicher Streitigkeiten. Heute erreichte mich das vollständige, bisher unveröffentlichte Urteil des Amtsgerichts Herford vom 01.12.2014, Az. 12 C 862/14, mit dem der Zeitungsverlag Neue Westfälische aus Bielefeld sich erfolgreich gegen vermeintliche Unterlassungs- und Schmerzensgeld-Ansprüche wehren konnte. Das Gericht folgte meinen rechtlichen Bewertungen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. 

Es ging im Wesentlichen um die Frage, ob ein Zeitungsverlag für Google-Suchergebnisse haftet, wenn in den sich auf eine Webseite des Verlages beziehenden Snippets verschiedene Fragmente kombiniert werden aus unterschiedlichen auf der Webseite enthaltenen redaktionellen Beiträgen und wenn dadurch in der Google-Kurzbeschreibung namentlich genannte Personen neben „Sex and Crime“-Begriffen aus anderen auf der Seite enthaltenen Beiträgen auftauchen.
 
Der Kläger fühlte sich durch entsprechende Snippet-Kombinationen z. B. mit dem Begriff „sexuelle Belästigung“ in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt und verlangte nach vorgerichtlicher Abmahnung vom Verlag Unterlassung, Schmerzensgeld und die Freistellung von den Kosten der anwaltlichen Abmahnung. 

Der Entscheidung des AG Herford lassen sich aus meiner Sicht die folgenden Leitsätze entnehmen:
  • Google-Suchergebnissen bzw. "Snippets", in denen aus verschiedenen Beiträgen einer Webseite mehrere unterschiedliche Textfragmente zusammengefasst werden, kommt nach dem maßgeblichen Beurteilungsmaßstab eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittsnutzers kein diese unterschiedlichen Fragmente zwingend verbindender Aussagegehalt zu. Insoweit werden durch derartige Zusammenfassungen und Kurzbeschreibungen für sich genommen auch keine Persönlichkeitsrechte in einem Teil der Fragmente namhaft gemachter Personen verletzt. 
  • Ein Zeitungsverlag bzw. Webseitenbetreiber haftet nicht für die von Google zugrundegelegten bzw. praktizierten Such- bzw. Zuordnungskriterien, insbesondere im Hinblick auf die in den "Snippets" generierte Zusammenstellung verschiedener Textfragmente aus auf einer Webseite enthaltenen unterschiedlichen redaktionellen Beiträgen. 
  • Einen Zeitungsverlag bzw. Webseitenbetreiber trifft insoweit auch keine Prüfungspflichten und keine Störerhaftung.  

.................................………………

 
 
Urteil des AG Herford vom 01.12.2014
Az. 12 C 862/14 

Gericht:                       Amtsgericht Herford

Datum:                        01.12.2014

Aktenzeichen:             12 C 862/14

 

Tenor:       Die Klage wird abgewiesen. 

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen. 

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
 

Tatbestand: 

Der Kläger begehrt von der Beklagten Unterlassung der Gestaltung von bestimmten Website-Inhalten sowie die Zahlung von Schmerzensgeld wegen einer behaupteten Persönlichkeitsrechtsverletzung. 

Die Beklagte ist die Herausgeberin der Neuen Westfälischen. Zum Zeitpunkt der behaupteten Verletzungshandlung betrieb die Beklagte unter der Domain „www.nw-news.de“ ein Onlinemedium, auf dem u. a. die in den Printmedien enthaltenen Artikel veröffentlicht wurden. Der Kläger war von 19xx bis zum xx.xx.20xx als Rechtspfleger beim Amtsgericht ....... tätig. In dieser Funktion wirkte  er u. a. an Zwangsversteigerungen mit, über die in den Medien – auch in den Printmedien der Beklagten – berichtet wurde. Die Beklagte berichtete mit einem Artikel vom 02.03.2014 über einen Zwangsversteigerungstermin des Klägers beim Amtsgericht ....... unter der Überschrift „Zwangsversteigerung abgeblasen“. Ferner berichtete sie am 11.08.2010 über einen Vorfall einer sexuellen Belästigung im Zug, sowie am 26.05.2011 unter dem Titel „Wenn die Grenze überquert ist“ über sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Am 06.04.2011 berichtete die Beklagte ferner unter der Überschrift „Autodieb auf frischer Tat ertappt“ über einen Autodiebstahl. Inhaltlich standen die Beiträge in keinerlei Zusammenhang. 

Der Kläger behauptet, dass jedenfalls im Zeitraum um seine Pensionierung im xxxx 2014 die genannten Artikel durch ein Verhalten der Beklagten derart verknüpft worden seien, dass in der Google-Suche nach dem Namen des Klägers, insbesondere mit den Begriffen „A. B. sexuelle“, „Rechtspfleger B.“, „A. B. Raub“ oder „Rechtspfleger B. Straftat“ Treffer zur Berichterstattung der Beklagten über Straftaten angezeigt worden seien und hierbei in der Kurzbeschreibung in der Google-Suche der Name des Klägers erschienen sei. Dies sei u. a. in folgenden Fällen der Fall gewesen:

„Autodieb auf frischer Tat ertappt – Neue Westfälische 06.04.2011 – Verwirrung bei Rechtspfleger A. B., Irritationen beim Vertreter der Stadtkasse…“
 

„Sexuelle Belästigung im Zug – Neue Westfälische 11.08.2010 – ein außergewöhnlicher Fall von sexueller Belästigung: am 06….Verwirrung bei Rechtspfleger A. B., Irritationen beim Vertreter der …“
 

„Wenn die Grenze überquert ist – Neue Westfälische 26.05.2011 – Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist auch in ....... ein Thema … Verwirrung bei Rechtspfleger A. B., Irritationen beim …“ 

Der Kläger behauptet ferner, dass er anlässlich seiner Verabschiedungsfeier beim Amtsgericht ....... am xx.xx.20xx in Gegenwart mehrerer Mitarbeiter des Amtsgerichts ......., u. a. des Direktors des Amtsgerichts ......, Google-Suchen durchgeführt habe und dabei bei unbefangenen Lesern der Eindruck entstanden sei, als stünde der Kläger mit den Vorkommnissen aus den Suchergebnissen in Verbindung. Die Beklagte habe vermutlich, was für den Kläger nicht zu rekonstruieren sei, eine Verlinkung der Berichte vorgenommen. Damit habe die Beklagte durch den auf der Website befindlichen Content und auch über interne Ver­linkun­gen, die ggf. auch schon wieder gelöscht worden seien, daran mitgewirkt, dass die Google-Ergebnisse in entsprechender Weise erschienen seien.
 

Der Kläger beantragt: 

1.

der Beklagten zu untersagen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis zu 2 Jahren,  

den Inhalt auf der Website www.nw-news.de derart zu gestalten, dass bei der Google-Suche nach dem Namen des Klägers, insbesondere mit den folgenden Begriffen „A. B. sexuelle“, „Rechtspfleger B.“, „A. B. Raub“ oder „Rechtspfleger B. Straftat“ Treffer zur Berichterstattung der Beklagten über Straftaten angezeigt werden und hierbei in der Kurzbeschreibung der Name des Klägers erscheint, wie z. B. in den folgenden Fällen: 

„Autodieb auf frischer Tat ertappt – Neue Westfälische 06.04.2011 – Verwirrung bei Rechtspfleger A. B., Irritationen beim Vertreter der Stadtkasse…“

„Sexuelle Belästigung im Zug – Neue Westfälische 11.08.2010 – ein außergewöhnlicher Fall von sexueller Belästigung: am 06….Verwirrung bei Rechtspfleger A. B., Irritationen beim Vertreter der …“ 

„Wenn die Grenze überquert ist – Neue Westfälische 26.05.2011 – Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist auch in ....... ein Thema … Verwirrung bei Rechts­­pfleger A. B., Irritationen beim …“ 

2.

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, wobei der Betrag in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber ein Betrag in Höhe von mindestens 2.000,00 € als angemessen empfunden wird.

3.

die Beklagte ferner zu verurteilen, den Kläger von vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 258,17 € freizustellen.
 

Die Beklagte beantragt, 

die Klage abzuweisen.
 

Die Beklagte tritt den Behauptungen und Rechtsansichten des Klägers unter näheren Darlegungen entgegen. Insbesondere behauptet sie, keinen Einfluss darauf zu haben, welche Suchergebnisse von Google generiert werden. Sie ist ferner der Ansicht, dass es ihr nicht zumutbar sei, die dort generierten Ergebnisse zu überwachen. 

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 01.12.2014 sowie die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe:
 

Die zulässige Klage ist unbegründet. 

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Amtsgericht Herford sachlich gem. § 23 I GVG und örtlich gem. §§ 21/32 ZPO zuständig.
 

Die Klage ist indes unbegründet. 

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte aus §§ 1004, 823 I, 1004, 823 II i. V. m. § 185 StGB. 

In der Veröffentlichung der Inhalte auf der Website der Beklagten und der daraus resultierenden Generierung von Suchergebnissen bei Google ist keine Rechtsgutsverletzung zu sehen. 

In Betracht kommt die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers. Dieses ist ein anerkanntes Schutzgut des § 823 BGB. Die vom Kläger beanstandeten sog. „Snippets“ haben nach Auffassung des Gerichts bereits keinen ehrverletzenden Aussagegehalt. Dadurch, dass die Suchmaschine Google die entsprechenden „Snippets“ generiert hat, hat die Beklagte nicht in ungerechtfertigter Weise in den Schutzbereich des aus Artikel 2 I i. V. m. Artikel 1 I Grundgesetz folgenden allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers eingegriffen. Sie hat weder eine unwahre noch eine ehrrührige Tatsache behauptet, noch stellen die „Snippets“ eine unzulässige Meinungsäußerung der Beklagten über den Kläger dar. 

Beurteilungsmaßstab ist dabei der eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittsrezipienten und Nutzers von Internetsuchmaschinen (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 26.05.2011 – Az. 2 U 67/11, Juris Rn. 112). 

Dabei ist nicht – wie der Kläger meint – maßgeblich, dass gerade Kollegen oder Bekannte des Klägers ein besonders wenig internetaffines Publikum seien. Maßstab ist vielmehr der Durchschnittsnutzer, dem in der heutigen Zeit durchaus eine gewisse Internetaffinität und eine gewisse Kenntnis vom Zustandekommen von Suchmaschinenergebnissen zuzubilligen ist. 

Betrachtet man die einzelnen Treffer, so wird in keinem dieser Treffer ein direkter Zusammenhang zwischen einer Straftat, einer sexuellen Belästigung o. ä. dem Kläger hergestellt. 

Die verschiedenen Artikel sind jeweils durch Punkte (…) in einzelne Treffer abgetrennt. Dabei ergibt sich beim Lesen für den Durchschnittsnutzer kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem der behaupteten rechtswidrigen Vorfälle und dem Versteigerungstermin des Klägers, über den unabhängig davon berichtet wurde.

Darauf, dass bei einigen nicht so internetaffinen Empfängern der Eindruck entstehen kann, hier bestehe ein gewisser Zusammenhang, kommt es für die Beurteilung einer Rechtsgutverletzung nicht maßgeblich an.

Sollte man die Rechtsgutverletzung im Sinne des § 1004 BGB noch bejahen können, so stellt sich im Rahmen der erforderlichen Verletzungshandlung sowohl beim Beseitigungs- als auch beim Unterlassungsanspruch des § 1004 BGB die Frage nach der Zumutbarkeit der begehrten Unterlassung. 

Es ist nicht ersichtlich und auch vom Kläger nicht schlüssig vorgetragen, dass es der Beklagten in irgendeiner Weise vorwerfbar bekannt war, dass die Veröffentlichung von Internetinhalten zu einem bestimmten Ergebnis in der Google-Suchmaschine führen würde. Dieses Ergebnis wird aufgrund bestimmter Suchkriterien, die nicht bei der Beklagten, sondern bei der Suchmaschine Google zugrundegelegt werden, erzielt. 

Es stellt sich also die Frage nach der Zumutbarkeit der begehrten Unterlassung, da sonst die Störerhaftung über Gebühr erstreckt würde. Die Haftung des Störers setzt auch das Bestehen sog. Prüfungspflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem Störer eine Prüfung zuzumuten ist (vgl. BGH Urteil vom 30.06.2009, Az. VII ZR 210/08, Juris Rn. 18).

Im vorliegenden Fall ist es illusorisch anzunehmen, dass Zeitungsverlage mit Online-Präsenzen, wie die Beklagte, die Vielzahl an eingestellten Artikeln täglich daraufhin überprüfen könnten, welche Suchergebnisse bei einzelnen in den Artikeln verwendeten Nachnamen in den verschiedenen Suchmaschinen erzeugt werden. Dieses ist der Beklagten nicht zuzumuten.

Mangels Rechtsgutverletzung bzw. zumutbarer Verletzungshandlung scheiden auch Schmerzensgeldansprüche des Klägers gegen die Beklagte aus. 

Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung, so dass auch der Freistellungsanspruch hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren unbegründet ist.

Die Nebenentscheidungen folgen hinsichtlich der Kosten aus § 91 ZPO, hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
 

.................................…………………………
 

Das Urteil ist noch nicht rechskräftig.

Freitag, 24. Mai 2013

Gestörte Störerhaftung und BGH-Thesen im Urteil zu Google-„Autocomplete“

    Mit Updates vom

    26.05.2013 und 08.04.2014 und 11.04.2014


  • Haftet Google für Kombinationen mit Suchwortergänzungen? 
  • Welchen Sinngehalt haben die generierten begrifflichen Kombinationen? 
  • Und wie weit geht die Störerhaftung?
1. Nimmt ein Betroffener den Betreiber einer Internet Suchmaschine mit Suchwortergänzungsfunktion auf Unterlassung der Ergänzung persönlichkeitsrechtsverletzender Begriffe bei Eingabe des Namens des Betroffenen in Anspruch, setzt die Haftung des Betreibers die Verletzung zumutbarer Prüfpflichten voraus.
2. Der Betreiber ist grundsätzlich erst verantwortlich, wenn er Kenntnis von der rechtswidrigen Verletzung des Persönlichkeitsrechts erlangt.
3. Weist ein Betroffener den Betreiber auf eine rechtswidrige Verletzung seines Persönlichkeitsrechts hin, ist der Betreiber verpflichtet, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern.

Auf die Revision der Kläger wurde das Berufungsurteil des 15. Zivilsenats des OLG Köln vom 10.05.2012 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

 

Sachverhalt:

Gegen Google machen eine Aktiengesellschaft, die im Internet über ein "Network-Marketing-System" Nahrungsergänzungsmittel und Kosmetika vertreibt, sowie deren Gründer und Vorstandsvorsitzender Unterlassungs- und Geldentschädigungsansprüche und ferner den Ersatz außergerichtlicher Abmahnungskosten geltend wegen als rechtsverletzend gerügter „predictions“ im Rahmen der "Autocomplete"-Funktion.

Die auftauchenden Suchvorschläge werden durch eine von Google entwickelte und eingesetzte Software auf der Basis eines Algorithmus ermittelt, der u.a. die Anzahl der von anderen Nutzern eingegebenen Suchanfragen einbezieht.

Bei Eingabe des klägerischen Namens erschienen im Wege der "Autocomplete"-Funktion per sich öffnendem Fenster als Kombinations-Vorschläge die Worte "Scientology" und "Betrug". Dadurch sehen sich die Kläger in ihrem Persönlichkeitsrecht und in ihrem geschäftlichen Ansehen verletzt, da der Vorstandsvorsitzende weder in irgendeinem Zusammenhang mit Scientology stehe, noch sei ihm ein Betrug vorzuwerfen oder je ein entsprechendes Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet worden. Zudem sei in keinem einzigen Suchergebnis eine Verbindung zwischen dem Kläger und "Scientology" bzw. "Betrug" ersichtlich.

Die Kläger haben zunächst im Beschlusswege eine einstweilige Verfügung vom 12. Mai 2010 erwirkt, durch die Google verboten wurde, nach Eingabe des Namens des Klägers als Suchbegriff im Rahmen der "Autocomplete"-Funktion die ergänzenden Kombinationsbegriffe "Scientology" und "Betrug" vorzuschlagen.

 

Nach Abmahnung und zunächst ergangener einstweiliger Verfügung haben sowohl die 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln als auch das OLG Köln die Klage abgewiesen, weil den automatisierten Suchergänzungsvorschlägen in der Suchmaschine kein eigener Aussagegehalt beizumessen sei. Aus Sicht eines durchschnittlichen Nutzers lasse sich der Anzeige der Ergänzungssuchbegriffe lediglich die eigene Aussage der Suchmaschine entnehmen, dass mehrere vorherige Nutzer die gewählten Begriffskombinationen zur Recherche eingegeben hätten oder dass sich die Ergänzungssuchbegriffe in verlinkten Drittinhalten jeweils als solche auffinden ließen. Diese Aussage sei wahr und daher von den Klägern hinzunehmen.. Das OLG hat die Revision zugelassen.

 

Zur Urteilsbegründung:

 
Nach Einschätzung des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes reichen demgegenüber die bisher in den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen (noch?) nicht aus, die Klage gegen Google abzuweisen.

Nach Auffassung der Karlsruher Richter beinhalten die dem klägerischen Namen zugewiesenen Suchwortergänzungsvorschläge "Scientology" und "Betrug" doch einen verletzenden Aussagegehalt und damit eine Beeinträchtigung der Persönlichkeitsrechte der Kläger.

Der mit dem Begriff "Scientology" in Verbindung mit dem Namen einer real existierenden Person zum Ausdruck gebrachte Sinngehalt ließe sich „hinreichend dahin spezifizieren“, dass zwischen dieser Sekte und der namentlich erwähnten Person „eine Verbindung besteht“, die auch geeignet sei, „eine aus sich heraus aussagekräftige Vorstellung hervorzurufen“. Aber welche von etlichen denkbaren "Verbindungen"? Welche konkrete "aussagekräftige" Vorstellung?


Mit der Verwendung des Begriffes „Betrug“ verbinde der Durchschnittsleser „zumindest ein sittlich vorwerfbares Übervorteilen eines anderen“ und verleihe ihm damit „einen hinreichend konkreten Aussagegehalt“.

Der BGH widerspricht der Auffassung der Vorinstanzen, dass man den von der Suchmaschine der Beklagten angezeigten Ergänzungssuchvorschlägen lediglich die Aussage entnehmen könne, dass vorherige Nutzer die gewählten Begriffskombinationen zur Recherche eingegeben haben oder dass sich die Ergänzungssuchbegriffe in verlinkten Drittinhalten auffinden lassen. Die mit Google nach Informationen suchenden Internetnutzer erwarteten von den ihnen nach der Eingabe des Suchbegriffs angezeigten ergänzenden Suchvorschlägen eben doch „einen inhaltlichen Bezug zu dem von ihm verwandten Suchbegriff“, würden ihn zumindest für möglich halten. Hierzu heißt es im Urteil:

 
„Aus dem "Ozean von Daten" werden dem suchenden Internetnutzer von der Suchmaschine der Beklagten nicht x-beliebige ergänzende Suchvorschläge präsentiert, die nur zufällig "Treffer" liefern. Die Suchmaschine ist, um für Internetnutzer möglichst attraktiv zu sein - und damit den gewerblichen Kunden der Beklagten ein möglichst großes Publikum zu eröffnen - auf inhaltlich weiterführende ergänzende Suchvorschläge angelegt. Das algorithmusgesteuerte Suchprogramm bezieht die schon gestellten Suchanfragen ein und präsentiert dem Internetnutzer als Ergänzungsvorschläge die Wortkombinationen, die zu dem fraglichen Suchbegriff am häufigsten eingegeben worden waren. Das geschieht in der - in der Praxis oft bestätigten - Erwartung, dass die mit dem Suchbegriff bereits verwandten Wortkombinationen - je häufiger desto eher - dem aktuell suchenden Internetnutzer hilfreich sein können, weil die zum Suchbegriff ergänzend angezeigten Wortkombinationen inhaltliche Bezüge widerspiegeln.“

Die vom BGH gewählte Figur „inhaltlicher Bezüge“ ist abstrakt und substanzlos und eine daran festgemachte vermeintliche Nutzer-Erwartung bereits deshalb m.E. sehr fragwürdig. Umso fragwürdiger aber erscheint mir die These, den streitgegenständlichen Wort-Komplettierungen sei die Aussage zu entnehmen, zwischen dem Kläger und den Begriffen "Scientology" und/oder "Betrug" bestehe ein sachlicher Zusammenhang. Selbst wenn man dem folgen wollte, fragt sich doch, welcher Art diese Verbindung denn sein soll, beispielsweise als Täter oder als Opfer oder etwa nur als Berichterstatter?

Die vom BGH dennoch ohne diesbezügliche Differenzierung und Problematisierung bejahte Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Kläger will das Gericht der Betreiberin der Suchmaschine auch unmittelbar zurechnen. Google habe per selbst geschaffenem Computerprogramm das Nutzerverhalten ausgewertet und sodann den Nutzern die entsprechenden Vorschläge unterbreitet. Google und nicht Dritte hätten die Verknüpfungen der Begriffe „hergestellt“ und im Netz zum Abruf bereitgehalten. Sie stammten deshalb unmittelbar von Google. Dieses so schlicht zu behaupten, ersetzt m. E. keine überzeugende Begründung.


Google haftet allerdings auch nach Auffassung des BGH nicht unbedingt für jede Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung durch Suchvorschläge. Zwar sei Google nicht bereits nach
§ 10 TMG von der Verantwortlichkeit für den Inhalt der von ihr betriebenen Website befreit. Google sei Diensteanbieter i. S. v. § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG, der eigene Informationen zur Nutzung bereit hält und deshalb auch gemäß § 7 Abs. 1 TMG nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich sei. Google würde im vorliegenden Fall nicht wegen der Durchleitung, Zwischenspeicherung oder Speicherung fremder Informationen in Anspruch genommen, sondern wegen „einer eigenen Information“, nämlich „konkret wegen der als Ergebnisse ihres Autocomplete-Hilfsprogramms dem Nutzer ihrer Internet-Suchmaschine angezeigten Suchwortergänzungsvorschläge“. Es ginge insofern um einen von Google angebotenen "eigenen" Inhalt und nicht um das Zugänglichmachen und/oder Präsentieren von Fremdinhalten, für die ein Diensteanbieter gemäß §§ 8 bis 10 TMG nur eingeschränkt verantwortlich ist. Auch an dieser Stelle wird Begründung durch schlichte These ersetzt.

Bei der Abwägung der Interessen der Kläger am Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte einerseits und der durch
Art. 2, 5 Abs. 1 und 14 GG geschützten Interessen von Google auf Meinungs- und wirtschaftliche Handlungsfreiheit andererseits berücksichtigt der Bundesgerichtshof, dass Google die Suchmaschinenfunktion zwar in ihrem eigenen geschäftlichen Interesse in der beschriebenen Weise betreibt, um Nutzer wegen der Effektivität der Suche an sich zu binden. Doch würden die Nutzer ihrerseits daraus den Vorteil einer begriffsorientierten Suche nach Daten und Informationen ziehen. Auf Seiten der Kläger sei für die Abwägung entscheidend, dass die verknüpften Begriffe einen unwahren Aussagegehalt hätten, weil der Kläger zu 2 weder in Verbindung mit einem Betrug gebracht werden könne, noch Scientology angehöre oder auch nur nahe stände. Äußerungen von unwahren Tatsachen müssten nicht hingenommen werden. Welche ausreichend substanzreiche Tatsachenbehauptung hier vermeintlich vorliegt, bleibt im Unklaren.

Jedenfalls könne eine Haftung von Google „als Störerin nicht von vornherein verneint werden“.

Eine Täterhaftung prüft der BGH immerhin erst gar nicht.

Selbst bei einer etwaigen Störerhaftung müsse Google allerdings nicht uneingeschränkt und unabhängig von Zumutbarkeitsgesichtspunkten haften, da nach den besonderen Umständen des Streitfalles der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit in einem Unterlassen liege. Das Entwickeln und die Verwendung der die Suchvorschläge erarbeitenden Software sei Google doch nicht vorzuwerfen, da es sich hierbei um eine durch
Art. 2, 14 GG geschützte wirtschaftliche Tätigkeit handele. Ein „Fallrückzieher“ der Karlsruher?

Der BGH verkennt nicht, dass das Suchmaschinenangebot zumindest nicht von vornherein auf eine Rechtsverletzung durch eine gegen eine bestimmte Person gerichtete unwahre Tatsachenbehauptung abzielt, da erst durch das Hinzutreten eines bestimmten Nutzerverhaltens „ehrverletzende Begriffsverbindungen entstehen“ können.

Die Tätigkeit von Google sei aber nicht nur rein technischer, automatischer und passiver Art und nicht ausschließlich beschränkt auf die Bereitstellung von Informationen für den Zugriff durch Dritte.

Google verarbeite die Abfragedaten der Nutzer in einem eigenen Programm, das die Begriffsverbindungen dann bilde. Für deren Angebot in Form eigener Suchvorschläge sei Google „grundsätzlich aufgrund der ihr zuzurechnenden Erarbeitung verantwortlich“. Google müsse sich grundsätzlich vorwerfen lassen, „keine hinreichenden Vorkehrungen getroffen zu haben, um zu verhindern, dass die von der Software generierten Suchvorschläge Rechte Dritter verletzen“. Schon wieder eine argumentative Kehrtwende?
 
Google sei allerdings grundsätzlich nicht verpflichtet, die generierten Suchergänzungsvorschläge generell vorab auf etwaige Rechtsverletzungen zu überprüfen. Da dies den Betrieb einer Suchmaschine mit einer der schnellen Recherche der Nutzer dienenden Suchergänzungsfunktion entweder sogar unmöglich machen, zumindest aber unzumutbar erschweren würde. Den Betreiber einer Internet-Suchmaschine treffe deshalb grundsätzlich erst bei Kenntnis von einer Rechtsverletzung – z.B. durch Hinweise des Betroffenen - eine Prüfungspflicht und die Verpflichtung, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern.

Da das Oberlandesgericht Köln keine rechtliche Würdigung unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Prüfungspflichten vorgenommen habe und auch einen - nur in engen Grenzen zu gewährenden - Anspruch auf Geldentschädigung sowie einen etwaigen Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nicht geprüft habe, sei dies nun nachzuholen.

Die Argumentationswendungen des BGH erscheinen bemüht und dabei wenig überzeugend und machen die rechtliche Einordnung und Prognose der Rechtsfigur einer „Störerhaftung“ nicht transparenter und nicht einfacher.

Update vom 26.05.2013:

Wenn beim Suchwort "Merkel" Google's Suchmaschine 
den Ergänzungsbegriff "Waffen" vorschlägt,

bei der Suche nach "Guido Westerwelle" dieser mit der BGH-Lesart durch
Autocomplete dann wohl zum "Vater" gemacht wird und

bei der Google-Suche nach Bundespräsident "Joachim Gauck"
die etwa diskreditierende Assoziation "Steckbrief" auftaucht,

wird deutlich, das die höchstrichterlichen Bewertungen über
"Erwartungen", "Zusammenhänge", "Verknüpfungen", "Verbindungen", "Bezüge", "Inhalte", "Informationen", "Aussagegehalt" und "Tatsachen"
im Zusammenhang mit der Autocomplete-Funktion den tatsächlichen technischen und medialen Abläufen und Verständnissen nicht ausreichend differenziert gerecht werden. Die Kombination eines Namens mit einem Wort ist und bleibt so mehrdeutig und damit gleichzeitig so substanzlos unkonkret und nichtssagend-vielsagend, dass ein derartig begründetes Verbot die Informationsfreiheit und Kommunikationsfreiheit in gefährlicher Weise beeinträchtigen würde.
 Da werden voraussichtlich auch das Bundesverfassungsgericht und der EuGH noch "Ergänzungen" zu "komplettieren" haben. 

Update vom 08.04.2014: 

Das OLG Köln hat Google nun mit Urteil vom 08.04.2014, Az. 15 U 199/11, teilweise (hinsichtlich der Suchwortergänzung "Scientology") zur Unterlassung verurteilt, weil Google auf die diesbezügliche Löschungsaufforderung nicht reagiert hatte. Geldentschädigungen wurden nicht zugesprochen. Eine nochmalige Revision hat das Oberlandesgericht nicht zugelassen. Die Kläger können Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof einlegen. Die Entscheidungsgründe des OLG liegen noch nicht vor.

 

Update vom 11.04.2014:

Heute liegen die schriftlichen Entscheidungsgründe des OLG-Urteils aus Köln vom 08.04.2014, Az. 15 U 199/11, vor. Das Berufungsgericht begründet seine Entscheidung auf der Basis der oben von mir kommentierten Wertungen des BGH aus dessen Urteil vom 14.05.2013. Da werden Google auf der einen Seite und zahlreiche Anwälte auf der anderen Seite ja noch viel zu tun bekommen im Streit um so manche Suchwortkombination.




Donnerstag, 21. März 2013

Woran Filesharing-Abmahnungen immer häufiger kranken: Prüfungsstress, Kontrollwahn und Vermutungsfieber




So langsam wird einem Großteil der von der Rechte-Industrie massenhaft unters Volk gebrachten Filesharing-Abmahnungen zunehmend der schwankende Boden unter den tönernen Füßen weggezogen.

Neuster Mosaikstein auf diesem weggezogenen Boden ist das gestern vom Kollegen Solmecke bekannt gegebene aktuelle Urteil des Landgerichts Köln vom 14.03.2013 (Az. 14 O 320/12). Die 14. Zivilkammer des LG Köln hatte über die etwaige Störerhaftung des Hauptmieters einer Studenten-WG zu entscheiden und in dem Zusammenhang unter anderem ausgeführt:
„Nach Auffassung der Kammer bestehen auch keine anlasslosen Prüfungs- und Belehrungspflichten gegenüber seinen Untermietern, die nicht in seinem Haushalt wohnen. Prüfungs- und Kontrollpflichten vor Ort könnte der Hauptmieter, der die Räumlichkeiten und den Internetanschluss vollständig an die Untermieter überlässt, nicht erfüllen, wollte er nicht die im Rahmen des Mietverhältnisses geschuldete Unverletzlichkeit der Privatsphäre des Mieters verletzen. Auch eine gesonderte Belehrung ist nicht erforderlich, sofern keine konkreten Anhaltspunkte für eine mögliche Verletzung bestehen. Denn aus dem Untermietverhältnis folgen Schutz- und Rücksichtnahmepflichten der Untermieter, die auch die ordnungsgemäße und rechtmäßige Nutzung des Internetanschlusses umfassen, die ihnen im Rahmen des Untermietverhältnisses gestattet war.“
Es scheitern zunehmend die Versuche der Abmahnungs-Lobby, die jeweils offiziellen Inhaber oder Inhaberinnen des jeweiligen Internetanschlusses zu Oberlehren und Ober-Kontrollettis gegenüber den übrigen Nutzerinnen und –Nutzern des jeweiligen Internetanschlusses zu generieren. Immer mehr Gerichte erkennen, dass gekünstelte Einweisungs- und Disziplinierungs-Szenarien genauso realitätsfern und im Ergebnis asozial sind wie ein übertriebener, von einem inhumanen Misstrauensdogma gespeister Überwachungs- und Kontrollwahn.

Pauschale Besserwisserei und aufoktroyierter Prüfungsstress gehören nicht in das erwachsene Zusammenleben von Wohngemeinschaften und Lebensgemeinschaften. Dort sollte man sich vielmehr auf Augenhöhe begegnen. Allenfalls dann, wenn der Anschlussinhaber, wie es das Landgericht Köln formuliert hat, in der Nutzergruppe  
„… einen Informationsvorsprung hinsichtlich der Benutzung und der Gefahren des Internets …“
hat, wäre der Anschlussinhaber bzw. die Anschlussinhaberin
„… kraft überlegenen Wissens verpflichtet … , eine Belehrung auszusprechen, wie dies etwa im Verhältnis der sorgepflichtigen Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern der Fall ist.“
Hinsichtlich der genaueren Ausprägung der diesbezüglichen Eltern-Pflichten bleibt den schriftlichen Entscheidungsgründen des jüngsten Filesharing-Urteil des Ersten Zivilsenats des BGH vom 15.11.2012 („Morpheus“ – Az. I ZR 74/12) entgegenzusehen. Der Bundesgerichtshof hat vor vier Monaten auch gegenüber minderjährigen Kindern mit ausreichender Einsichtsfähigkeit eine von Misstrauen geprägte Prüfungs- und Überwachungspflicht jedenfalls eindeutig abgelehnt.

Eines der nächsten Fallstricke für die tönernden Füße so mancher Filesharing-Abmahnung werden weitere gerichtliche Klarstellungen zum tatsächlichen Umfang der häufig überinterpretierten sogenannten „tatsächlichen Vermutung“ sein, mit der praktisch (oder besser unpraktisch) jedem Anschlussinhaber bzw. jeder Anschlussinhaber ohne weiteres per se illegales Filesharing unterstellt werden soll, obwohl die Internetanschlüsse wohl zumindest nicht weniger häufig von Nicht-Anschlussinhaberinnen oder –inhabern benutzt werden. Was soll dann bei nachweislich mehreren regelmäßigen Anschlussnutzern gerade eine „tatsächliche Vermutung“ zu Lasten der beim Internet-Service-Provider offiziell (und oft zufällig oder beliebig) registrierten Person begründen. Oder gibt es eine gesetzliche Halterhaftung für Internetanschlüsse? Nein, es gibt sie nicht. Aber es gibt noch einiges zu tun bei der Offenlegung der oft mangelhaften Grundlagen unzähliger auf Prüfungsstress, Besserwisserei, Kontrollwahn sowie Vermutungs- und Verdächtigungs-Fieber gestützter Tauschbörsen-Abmahnungen und deren "Heilung".