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Mittwoch, 5. Juli 2023

Rechte an Selfies und anderen Schnappschüssen

 Kurz eingeworfen:  Wenn Bilder ungewollt auf Reisen gehen

Fotos können auch ungewollt um die ganze Welt fliegen.


Es ist schon erstaunlich, wo heutzutage Deine Bilder alle „landen“ können. Damit sind
nicht nur Fotos gemeint, die Du selbst zuhause, im Urlaub oder auf der letzten Fete
geschossen hast. Zudem geht es um nicht nur von Dir, sondern auch von Dritten 
gefertigte Abbildungen, die Dich, Deine Person, Dein Gesicht oder sonstige erkennbare Merkmale zeigen.

Das kann gegenüber einem kleineren oder größeren Freundeskreis oder „Follower“-Kreis
erfolgen, die Bilder können aber in anderen Fällen auch für fremde Dritte oder sogar praktisch für die ganze Welt sichtbar sein ... und sichtbar bleiben.

 Dein Urheberrecht 

Findest Du z. B. selbst gefertigte Urlaubsschnappschüsse oder von Dir aufgenommene Bilder Deines Haustieres oder einer Dir etwa besonders ins Auge gefallenen Blütenpracht im Internet an Stellen bzw. auf Web- oder Social Media-Seiten, auf denen Du diese Fotografien nicht eingestellt hast und für die Du die Fotos auch nicht freigegeben hast, kannst Du Dich als Urheber
bzw. Urheberin bekanntermaßen dagegen vorgehen. Per selbst verfasster oder anwaltlicher
Abmahnung können diejenigen, die für die ohne Deine Einwilligung erfolgte Verbreitung und
öffentliche Zugänglichmachung Deiner Fotografien verantwortlich sind, insbesondere auf
Entfernung, Löschung, Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen werden.
Und was ist, wenn Du Dich nicht oder nicht primär über die ungenehmigte Verwendung Deiner
fotografischen „Werke“ ärgerst, wenn dir stattdessen vielmehr die identifizierbare Abbildung
Deiner Person gegen den Strich geht?
Auch dann bist Du grundsätzlich nicht schutzlos. Du hast ein – notfalls juristisch durchsetzbares
sog. „Recht am eigenen Bild“. Was bedeutet das?



 Dein Recht am eigenen Bild 

Gemeint ist jede bildliche Darstellung, die Deine Person einem weiteren Kreis als nur dem
engeren Familien- und Freundeskreis erkennbar macht. Bezüglich derartiger Abbildungen hast
Du das Recht, darauf zu bestehen, dass diese nur mit Deiner Einwilligung verbreitet oder
öffentlich zur Schau gestellt werden dürfen. Diese Rechtsposition ist eine Ausprägung Deines
allgemeinen Persönlichkeitsrechts, Deiner verfassungsrechtlich garantierten Menschenwürde
und Deines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, damit gleichzeitig auch eine Facette
Deiner Datenschutzrechte.
Es handelt sich folglich um eine für Dich äußerst stark legitimierte Rechtsposition, auf die Du
Dich gegenüber Rechtsverletzern massiv berufen kannst – und zwar wiederum mit
Entfernungs-, Löschungs-, Unterlassungs- und Schadensersatz- bzw.
Entschädigungsansprüchen. Diese können korrespondieren mit gegen den Rechtsverletzer
gerichteten ergänzenden Auskunfts- und Kostenerstattungsansprüchen.



 Deine Rechte gegenüber Portalen und Suchmaschinen 

Freitag, 22. Juli 2022

NICHT NUR ZUR SOMMERZEIT


Sternchen und Likes verfliegen bei hitzigen Gemütern.

Coole Abwehr hitziger Rezensionen 


Die Lust darauf, ein Unternehmen oder einen Dienstleister im Internet öffentlich nicht nur mit Sternchen und Likes zu bewerten, sondern in teilweise vernichtender Art und Weise hinsichtlich der angebotenen Produkte bzw. Leistungen oder auch persönlich in ungerechtfertigter Weise zu diskreditieren, nimmt seit einiger Zeit fühlbar zu. Bei allem Verständnis für zutreffend begründete Kritik, das Recht auf freie Meinungsäußerung und das berechtigte Interesse potenzieller Kunden oder Geschäftspartner an auch subjektiven und wortstark zugespitzten Informationen und Wahrnehmungen, kann dennoch der oder die jeweils Bewertete nicht völlig schutzlos jeglicher Bewertungswillkür ausgesetzt sein. 

Schließlich geht es dabei in unserem zunehmend digitalisierten und internetaffinen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben nicht selten um geschäftliche bzw. berufliche Existenzen. Da können im Einzelfall mit jahrelangem, teilweise jahrzehntelangem Engagement aufgebaute unternehmerische Wertschätzung und Anerkennung, ja die gesamte erreichte Reputation, mit einem Klick zunichte gemacht werden. 

Doch der Adressat entsprechender unberechtigter Anwürfe und Missbilligung ist dem nicht schutzlos ausgesetzt. Das Medienrecht, das Persönlichkeits- und Reputationsrecht und nicht zuletzt auch das Deliktsrecht sowie das Strafrecht geben bei seriöser rechtlicher Prüfung und Handhabung in den meisten Fällen juristische Instrumente an die Hand, mit denen verbreitende Medien und/oder die agierenden Personen, um nicht „Täter“ zu sagen, in ihre Schranken zu weisen und das Risiko fortdauernder Existenz gefährdender Rufbeeinträchtigung zu begrenzen, wenn nicht gar zu beseitigen.

Dabei wird es u. a. darauf ankommen, inwieweit unwahre Tatsachenbehauptungen, die Vermittlung falscher Eindrücke, ehrverletzende Schmähungen oder unzulässige Abwertungen vorliegen. Dies ist seitens des rechtlichen Beistands – bei aller verständlicher Emotionalisierung des betroffenen Bewertungsadressaten – engagiert und detailliert, aber dennoch besonnen und mit kühlem Kopf zu prüfen und bei der Einleitung rechtlicher Schritte zu berücksichtigen und abzuwägen. 

Zur Erreichung möglichst kurzfristiger und damit möglichst schnell schadensmindernder Löschungen oder Entschärfungen überhitzter Bewertungsinhalte sollte es dabei das Ziel sein, durch klares und argumentationsstarkes Agieren bereits außergerichtlich eine schnelle Lösung zu erzielen. Das setzt selbstverständlich eine ebenfalls möglichst kurzfristige, umfassende, konkrete und sachgerechte Information seitens des Beeinträchtigten voraus. Eventuell durch mehrere Instanzen zu führende gerichtliche Verfahren – außerhalb ggf. bei zeitnahem Agieren möglicher prozessualer Eilverfahren – können insoweit allenfalls die zweitbeste, weil langsamere Lösung bieten. 

Und tatenloses Zusehen stellt überhaupt keine Lösung dar, sondern beflügelt vielleicht sogar weitere überambitionierte Rezensenten, Querulanten oder Lästerer.

Dienstag, 12. April 2022

Emojis, Meinungsfreiheit und verletzte Gefühle

 

Emojis können verschiedenste Meinungen und Gefühle mitteilen.

 Nur zur Erinnerung: Das Grundgesetz schützt – wenn auch nicht schrankenlos – das Recht, seine Meinung „in Wort, Schrift und Bild“ frei zu äußern und zu verbreiten (Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 des Grundgesetzes). 

Als Bilder mit zusätzlichem ansatzweisem Schriftcharakter stellen sich auch die sog. Emojis dar. Und im digitalen Zeitalter der sog. „sozialen“ Medien und unzähliger Gelegenheiten, online zu kommentieren und zu bewerten, spielen die kleinen, mal niedlichen, ein anderes Mal hässlichen digitalen Piktogramme eine zunehmende Rolle.

 

Da wird gelacht und geweint, gestaunt und geblinzelt, gestrahlt und gemeckert, geküsst und gewunken, geschwitzt, gefürchtet und getrauert. 


Kann man damit die Rechte anderer verletzen? 

Was man allgemein mit einem klaren Ja, einem gehobenen Daumen, beantworten kann, lässt sich im jeweiligen Einzelfall keineswegs immer so einfach und so eindeutig beurteilen. Wie im analogen Leben kommt es auch in der digitalen Welt häufig auf den Kontext und den Gesamtzusammenhang bzw. die Begleitumstände an. 

Dazu gehören u. a. der vorausgegangene Kommunikationsverlauf, die typischen Kommunikationsweisen auf der jeweils benutzten Plattform und der sog. „Empfängerhorizont“ des  Adressaten und des erreichbaren Publikums respektive der Follower.

Da werden Richterinnen und Richter bei der Klärung etwaiger Rechtsverletzungen keinen leichten Job haben, müssen sie sich doch in die Wahrnehmung eines „unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikums“ hineinversetzen. 

Die Juristen haben dann zu klären, ob Persönlichkeitsrechte verletzt wurden und ob sich daraus im konkreten Fall Unterlassungs-, Löschungs- und Entschädigungsansprüche ergeben. 

Dabei kommt es insbesondere auf den jeweiligen Sinngehalt an, der der streitgegenständlichen Emoji-Verwendung zu entnehmen ist. 


Emojis können, das soll nicht vergessen werden, so viel: 

Sie betonen, verstärken oder dramatisieren die Aussage, sie können aber auch vorausgegangene schärfere Formulierungen abmildern, Statements Dritter kommentieren, eigene Positionen klarstellen oder unterschiedliche Gefühle wie Liebe, Trauer, Angst, Wohlwollen und Hass transportieren. 

Nutzen wir die vorhandene Vielfalt an kleinen Gesichtern, Gegenständen, Symbolen und Gesten nicht als destruktive Waffenkammer, sondern als Schatzkiste wortloser – aber nicht sprachloser – Emotionen, als kleine kommunikative Hilfe bei empfundener Sprachlosigkeit und vielleicht als hoffnungsvolle Brücke zu nachfolgend wiedergefundener Sprache.

 

Dienstag, 10. August 2021

Social Media: Rechtliche Minenfelder für Influencer & Co.


Urheberrecht, Markenrecht, Internetrecht für Influencer
Influencer sind auf rechtlich gefährlichen Feldern unterwegs.

Die Unbefangenheit und Arglosigkeit, mit der viele sich aufmachen, ohne jede Vorbereitung und Prüfung auf Instagram, bei Snapchat oder in anderen sozialen Medien bildliche und/oder textliche Inhalte zu veröffentlichen, erstaunt mich immer wieder. Immerhin sind die Medien doch voll von Berichten zu juristischen Auseinandersetzungen bspw. über Bildrechte oder Persönlichkeitsrechte. Entsprechende Abmahnungen und Klagen gehören fast schon zum sozialmedialen Alltag. Das sogenannte Internetrecht und Medienrecht birgt dabei oft mehr rechtlichen Sprengstoff, als so mancher vermutet. 

Ohne an dieser Stelle jungen Newcomern, Influencern, Bloggern, Start-Ups und Mediensternchen jeden Mut zum kreativen Durchstarten in lukrative virtuelle Karrierehimmel nehmen zu wollen, sollen hier doch einmal wesentliche Rechtsgebiete bzw. rechtliche „Minenfelder“ aufgezeigt werden, auf denen für die angesprochenen Zielgruppen besonders häufig juristische Konflikt- und Regressrisiken auftauchen. 

Da ist zum einen das Urheberrecht. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der vollständigen oder auch nur teilweisen Übernahme fremder Fotos oder Zeichnungen und dies kann durchaus auch sog. „freies“ oder „kostenloses“ Material betreffen, wenn bspw. die im Zusammenhang mit den entsprechenden Angeboten vorgegebenen Nutzungsbedingungen nicht eingehalten werden oder die grundsätzlich vorgeschriebene Urhebernennung nicht erfolgt. 

Unabhängig vom Urheberrecht ist – auch bei selbst geschossenen Fotos – das Bildrecht der abgebildeten Person zu beachten, ohne deren ausdrückliche Einverständniserklärung nur in rechtlichen Ausnahmefällen eine Veröffentlichung gestattet ist. 

Das vorerwähnte Bildrecht leitet sich ab aus dem Persönlichkeitsrecht bzw. dem Reputationsrecht, das nicht nur im Zusammenhang mit Abbildungen eine Rolle spielen kann, sondern auch im Zusammenhang mit textlichen Äußerungen, die wegen unwahrer oder diskreditierender Inhalte rechtsverletzend sein können. 

Neben den zuvor angesprochenen Bild- und Persönlichkeitsrechten kann zudem auch das Hausrecht der betroffenen Person verletzt werden z. B. durch einverständnislose Veröffentlichung von Abbildungen, die das Grundstück oder auf dem Grundstück befindliche Gegenstände betreffen. Da hilft selbst die sog. „Panoramafreiheit“ nicht immer weiter. 

Häufig verkannte Rechtsmaterien im Zusammenhang mit Kennzeichnungen und Ausgestaltungen innerhalb sozialer Medien bilden das Markenrecht, das Titelrecht und auch das Namensrecht. Mit den vorgenannten Konfliktfeldern können darüber hinaus auch unverhoffte Verstöße im Designrecht, das früher Geschmacksmusterrecht genannt wurde, korrespondieren. Da schmückt man sich schon mal gerne mit prominenten Kennzeichen oder Gestaltungen und selbst dann, wenn es sich dabei im Einzelfall nicht um eine rechtswidrige marken- oder designrechtsverletzende Darstellung handeln sollte, kann unabhängig davon dennoch manchmal das Wettbewerbsrecht dem übermotivierten Internetsternchen einen Strick drehen – etwa bei wettbewerbsrechtlich unzulässiger Rufausbeutung bzw. unlauterer Anlehnung an fremde Leistungen. 

Dass Online-Veröffentlichungen zudem ggf. bestehendes Vertragsrecht verletzen können, liegt in der Natur mancher vertraglicher Regelungen. 

Und dass bei allen Veröffentlichungen auch das Datenschutzrecht nicht unbeachtet bleiben darf, hat gerade in den letzten Jahren viele überfordert. 

Das ist schon eine Menge Stoff, der bei begrenzten zeitlichen und finanziellen Ressourcen möglichst praktikabel, aber dennoch verantwortungsvoll zu beachten, zu prüfen und zu bewältigen ist, wenn man auf diesen Felden nicht ungewollt in die Luft fliegen möchte.



Mittwoch, 24. März 2021

Private Geheimpolizei in Familien und Wohnungen

 BGH-Urteil: Verdächtigungen und Verhöre nach anwaltlichen Abmahnungen

Was unbescholtene Haus- und Wohnungseigentümer in ihren Briefkästen vorfinden, löst auch und gerade in aktuellen Pandemiezeiten nicht selten Bestürzung und Entsetzen aus. Da wird in umfangreicher Anwaltspost unter Vorlage gerichtlicher Beschlüsse und unter Hinweis auf ergangene höchstrichterliche Entscheidungen verlangt, Familienangehörige, Mitbewohner und Gäste wegen vermeintlich über das Internet begangener Urheberrechtsverletzungen quasi geheimdienstlich zu bespitzeln und zu denunzieren. Andernfalls drohen die Abmahner mit erheblichen Schadensersatz- und Kostenforderungen. Gleichzeitig wird für den Fall eines unkooperativen Verhaltens die Gefahr mehr­instanzlicher gerichtlicher Verfahren mit immensen Prozesskosten angekündigt.

 

Ist man dann zu familiärem Verrat verpflichtet?

 Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe (verkündet am 17.12.2020, Az. I ZR 228/19) hat nun auf über 30 Seiten Klarheit dazu geschaffen. Obwohl einige Abmahnanwälte dies anders darzustellen versuchen, sind die Inhaber*innen von häuslichen Internetanschlüssen nicht dazu verpflichtet, nach Erhalt einer Filesharing-Abmahnung den Abmahnern außergerichtlich etwa Familienangehörige oder Mitbewohner*innen der illegalen Teilnahme an Online-Tauschbörsen zu bezichtigen und sie ggf. so „ans Messer zu liefern“.

 

Greift die sekundäre Darlegungslast oder die Störerhaftung ein?

 Die in derartigen Abmahnungsschreiben häufig zu findende gegenteilige Argumentation, der schuld- und ahnungslose Abmahnungsadressat müsse innerhalb der eingeräumten Frist seinen sog. „sekundären Darlegungspflichten“ nachkommen, da er ansonsten selbst hafte, ist ebenso falsch wie ein etwaiger Versuch der Film-, Serien- oder Audio-Produzenten, mit sog. „tatsächlichen Vermutungen“ oder gar mit einer angeblich jeden Anschlussinhaber treffenden „Störerhaftung“ zu argumentieren. Dies geht spätestens seit der Änderung des Telemediengesetzes (TMG) vom 28.09.2017 ebenso fehl wie der in manchen Abmahnungen ausdrücklich oder unterschwellig enthaltene Vorwurf, man habe evtl. den häuslichen Internetanschluss nicht ausreichend abgesichert oder unzulänglich kontrolliert.

 

Was ist mit drohenden Abmahnungs- und Prozesskosten?

 Wenn die Abmahner schließlich damit drohen, trotz fehlender Täterschaft des Anschlussinhabers sei dieser für den Fall anschließender gerichtlicher Verfahren zumindest gesetzlich verpflichtet, die wegen fehlender Auskunft erforderlich gewordenen Prozesskosten zu erststatten, wird mit der o. g. BGH-Entscheidung auch derartigen fehlerhaften Rechtsbehauptungen ein Riegel vorgeschoben. Karlsruhe verneint eindeutig entsprechende vorgerichtliche Kostenerstattungsansprüche.

 

Keine Panik!

 Wie so oft bei rechtlichen Auseinandersetzungen gilt auch in urheberrechtlichen und medienrechtlichen Streitfällen der Grundsatz: Bange machen gilt nicht. Und zu Stasi-ähnlichen Methoden innerhalb der eigenen Familie bzw. der eigenen Wohnung ist man auch urheberrechtlich nicht verpflichtet.



Donnerstag, 22. August 2019

Filesharing-Abmahnungen: 7 aktuelle Irrtümer



Nach dem Abmahnungsschock:
Fehler vermeiden
In der letzten Zeit gibt es für die zahlreichen Inhaber von Internetanschlüssen wesentlich verbesserte Möglichkeiten, sich erfolgreich gegen unbegründete und recht hohe Schadensersatz- und Kostenforderungen zu wehren, die seitens bundesweit agierender Anwälte im Rahmen urheberrechtlicher Abmahnungen für Filme oder Musik sowie für Computerspiele oder Hörbücher geltend gemacht werden.
 
Gesetzliche Regelungen oder Unklarheiten und von deutschen Gerichten gefällte Entscheidungen zulasten der Internetanschlussinhaber wurden zugunsten der Internetanschlussinhaber modifiziert, was in weiten Kreisen – teilweise auch im Rahmen immer noch verbreiteter fehlerhafter rechtlicher Beratung – bis heute verkannt wird. Dadurch lassen sich etliche Internetnutzer, die entsprechenden Abmahnungen oder Klagen ausgesetzt sind, zu unnötigen bzw. rechtlich nachteiligen Erklärungen und unbegründeten Geldzahlungen hinreißen. 

Einige der in dem Zusammenhang wesentlichen, derzeit immer noch kursierenden Irrtümer und Fehleinschätzungen werden im Folgenden kurz zusammengefasst:

 

1.    Die modifizierte strafbewehrte Unterlassungserklärung als untaugliches "Allheilmittel"? 

Am weitesten verbreitet ist immer noch die Unart, im Falle des Erhalts von Filesharing-Abmahnungen stets die Abgabe einer sog. modifizierten Unterlassungserklärung zu empfehlen. 

Die gegenüber dem in der Abmahnungspost enthaltenen Erklärungsentwurf vorgeschlagenen Abänderungen oder Ergänzungen mögen für den Fall, dass der Abmahnungsadressat tatsächlich selbst einschlägige Urheberrechtsverletzungen begangen hat, durchaus sinnvoll sein. 

Hat der Internetanschlussinhaber allerdings selbst keine Urheberrechtsverletzung begangen, ist ihm auch von der Abgabe einer modifizierten Unterlassungserklärung abzuraten. Immerhin gelten die in einer strafbewehrten Unterlassungserklärung eingegangenen Verpflichtungen und Vertragsstrafen-Risiken nicht nur drei Jahre, auch nicht lediglich 30 Jahre, wie manchmal zu lesen ist, sondern ein Leben lang. 

In der prozessualen Praxis ist im Übrigen feststellbar, dass auch die Abgabe einer modifizierten strafbewehrten Unterlassungserklärung von vielen Richterinnen und Richtern dennoch – wenn auch vielleicht nicht ausdrücklich – als Quasi-Schuldeingeständnis bewertet wird. Warum soll der oder die Beklagte denn ansonsten überhaupt ohne Not und ohne eigene Rechtsverletzung eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben haben?

 

2.    Ermessensbegrenzung 

Soweit denn im Einzelfall überhaupt die Abgabe einer modifizierten strafbewehrten Unterlassungserklärung angebracht erscheint, wird im Zusammenhang mit den darin enthaltenen Vertragsstrafen-Festlegungen dann nicht selten vergessen, ein eventuell dem Unterlassungsgläubiger überlassenes Ermessen hinsichtlich fairer Ermessensgrundlagen und hinsichtlich einer vertretbaren und verhältnismäßigen Vertragsstrafen-Obergrenze angemessen zu konkretisieren.

 

3.    Auflösende Bedingungen 

Ferner wird oft versäumt, die abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklärungen mit rechtlich zulässigen auflösenden Bedingungen zu versehen (insbesondere hinsichtlich einer zukünftig evtl. veränderten Gesetzeslage, veränderter höchstrichterlicher Rechtsprechung oder sich später verändernder sachverhaltlicher Feststellungen).

 

4.    Phantom „Störerhaftung“

Eines der größten aktuellen Irrtümer im Zusammenhang mit dem Vorwurf illegaler Tauschbörsen-Teilnahme besteht in dem Irrglauben, ein Internetanschlussinhaber würde zwangsläufig für die über seinen Internetanschluss begangenen etwaigen Rechtsverstöße seiner Familienangehörigen oder sonstiger Dritter im Rahmen der sog. „Störerhaftung“ haften. 

Dabei wird übersehen, dass nach einer bereits seit dem 13.10.2017 geltenden Neufassung des Telemediengesetzes (TMG) ein Anschlussinhaber nicht mehr für Rechtsverletzungen haftet, die über seinen ggf. nicht oder nicht ausreichend verschlüsselten bzw. abgesicherten WLAN-Router ohne seine Kenntnis durch Dritte begangen werden. Der in Abmahnungen teilweise immer noch enthaltene Vorwurf einer ggf. unzureichenden Verschlüsselung bzw. eines ggf. nicht genügend sicheren Router-Passwortes geht also mittlerweile fehl.

 

5.    Tatsächliche Vermutungen 

Überinterpretiert wird oft die den Anschlussinhaber vermeintlich treffende sog. „tatsächliche Vermutung“ seiner Täterschaft. Häufig wird so getan, als ob der Anschlussinhaber verpflichtet sei, eine gegen ihn gerichtete „tatsächliche Vermutung“ etwa zu erschüttern oder sogar seine Unschuld zu beweisen. Die Beweislast trifft demgegenüber allein den Abmahnenden.

 

6.    Sekundäre Darlegungspflichten 

Es ranken sich auch immer noch zahlreiche Unsicherheiten und Irrtümer um die sog. „sekundären Darlegungspflichten“ im Rahmen der rechtlichen Verteidigung des Internetanschlussinhabers: Dieser muss nicht außergerichtlich, sondern erst in einem etwaigen gerichtlichen Verfahren nachvollziehbar vortragen, welche Personen mit Rücksicht auf ihr Nutzerverhalten, ihre Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen. Insoweit ist der Anschlussinhaber auch im Rahmen des Zumutbaren zu Befragungen und Nachforschungen verpflichtet und hat mitzuteilen, welche relevanten Kenntnisse er dabei ggf. erhalten hat. 

Nach der aktuellen Rechtsprechung dürfen – was häufig übersehen wird – unter angemessener Berücksichtigung des etwaigen Zeitablaufs von mehreren Wochen, mehreren Monaten und manchmal sogar mehreren Jahren die Anforderungen an das Erinnerungsvermögen und die Darlegungen des Internetanschlussinhabers nicht überspannt werden. Die prozessualen Anforderungen sind unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit sachgerecht und fair zu begrenzen.
 
Eine zu dieser Thematik bereits im September des vergangenen Jahres ergangene Entscheidung des Landgerichts Bielefeld hat dies in überzeugender Weise bestätigt. Soweit dennoch oft überhöhte Anforderungen an die detaillierte Darlegung zurückliegender technischer, häuslicher und familiärer Abläufe, Verhaltensweisen und Geschehnisse gestellt werden, dient dies demgegenüber primär der zusätzlichen Verunsicherung vieler Abmahnungsadressaten. Dem ist dann unter Verweis auf einschlägige gerichtliche Urteile entschieden entgegenzutreten.

 

7.    Übereilte Kontaktaufnahmen 

Und schließlich kommt es immer wieder vor, dass Abmahnungsempfänger sofort übereilt fernmündlich oder schriftlich Kontakt mit der abmahnenden Anwaltskanzlei aufnehmen, sich dabei um Kopf und Kragen reden und erst danach Beratung und etwaige Unterstützung durch einen Rechtsanwalt ihres eigenen Vertrauens suchen. Das ist die falsche Reihenfolge.

 
 
 

Mittwoch, 10. Juli 2019

EuGH-Überraschung für Online-Shops und neue Grenze für Abmahnungen

http://www.zumanwalt.de
Onlinehändler und Abmahnungsgegner freuen sich über das neue EuGH-Urteil
Heute hat der Europäische Gerichtshof ein für Online-Shops recht entspannendes Urteil gefällt und gleichzeitig dem deutschen Gesetzgeber auf die Finger gehauen. Die Entscheidung dürfte auch für zukünftige wettbewerbsrechtliche Abmahnungen von nicht unerheblicher Bedeutung sein: 

Onlinehändler müssen auf ihrer Webseite eine Telefonnummer nur dann angeben, wenn diese auch tatsächlich für die Kommunikation mit dem Kunden verwendet wird. Eine Pflicht, eine telefonische Kundenkommunikation zu ermöglichen, besteht aber nicht. 

In Abwägung zwischen den Verbraucherbelangen und den Interessen insbesondere auch kleinerer Internetshop-Betreiber kommt das EuGH-Urteil zu dem Ergebnis, dass auch Online-Chats, Kontaktformulare oder Rückruf-Tools als Kommunikationsweg ausreichen können.  

Soweit eine Telefonnummer angegeben wird, muss diese auch nicht in jedem Fall praktisch mit einem Klick auf der Händler-Webseite auffindbar sein.

Und der EuGH bejaht zudem die Möglichkeit, eine lediglich kostenpflichtige Rufnummer einzurichten, wenn über andere Kanäle in zumutbarer Weise eine ausreichende Erreichbarkeit besteht. 
 
Damit wird gleichzeitig zahlreichen wettbewerbsrechtlichen Impressum-Abmahnungen der Wind aus den Segeln genommen.

Der dem heutigen Urteil in der Rechtssache C-649/17 zugrunde liegende Rechtsstreit wurde zwischen dem Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. und Amazon EU Sàrl geführt. Amazon kam dabei zugute, dass die maßgebliche europäische Richtlinie hinsichtlich der vorgegebenen Kommunikationsmittel etwas offener formuliert ist als die daraus abgeleitete deutsche Vorschrift gemäß Art. 246a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EGBGB i. V. m. Art. 6 Abs. 1 lit. c der Verbraucherrechterichtlinie. 
 
Na denn: „Don’t call us. We call you.“
 
 

Freitag, 7. Dezember 2018

Prozessuale Waffengleichheit für Journalisten - Erfolgreiche medienrechtliche Verfassungsbeschwerden


Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 30.09.2018 (1BvR 1783/17 und 1 BvR 2421/17)


Eine unzulässige Verkürzung prozessualer Rechte der Presse - gerade auch im Rahmen gerichtlicher Eilverfahren - hat das Bundesverfassungsgericht unmissverständlich untersagt.

Nur einer Prozesspartei erteilte richterliche Hinweise, die teilweise in eine Art einseitiges „Geheimverfahren“ ausarten, und nicht gewährtes rechtliches Gehör samt unzureichenden Erwiderungsmöglichkeiten des jeweiligen Antragsgegners verstoßen gegen das grundrechtsgleiche Recht auf prozessuale Waffengleichheit. Dies gilt auch in eiligen presse- bzw. äußerungsrechtlichen Verfahren.

Es handelt sich um leider immer noch vorkommende richterliche Verstöße gegen die Artikel 3 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 20 Abs. 3 GG.

Und die Bundesrichter des Ersten Senats befürchten, dass sich entsprechende grobe Rechtsverstöße wiederholen.

1. Verfassungsbeschwerde im Verfahren gegen die Kölner Pressejustiz 

1 BvR 1783/17

Kölner Pressejustiz im Fokus des
Bundesverfassungsgerichts
Hier im Bild das OLG in Köln
Worum ging es?
Ausgangspunkt bildete bei diesem Verfahren eine einstweilige Verfügung des LG Köln. Dem Beschwerde führenden journalistisch-redaktionellen Recherchenetzwerk wurden damit Veröffentlichungen untersagt, und zwar ohne Begründung und ohne vorausgegangene Abmahnung und auch ohne jegliche gerichtliche Anhörung. 

Das Recherchenetzwerk hatte aus Protokollen einer Aufsichtsratssitzung zitiert, in der es um Korruptionsvorwürfe gegen das antragstellende Unternehmen im Zusammenhang mit dem Export von U-Booten ging.

Was sagt das Bundesverfassungsgericht dazu?

Durch die vorerwähnte Verfahrensweise hat das Landgericht Köln nach überzeugender Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts dem Recherchenetzwerk nicht die erforderliche Möglichkeit gegeben, vor der Entscheidung des Landgerichts diesem seine Sicht der Dinge darzulegen, obwohl in keiner Weise erkennbar war, dass etwa ausnahmsweise eine „Überraschungsentscheidung“ notwendig gewesen wäre, um das Rechtsschutzziel des gegen die Journalisten vorgehenden Unternehmens nicht zu gefährden.

2. Die Verfassungsbeschwerde im Verfahren gegen die Hamburger Pressejustiz

1 BvR 2421/17

Geheimverhandlungen beim
Hanseatischen Oberlandesgericht?
Worum ging es?
Dieses Verfahren setzte sich äußerst kritisch mit prozessualen Vorgehensweisen des Landgerichts und des Oberlandesgerichts in Hamburg auseinander im Zusammenhang mit mehrfach modifizierten Gegendarstellungen. Auch hier ging es um fehlendes rechtliches Gehör, unterbliebene mündliche Verhandlung und zudem um quasi zwischen Gericht und Antragsteller einseitig geführte „Geheimverhandlungen“.

Der äußerungsrechtlich angegangene Presseverlag hatte im Frühjahr 2017 einen redaktionellen Beitrag veröffentlicht darüber, inwieweit ein bekannter Fernsehmoderator als Eigentümer und Vermieter einer Yacht ein Steuersparmodell nutzt. Das Landgericht Hamburg wies die auf Gegendarstellung gerichteten, nach und nach modifizierten ersten drei Eilanträge des Moderators jeweils zurück, ohne den Presseverlag von den Verfahren zu unterrichten. 

Im Beschwerdeverfahren vor dem Hanseatischen OLG wurde dann - nach wiederholten, telefonisch erfolgten richterlichen Hinweisen ohne jede Verfahrensbeteiligung des Verlags – mit OLG-Beschluss vom 05.10.2017 der Presseverlag zur Veröffentlichung einer Gegendarstellung gerichtlich verpflichtet.

Aus dem Akteninhalt ergab sich, dass der Antragsteller nach einem Telefonat mit einem Richter des Pressesenats seinen ersten Gegendarstellungsantrag zurückgenommen hat. Der danach seitens des Antragstellers angepasste Antrag wurde von der Pressekammer zurückgewiesen. Der Antragsteller stellte daraufhin erneut einen modifizierten Antrag beim Landgericht. Dabei teilte er dem Landgericht schriftsätzlich bemerkenswerter Weise die von ihm ohne jede Beteiligung der Antragsgegnerin in Erfahrung gebrachte Rechtsauffassung des OLG-Senats mit.

Über richterliche Telefonate mit dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers existieren in der Akte schlicht Aktenvermerke wie „Bedenken erörtert“, was auch den zivilprozessualen Dokumentationsanforderungen nicht genügt.

Was sagt das Bundesverfassungsgericht dazu?

Das Bundesverfassungsgericht sieht zu Recht die Pressegrundrechte verletzt, da das Hanseatische OLG dem Presseverlag keinerlei Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat, das vorprozessuale Erwiderungsschreiben des Verlages völlig unberücksichtigt blieb und in einem über vier Monate andauernden Verfahren mit mehrfach abgeänderten Gegendarstellungsanträgen und einseitigen richterlichen Hinweisen die Hamburger Gerichte das verfassungsrechtliche Gebot der prozessualen Waffengleichheit verletzt haben.

Das Bundesverfassungsgericht befürchtet – wie oben bereits erwähnt - die Wiederholung der gerügten richterlichen Rechtsverstöße. Es gilt also, die weitere Rechtsprechungspraxis - insbesondere in Köln und Hamburg - sorgfältig zu verfolgen.



Freitag, 19. Oktober 2018

„Unzumutbar“: Neues Urteil zu Filesharing-Abmahnungen



http://zumanwalt.de
Landgericht Bielefeld setzt Grenzen der Zumutbarkeit bei Filesharing-Abmahnung

Erstmalig hat sich das Landgericht Bielefeld in einem diesseits erwirkten aktuellen Berufungsurteil konkret und hilfreich mit den Zumutbarkeitsgrenzen bei der Verteidigung gegen Filesharing-Abmahnungen und –Klagen befasst.

Die in anwaltlichen Abmahnungsschreiben und Klageschriftsätzen häufig überstrapazierte sogenannte „sekundäre Darlegungslast“ des Internet-Anschlussinhabers hat ihre Grenzen.

Wieviel konkrete Erinnerung kann nach welchem Zeitablauf vom Anschlussinhaber verlangt werden?


Im Urteil vom 11.09.2018 (Az. 20 S 18/17) heißt es dazu u. a.:

„Zu konstatieren ist, dass nicht minutengenau zur konkreten Nutzung zum Zeitpunkt der behaupteten Rechtsverletzung vorzutragen ist. Zum einen bedingt die Funktionsweise der Tauschbörsen, dass keine Anwesenheit des Nutzers vor dem Rechner erforderlich ist. Zum anderen ist dem Inhaber eines privaten Internetanschlusses nicht abzuverlangen, die Internetnutzung naher Angehöriger einer Dokumentation zu unterwerfen, BGH, Urteil vom 27.02.2017, I ZR 68/16 „Ego-Shooter“- juris Rn. 18 für die Ehefrau des Anschlussinhabers. Dass schon Ende Januar 2013 keine konkreten Erinnerungen bezüglich der minutengenauen Nutzung des Internets am 03.01.2013 mehr vorhanden gewesen sein dürften, liegt auf der Hand.


Erst recht können bei der Parteivernehmung der Beklagten am 08.03.2017 keine entsprechenden Angaben erwartet werden. Die Klägerin kann daher aus insofern unterbliebenen Angaben nichts für sich herleiten.

Hier überspannt die Klägerin die Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast. Derartige Angaben sind unzumutbar.“  
 
Entsprechendes gilt nach der Entscheidung der Bielefelder Richter, wenn die oder der Abgemahnte seine Angehörigen über die in der Abmahnung enthaltenen Vorwürfe verhören und diesbezügliche Recherchen anstellen soll.

Wieviel Nachforschungen und Nachfragen bei Familienangehörigen können vom Anschlussinhaber verlangt werden?


Dazu das Landgericht:

„Des Weiteren kann die Klägerin der Beklagten auch nicht unzureichende Nachfragen bei den Kindern vorhalten. Entscheidend ist, dass die Beklagte unter hinreichender Darstellung des in Rede stehenden Sachverhaltes bei beiden Kindern nachgefragt hat, diese sich zur Rechtsverletzung aber nicht erklärt hätten. Sie konnten oder wollten nichts weiter dazu sagen. Auch später hätten die Kinder nur mit Schulterzucken und ohne weitere Gesprächsbereitschaft reagiert, vgl. dazu Bl. 129 d.A., S. 2 des Schriftsatzes vom 30.01.2017.


Der Klägerin kann nicht dahin gefolgt werden, die Beklagte habe sich einer Wahrheitsfindung bewusst verschlossen. Vielmehr ist es so, dass die Beklagte eben bei den Nachforschungen an ihre Grenzen gekommen ist und es letztlich dabei bleibt, dass keine über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO) hinausgehende Verpflichtung des Anschlussinhabers besteht, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu beschaffen, vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 27.02.2017, I ZR 68/16 „Ego-Shooter“ – juris Rn. 13.“

Und wieviel konkrete Erinnerung an die vom Anschlussinhaber ggf. vorgenommen Nachforschungen und Befragungen können von diesem verlangt werden?

Das Berufungsgericht in Bielefeld führt dazu aus:

„Eine konkrete Erinnerung und entsprechende Wiedergabe derselben ist auch unter Berücksichtigung des Zeitablaufes, den letztlich im Wesentlichen die Klägerin durch die Beantragung des Mahnbescheides erst am 11.01.2016 verursacht hat, nicht zu erwarten.

Insofern sind nach Auffassung der Kammer die Anforderungen an den Inhalt der Darlegungen des Anschlussinhabers in eine gerechte Relation zu dem Interesse des Rechteinhabers an hinreichendem Schutz seiner Rechte aus Art. 14 GG zu setzen.

Da eine vorprozessuale sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers generell nicht angenommen werden kann, hat die Klägerin als mutmaßliche Rechteinhaberin dann gegebenenfalls geringere Anforderungen an den Umfang der notwendigen und zumutbaren Darlegungen des in Anspruch genommenen Anschlussinhabers hinzunehmen.“
 
Diese praxisnahe, realistische und angemessene gerichtliche Entscheidung unterstützt die erfolgreiche Abwehr überambitionierter und ungerechtfertigter urheberrechtlicher Abmahnungen und ist ein begrüßenswertes Zeichen dafür, dass der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit bei den internetrechtlichen und prozessrechtlichen Hürden zukünftiger erfolgreicher Abmahnungsabwehr eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen wird.

 

Mittwoch, 22. August 2018

Der Internetanschluss als Zumutung urheberrechtlicher Fallen

Es landen wieder mehr Filesharing-Abmahnungen und -Klagen im Briefkasten

Zumutbares zur sekundären Darlegungslast bei Filesharing-Abmahnungen und -Klagen

Auch nach den BGH-Urteilen mit so klingenden Namen wie „Everytime we touch“ (BGH-Urteil vom 12.05.2016, Az. I ZR 48/15), „Loud“ (BGH-Urteil vom 30.03.2017, Az. I ZR 19/16) und „Konferenz der Tiere“ (BGH-Urteil vom 06.12.2017, Az. I ZR 186/16) erleben zahlreiche Internetanschlussinhaber derzeit wieder gehäuft die Zustellung einer oder mehrerer anwaltlicher Filesharing-Abmahnungen.

Hintergrund der auflebenden anwaltlichen Abmahnungspraxis ist die sich bei einigen Gerichten zunehmend entwickelnde Praxis, im Rahmen der Verteidigung gegen derartige urheberrechtliche Abmahnungen immer detailverliebtere Darlegungen des Internetanschlussinhabers zu verlangen - zu allen möglichen und teilweise auch unmöglichen häuslichen, technischen und familiären Vorgängen, Abläufen und Handhabungen. Dies alles soll der Erfüllung der sog. „sekundären Darlegungspflicht“ dienen.

Ein Gesichtspunkt ist dabei allerdings in der letzten Zeit etwas zu kurz gekommen, obwohl gerade der BGH eigentlich im Rahmen seiner Filesharing-Rechtsprechung nie einen Zweifel hat aufkommen lassen daran, dass es auf diesen Gesichtspunkt häufig in besonderer Weise ankommt, wenn darüber zu befinden ist, was von einem Internetanschlussinhaber unter welchen Voraussetzungen verlangt werden kann, wenn er sich erfolgreich und zu Recht gegen unberechtigte Filesharing-Abmahnungen und -Klagen wehren will.

Das ist der Gesichtspunkt der „Zumutbarkeit“.

Grundsätzlich gilt, dass der Adressat einer Filesharing-Abmahnung bzw. einer Filesharing-Klage dann, wenn er nicht für die streitgegenständlichen Urheberrechtsverletzungen verantwortlich ist, seine eigene persönliche Täterschaft ausdrücklich verneinen muss. Dieses bloße Bestreiten reicht allerdings nicht aus.

Darüber hinaus ist vorzutragen, ob und ggf. welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu dem Internetanschluss hatten und als Täter der behaupteten Rechtsverletzung in Betracht kommen. Dabei wird „im Rahmen des Zumutbaren“ auch verlangt, innerhalb des in Betracht kommenden Personenkreises Nachforschungen, insbesondere Befragungen anzustellen und sodann auch wahrheitsgemäß mitzuteilen, welche Erkenntnisse über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung dabei gewonnen werden konnten.

In dem Zusammenhang werden nachvollziehbare Angaben erwartet dazu, wie die anderen, ernsthaft für die betroffenen Rechtsverletzungen in Betracht kommenden Personen in welcher Weise und mit welcher technischen Ausrüstung wie oft und mit welchen Kenntnissen und Fähigkeiten das Internet nutzen. Ferner sollen Angaben dazu gemacht werden, inwiefern die benannten Personen in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, den etwaigen Rechtsverstoß ohne Wissen und Zutun des Abmahnungsadressaten zu begehen.

Da ist so mancher schnell überfordert. Dies wird besonders anschaulich, wenn entsprechende, möglichst konkrete „sekundäre Darlegungen“ im Rahmen eines Klageverfahrens für eine sachgerechte Klageverteidigung vorausgesetzt werden, obwohl die prozessrelevanten Vorgänge vielleicht bereits mehrere Jahre zurückliegen. Aktuelle Filesharing-Klagen betreffen nicht selten Sachverhalte aus den Jahre 2013 und 2014, liegen also etliche Jahre zurück und sind deshalb kaum vollständig erinnerlich oder ermittelbar.

Aber selbst dann, wenn die Vorgänge erst einige Wochen oder Monate zurückliegen, fällt es oft schwer, zu sämtlichen der oben angedeuteten Detail-Themen umfassend und in jeder Hinsicht substantiiert den genauen Sachstand zu schildern.

Dann wird die sog. „sekundäre Darlegungslast“ schnell zur primär den Internetanschlussinhaber treffenden „primären Darlegungsfalle“.

Deshalb sind in dem Zusammenhang möglichst schnell substantiellere Vorgaben der obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den diesbezüglichen Zumutbarkeitsgrenzen für die Inhaber von Internetanschlüssen von Nöten.


Mittwoch, 9. Mai 2018

Der Mai ist gekommen: Die Abmahnungen schlagen aus



http://www.zumanwalt.de
Wenn die Maiglöckchen viermal klingeln: Abmahnungen lieben den Mai. 

Der Monat Mai hat in diesem Jahr vier gesetzliche Feiertage und ist damit verlockend für den einen oder anderen Kurzurlaub. Dies nehmen einige Abmahnungs-„Profis“ wieder mal zum Anlass, durch den Stress zeitgleicher Abmahnungspost einige Abmahnungsadressaten zu überstürzten und damit oft falschen Reaktionen zu veranlassen. 

Dabei kann nach einer sachgerechten und besonnenen Prüfung der Abmahnung und der der Abmahnung zugrunde liegenden Sachverhalte häufig der zunächst als dramatisch wahrgenommene urheberrechtliche, markenrechtliche, wettbewerbsrechtliche oder medienrechtliche Konflikt schadens- und kostenmindernd entschärft werden. 

Oft geht es dabei u. a. um Gesichtspunkte der folgenden Art: 

·         Ist der angebliche Rechteinhaber auch tatsächlich Inhaber der geltend gemachten Rechte?

·         Welche Erkenntnisse bestehen hinsichtlich der das Abmahnungsschreiben übermittelnden Anwaltskanzlei und deren außergerichtlicher und prozessualer Praxis?

·         Ist die Beantragung einer angemessenen Fristverlängerung – auch für weitergehende Recherchen und Erörterungen – sinnvoll und geboten?

·         Sind die von der Gegenseite dargelegten Sachverhalte in jeder Hinsicht zutreffend?

·         Wie steht es mit wirklich belastbaren Nachweisen bzw. Beweismitteln der Gegenseite?

·         Wer ist zu welchem rechtlich relevanten Tatbestandsmerkmal überhaupt darlegungs- und/oder beweispflichtig?

·         Sind die rechtlichen Argumentationen der Gegenseite schlüssig oder zumindest fachlich vertretbar?

·         Ist die von der Gegenseite evtl. unter Bezug genommene Rechtsprechung wirklich einschlägig?

·         Welche evtl. entlastende aktuelle obergerichtliche und höchstrichterliche Rechtsprechung lässt sich zur Verteidigung heranziehen?

·         Sind von der Gegenseite aufgeführte Schadensberechnungen, Streitwerte und Kostenangaben sowie vorgegebene Vertragsstrafen evtl. frag- und kritikwürdig sowie modifizierungsbedürftig?

·         Welche rechtlichen Einwendungen sind möglich?

·         Gibt es evtl. im konkreten Fall vor dem Hintergrund der individuellen persönlichen Situation des Betroffenen zusätzliche Einwendungsmöglichkeiten?

·         Ergibt sich evtl. eine besondere Situation zugunsten des Mandanten, weil dieser oder weil dieser etwa gerade nicht gewerblich bzw. geschäftlich agiert hat?

·         Welche unangemessenen Vorgaben und welche Lücken finden sich in dem evtl. beigefügten Entwurf einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und empfiehlt sich im konkreten Fall überhaupt die Abgabe einer (modifizierten) strafbewehrten Unterlassungserklärung?

·         Und auch technisches Verständnis und versierte Expertise im Zusammenhang mit medialen Hintergründen können heranzuziehen sein, um abmahnungsrelevante Abläufe zu klären und hilfreiche Lösungen zu finden.

Auch dann, wenn durch Feiertage oder urlaubsbedingt besonderer Zeitdruck herrscht, empfiehlt es sich also, „ausschlagender“ bzw. „aufschlagender“ Abmahnungspost abgeklärt und aufgeklärt zu begegnen. Dies gilt nicht nur im Wonnemonat Mai.