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Samstag, 31. März 2012

Flyer der Musik-, Film- und Buch-Branche "überfliegt" wesentliche Aspekte über Filesharing, Streaming, Blogs, Abmahnungen und Strafverfahren

Ein sich insbesondere an Eltern und Lehrer wendender urheberrechtlicher "Leitfaden" der Rechte-Industrie zum Down- und Upload im Internet sorgt aktuell für Aufmerksamkeit ... und Kritik. Sein Titel:

"LEGAL, SICHER UND FAIR
Nutzung von Musik, Filmen und Büchern aus dem Internet 
Ein Leitfaden für Eltern und Lehrer"

Unbeschadet des unbestreitbaren Rechtes auch der Content- und Abmahnungs-Lobby, ihre Interessen und ihre Meinung zu vertreten - hier nur die bereits bei erster Durchsicht sich m. E. aufdrängenden Kritikpunkte:

  • Der oft missbrauchte und ebenso falsche angebliche Rechtssatz "Eltern haften für ihre Kinder" wird dramatisierend eingesetzt.
  • Tauschbörsen- bzw. Filesharing-Systeme werden ohne ausreichende Differenzierung verteufelt und mit Abofallen, Viren und Trojanern in einen Topf "geworfen".
  • Die überwiegend urheberrechtlich als zulässig eingeordnete Nutzung von Streaming-Portalen wird recht einseitig mit juristischer Mindermeinung kriminalisiert.
  • Blogs und Blogger werden in gefährlicher (oder "geschickter"?) Manier undifferenziert diskreditiert als Produzenten unzulässiger Links.
  • Es wird massiv und undifferenziert die Angst vor Abmahnungen und Strafverfahren geschürt, ohne in verantwortungsvoller Weise auch vor kritikwürdiger Praxis und schwarzen Schafen der Abmahnungsbranche zu warnen.
  • Die Ermittlungsansätze der Abmahnungsbranche gegenüber den Inhabern von Internetanschlüssen über dynamische IP-Adressen und Zeitstempel werden unkritisch überbewertet.
  • Die Grenzen der Störerhaftung, erst recht der Schadenshaftung und auch die Grenzen der sekundären Darlegungs- und Beweislast der Inhaber von Internetanschlüssen werden verschwiegen.
  • Der Begriff "Pirat" wird auf subtile Weise und doch mit recht durchsichtiger Motivation verallgemeinernder Verdächtigung ausgesetzt.

Schade. So kann man nicht wirklich von einem "fairen" und ausgewogenen Umgang mit dem  selbst vorgegebenen Thema gegenüber Eltern und Lehrern ... und Schülerinnen und Schülern ... sprechen.

Dienstag, 11. Oktober 2011

OLG bremst Schadensersatz-Lawine bei Filesharing-Abmahnungen --- Geschäftsmodell in zunehmender Rechtfertigungsnot

Große Aufmerksamkeit hat der Beschluss des 6. Zivilsenats des OLG Köln vom 30.09.2011 (Az. 6 U 67/11) erlangt. Die Berufungsrichter verlangen von der Musikindustrie wesentlich umfassendere und vertieftere Darlegungen, um auf plausiblerer und realistischerer Berechnungsgrundlage vermeintliche Schadenshöhen bei Filesharing-Vorwürfen nach § 287 ZPO abschätzen zu können. Dabei baut das Oberlandesgericht erstmalig eine "Schadensbremse" mit einem überfälligen Anrechnungsmodus ein.

Besonders bemerkenswert ist bei der aktuellen Entscheidung m. E. nicht so sehr, an welchem GEMA-Tarif sich die Richter zu orientieren beabsichtigen bzw. welchen Tarif sie als den dem zu beurteilenden Sachverhalt am nächsten kommend bewerten. 

Der Senat favorisiert in dem Zusammenhang wohl nicht den von den Klägerinnen angeführten Tarif VR W I, der u.a. Hintergrundmusik insbesondere im Bereich der Werbung betrifft, die im Wege des Streaming zur Verfügung gestellt wird, und der eine Mindestlizenz von 100 Euro für bis zu 10.000 Abrufe ansetzt, sondern den allerdings für Komponisten und Textdichter geltenden Tarif VR-OD 5, der die Nutzung einzelner Titel auch durch Internet-Downloads betrifft und der für ein Werk mit einer Spieldauer von bis zu 5 Minuten von einer Mindestvergütung von 0,1278 € pro Zugriff auf den jeweiligen Titel ausgeht. Alternativ gibt das Gericht den klagenden Tonträgerherstellern Gelegenheit, konkreter zu den von ihnen tatsächlich erzielten Vergütungen für Download-Lizenzen vorzutragen.

Eine seriöse richterliche Schätzung etwaiger Schadenshöhen möchte das OLG davon abhängig machen, dass die Musiklabels darlegen, wie viele Zugriffe auf den Rechner des abgemahnten Internetanschluss-Inhabers zum Zweck des Downloads des jeweiligen streitgegenständlichen Titels erfolgt sind. Zumindest erwartet der Senat Angaben dazu, in welcher Größenordnung nach den Ermittlungen der Klägerinnen bei Titeln der streitgegenständlichen Art "Upload-Angebote von an der Tauschbörse Beteiligten erfolgen bzw., wie sich diese Zahlen im fraglichen Zeitraum entwickelt haben."

Diese Betrachtungen und Bewertungen fügen sich systematisch durchaus in die bisherige Rechtsprechungspraxis zu Filesharing-Abmahnungen ein. Relativ neu und bemerkenswert sind aber die folgenden richterlichen Feststellungen: 

"Das Einstellen der Titel in die Tauschbörse hat zwar - wie die Klägerinnen im Ausgangspunkt zutreffend vortragen - einer unübersehbaren Anzahl Beteiligter den Zugriff auf diese ermöglicht, es bestehen aber auch gegen all jene (soweit schuldhaft handelnden) weiteren unberechtigten Nutzer wiederum Schadensersatzansprüche. Eine - aus diesem Grunde zumindest theoretisch möglich erscheinende - vielfache Geltendmachung desselben Schadens ohne Anrechnung der schon erfolgten Ersatzleistung eines der Schädiger dürfte im Ansatz unberechtigt sein."
Damit wird zu Recht die in zahlreichen Abmahnungen der Rechteverwerter propagierte Schadenspotenzierung als haltlos und unseriös entlarvt. Diese Problematik wurde auch bereits vor über einem Jahr in meinem Beitrag zu den unlogischen Boom-Geschäften mit der Lizenzanalogie beim Geschäftsmodell "Filesharing-Abmahnung" erläutert und kritisiert. Es kann und darf nicht angehen, dass im Wege überhöhter und unrealistischer Schadensersatz-Szenarien bei Abmahnungs-Adressaten "Lizenz"-Beträge tatsächlich wiederholt "eingefahren" werden, obwohl etwa an vorausgegangener Stelle der Upload bereits fiktiv im Wege der Lizenzanalogie vergütet bzw. entschädigt worden ist.

Der in Rede stehende OLG-Beschluss bestätigt eine zunehmende Rechtsprechungs-Tendenz dahingehend, distanzierter, objektiver, kritischer und angemessener mit dem Geschäftsmodell der ausufernden Filesharing-Abmahnungen umzugehen.

Dienstag, 31. Mai 2011

OLG Köln sanktioniert einschüchternde Filesharing-Abmahnung mit negativer Kostenfolge für Abmahner

Kein Anlass zur gerichtlichen Inanspruchnahme trotz vorausgegangener Abmahnung

Mit Beschluss vom 20.05.2011 - 6 W 30/11 - hat der 6. Zivilsenat des Kölner Oberlandesgerichts einem Tonträgerhersteller nach Beschwerdeeinlegung seitens der Kollegen Richter und Süme die Kosten eines einstweiligen Verfügungsverfahrens nach vorausgegangener, unbeantwortet gebliebener Abmahnung auferlegt - wobei die Kollegin Neubauer insoweit zu Recht vor übereilten Fehlschlüssen warnt.

Vorausgegangen war eine nicht unübliche, recht rigide anwaltliche Filesharing-Abmahnung unter Beifügung einer sogenannten "weiten" strafbewehrten Unterlassungserklärung, die sämtliche geschützten Werke des abmahnenden Tonträgerherstellers umfassen sollte - und nicht nur das im vorliegenden Fall konkret betroffene Hörbuch. Der Abmahnungsadressat wurde vor möglichen rechtlichen und kostenmäßigen Nachteilen bei etwaigen Veränderungen oder Einschränkungen des Erklärungsentwurfs gewarnt. Der Abgemahnte gab daraufhin zunächst keinerlei Erklärung ab.

Kurz darauf erwirkte der Audio-Produzent eine auf das konkrete Hörbuch beschränkte einstweilige Verfügung sowie einen darauf fußenden Kostenfestsetzungsbeschluss gegen den angeblichen Filesharer. Im anschließenden Widerspruchsverfahren erklärten beide Parteien das Verfahren hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs für erledigt und stritten über die Verfahrenskosten.

Durch das Landgericht Köln wurden die Kosten des Verfahrens zunächst dem Abgemahnten auferlegt. Diese Kostenentscheidung hob das Oberlandesgericht nach Beschwerde nun auf:

  • Die Abmahnung solle dem Schuldner einen Weg weisen, den Gläubiger ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen.

  • Besondere Anforderungen werden dabei an einen gewerblich tätigen und rechtlich beratenen Gläubiger gestellt, der eine nicht geschäftlich tätige Privatperson bzw. einen Verbraucher abmahnt.

  • Der Abmahner dürfe dem Abmahnungsempfänger keine "Hinweise" erteilen, die diesen von einer Anerkennung der geltend gemachten Ansprüche abhalten können (gemeint sind hier die Warnungen vor der Abgabe einer modifizierten strafbewehrten Unterlassungserklärung).

  • Andernfalls könne aus einer nach der Abmahnung unterbliebenen Reaktion des Abgemahnten objektiv nicht auf die Erforderlichkeit einer gerichtlichen Auseinandersetzung geschlossen werden.

Der OLG-Senat erwähnt in dem Zusammenhang auch den "früher kaum vorstellbaren Umfang", in dem in den letzten Jahren "Privatpersonen wegen Urheberrechtsverletzungen in Anspruch genommen werden". Im Rahmen der Kosten-Vorschrift des § 93 ZPO sei das Verhalten einer geschäftlich unerfahrenen und rechtlich nicht beratenen Person anders auszulegen ... als die Reaktion einer Person, die gewerblich tätig ist".

Es ist eine m. E. zu begrüßende Tendenz in der Rechtsprechung erkennbar dahingehend, den Besonderheiten des Geschäftsmodells besonders einschüchternder "Filesharing-Abmahnungen" und der diesbezüglichen Schutzbedürftigkeit insbesondere rechtlicher Laien zunehmend gerechter zu werden.

Freitag, 14. Januar 2011

Zahl der Filesharing-Abmahnungen auch 2010 dramatisch gestiegen - Boomendes Geschäftsmodell mit wachsender Dunkelziffer

Die Jahres-Bilanz 2010 vom Verein zur Hilfe und Unterstützung gegen den Abmahnwahn e.V. liegt vor und nicht wenige Insider gehen davon aus, dass die fundierten Schätzungen um eine noch höhere Dunkelziffer nach oben zu korrigieren sind.

Die in der differenzierten Statistik angegebene Zahl von 575.800 Abmahnungen der Musik-, Hörbuch-, Film- und Porno-Industrie enthält offensichtlich nicht die zunehmende - und vielleicht doch nicht zu vernachlässigende - Zahl von Anwaltskanzleien, die im vergangenen Jahr als abmahnende "Newcomer" im Urheberrecht in Erscheinung getreten sind. Außerdem wird vielleicht auch die Zahl derjenigen Abgemahnten unterschätzt, die sich nicht in einschlägigen hilfreichen Foren melden oder dort zumindest "hereinschauen" (Klick-Zahlen). In anwaltlicher Praxis begegnet man nach meiner Erfahrung einem erstaunlich großen Anteil von hilfesuchenden Mandanten, die nach Erhalt einer oder häufig  mehrer Filesharing-Abmahnungen zwar Anwalts-Seiten "gegoogelt" haben, aber nicht vertiefter in Foren-Seiten eingestiegen sind.

Die Kollegen Jens Ferner und Thomas Stadler weisen auf noch verbliebene Unklarheiten hin im Hinblick auf die Ausgangszahlen des Jahres 2009 und unter Berücksichtigung der enormen Zahl von Auskunftsverfahren nach §101 Abs.9 UrhG (u.a. beim Landgericht Köln).

Das bei der Abwehr von Filesharing-Abmahnungen wiederum dramatisch gestiegene Arbeits- und Mandatsaufkommen des vergangenen Jahres lässt auch mich eher eine Steigerung der Abmahnungszahlen im "gefühlten" Bereich zwischen 50% bis zu 100% vermuten, als lediglich einen Zuwachs von unter 30%. Selbstverständlich lassen sich dabei eigene anwaltliche Wahrnehmungen nicht zwingend hochrechnen. Andererseits dürfen wir wohl davon ausgehen, dass die aktive Abmahnungszunft selbst mit Zahlenangaben eher zurückhaltend agiert, um den rechtlichen und gesellschaftlichen, den gerichtlichen und politischen Gegenwind nicht noch zu verstärken.

Montag, 17. Mai 2010

Anwaltskosten beim Geschäftsmodell "Filesharing-Abmahnung" als Notgroschen, Unverschämtheit oder Gaunerei?

Der Streit um die Kappung von Anwaltskosten nach § 97 a II UrhG auf der einen Seite und um angeblich oder tatsächlich überhöhte Anwaltskosten bei Filesharing-Abmahnungen auf der anderen Seite wurde durch das WLAN-Urteil des BGH vom 12.05.2010 zusätzlich entfacht.

Bei dieser Auseinandersetzung werden einige Aspekte verdreht bzw. übersehen oder ausgeblendet:

1. Das Problem überhöhter Kosten-Berechnungen im Rahmen von formularmäßigen anwaltlichen Abmahnungen ist nicht ein Problem der überhöhten In-Rechnung-Stellung der die Abmahnungen fabrizierenden Rechtsanwälte gegenüber deren Mandanten (Musik-, Film-, Porno- und Rechteverwertungs-Branchen); der Angriffspunkt ist vielmehr der Umstand, dass in etlichen Filesharing-Abmahnungen vermeintliche Vergütungs-Szenarien angedeutet oder vorgetäuscht werden, die so zwischen den Rechte-Inhabern und deren Anwälten gar nicht vereinbart und gelebt werden, um auf diese Weise irreale Erstattungsansprüche zu generieren zu Lasten der abgemahnten Inhaber von Internet-Anschlüssen.

2. In gleicher Weise vorwerfbar ist dabei die In-Ansatz-Bringung überhöhter Gegenstandswerte, die nicht selten in keinem vernünftigen Verhältnis zum betroffenen Werk und den daraus ableitbaren Interessen des Urhebers oder Rechteinhabers stehen.

3. Die Bagatell-Klausel des § 97 a II UrhG betrifft nicht die Honorar-Rechnung der abmahnenden Rechtsanwälte, sondern lediglich die Höhe der dem Abmahnenden maximal seitens des Abgemahnten zu erstattenden Aufwendungen. Lediglich der Aufwendungsersatz wird auf 100,00 € gedeckelt in den gesetzlich vorgesehenen Fällen

  erstmaliger Abmahnung

  in einfach gelagerten Fällen

  mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung

  außerhalb des geschäftlichen Verkehrs.

4. Soweit einige Abmahner die Deckelung des Aufwendungsersatzes nach § 97 a II UrhG missbilligen als vermeintlich unangemessene Aufbürdung "hängen bleibender" Rechtsverfolgungskosten, werden die oben zitierten engen Geltungsvoraussetzungen übersehen, die "dramatische" Fallkonstellationen wohl eher nicht erfassen. Darüber hinaus entsteht der Eindruck, dem Aufwendungsersatz wird mehr Bedeutung beigemessen als der Verhinderung sich vielleicht dann eben doch nicht derartig dramatisch darstellender, angeblich monokausal durch Filesharing entstehender Vermögenseinbußen. Dass zudem auch Rechteinhaber und Urheber von freierer Netz-Kommunikation profitieren können, soll an dieser Stelle nicht vertiefter thematisiert werden.

5. Der Vergleich mit anderen vergütungspflichtigen Anwaltsmandaten und daraus erwachsenden ungedeckelten Ansprüchen auf Kostenerstattung ist mit Vorsicht "zu genießen". Der Genuss kann schnell im "Halzband" stecken bleiben, wenn man die häufig sehr unterschiedliche Mandats-Struktur, -Organisation und -Strategie bedenkt und die formularmäßige, automatisierte und massenhafte Handhabung und Abwicklung von Teilen der aktuell agierenden "Abmahnungs-Industrie" in die Bewertung einbezieht - unbeschadet des Grundsatzes, dass dort, wo massenhaft Urheberrechte verletzt werden, auch grundsätzlich massenhaft abgemahnt werden darf.

6. Schließlich auch ein (selbst-)kritischer Satz zu den die Filesharing-Abmahnungen abwehrenden  Anwaltskollegen: Auch der mit der Abwehr der Abmahnung befasste Rechtsanwalt ist sich - selbstverständlich und naturgemäß - nicht zu schade, mit seiner anwaltlichen Dienstleistung und seinem juristischen und sachverhaltlichen Know-how Geld zu verdienen. Dies allerdings ohne selbst oder im Zusammenwirken mit seiner Mandantschaft originär generierte Massen-Handlings und lediglich in Reaktion auf die oben und anderswo beschriebenen professionalisierten Missstände und Fehlentwicklungen.

Samstag, 24. April 2010

Der Mai wird kommen und die Hotspots schlagen aus. Blühende Phantasien zum anstehenden Filesharing-W-LAN-Urteil des BGH und zum Wetter.

Am 12. Mai 2010 wird der Bundesgerichtshof (I ZR 121/08) vielleicht alle Blütenträume der Abmahnungs-Zunft oder stattdessen eine Bombe zu Lasten aller Hotspots in Hotels, Service-Einrichtungen, Flughäfen oder Cocktail-Bars platzen lassen. Die Angst vor Filesharing-Abmahnung ist trotz oder wegen der kommenden Maienzeit ungeschmälert.


Moses Pelham's Power Productions (Musiklabel 3P) wird der Musik-, Film- und Porno-Branche - nach dem vor dem OLG Frankfurt verlorenen Berufungsverfahren - mit den im Revisionsverfahren weiterverfolgten vermeintlichen urheberrechtlichen Ansprüchen eventuell den "Sommer ihres Lebens" bereiten (in leichter Abwandlung des betroffenen Musiktitels von Sebastian Hämer). Dann nämlich, wenn der 1. Zivilsenat (wegen eines während des Urlaubs des Anschlussinhabers nicht ausreichend verschlüsselten W-LAN-Netzwerkes und einer angeblich in dem Zusammenhang durch einen Dritten stattgefundenen illegalen Teilnahme an einer Musik-Tauschbörse) den Urlauber zum haftenden (Mit-)Störer erklärt. Dann wäre der Erholungswert jenes Urlaubs wohl dahin - schöner Mai hin oder her.


Argumente sind pro und contra zahlreich und z. T. auch vertieft ausgetauscht worden - selbstverständlich außerhalb von Tauschbörsen. Akademisch und dogmatisch lassen sich da ohne alle Frühlingsgefühle zahlreiche Gesichtspunkte und eine Menge juristischer Theorien heranziehen oder neu begründen. Verkehrssicherungspflichten (die nun wirklich nichts mit Frühlingsgefühlen zu tun haben), Halter-Haftungen (die nichts mit Mikrofonhaltern zu tun haben), Garantie-Haftungen ohne Garanten, verschuldensähnliche Bewertungen (bei denen jede Ähnlichkeit rein zufällig ist), Sphären-Theorien und -Klänge oder weitere störende Störer-Geräusche rauschen durch den maienhaften Blätter-Wald. 


Auf der anderen Seite - des Waldes - werden dem gegenüber Lieder von Waldeslust und Userfrust, von Piraten-Freiheit und offenen Netzen sowie von Schüler- und Rentner-Abzocke gesungen - möglichst ohne dabei die Urheberrechte anderen Liedgutes zu tangieren.

Wer wird letzlich im Regen - im Mairegen - stehen?


Wahrscheinlich ist es so, wie es häufig mit dem Wetter ist: Schwer vorherzusagen und hinterher stehen meistens alle etwas im Regen.


Besonders könnte das Urteil die erwähnten Heißpunkte bzw. Hotspots treffen .. und deren bisherige Nutzer. Da kann es schnell passieren, dass einem das "Halzband"-Urteil (I ZR 114/06) im Hals stecken bleibt; aber wem?


Bei Hotspots erleichtert m. E. wie so oft ein Blick in das Gesetz die Rechtsfindung

Das Telemediengesetz (TMG) regelt die Haftung eines Diensteanbieters im Telekommunikationsrecht. Als Diensteanbieter gilt gemäß § 2 TMG 

jede natürliche oder juristische Person, die eigene oder fremde Telemedien zur Nutzung bereithält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt. 

Zu den Telemedien gehört unzwiefelhaft auch das Internet.
In § 8 Abs. 1 TMG heißt es dann:
 
Diensteanbieter sind für fremde Informationen, die sie in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich, sofern sie
 1.
die Übermittlung nicht veranlasst,
 2.
den Adressaten der übermittelten Informationen nicht ausgewählt und
 3.
die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben.

Ein Hotspot-Betreiber ist grundsätzlich Diensteanbieter i. S. d. Telemediengesetzes, da er anderen seinen Internetzugang zur Verfügung stellt. Ob er dies gewerblich oder zu privaten Zwecken macht, ist für die Anwendung des TMG an dieser Stelle nicht relevant. Der Diensteanbieter haftet, wenn er anderen seinen Webzugang zur Verfügung stellt, nur dann, wenn er Kenntnis von den über seinen Anschluss begangenen Rechtsverstößen hat und nicht etwa generell und immer.

Nach § 7 Abs. 2 TMG besteht auch keine Pflicht des Hotspot-Betreibers, den Webzugang nach rechwidrigen Benutzungen zu untersuchen bzw. zu kontrollieren oder zu überwachen. Im Gesetz heißt es dazu:

Diensteanbieter im Sinne der §§ 8 bis 10 sind nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen.

Wenn der 1. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes die gesetzlichen Vorgaben zur Haftungsbeschränkung derjenigen beachtet, die bewusst, gewollt und damit "schuldhaft" (vorsätzlich) Webzugänge für Dritte (seien es z. B. Kunden, Gäste oder Besucher) schaffen, muss er eigentlich im Erst-Recht-Schluss die Begrenzung der Haftung auch für Anschlussinhaber anwenden, die ohne entsprechenden Plan, ohne Vorsatz und unfreiwillig praktisch zum "Diensteanbieter" werden - egal ob von Dritten (ohne vorherige Kenntnis des Anschlussinhabers) Mai-Lieder, Rap-Songs oder Hardcore-Filme öffentlich beim Filesharing zugänglich gemacht wurden.

Die Instanzen-Gerichte und die meisten Anwälte (anders als z. B. die Kollegen Stadler und Euler) haben bisher das TMG praktisch links des Maiwaldes liegen lassen. Wir wollen hoffen, dass der BGH den Baum vor lauter Wald sieht und bei seinen Abwägungen die Wertungen des TMG-Gesetzgebers angemessen berücksichtigt.

Ein unbegrenzter Freibrief wird den Hotspots - und anderen Anschlussinhabern - ohnehin am 12. Mai 2010 nicht geschrieben werden: Nach Kenntnis, für die die Abmahner oder Kläger wohl in den meisten Fällen "sorgen", bleibt für den Hotspot-Betreiber - wie für jeden anderen Anschlussinhaber - "nichts wie vorher"; dann beginnen in jedem Fall Untersuchungs- und Überwachungspflichten. Dies wird nicht selten zur anschließenden Schließung des offenen W-LAN-Hotspots führen. Der (Mai-)Regen scheint mal wieder für alle sicher.


Samstag, 27. Februar 2010

Abmahnungen und Piraten ... und Piratinnen


Urheberrecht im Internet und auf hoher See
Mal eine Glosse von Rechtsanwalt Dr. Ralf Petring, Bielefeld


Piraten reißen uns hin und her: Einerseits böse Rechtsbrecher, andererseits verkappte "Robin Hoods" der Meere.

Es ist in den vergangenen Jahren nicht klar auszumachen, wer "der Böse" ist auf dem (See-Schlacht-) Feld der massenhaften Abmahnungen im Zusammenhang mit Seemannsliedern und Reeperbahn-Filmchen: Sind es die ihre Umsätze verlierenden Kommandobrücken der großen Entertainment-Tanker, sind es die inzwischen ebenfalls den mittelbaren Erwerbszweig der Lizenzanalogie entdeckenden Künstler und Gaukler, sind es die kopierenden und tauschenden sowie täuschenden Filesharing-Leichtmatrosen bzw.
Piraten oder ist es das nationale Seerecht?

Wo im weltweiten Netz auf der hohen See der Tauschbörsen, P2P-Programme und Filesharing-Systeme massenhaft schöpferisches Seemannsgarn "gekapert" wird, ohne angemessenen Tribut zu  zollen, darf naturgemäß auch massenhaft verfolgt, gefangen genommen und abgewatscht werden. Das Seerecht braucht dem See-Unrecht nicht zu weichen.
Piraten dürfen nicht mehr auf dem Meer als Andere.

Wo allerdings mit teilweise fadenscheinigen Beweisen und mit übergroßen Fangnetzen jeder gekescht wird, der nur an (Mother-)Board war und nicht schnell genug auf den (Groß-)Baum kam, bestehen Bedenken ob der seemännischen Legitimation, zumal wenn in zunehmend summarischeren Verfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG gerichtliche Auskunfts- (oder Fahndungs-) Titel erzeugt werden bezüglich vermeintlich gewerblicher Sachverhalte, bei denen es oft tatsächlich allenfalls um Gelegenheits-Tauschgeschäfte geht - und nicht um wirklichen "Seehandel". Seemann (oder Seefrau) oder Seeräuber?
Pirat (oder Piratin) oder Parasit?

Hinzu kommen die tatsächlich sehr unsicheren Untiefen der See-Router sowie der Wogen und W-Lan. Da reichen nicht einmal noch so viele Schlüssel und Geheim-Codes: Die Gefahr, dass fremde, unbekannte und unerkannte Seeräuber unerwünscht an Deck kommen, um auf fremde Kosten zu Surfen, lässt sich nicht hundertprozentig ausschließen. Dies gilt erst recht im Hinblick auf das ständig dichter und enger werdende Netz der Seewege und die rasend schnell zunehmende Zahl von W-Lan-Reitern und Netzwerk-Routern. Welcher
Pirat kann da noch durchfinden?

Auf den Kommandobrücken des Seehandels versucht man dann, wenn ein winziges Bändsel oder ein abgeschnittener Tampen auftaucht und von Anti-
Piraten-Weichware an Deck gespült worden ist, mit vermeintlich darauf befindlichen Fingerabdrücken einen angeblichen Piraten zu überführen, er habe das gesamte Tauwerk oder zumindest wesentliche Schoten und Trossen daraus ohne Einwilligung des Eigners anderen Piraten zum Gebrauch überlassen.

Dabei kennen die
Piraten sich häufig gar nicht genügend aus mit Achterspring, Kabelgarn, Marlspieker (oder -Speaker?), Niederholer, Slippen, Spleiß, Stag, Tampen und Wanten oder auch mit Algorithmen, W-Lan, WPA2, Clients, Access Points, Firmware-Updates, SSID, Public Key, Responder und Wired Equivalent Privacy.

Nun schützt Unwissenheit nicht vor Strafe.

Um Strafe geht es allerdings im Abmahnungsgeschäft in den seltensten Fällen - allenfalls um Vertragsstrafen. Primär geht es um das liebe Geld.

Beim Wissen um Fachterminologien, die dahinter sich verbergenden Sachverhalte und Abläufe sowie die dahinter sich verbergenden Geldquellen - stromaufwärts - sind den
Piraten die Insider des Seehandels und die See-Offiziere der Handelstanker weit voraus - auch was Ausstattung, Bewaffnung, Kontakte zu Reedereien, Erfahrungen vor Seegerichten und hilfreiche Vernetzungen betrifft.

Insofern wird viel Sympathie auf die Seite unerfahrener, gutgläubiger, aber manchmal eben doch wilder und verwegener
Piraten verteilt. Diese wären allerdings schlecht beraten, wenn sie sich durch Trotz oder Fluchtversuche noch mehr im Netz der seerechtlichen Regelwerke verheddern würden; es ist den Piraten und Leichtmatrosen vielmehr zu empfehlen, sich durch kluge Analyse, weitsichtige, zielführende Taktik und ideenreiche Strategie davor zu hüten und zu schützen, dass aus seemännischer Abmahnung nicht ein seeräuberisches Abwatschen wird.

Dabei hilft eine Klärung der wirklichen Sachverhalte, der vermeintlichen Beweislage und der oft komplexen Rechtslage sowie eine verantwortungsvolle Erarbeitung druckvoller Argumentationswerke und verantwortbarer (Unterlassungs-) Erklärungen. Bei Letzteren ist es in der Mehrzahl der Abmahnungs-Fälle nicht anzuraten, das vorgelegte Seemannslied zu singen. Stattdessen kann durch veränderte Tonlagen, zusätzliche Zwischentöne und einen Kanon von weiterem Liedgut der
Pirat das Galgen-Risiko eingrenzen und sich eine zukünftig von Untiefen freiere Seefahrer-Existenz sichern.

Schlussendlich werden wohl beide Lager auf Dauer einen durchfahrfähigen Seeweg finden müssen zwischen den Eisblöcken teilweise veralteter Verzollungsszenarien sowie unliberaler Zugangsbegrenzungen auf der einen Seite und wildem
Piratentum oder gar respektlosem Seeraub auf der anderen Seite.

Entsprechende Wege zeichnen sich bereits ab. Nicht nur die Nordwest-Passage ist inzwischen - entgegen aller früheren Seeregeln - eisfrei und schiffbar (wenn auch der Klimawandel als Ursache dieses Ergebnisses uns nicht frohlocken lassen sollte); es zeichnen sich auch bereits neue, seerechtlich abgesegnete Kauf- und Tauschbörsen für unzählige (Tau-) Werke ab, die neue Wege für einen liberaleren und offeneren Umgang mit Netzwerken, mit Leichtmatrosen und
Piraten eröffnen. Dass Piraten und Piratinnen inzwischen auch im Wahlvolk parteifähig und wählbar geworden sind, ist eine andere Geschichte. 

Für Hilfe aus See- und Abmahnungs-Not geht´s zumAnwalt.de.