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Mittwoch, 24. März 2021

Private Geheimpolizei in Familien und Wohnungen

 BGH-Urteil: Verdächtigungen und Verhöre nach anwaltlichen Abmahnungen

Was unbescholtene Haus- und Wohnungseigentümer in ihren Briefkästen vorfinden, löst auch und gerade in aktuellen Pandemiezeiten nicht selten Bestürzung und Entsetzen aus. Da wird in umfangreicher Anwaltspost unter Vorlage gerichtlicher Beschlüsse und unter Hinweis auf ergangene höchstrichterliche Entscheidungen verlangt, Familienangehörige, Mitbewohner und Gäste wegen vermeintlich über das Internet begangener Urheberrechtsverletzungen quasi geheimdienstlich zu bespitzeln und zu denunzieren. Andernfalls drohen die Abmahner mit erheblichen Schadensersatz- und Kostenforderungen. Gleichzeitig wird für den Fall eines unkooperativen Verhaltens die Gefahr mehr­instanzlicher gerichtlicher Verfahren mit immensen Prozesskosten angekündigt.

 

Ist man dann zu familiärem Verrat verpflichtet?

 Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe (verkündet am 17.12.2020, Az. I ZR 228/19) hat nun auf über 30 Seiten Klarheit dazu geschaffen. Obwohl einige Abmahnanwälte dies anders darzustellen versuchen, sind die Inhaber*innen von häuslichen Internetanschlüssen nicht dazu verpflichtet, nach Erhalt einer Filesharing-Abmahnung den Abmahnern außergerichtlich etwa Familienangehörige oder Mitbewohner*innen der illegalen Teilnahme an Online-Tauschbörsen zu bezichtigen und sie ggf. so „ans Messer zu liefern“.

 

Greift die sekundäre Darlegungslast oder die Störerhaftung ein?

 Die in derartigen Abmahnungsschreiben häufig zu findende gegenteilige Argumentation, der schuld- und ahnungslose Abmahnungsadressat müsse innerhalb der eingeräumten Frist seinen sog. „sekundären Darlegungspflichten“ nachkommen, da er ansonsten selbst hafte, ist ebenso falsch wie ein etwaiger Versuch der Film-, Serien- oder Audio-Produzenten, mit sog. „tatsächlichen Vermutungen“ oder gar mit einer angeblich jeden Anschlussinhaber treffenden „Störerhaftung“ zu argumentieren. Dies geht spätestens seit der Änderung des Telemediengesetzes (TMG) vom 28.09.2017 ebenso fehl wie der in manchen Abmahnungen ausdrücklich oder unterschwellig enthaltene Vorwurf, man habe evtl. den häuslichen Internetanschluss nicht ausreichend abgesichert oder unzulänglich kontrolliert.

 

Was ist mit drohenden Abmahnungs- und Prozesskosten?

 Wenn die Abmahner schließlich damit drohen, trotz fehlender Täterschaft des Anschlussinhabers sei dieser für den Fall anschließender gerichtlicher Verfahren zumindest gesetzlich verpflichtet, die wegen fehlender Auskunft erforderlich gewordenen Prozesskosten zu erststatten, wird mit der o. g. BGH-Entscheidung auch derartigen fehlerhaften Rechtsbehauptungen ein Riegel vorgeschoben. Karlsruhe verneint eindeutig entsprechende vorgerichtliche Kostenerstattungsansprüche.

 

Keine Panik!

 Wie so oft bei rechtlichen Auseinandersetzungen gilt auch in urheberrechtlichen und medienrechtlichen Streitfällen der Grundsatz: Bange machen gilt nicht. Und zu Stasi-ähnlichen Methoden innerhalb der eigenen Familie bzw. der eigenen Wohnung ist man auch urheberrechtlich nicht verpflichtet.



Mittwoch, 22. August 2018

Der Internetanschluss als Zumutung urheberrechtlicher Fallen

Es landen wieder mehr Filesharing-Abmahnungen und -Klagen im Briefkasten

Zumutbares zur sekundären Darlegungslast bei Filesharing-Abmahnungen und -Klagen

Auch nach den BGH-Urteilen mit so klingenden Namen wie „Everytime we touch“ (BGH-Urteil vom 12.05.2016, Az. I ZR 48/15), „Loud“ (BGH-Urteil vom 30.03.2017, Az. I ZR 19/16) und „Konferenz der Tiere“ (BGH-Urteil vom 06.12.2017, Az. I ZR 186/16) erleben zahlreiche Internetanschlussinhaber derzeit wieder gehäuft die Zustellung einer oder mehrerer anwaltlicher Filesharing-Abmahnungen.

Hintergrund der auflebenden anwaltlichen Abmahnungspraxis ist die sich bei einigen Gerichten zunehmend entwickelnde Praxis, im Rahmen der Verteidigung gegen derartige urheberrechtliche Abmahnungen immer detailverliebtere Darlegungen des Internetanschlussinhabers zu verlangen - zu allen möglichen und teilweise auch unmöglichen häuslichen, technischen und familiären Vorgängen, Abläufen und Handhabungen. Dies alles soll der Erfüllung der sog. „sekundären Darlegungspflicht“ dienen.

Ein Gesichtspunkt ist dabei allerdings in der letzten Zeit etwas zu kurz gekommen, obwohl gerade der BGH eigentlich im Rahmen seiner Filesharing-Rechtsprechung nie einen Zweifel hat aufkommen lassen daran, dass es auf diesen Gesichtspunkt häufig in besonderer Weise ankommt, wenn darüber zu befinden ist, was von einem Internetanschlussinhaber unter welchen Voraussetzungen verlangt werden kann, wenn er sich erfolgreich und zu Recht gegen unberechtigte Filesharing-Abmahnungen und -Klagen wehren will.

Das ist der Gesichtspunkt der „Zumutbarkeit“.

Grundsätzlich gilt, dass der Adressat einer Filesharing-Abmahnung bzw. einer Filesharing-Klage dann, wenn er nicht für die streitgegenständlichen Urheberrechtsverletzungen verantwortlich ist, seine eigene persönliche Täterschaft ausdrücklich verneinen muss. Dieses bloße Bestreiten reicht allerdings nicht aus.

Darüber hinaus ist vorzutragen, ob und ggf. welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu dem Internetanschluss hatten und als Täter der behaupteten Rechtsverletzung in Betracht kommen. Dabei wird „im Rahmen des Zumutbaren“ auch verlangt, innerhalb des in Betracht kommenden Personenkreises Nachforschungen, insbesondere Befragungen anzustellen und sodann auch wahrheitsgemäß mitzuteilen, welche Erkenntnisse über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung dabei gewonnen werden konnten.

In dem Zusammenhang werden nachvollziehbare Angaben erwartet dazu, wie die anderen, ernsthaft für die betroffenen Rechtsverletzungen in Betracht kommenden Personen in welcher Weise und mit welcher technischen Ausrüstung wie oft und mit welchen Kenntnissen und Fähigkeiten das Internet nutzen. Ferner sollen Angaben dazu gemacht werden, inwiefern die benannten Personen in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, den etwaigen Rechtsverstoß ohne Wissen und Zutun des Abmahnungsadressaten zu begehen.

Da ist so mancher schnell überfordert. Dies wird besonders anschaulich, wenn entsprechende, möglichst konkrete „sekundäre Darlegungen“ im Rahmen eines Klageverfahrens für eine sachgerechte Klageverteidigung vorausgesetzt werden, obwohl die prozessrelevanten Vorgänge vielleicht bereits mehrere Jahre zurückliegen. Aktuelle Filesharing-Klagen betreffen nicht selten Sachverhalte aus den Jahre 2013 und 2014, liegen also etliche Jahre zurück und sind deshalb kaum vollständig erinnerlich oder ermittelbar.

Aber selbst dann, wenn die Vorgänge erst einige Wochen oder Monate zurückliegen, fällt es oft schwer, zu sämtlichen der oben angedeuteten Detail-Themen umfassend und in jeder Hinsicht substantiiert den genauen Sachstand zu schildern.

Dann wird die sog. „sekundäre Darlegungslast“ schnell zur primär den Internetanschlussinhaber treffenden „primären Darlegungsfalle“.

Deshalb sind in dem Zusammenhang möglichst schnell substantiellere Vorgaben der obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den diesbezüglichen Zumutbarkeitsgrenzen für die Inhaber von Internetanschlüssen von Nöten.


Dienstag, 25. August 2015

Filesharing-Urteil des LG München I: Verwunderungen aus dem Rahmen des (Un)Zumutbaren

Urheberrecht: In München wundern sich Gerichte - und Internetanschlussinhaber
Das kann nicht wahr (und nicht rechtens) sein: Das Landgericht München I zeigt sich verwundert über den detaillierten Sachvortrag eines Internetanschlussinhabers fast fünf Jahre nach einer Filesharing-Abmahnung, verlangt aber gleichzeitig einen noch viel detaillierten Verteidigungsvortrag.

Fragwürdige schriftliche Niederlegung hat diese prekäre Widersprüchlichkeit gefunden im Urteil der 21.Zivilkammer des Landgerichts München I vom 08.07.2015 (Az. 21 S 19026/14).

Darin werden vorausgegangene BGH-Entscheidungen zwar korrekt zitiert; die daraus von den Münchner Richtern abgeleiteten Argumentationsstränge verlieren allerdings erkennbar den Faden nach Karlsruhe.

In den Entscheidungsgründen aus Bayern heißt es u. a. zu Recht:

„Nicht verhehlen kann die Kammer ihre Verwunderung darüber, dass der Beklagte – gleichsam aus dem Nichts – nach knapp fünf Jahren detailliert rekonstruieren kann, wann er welche Maßnahmen im Nachgang zur Abmahnung vom xxxxxxxxxx  vorgenommen hat.“

Dennoch meint das Berufungsgericht, dass „der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast nicht“ genügt.

Ein Schelm, wer da nicht den in den landgerichtlichen Entscheidungsgründen selbst zitierten, von der einschlägigen BGH-Rechtsprechung aufgestellten „Rahmen des Zumutbaren“ für gesprengt erachtet.

Das Landgericht München I erwartete insbesondere noch detailliertere Angaben des Beklagten „zu seinen einzelnen Nachforschungen“ innerhalb der Familie, dazu, „welche konkreten Maßnahmen er unternommen hat, um relevante Informationen zu erhalten“, sowie alle möglichen Details zu Fragen der Auffindung, der Speicherung, der Entnahme und/oder der Inhalte eines etwaigen Routerprotokolls.

Wenn man dieses Urteil liest, wird man das Gefühl nicht los, dass versucht wird, die Anforderungen an die sekundären Darlegungen zur Nutzung des familiären Internetanschlusses und die Anforderungen an etwaige Nachforschungen (zumal innerhalb des eigenen Haus­halts bzw. innerhalb der eigenen Familie) in gleicher Weise zu überspannen, wie die frühere und zwischenzeitlich vom BGH und vom Bundesverfas­sungs­gericht korrigierte Kölner Rechtsprechung dies hinsichtlich ihrer übertriebenen (und mittlerweile überholten) Anforderungen zur Familien-Überwachung und -Belehrung getan hat.

Mit derart ausufernden und praktisch nie erfüllbaren richterlichen Ansprüchen an interfamiliäre Ermittlungen, technischen Sachverstand und archivarisches Erinnerungsvermögen der Internetanschlussinhaber wird die aktuelle "Münchner Linie" allerdings m. E. in Karlsruhe ebenso wenig durchkommen wie die früheren Überforderungstendenzen des LG und des OLG Köln.

Entgegenstehende realistischere und auch urheberrechtlich und verfassungsrechtlich angemessenere Entscheidungen beispielsweise aus Bielefeld müssen demgegenüber nicht verwundern; sie zeigen vielmehr den richtigen Weg auf - im Rahmen des Zumutbaren.


Donnerstag, 20. August 2015

AG Bielefeld stoppt Filesharing-Abmahnung

... Mit 12 Argumenten auf einen Schlag

++++ Verliebt. Verlobt. Verklagt. Und nicht verurteilt. ++++

Filesharing-Klagen kommen beim Amtgericht Bielefeld kaum durch.

Auch ohne Trauschein muss man nach urheberrechtlichen Tauschbörsen-Abmahnungen keine Ermittlungen gegen den Partner oder die Partnerin aufnehmen. Und die Frage nach ausreichender Belehrung der den häuslichen Internetanschluss nutzenden minderjährigen Kinder stellt sich prozessual gar nicht, wenn es weitere potentielle Nutzer des Internetanschlusses gibt.

Dies und 10 weitere Gesichtspunkte hat das Bielefelder Amtsgericht nun in einem besonders klar, plausibel und umfassend begründeten Urteil vom 08.07.2015 (Az. 42 C 708/14) gebündelt. 

Mit dem für unsere Mandantin errungenem Urteil hat das Gericht zahlreichen angeblichen Argumenten aus derzeit wieder grassierenden Filesharing-Abmahnungen einen Riegel vorgeschoben. 
 
Das überzeugend begründete und nachvollziehbar strukturierte Urteil lässt sich auch nicht von dem gegenwärtigen unangebrachten Hype um die vier Wochen vor Urteilsverkündung verhandelten und entschiedenen drei BGH-Verfahren (noch nicht veröffentlichte Urteile des BGH vom 11.06.2015 zu den Az. I ZR 7/14, I ZR 19/14 und I ZR 75/14) in die Irre leiten. In der gegenwärtigen Abmahnungspraxis werden die absehbaren Entscheidungsfindungen der Karlsruher Richter in den vorerwähnten drei BGH-Verfahren nämlich zumeist fehlinterpretiert bzw. überinterpretiert.

Im Einklang mit derzeit seriös ableitbarer BGH-Rechtsprechung bleibt vor dem Hintergrund der einleuchtenden Urteilsfindung des Amtsgerichts Bielefeld vom 08.07.2015 insbesondere Folgendes festzuhalten:
 
1.    „Wird über einen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen, ist eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers nicht begründet, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung (auch) andere Personen diesen Anschluss benutzen konnten.“

2.    „Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Internetanschluss zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung nicht hinreichend gesichert war oder … bewusst anderen Personen zur Benutzung überlassen wurde.“

3.    „Den Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei trifft in der Regel eine sekundäre Darlegungslast. Diese führt weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen.“

4.    „Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast dadurch, dass er vorträgt, auch andere Personen und ggf. welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen.“

5.    Nur in „diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet (BGH NJW 2014, 2360 „Bearshare“).“

6.    „Hinsichtlich einer etwaigen Aufsichtspflichtsverletzung kann eine Kausalität zum etwaigen Schaden nicht bejaht werden, wenn nicht feststeht, dass die Person, über die Aufsicht zu führen ist, eine Verletzungshandlung überhaupt begangen hat.“

7.    Der Beklagtenseite ist es „nicht zumutbar, den Täter im von Art. 6 GG geschützten Bereich zu ermitteln.“

8.    „Die Intention, den Familienfrieden zu wahren und niemanden zu verpflichten, den Partner auszuforschen und ihn einer illegalen Handlung zu überführen, muss auch für Verlobte gelten. Diese Intention ergibt sich auch aus § 383 Abs. 1 NR 1 ZPO, welcher auch dem Verlobten ein Zeugnisverweigerungsrecht einräumt.“

9.    „Der BGH hat zwar entschieden, dass der Inhaber eines ungesicherten WLAN Anschlusses als Störer auf Unterlassung haftet, wenn außenstehende Dritte diesen Anschluss missbräuchlich nutzen, um urheberrechtlich geschützte Musiktitel in Internet-Tauschbörsen einzustellen (BGH NJW 2010, 2061 „Sommer unseres Lebens“). Diese Entscheidung ist aber nicht auf die … Fallgestaltung übertragbar, bei der der Anschlussinhaber seinen Internetanschluss einem Familienangehörigen zur Verfügung stellt (BGH NJW 2014, 2360; ebenso LG Bielefeld Beschluss vom 22. Juli 2014, 21 S 76/14).“

10.  „Die dreijährige Verjährungsfrist gilt auch für den Schadensersatzanspruch.“

11.  Ein Mahnbescheid, der verjährungshemmende Wirkung haben soll, muss den geltend gemachten Anspruch, und soweit es um mehrere Ansprüche geht, jeden einzelnen Anspruch ausreichend genau und individualisiert bezeichnen. Eine Bezugnahme auf ein vorausgegangenes Abmahnungsschreiben setzt eine sich entsprechende, nachvollziehbare einzelne und individualisierte Bezifferung der konkreten Forderungsbeträge verbunden mit dem vermeintlichen Anspruchsgrund voraus. Eine Individualisierung der Ansprüche erst in der Anspruchsbegründung bzw. der Klagebegründung nach bereits eingetretener Verjährung lässt die Verjährung nicht entfallen.“

12.  Auch ein auf die Erstattung außergerichtlicher anwaltlicher Abmahnungskosten gerichteter Anspruch verjährt in der dreijährigen Regelverjährungsfrist des § 195 BGB.

 

Donnerstag, 11. Juni 2015

Neue BGH-Filesharing-Urteile überraschen - Dennoch keine Familien-Panik bei Abmahnung

Da ist Musik drin...BGH zum Filesharing
Heute hat der BGH über drei Filesharing-Klagen verhandelt. Die in den drei Verfahren soeben ergangenen Entscheidungen dürften für viel Streit und Diskussionsstoff sorgen. Die Abwehr übermotivierter Filesharing-Abmahnungen und -Klagen wird nicht einfacher. 

Klägerinnen sind in allen drei Revisonsverfahren die vier führenden deutschen "Tonträgerherstellerinnen" Warner, Sony, Universal und EMI. Diese berufen sich jeweils auf angeblich ordnungsgemäße Recherchen eines Crawling-Unternehmens, wonach im Jahre 2007 über eine IP-Adresse jeweils mehrere hundert bzw. mehrere tausend Musiktitel zum Herunterladen innerhalb eines P2P-Systems verfügbar gemacht worden sein sollen. Die Staatsanwaltschaft ermittelte mithilfe des Internetserviceproviders die jeweiligen Beklagten als vermeintliche Inhaber des der IP-Adresse zugewiesenen Internetanschlusses.
Die Musikverlage verlangen von den Beklagten urheberrechtlichen Schadensersatz in Höhe von mehreren tausend Euro sowie Ersatz von anwaltlichen Abmahnkosten in ähnlicher Größenordnung.
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1. Im BGH-Verfahren I ZR 75/14 hat der Beklagte die Richtigkeit der Ermittlungen des Recherche-Unternehmens und die zeitgleiche Zuweisung der dynamischen IP-Adresse bestritten - ebenso wie die angeblichen Uploads durch ihn, seine im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienangehörigen oder durch Dritte. Er sowie seine Ehefrau und seine beiden Söhnen hätten sich zur angeblichen Tatzeit im Urlaub auf Mallorca befunden und vor dem Urlaubsantritt seien Router und Computer vom Stromnetz getrennt worden, wobei allerdings nicht auszuschließen sei, dass einer der Familienangehörigen vor Abreise heimlich die Anlage wieder angestellt hat.

Das LG Köln hat mit Urteil vom 24.10.2012 (Az. 28 O 391/11) die Klage abgewiesen. 
Das OLG Köln hat den Beklagten mit Urteil vom 14.03.2014 (Az. 6 U 210/12) nach Zeugenvernehmung eines Mitarbeiters des Crawling-Unternehmens sowie der Familienangehörigen antragsgemäß verurteilt. Der OLG-Senat hat es als erwiesen angesehen, dass die Musikdateien von dem Rechner des Beklagten zum Herunterladen angeboten worden sind. Der Beklagte habe als Anschlussinhaber für die Urheberrechtsverletzungen einzustehen, weil nach seinem eigenen Vortrag ein anderer Täter nicht ernsthaft in Betracht komme. Das Bestreiten seiner Verantwortlichkeit stelle sich "als denklogisch fernliegend und daher prozessual nicht erheblich dar."
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2. Im BGH-Verfahren I ZR 7/14 wurde der Internetanschluss von der Beklagten, ihrem 16jährigen Sohn und ihrer 14jährigen Tochter genutzt. Gegenüber der Polizei hatte die Tochter zugegeben, "die Musikdateien heruntergeladen zu haben". Auf die anwaltliche Abmahnung reagierte die Mutter mit der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung.
Die Beklagte wendet sich zivilgerichtlichen Klageverfahren gegen die Verwertung des polizeilichen Geständnisses ihrer Tochter. Zudem trägt sie vor, ihre Tochter über die Rechtswidrigkeit der Teilnahme an Musiktauschbörsen belehrt zu haben.

Das LG Köln hat mit Urteil vom 02.05.2013 (Az. 14 O 277/12) nach der Zeugenvernehmung der Tochter der Klage überwiegend stattgegeben. 
Das OLG Köln hat diese Entscheidung mit Berufungsurteil vom 06.12.2013 (Az. 6 U 96/13) im Wesentlichen bestätigt.. Das OLG hält die Täterschaft der Tochter für erwiesen und wirft der Mutter die Verletzung ihrer Aufsichtspflicht vor.
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3. Im BGH-Verfahren I ZR 19/14 liegt der Fall so, dass der Internetserviceprovider als angeblichen Inhaber der IP-Adresse eine Person angegeben hatte, die in einem Buchstaben von dem Familiennamen des Beklagten abwich und ansonsten mit seinem Vor- und Nachnamen und seiner Anschrift übereinstimmte.
Nach anwaltlicher Filesharing-Abmahnung gab der Beklagte, ein selbständiger IT-Berater, ohne Rechtsanerkenntnis eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab und wies gleichzeitig die geltend gemachten Zahlungsansprüche zurück. Er bestreitet die Richtigkeit der Recherchen des Crawling-Unternehmens und die per Excel-Tabelle übermittelten Angaben des Internetserviceproviders sowie seine und die Täterschaft eines in gemeinsamen Haushalt lebenden Familienangehörigen. Der im Arbeitszimmer des Beklagten installierte PC war zur fraglichen Zeit unstreitig eingeschaltet und mit dem Internet verbunden. Die beim Beklagten angestellte und den Computer insoweit ebenfalls beruflich nutzende Ehefrau verfügte nicht über ausreichende Administratorenrechte zum Aufspielen von Programmen. Dem damals im Haushalt des Beklagten lebenden, seinerzeit 17 Jahre alten Sohn war das Rechner-Passwort unbekannt.

Das LG Köln hat mit Urteil vom 31.10.2012 (Az. 28 O 306/11) der Klage stattgegeben. 
Zweitinstanzlich wurde auch dieses Urteil im Wesentlichen bestätigt. Die entsprechende Entscheidung des OLG Köln (Az. 6 U 205/12) datiert vom 20.12.2013. Der Berufungssenat des OLG hielt es aufgrund der in beiden Tatsachen-Instanzen durchgeführten Beweisaufnahmen für nachgewiesen, dass die Musikdateien über den Internetanschluss des Beklagten zum Herunterladen verfügbar gemacht worden sind. Der Beklagte sei hinsichtlich der Urheberrechtsverletzungen als Täter anzusehen.

Das Ergebnis:
Der BGH hat für viele überraschend alle drei Revisionen der Beklagten zurückgewiesen.

So gehen nach der soeben veröffentlichten Pressemitteilung des BGH die Richter des 1. Zivilsenats davon aus, dass die Eintragung der Klägerinnen in die Phononet-Datenbank ein erhebliches Indiz für die klägerische Rechteinhaberschaft darstellt. Es seien auch keine Anhaltspunkte zur Entkräftung dieser Indizwirkung vorgetragen worden.
Die theoretische Möglichkeit, dass bei Ermittlungen von proMedia oder des Internetserviceproviders Fehler vorkommen können, spräche nicht gegen die Beweiskraft der Ermittlungsergebnisse, wenn im Einzelfall keine konkreten Fehler dargelegt werden. Ein falscher Buchstabe bei der Namenswiedergabe in einer Auskunftstabelle -  wie im dritten oben angesprochenen Verfahren (I ZR 19/14) - reiche insoweit nicht aus. 
In dem Rechtsstreit I ZR 75/14, dem ersten der drei oben erläuterten Verfahren,  sei das Vorbringen des Beklagten, er und seine Familie seien im Urlaub auf Mallorca gewesen und hätten vor Urlaubsantritt insbesondere Router und Computer vom Stromnetz getrennt, durch die Vernehmung der beiden Söhne des Beklagten und seiner Ehefrau nicht bewiesen worden. Der BGH bejaht sogar eine täterschaftliche Haftung des Beklagten. Dieser habe nicht dargelegt, dass andere Personen zum Tatzeitpunkt selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und deshalb als Täter der geltend gemachten Rechtsverletzungen in Betracht kommen. Somit greife die tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Inhabers des Internetanschlusses ein.
In dem zweiten oben erwähnten Verfahren mit dem Aktenzeichen I ZR 7/14 habe das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass die Tochter der Beklagten die Verletzungshandlung begangen hat. Das OLG habe sich rechtsfehlerfrei auf das im polizeilichen Vernehmungsprotokoll dokumentierte Geständnis der Tochter und dessen zeugenschaftliche Bestätigung vor dem Landgericht gestützt. Die Beklagte hafte für den durch die Verletzungshandlung ihrer damals minderjährigen Tochter verursachten Schaden gemäß § 832 Abs. 1 Satz 1 BGB. Dazu heißt es in der Pressemitteilung des BGH:
"Zwar genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten. Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internets durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht grundsätzlich nicht. Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern erst dann verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass das Kind dem Verbot zuwiderhandelt (BGH, Urteil vom 15. November 2012 - I ZR 74/12, GRUR 2013, 511 Rn. 24 - Morpheus). Das Berufungsgericht hat im Streitfall jedoch nicht feststellen können, dass die Beklagte ihre Tochter entsprechend belehrt hat. Der Umstand, dass die Beklagte für ihre Kinder allgemeine Regeln zu einem "ordentlichen Verhalten" aufgestellt haben mag, reicht insoweit nicht aus."
Schließlich bestätigt der BGH bei der Bemessung des Schadensersatzes in Form der Lizenzanalogie einen Betrag in Höhe von 200 Euro pro Musiktitel sowie ferner den ausgeurteilten Anspruch auf Ersatz von Abmahnkosten auf der Basis des RVG.

Die genauen Entscheidungsgründe bleiben zunächst abzuwarten. In jedem Fall wurde diese BGH-Entscheidung so von vielen - auch von mir - nicht erwartet. Andererseits wird das Urteil des 1. Zivilsenats auch kein Grund zur Panik sein, gelten die höchstrichterlichen Grundsätze zur Beweislast der Abmahner und zur lediglich sekundären Darlegungslast der Abgemahnten doch auch weiterhin.

Festzuhalten bleibt schon jetzt:
  • Kinder sorgfältig und nachweisbar über die Rechtswidrigkeit illegalen Filesharings belehren.
  • Kinder oder andere Familienangehörige nach einer Abmahnung nicht ohne weiteres belasten.
  • Etwaige Verstöße von Familienangehörigen nicht voreilig als alternatives "Tatgeschehen" ausschließen.
  • Nicht allein oder primär auf etwaige technische Zweifel und diesbezügliche Argumentationen setzen, da Gerichte sich damit nur selten vertiefter auseinanderzusetzen bereit sind.
  • Nicht allein oder primär auf Diskussionen über Schadenshöhen und Kosten-Reduzierungen setzen.

Welche sachverhaltlichen Nuancen bei den oben dargestellten drei Revisionsfällen jeweils die entscheidende Rolle spielten, wird sorgfältiger Analyse bedürfen.


Freitag, 8. Mai 2015

OLG Köln begrenzt Abmahnungsrecht bei Film-Filesharing-Abmahnungen


Kein roter Teppich für Film-Filesharing-Abmahnung vor dem OLG Köln
Das Oberlandesgericht Köln hat einer abmahnenden Filmproduktionsgesellschaft die Grenzen ambitionierter Filesharing-Abmahnungen aufgezeigt, wenn ein Filmproduzent an einem Film Dritten ein ausschließliches Nutzungsrecht einräumt. Dann kann der Filmproduzent nämlich in seiner Möglichkeit, Internetanschlussinhaber wegen vermeintlicher illegaler Filesharing-Verstöße abzumahnen, mangels eigenen Urheberrechts und bei fehlendem materiellen Interesse beschränkt oder sogar gehindert sein. 
Nach einem zur Vorbereitung von Filesharing-Abmahnungen stattfindenden Auskunfts- bzw. Gestattungsverfahren zur Ermittlung von Internetanschlussinhabern, denen zu bestimmten Zeitpunkten bestimmte dynamische IP-Adressen zugewiesen gewesen sein sollen, hat das OLG Köln mit Beschluss vom 17.04.2015 (Az. 6 W 14/15) dem Abmahnungsadressaten Recht gegeben. Auf seine Beschwerde hin wurde festgestellt, dass der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 204 O 24/14 – vom 11. 2. 2014 den Abmahnungsempfänger in seinen Rechten verletzt hat, soweit darin dem Internetserviceprovider gestattet worden ist, der abmahnenden, in Kanada ansässigen Filmproduktionsgesellschaft unter Verwendung von Verkehrsdaten Auskunft über den Namen und die Anschrift desjenigen Inhabers eines Internetanschlusses zu erteilen, dem am 09. 02. 2014 um 10:12:30 Uhr (CET) die IP-Adresse 217.xxx.xxx.xx zugewiesen war. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens wurden der abmahnenden Filmproduzentin auferlegt.
Das Oberlandesgericht hat eine ausreichende Aktivlegitimation der vermeintlichen Rechteinhaberin und damit im Ergebnis auch Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche der Abmahnerin verneint.
Der OLG-Senat führt dazu aus:
„Das der dinglichen Rechtsposition des ausschließlich Nutzungsberechtigten zugeordnete Verbietungsrecht gemäß § 97 Abs. 1 UrhG wird grundsätzlich durch den Inhalt der eingeräumten Nutzungsart (§ 31 Abs. 1 UrhG) bestimmt (Senat, GRUR 2000, 414, 416 – „GRUR/GRUR Int“) und findet seine Grenze regelmäßig in der jeweils eingeräumten Nutzungsart und den hierzu getroffenen vertraglichen Vereinbarungen (BGH, GRUR 1992, 310, 311 – Taschenbuch-Lizenz; Senat, ZUM-RD 2014, 162 = juris Tz. 5; Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Auflage 2010, vor § 28 Rn. 82; Fromm/Nordemann, UrhG, 10. Auflage 2008, § 97 Rn. 133). Das Verbietungsrecht kann zwar über das Benutzungsrecht hinausgehen, wenn dies erforderlich erscheint, um die Nutzungsbefugnis zu dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch wirksam zu schützen (BGH, NJW 1953, 1258, 1259 – Lied der Wildbahn; BGHZ 141, 267 = GRUR 1999, 984, 985 – Laras Tochter; Wild in: Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Auflage 2010, § 97 Rn. 50).
Ein Verbietungsrecht besteht jedoch nicht mehr, wenn der Inhaber eines ausschließlichen Nutzungsrechts seine Rechte an Dritte übertragen hat. Mit der Übertragung des ausschließlichen Nutzungsrechts erlischt die Aktivlegitimation des bisherigen Inhabers und die Aktivlegitimation des neuen Inhabers wird begründet (Dreier, in: Dreier/Schulze, UrhG, 4. Aufl. 2013, § 97 Rn. 19). Der Inhaber eines ausschließlichen Nutzungsrechts bleibt ferner auch nach der Einräumung eines solchen Nutzungsrechts weiterer Stufe klageberechtigt, wenn er an den Verkaufserlösen des Unterlizenznehmers beteiligt ist. Der Feststellung, dass seine Lizenzeinnahmen durch die Verletzungshandlung tatsächlich beeinträchtigt sind, bedarf es dazu nicht (BGHZ 141, 267 = GRUR 1999, 984, 985 – Laras Tochter; GRUR 2010, 920 Tz. 16 – Klingeltöne für Mobiltelefone II).“ 
Die Filmproduzentin aus Vancouver wollte sich zum Nachweis ihrer angeblichen Rechteinhaberschaft auf einen Eintrag im US Copyright Register sowie eine eidesstattliche Erklärung ihres CEO E. W. berufen, nach der sie für Produktion und Finanzierung des Filmes verantwortlich gewesen ist. Sie bestritt allerdings nicht, dass sie Nutzungsrechte zur Verwertung des Films an Dritte vergeben hat, zumal sie selbst ein sogenanntes „Sales Agency Agreement“ vorlegte. Der Abgemahnte Inhaber des Internetanschlusses konnte außerdem Ausdrucke aus dem Internet vorweisen, nach denen die Rechte für Deutschland zumindest teilweise bei einer „J. GmbH“ liegen.
Die Filmproduktionsgesellschaft meinte, ihre Aktivlegitimation sei unabhängig von der Frage, ob sie an den Erlösen der Filmverwertung partizipiere und Ihre Berechtigung folge aus ihrem Urheberpersönlichkeitsrecht.
Demgegenüber differenziert das OLG Köln zu Recht zwischen Urheberrecht, Urheberpersönlichkeitsrecht, Leistungsschutzrecht und Nutzungsrecht sowie ideellen Interessen und materiellen Verwertungsinteressen, prüft juristisch penibel und stellt klar:
„Zutreffend ist, dass dem Urheber selber trotz der Übertragung der ausschließlichen Nutzungsrechte ein eigenes negatives Verwertungsrecht, mithin ein selbständige Verbotsrecht gegenüber rechtswidrigen Verwertungshandlungen Dritter zustehen kann (OLG München, GRUR 2005, 1038, 1039 – Hundertwasserhaus II; Nordemann, in: Fromm/Nordemann, UrhG, 10. Aufl. 2008, § 97 Rn. 128; Wild, in: Schricker/Loewenheim, UrhG, 4. Aufl. 2010, § 97 Rn. 48). Die Beteiligte zu 1) übersieht jedoch, dass sie nach dem infolge des Schutzlandprinzips hier anwendbaren deutschen Recht nicht Urheberin des Films ist. Zutreffend ist, dass nach dem Recht der USA dem Filmhersteller ein originäres Urheberrecht zukommen kann. Ob dies auch nach dem kanadischen Recht der Fall ist – die Beteiligte zu 1) hat ihren Sitz in Kanada –, kann offen bleiben. Selbst wenn US-Recht anwendbar sein sollte oder das kanadische Recht ein entsprechendes Rechtsinstitut vorsehen sollte, so würde dies nicht dazu führen, dass die Beteiligte zu 1) nach deutschem Recht als Urheberin anzusehen wäre, da ein originäres Urheberrecht des Filmherstellers mit dem Schöpferprinzip des § 7 UrhG nicht vereinbar ist. Ein nach US-Recht bestehendes originäres Urheberrecht ist daher in ein von den einzelnen Filmurhebern eingeräumtes ausschließliches und unbeschränktes Verwertungsrecht umzudeuten (vgl. Senat, Beschluss vom 11. 11. 2010 – 6 W 182/10; Nordemann, in: Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 10. Aufl. 2008, vor §§ 88 ff. Rn. 25). An einem eigenen Urheberrecht der Beteiligten zu 1) fehlt es daher.
Urheberpersönlichkeitsrechte können daher nur den an der Herstellung des Films beteiligten Schöpfern zukommen, nicht jedoch der Beteiligten zu 1). Ideelle Interessen der Beteiligten zu 1), die über diejenigen der Filmurheber hinausgehen würden, sind nicht erkennbar. Auf ein – zumindest im Recht der USA unbekanntes – Leistungsschutzrecht des Filmherstellers beruft sie sich nicht. Sie kann daher für den Fall, dass sie Dritten ausschließliche Nutzungsrechte übertragen hat, nach den oben dargelegten Grundsätzen nur dann selber gegen Rechtsverletzungen vorgehen, wenn sie ein eigenes materielles Interesse an der Rechtsverfolgung hat. Ein solches hat sie jedoch nicht dargelegt. Soweit sie gegenüber dem Landgericht darauf verwiesen hat, das „Sales Agency Agreement“ sehe ihre Beteiligung an den Lizenzeinnahmen vor, hatte sie zuvor im gleichen Schriftsatz (vom 26. 9. 2014) ausgeführt, nach diesem Vertrag sei eine Auswertung in Deutschland nicht vorgesehen. Ihm kann daher für die – maßgebliche – Nutzungsrechtslage in Deutschland nichts entnommen werden.“ 
Es ist folglich bei der Abwehr von Filesharing-Abmahnungen – neben zahlreichen weiteren Gesichtspunkten – auch verstärkt zu prüfen, ob dem jeweils abmahnenden Unternehmen die behaupteten Rechte überhaupt in urheberrechtlich relevanter Weise (weiter) zustehen.
  

Donnerstag, 5. Februar 2015

Filesharing-Klage: Neuer Hinweis des AG Bielefeld

 ++++ Widerspruch in der Argumentation der Content-Industrie zur sekundären Darlegungslast ++++
 
Niemand zu Hause?
Einen interessanten Hinweis gab heute einer der beim Amtsgericht Bielefeld bereits seit mehreren Jahren für Urheberrecht zuständigen Richter im Rahmen einer mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme in Filesharing-Sachen. Damit wurde eine oft widersprüchliche Argumentation der abmahnenden Rechteinhaber überzeugend entlarvt. Kein zweierlei Maß bei Verdacht und Verteidigung.
 
Klägerin ist eine Pornofilm-Produzentin, Beklagter ist der Inhaber eines familiären Internetanschlusses. Dieser verteidigte sich nach vorausgegangener Filesharing-Abmahnung im Rahmen des anhängigen Schadensersatzprozesses u. a. damit, dass er kein illegales Filesharing betrieben hat und dass sein Internetanschluss zur fraglichen Zeit zumindest auch von einem seiner drei Söhne, die namentlich benannt wurden, genutzt werden konnte. Der Beklagte hatte zur „Tatzeit“ (nachts) geschlafen und konnte naturgemäß zum konkreten Internet-Nutzungs­ver­halten seiner volljährigen Söhne zu dieser Zeit nichts Substantielleres vortragen. 

Das Amtsgericht Bielefeld wies auf einen im Zusammenhang mit der sekundären Darlegungslast des Anschlussinhabers recht interessanten Gesichtspunkt hin, nämlich auf einen häufig auftretenden Argumentationswiderspruch der Klägerseite,  

wenn 
 
zum einen der Einwendung des Anschlussinhabers, er sei zur fraglichen Zeit nicht zu Hause gewesen, damit begegnet wird, dass eine Nutzung des Internetanschlusses durch entsprechende (Vor-)Einstellungen auch ohne körperliche Anwesenheit des Anschlussinhabers möglich ist,
 
und andererseits vom sekundär darlegungspflichtigen Anschlussinhaber gleichzeitig verlangt wird, detailliert dazu vorzutragen, ob die behaupteten anderen möglichen familiären Internetnutzer zur fraglichen Zeit zu Hause anwesend waren, wobei manche Fragestellungen dann sogar so weit gehen, ob die betreffenden Familienangehörigen zur fraglichen Zeit praktisch auch vor ihrem PC bzw. ihrem Laptop oder Tablet gesessen haben.

Dem Amtsgericht Bielefeld ist zuzustimmen in der Einschätzung, dass es für eine Verteidigung gegen unberechtigte Filesharing-Vorwürfe ausreichen kann, eine vermeintliche eigene Täterschaft zu bestreiten und auf die grundsätzliche selbstständige und eigenverantwortliche Internet-Nutzungsmöglichkeit seiner Familienangehörigen bzw. Mitbewohner zu verweisen. Eine Nutzung des Internetanschlusses durch die Familienangehörigen oder „Hausgenossen“ kann schließlich auch ohne körperliche Präsenz stattfinden. Die ernsthafte Möglichkeit eines von den den Beklagten verdächtigenden Filesharing-Vorwürfen abweichenden Geschehensablaufs besteht also auch ohne konkret darlegbare oder gar belegbare Anwesenheit der Mitbewohner bzw. Mitbewohnerinnen. Für welchen Zeitraum sollte eine Klärung derartige Präsenz denn auch konkret verlangt werden können? Für die gesammte Dauer des angeblich protokollierten Uploads? Für einen Teil? Für eine oder mehrere Stunden zuvor? Kann der Abmahnende bzw. der Kläger überhaupt vom Anschlussinhaber eine entsprechende Überwachung oder Recherche erwarten oder beanspruchen? Nein!

Ein weiteres Mal sind folglich Argumentations- (und Einschüchterungs-)Versuche der Abmahnungslobby entplausibilisiert worden. Die oft so vollmundig beschworene "tatsächliche Vermutung" zu Lasten des Abmahnungsadressaten und dessen angebliche quasi-polizeilichen Haus-und-Hof-Pflichten nehmen also praktisch "zunehmend" ab.
 
Dass im Übrigen Familienangehörige sich bereits vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Schutzes der Familie nach Art. 6 Grundgesetz nicht verpflichtet fühlen müssen, sich wechselseitig im Zusammenhang mit der Internetnutzung und etwaigen Filesharing-Verstößen zu überwachen oder im Falle von Filesharing-Ab­mahnungen bzw. -Klagen zu recherchieren oder Angehörige zu belasten, war auch weitergehender Gegenstand der heutigen mündlichen Verhandlung. Eine vom anwaltlichen Vertreter der Klägerin am liebsten gewünschte Gefährdungshaftung für Internetanschlüsse - also eine Art „Halter-Haftung“ der Anschlussinhaber entsprechend den Haltern von Kraftfahrzeugen - besteht unstreitig nach der geltenden Gesetzeslage nicht und bleibt wohl auch frommer bzw. unfrommer sowie unerfüllter Wunsch der Content-Industrie an den deutschen und den europäischen Gesetzgeber.

Das Amtsgericht und das Landgericht Bielefeld sind in urheberrechtlichen Streitigkeiten örtlich zuständig auch für die Bereiche der Landgerichtsbezirke Detmold, Paderborn und Münster.