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Dienstag, 10. August 2021

Social Media: Rechtliche Minenfelder für Influencer & Co.


Urheberrecht, Markenrecht, Internetrecht für Influencer
Influencer sind auf rechtlich gefährlichen Feldern unterwegs.

Die Unbefangenheit und Arglosigkeit, mit der viele sich aufmachen, ohne jede Vorbereitung und Prüfung auf Instagram, bei Snapchat oder in anderen sozialen Medien bildliche und/oder textliche Inhalte zu veröffentlichen, erstaunt mich immer wieder. Immerhin sind die Medien doch voll von Berichten zu juristischen Auseinandersetzungen bspw. über Bildrechte oder Persönlichkeitsrechte. Entsprechende Abmahnungen und Klagen gehören fast schon zum sozialmedialen Alltag. Das sogenannte Internetrecht und Medienrecht birgt dabei oft mehr rechtlichen Sprengstoff, als so mancher vermutet. 

Ohne an dieser Stelle jungen Newcomern, Influencern, Bloggern, Start-Ups und Mediensternchen jeden Mut zum kreativen Durchstarten in lukrative virtuelle Karrierehimmel nehmen zu wollen, sollen hier doch einmal wesentliche Rechtsgebiete bzw. rechtliche „Minenfelder“ aufgezeigt werden, auf denen für die angesprochenen Zielgruppen besonders häufig juristische Konflikt- und Regressrisiken auftauchen. 

Da ist zum einen das Urheberrecht. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der vollständigen oder auch nur teilweisen Übernahme fremder Fotos oder Zeichnungen und dies kann durchaus auch sog. „freies“ oder „kostenloses“ Material betreffen, wenn bspw. die im Zusammenhang mit den entsprechenden Angeboten vorgegebenen Nutzungsbedingungen nicht eingehalten werden oder die grundsätzlich vorgeschriebene Urhebernennung nicht erfolgt. 

Unabhängig vom Urheberrecht ist – auch bei selbst geschossenen Fotos – das Bildrecht der abgebildeten Person zu beachten, ohne deren ausdrückliche Einverständniserklärung nur in rechtlichen Ausnahmefällen eine Veröffentlichung gestattet ist. 

Das vorerwähnte Bildrecht leitet sich ab aus dem Persönlichkeitsrecht bzw. dem Reputationsrecht, das nicht nur im Zusammenhang mit Abbildungen eine Rolle spielen kann, sondern auch im Zusammenhang mit textlichen Äußerungen, die wegen unwahrer oder diskreditierender Inhalte rechtsverletzend sein können. 

Neben den zuvor angesprochenen Bild- und Persönlichkeitsrechten kann zudem auch das Hausrecht der betroffenen Person verletzt werden z. B. durch einverständnislose Veröffentlichung von Abbildungen, die das Grundstück oder auf dem Grundstück befindliche Gegenstände betreffen. Da hilft selbst die sog. „Panoramafreiheit“ nicht immer weiter. 

Häufig verkannte Rechtsmaterien im Zusammenhang mit Kennzeichnungen und Ausgestaltungen innerhalb sozialer Medien bilden das Markenrecht, das Titelrecht und auch das Namensrecht. Mit den vorgenannten Konfliktfeldern können darüber hinaus auch unverhoffte Verstöße im Designrecht, das früher Geschmacksmusterrecht genannt wurde, korrespondieren. Da schmückt man sich schon mal gerne mit prominenten Kennzeichen oder Gestaltungen und selbst dann, wenn es sich dabei im Einzelfall nicht um eine rechtswidrige marken- oder designrechtsverletzende Darstellung handeln sollte, kann unabhängig davon dennoch manchmal das Wettbewerbsrecht dem übermotivierten Internetsternchen einen Strick drehen – etwa bei wettbewerbsrechtlich unzulässiger Rufausbeutung bzw. unlauterer Anlehnung an fremde Leistungen. 

Dass Online-Veröffentlichungen zudem ggf. bestehendes Vertragsrecht verletzen können, liegt in der Natur mancher vertraglicher Regelungen. 

Und dass bei allen Veröffentlichungen auch das Datenschutzrecht nicht unbeachtet bleiben darf, hat gerade in den letzten Jahren viele überfordert. 

Das ist schon eine Menge Stoff, der bei begrenzten zeitlichen und finanziellen Ressourcen möglichst praktikabel, aber dennoch verantwortungsvoll zu beachten, zu prüfen und zu bewältigen ist, wenn man auf diesen Felden nicht ungewollt in die Luft fliegen möchte.



Donnerstag, 6. Juni 2019

Im Namen der Marke

Der Stress mit den Kennzeichen
 
http://www.zumanwalt.de
Die Qual der Wahl? Marke, Werktitel, Unternehmenskennzeichen, Domain, Name
 
Allein in Deutschland sind mittlerweile über 800.000 nationale Marken beim Deutschen Patent- und Markenamt registriert – und die Zahl wächst weiter an. 
Gleichzeitig nehmen auch die außergerichtlichen und gerichtlichen Streitigkeiten im Zusammenhang mit Marken und anderen Kennzeichen kontinuierlich zu. Dabei stellt sich die Frage, inwieweit der Trend zur eigenen Marke insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) stets Sinn macht oder ob häufig ein substantielleres Nachdenken über etwaige Kennzeichnungsalternativen nicht sinnvoller wäre. 

In dem Zusammenhang sollen nachfolgend

11 immer noch recht weit verbreitete Irrtümer

über die Marke und ihre Alternativen aufgezeigt werden. 

1.     Die Herbeiführung einer Markeneintragung beim Deutschen Patent- und Markenamt sichert keineswegs, dass eine identische oder verwechslungsfähige Marke nicht bereits zuvor zugunsten eines andere Markeninhabers in das Markenregister eingetragen worden ist, der dann etwaige vorgehende Rechte geltend machen kann. Das Deutsche Patent- und Markenamt führt keine Ähnlichkeitsrecherche für den Anmelder durch. 

2.     Es stimmt zwar, dass man mit einer registrierten Marke Waren und Dienstleistungen kennzeichnen kann. Man ist allerdings nicht gezwungen, bei einer beabsichtigten Benennung eigener Waren oder Dienstleistungen die entsprechende Kennzeichnung markenmäßig anzumelden. Dennoch kann dies im jeweiligen Einzelfall sinnvoll sein. 

3.     Oft wird vergessen, dass auch der eigene Name oder der eigene Firmenname bzw. das sog. Unternehmenskennzeichen einen Kennzeichenschutz gewähren. 

4.     Nicht selten verlangen Markeninhaber von Domaininhabern die Löschung einer Domain, selbst wenn das vermeintlich anspruchsbegründende Markenrecht erst nach Registrierung bzw. Nutzung der Domain entstanden ist. Zwar beinhaltet eine Marke oft eine stärkere Rechtsposition als eine Domain; falls die Domain vor Markenanmeldung allerdings bereits als Unternehmenskennzeichen oder auch als Werktitel benutzt worden ist, gilt insoweit der sog. Prioritätsgrundsatz. Gleiches gilt auch dann, wenn die Domain als solche jedenfalls nicht markenrechtswidrig, wettbewerbswidrig, unlauter oder irreführend benutzt wird. 

5.     Nicht selten wird von einer beabsichtigten Markenanmeldung ohne weiteres abgesehen, wenn der Hinweis erfolgt, dass die für die Markenanmeldung gewählte Begrifflichkeit wegen ihres rein beschreibenden Charakters und eines damit verbundenen sog. „Freihaltebedürfnisses“ nicht schutzfähig ist. Selbst wenn Letzteres im jeweiligen Fall zutreffen mag, so ist es dennoch möglich, durch zusätzliche grafische bzw. bildliche Gestaltungen zumindest eine entsprechende sog. Wort-Bildmarke im Markenregister eintragen und auf diese Weise schützten zu lassen. 

6.     Im Zusammenhang mit der vorgenannten Vorgehensweise wird dann allerdings manchmal der dadurch erlangte Schutzbereich fälschlicherweise derart überinterpretiert, als ob er nicht nur verwechslungsfähige grafische bzw. bildliche Gestaltungen erfasst, sondern auch allein die in der entsprechenden Abbildung enthaltenen, für sich genommen nicht schutzfähigen Wortbestandteile. 

7.     Es kommt immer noch vor, dass Mandanten meinen, von ihnen geschaffene individuelle Texte (Schriftwerke) oder von ihnen hergestellte Bildnisse bedürften zu ihrem rechtlichen Schutz einer entsprechenden „Registrierung“ etwa beim „Patentamt“. Dass die diesbezüglichen entsprechenden Urheberrechte bereits qua Schöpfungsakt gesetzlich entstanden sind, wird dabei übersehen. 

8.     Einem vergleichbaren Rechtsirrtum unterliegen Autoren oder Publizisten, die meinen, die Titel ihrer Schriftwerke vorsorglich als Marke anmelden zu müssen. Dies kann im Einzelfall zwar angebracht sein – wie etwa wenn parallel zu der Verwertung der Schriftwerke etwa der Vertrieb mit gleicher Kennzeichnung versehener Produkte oder Dienstleistungen beabsichtigt ist; in der Mehrzahl der Fälle entsteht allerdings bereits durch die Veröffentlichung der entsprechenden Werke ein sog. Werktitelschutz, der identischen oder verwechslungsfähigen nachfolgenden Titeln entgegengehalten werden kann. 

9.     Unbeschadet dessen sollte nicht versäumt werden, vor der eigentlichen Veröffentlichung der entsprechenden Werke in einem der dafür vorgesehenen Medien eine sog. Titelschutzanzeige hinsichtlich des beabsichtigten Werktitels zu schalten, damit nicht einige Monate vor der eigentlichen Veröffentlichung Dritte den beabsichtigten Werktitel noch „wegschnappen“. 

10.  In dem Zusammenhang wird manchmal übersehen, dass eine aus den vorgenannten Gründen veröffentlichte Titelschutzanzeige nicht unbegrenzt für alle Zukunft Gültigkeit und Wirkung entfaltet. Je nach betroffener Werkgattung (Zeitung, Illustrierte, Buch, Film, Theaterstück, TV-Serie etc.) kommt ein Zeitraum von ca. drei Monaten bis zu im Einzelfall 18 Monaten in Betracht. 

11.  Auch ein letztendlich tatsächlich verwendeter Werktitel behält nicht zwingend unbegrenzte Zeit seinen Rechtsschutz. Wenn das entsprechende Werk etwa fünf Jahre lang nicht mehr lieferbar bzw. sonst wie erhältlich ist und praktisch vollständig vergriffen ist, endet regelmäßig der diesbezügliche Titelschutz.

 

 

Mittwoch, 9. Mai 2018

Der Mai ist gekommen: Die Abmahnungen schlagen aus



http://www.zumanwalt.de
Wenn die Maiglöckchen viermal klingeln: Abmahnungen lieben den Mai. 

Der Monat Mai hat in diesem Jahr vier gesetzliche Feiertage und ist damit verlockend für den einen oder anderen Kurzurlaub. Dies nehmen einige Abmahnungs-„Profis“ wieder mal zum Anlass, durch den Stress zeitgleicher Abmahnungspost einige Abmahnungsadressaten zu überstürzten und damit oft falschen Reaktionen zu veranlassen. 

Dabei kann nach einer sachgerechten und besonnenen Prüfung der Abmahnung und der der Abmahnung zugrunde liegenden Sachverhalte häufig der zunächst als dramatisch wahrgenommene urheberrechtliche, markenrechtliche, wettbewerbsrechtliche oder medienrechtliche Konflikt schadens- und kostenmindernd entschärft werden. 

Oft geht es dabei u. a. um Gesichtspunkte der folgenden Art: 

·         Ist der angebliche Rechteinhaber auch tatsächlich Inhaber der geltend gemachten Rechte?

·         Welche Erkenntnisse bestehen hinsichtlich der das Abmahnungsschreiben übermittelnden Anwaltskanzlei und deren außergerichtlicher und prozessualer Praxis?

·         Ist die Beantragung einer angemessenen Fristverlängerung – auch für weitergehende Recherchen und Erörterungen – sinnvoll und geboten?

·         Sind die von der Gegenseite dargelegten Sachverhalte in jeder Hinsicht zutreffend?

·         Wie steht es mit wirklich belastbaren Nachweisen bzw. Beweismitteln der Gegenseite?

·         Wer ist zu welchem rechtlich relevanten Tatbestandsmerkmal überhaupt darlegungs- und/oder beweispflichtig?

·         Sind die rechtlichen Argumentationen der Gegenseite schlüssig oder zumindest fachlich vertretbar?

·         Ist die von der Gegenseite evtl. unter Bezug genommene Rechtsprechung wirklich einschlägig?

·         Welche evtl. entlastende aktuelle obergerichtliche und höchstrichterliche Rechtsprechung lässt sich zur Verteidigung heranziehen?

·         Sind von der Gegenseite aufgeführte Schadensberechnungen, Streitwerte und Kostenangaben sowie vorgegebene Vertragsstrafen evtl. frag- und kritikwürdig sowie modifizierungsbedürftig?

·         Welche rechtlichen Einwendungen sind möglich?

·         Gibt es evtl. im konkreten Fall vor dem Hintergrund der individuellen persönlichen Situation des Betroffenen zusätzliche Einwendungsmöglichkeiten?

·         Ergibt sich evtl. eine besondere Situation zugunsten des Mandanten, weil dieser oder weil dieser etwa gerade nicht gewerblich bzw. geschäftlich agiert hat?

·         Welche unangemessenen Vorgaben und welche Lücken finden sich in dem evtl. beigefügten Entwurf einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und empfiehlt sich im konkreten Fall überhaupt die Abgabe einer (modifizierten) strafbewehrten Unterlassungserklärung?

·         Und auch technisches Verständnis und versierte Expertise im Zusammenhang mit medialen Hintergründen können heranzuziehen sein, um abmahnungsrelevante Abläufe zu klären und hilfreiche Lösungen zu finden.

Auch dann, wenn durch Feiertage oder urlaubsbedingt besonderer Zeitdruck herrscht, empfiehlt es sich also, „ausschlagender“ bzw. „aufschlagender“ Abmahnungspost abgeklärt und aufgeklärt zu begegnen. Dies gilt nicht nur im Wonnemonat Mai.

Freitag, 10. Februar 2017

Narrenfreiheit für Internet-Abmahnungen?


Gewitzter Umgang mit „zickiger“ Anwaltspost zur Faschingszeit

Das Ausmaß der aktuell wieder im Umlauf befindlichen Abmahnungen nimmt schon „karnevalistische Züge“ an. Die Adressaten der entsprechenden Anwaltspost wissen oft nicht, ob sie lachen oder weinen sollen. Im Ergebnis wird es sich in den meisten Fällen empfehlen, einerseits den Ernst der Lage nicht zu verkennen, andererseits die Sache dennoch mit Humor und vielleicht zusätzlicher versierter Hilfestellung anzugehen.

Da marschieren üppige Paragraphenketten und jecke Fachterminologien durch die Fastnacht in den häuslichen Briefkasten, gepaart mit launigen Rechtsprechungszitaten in kaum verständlichem Juristen-Dialekt. An den Kostümkragen geht es insbesondere vermeintlich rechtsverletzenden Online-Veröffentlichungen (z. B. Fotos, Texte, Musik, Werbung, Ebay-Angebote oder sonstige Shop- bzw. Webseiten-Präsentationen etc.). Im anwaltlichen Dichterstreit spielen neben den rechtlichen Klimmzügen zusätzlich dann auch reale und virtuelle, geschäftliche und technische Details eine Rolle.

Grundsätzlich darf man davon ausgehen, dass ein Abmahnungschreiben umso seriöser ist, je nachvollziehbarer und verständlicher es verfasst wurde; hat der Gesetzgeber gerade auf den Rechtsfeldern des Medienrechts, des Urheberrechts, des Markenrechts und des Werbe- und Wettbewerbsrechts doch bewusst das Rechtsinstitut der Abmahnung geschaffen, um auf diese Weise nach Möglichkeit gerichtliche Klageverfahren zu vermeiden. Wer will schon einen prozessualen Zickenkrieg - außer etwaige "Zicken"?

Das Verhindern teurer Prozesse ist natürlich auch vorrangiges Ziel der Abmahnungsempfänger selbst, die allerdings nicht selten aus diesem Antrieb heraus zu übereilt närrische Erklärungen abgeben und Zahlungen leisten – in dem Glauben, sich damit der verrückten Angelegenheit abschließend entledigt zu haben. Dies kann leider ein bedauerlicher und kostspieliger Irrtum sein.

Von den Elferräten der Abmahnungszünfte in die Bütt gelegte Erklärungsmuster, sogenannte strafbewehrte Unterlassungserklärungen, enthalten nämlich oft als harmlose Formsache verkleidete Fußangeln und Fallstricke, die bei ungeprüfter und unveränderter Unterzeichnung zu einem späteren Absturz in eine wenig witzige Katerstimmung führen können: Dann werden hektisch zugesagte Vertragsstrafen plötzlich zu einem unabsehbaren Fass ohne Boden. Zudem können zu weit gefasste Verbotssachverhalte die weitere geschäftliche oder private Bewegungsfreiheit unnötig einschränken. 

Arglos unterzeichnete Formulierungen stellen sich im Nachhinein als geschickt maskierte Anerkenntniserklärungen heraus, zu deren Abgabe in der Form und in dem Umfang überhaupt keine Verpflichtung bestand. Dann bestimmen auf einmal weitere Schadensersatz- und Kostenforderungen die närrische Sitzung, von denen vorher so noch gar nicht die Büttenrede war. Ganz zu schweigen vom Narrhallamarsch der bösen, pseudojuristischen Begleitmusik - wie dem „Verzicht auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs“, listigen Ermessensklauseln oder raffinierten Gerichtsstandsvereinbarungen.

Da reiht sich so manche Faschingspost ein in den gar nicht so witzigen aktuellen Trend zu „alternativen Fakten“ und „Fake-News“. Aber wer will sich schon freiwillig durch Mummenschanz zum Hoppeditz machen lassen? Dem begegnet der auf solche Weise angegangene Jeck am besten nicht nur mit karnevalistischem Humor, sondern zusätzlich mit gewitzten und schlagkräftigen Argumenten, die an zahlreichen Stellen dieses Blogs mittlerweile über mehrere Sessionen angesammelt worden sind.

Dann gibt’s vielleicht doch noch den verdienten Karnevalsorden...


Freitag, 23. Dezember 2016

GUTE ABMAHNUNGEN, SCHLECHTE ABMAHNUNGEN


  

Marken- und Urheberrecht als in Serie gehendes Geschäftsmodell


Nicht alle anwaltlichen Abmahnungen sind per se unzulässige oder unanständige Massenabmahnungen. Wo massenhaft gesetzlich geschützte Rechte verletzt werden, da darf grundsätzlich auch massenhaft abgemahnt werden. Das Dilemma ist allerdings, dass in der fortlaufenden Abmahnungsflut, insbesondere in den immer wieder neuen urheberrechtlichen und markenrechtlichen Abmahnungswellen, besonders bedenkliche und kritikwürdige Gesichtspunkte und Vorgehensweisen auftauchen, die die jeweiligen Adressaten übervorteilen oder – wie es häufig heißt – „abzocken“.

Die Guten

In der anwaltlichen Praxis gibt es durchaus Abmahnungsfälle, in denen der oder die Abgemahnte in klarer und verständlicher Weise über den Abmahner selbst, die angeblich begangene Rechtsverletzung, daraus ggf. konkret herleitbare Zahlungsansprüche und den Hintergrund sowie den Inhalt einer seriösen strafbewehrten Unterlassungserklärung informiert wird – wie dies ja u. a. auch § 97a Abs. 1 UrhG vorschreibt.

In diesen Fällen sind vielleicht dennoch einige sachverhaltliche Details und rechtliche Streitpunkte zu klären; dies aber in fairer und verständigungsorientierter Weise und mit wechselseitig vertretbaren Argumenten. Und das ist gut so.

Die Bösen

Leider trifft man allerdings auch immer wieder auf Abmahnungen, in denen nicht einmal der angeblich anwaltlich vertretene Rechteinhaber selbst nachvollziehbar und nachprüfbar dargestellt wird. Da finden sich verkürzte oder verfremdete Namensangaben oder Pseudonyme, es fehlen konkrete Adressangaben und nähere Darlegungen dazu, aus welcher plausiblen sachverhaltlichen und rechtlichen Grundlage, wie, woher und mit welcher etwaigen Rechtekette die vermeintlichen Rechte (Urheberrechte, Leistungsschutzrechte, Markenrechte, exklusive Nutzungsrechte u. Ä.) denn hergeleitet werden sollen.

Nicht selten durchaus mit darauf ausgerichtetem Kalkül enthalten derartige Abmahnungsschreiben teilweise lückenhafte, widersprüchliche oder schlicht falsche tatsächliche und technische Darstellungen – etwa zu vermeintlichen Sachverhalten, Recherche-, Protokollierungs- oder Archivierungsvorgängen.

Die lieben Technik

Zu erwähnen sind exemplarisch ferner die – bis zur entsprechenden Korrektur durch die Rechtsprechung – aufgetretenen Fälle, in denen im Rahmen von Filesharing-Abmahnungen den Internetanschlussinhabern zu Unrecht vorgeworfen wurde, das vom Internetservicepro-vider vorgegebene Router- bzw. WLAN-Passwort unverändert verwendet zu haben.

Dass in Zeiten zunehmend komplexer und komplizierter werdender Medienangebote und Medientechnik sowie massenhaft auftretender, durch Root-Kits verschleierter Trojaner und „Staatstrojaner“ viele Verbraucher überfordert sind mit einer nachvollziehbaren Bewertung auf sie zukommender Abmahnungsfälle, macht man sich im Rahmen des Geschäftsmodells „Abmahnungen“ gerne zunutze. Die lieben eben Technik – auch im Zusammenhang mit oft nicht nachvollziehbaren Behauptungen zu angeblichen Crawling-Recherchen.

Datenmissbrauch mit gerichtlichem Siegel

Neben fragwürdigen Ermittlungsmethoden kommt es gelegentlich zur Herausgabe von persönlichen Daten im Rahmen von gerichtlichen Auskunfts- bzw. Gestattungsverfahren, die an Netzbetreiber gerichtet wurden, die mit dem betroffenen Verbraucher aufgrund von Reseller-Konstellationen gar nicht vertraglich verbunden sind. Das daraus resultierende Beweisverwertungsverbot wird dann schlicht übergangen.

Eigentore

Im Zusammenhang mit den sog. Filesharing-Abmahnungen machen sich manche Abmahner sogar selbst urheberrechtlich verletzbar, indem u. a. Audioaufnahmen aus sog. Samplern oder Chart-Containern zum Gegenstand angeblich recherchierter Rechtsverletzungen gemacht werden, obwohl dann, wenn entsprechende Urheberrechtsverstöße tatsächlich durch ein Recherche-Unternehmen im Wege angeblich durch das Crawling-Unternehmen durchgeführter vollständiger Downloads protokolliert und archiviert wurden, zwangsläufig auch Rechtsverletzungen durch das Recherche-Unternehmen selbst begangen worden sein müssen, und zwar hinsichtlich der übrigen, nicht von dem jeweiligen Rechteinhaber innegehaltenen Werke auf dem jeweiligen Musikalbum.

Drama

Geradezu unerträglich sind in zahlreicher Abmahnungspost enthaltene, völlig übertriebene und dramatisierende Ausführungen zum angeblichen Ausmaß von Auskunfts-, Darlegungs- und Beweispflichten des Adressaten. Dies erzeugt häufig ungerechtfertigten, quasi „postfaktischen“ Psychostress – wenn nicht sogar Panik. Dem gleichen Ziel dient wohl die weit verbreitete Praxis, derartige Abmahnungsbriefe insbesondere zum Wochenende oder im Zusammenhang mit Ferien- oder Feiertagszeiten zu versenden.

In die Kategorie „Psycho-Terror“ gehört auch das Bestreben zahlreicher Abmahner, Familienmitglieder zu quasi geheimpolizeilichen Ermittlungs- oder Verhörmethoden verpflichten zu wollen oder durch massive Inanspruchnahmen gegeneinander auszuspielen. Dabei wird dann gerne auf obergerichtliche oder sogar höchstrichterliche Rechtsprechung verwiesen – allerdings ohne Berücksichtigung der insbesondere in einschlägigen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs angesprochenen Gesichtspunkte der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit.

Geschäftliches

Fatal ist die manchmal anzutreffende Praxis, Verbrauchern ein gewerbliches oder geschäftliches Verhalten bzw. auf dem Feld des Markenrechts z. B. eine markenmäßige Nutzung bestimmter Kennzeichen zu unterstellen, obwohl vielleicht nur ein von dem entsprechenden Verbotstatbestand gar nicht umfasster privater Geschehensablauf vorliegt. In manchen von den Abmahnern selbst allerdings sehr wohl „geschäftlich“ betriebenen Abmahnungsfällen fußen die streitgegenständlichen Vorwürfe auf kriminellen Handlungsweisen Dritter, für die eine angebliche Verantwortlichkeit des angeschriebenen Verbrauchers behauptet wird, obwohl dessen Haftung insoweit gar nicht gegeben ist. Die in den vergangenen Jahren exzessiv herangezogene „Störerhaftung“ ist ein erschreckendes Beispiel dafür.

Kassensturz

Es werden dann nicht selten überhöhte Schadensersatzforderungen und überhöhte Kostenansätze gepflegt und zudem strafbewehrte Unterlassungserklärungen verlangt, die evtl. für die Zukunft bereits das nächste „Geschäftsmodell“ eröffnen: Mit unverhältnismäßigen Vertragsstrafen, ausgeweiteten Unterlassungstatbeständen und sonstigen, für den Unterlassungsschuldner suboptimalen Vorgaben.

Serienreif

Die oben beschriebenen Abmahnungsdramen werden wohl auch als Geschäftsmodell weiter „in Serie“ gehen. Alle bisher vom Gesetzgeber eingebauten „Bremsen“ haben ja bekanntlich de facto wenig Wirkung gezeigt.
  



Freitag, 22. Juli 2016

Marke und Firma: Der Abmahner ist auch mal der Gärtner


Streit ums Markenrecht verlangt oft ein feines Gespür. Sogar unter Gärtnern.

Mit einer aktuellen Entscheidung zum Markenrecht hat das OLG Frankfurt am Main (Beschl. v. 30.05.2016, Az. 6 U 27/16) Abmahnungen der Konkurrenz den rechtlichen Wert des eigenen (Vor-)Namens aufgezeigt.


Die oft überforderten Adressaten markenrechtlicher Abmahnungen haben nämlich häufig bereits selbst beachtliche Rechtspositionen, die der Abmahnung sowie einer etwaigen anschließenden Klage entgegengehalten werden können.

Dies ist neben z. B.  bestehenden Werktiteln, die auch ohne markenamtliche Registrierung rechtliche Bedeutung und Wirkung haben können, ein evtl. existierendes Unternehmenskennzeichen, die Firma bzw. der Name eines Unternehmens - mit älterer Priorität.

Im hier betroffenen Prozessfall sah sich ein Garten- und Landschaftsbauer der Klage eines Konkurrenten ausgesetzt. Der Kläger ging aus einer im Jahre 2014 angemeldeten Marke „A Objektservice – Peter B e.K.“ (eingetragen u. a. in Klasse 37 – „Bauwesen“) gegen den Beklagten vor. Der Beklagte firmierte seit 1995 unter der Bezeichnung "Peter´s Objektservice".
Der Kläger gelangte mit seiner Abmahnung außergerichtlich nicht ans Ziel und wollte dem Beklagten Gärtner nun gerichtlich verbieten lassen,
„im Zusammenhang mit der Erbringung von Dienstleistungen im Bereich des Bauwesens, insbesondere des Garten- und Landschaftsbaus und damit zusammenhängender Tätigkeiten, die Unternehmensbezeichnung "Peter" Objektservice oder eine sonstige Unternehmensbezeichnung, die mehr als einen der Begriffe "Peter", "B", "A" oder "Objektservice" enthält, zu verwenden.“
Ferner verlangte der Abmahner und Kläger Auskunft über Art, Umfang und Dauer der vermeintlichen Verletzungshandlungen unter Angabe von Umsatz und Gewinn sowie die gerichtliche Feststellung angeblicher Schadensersatzansprüche und Ersatz der vorgerichtlichen anwaltlichen Abmahnungskosten.

Der klagende Gartenbauer unterlag zu Recht in beiden Instanzen.

Bereits das Landgericht hatte aufgezeigt, dass der Beklagte seit 1995 Inhaber eines „Unternehmenskennzeichenrechts“ (gem. § 5 MarkenG) hinsichtlich der seitdem verwendeten Bezeichnung "Peter´s Objektservice" ist. Und dieses Zeichen verfügt eben insbesondere auch über die für eine Schutzfähigkeit ausreichende sogenannte „originäre Kennzeichnungskraft“. Dem vom Beklagten benutzten Zeichen kann entgegen der Auffassung der den Kläger vertretenden Anwälte eine originäre Kennzeichnungskraft nicht abgesprochen werden, weil auch ein Vorname durchaus geeignet ist, das so bezeichnete Unternehmen von anderen Unternehmen zu unterscheiden.

„Dem steht nicht entgegen, dass ein Vorname vielfach verwendet wird und den Inhaber des Unternehmens daher nicht erkennen lässt; denn dies ist nicht Voraussetzung für die originäre Kennzeichnungskraft eines Unternehmenskennzeichens. Insoweit gilt für Vornamen nichts anderes als für weit verbreitete Familiennamen (vgl. hierzu BGH GRUR 2008, 801 [BGH 30.01.2008 - I ZR 134/05] - Hansen-Bau, juris-Tz. 12).“

„Bei § 5 II S. 1 MarkenG geht es - im Gegensatz zu den genannten Entscheidungen zu § 12 BGB - nicht um die namensmäßige Individualisierung einer natürlichen Person, sondern eines Unternehmens. Die Individualisierung kann zwar auch hier durch Namhaftmachung des Unternehmensträgers erfolgen; Kennzeichnungsobjekt ist aber allein das Unternehmen bzw. der Geschäftsbetrieb, nicht der Unternehmensträger als Person (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 5, Rn. 6). Für ein Unternehmen kann einem Vornamen - ggf. in Verbindung mit einem den Unternehmensgegenstand beschreibenden Zusatz - durchaus eine Namensfunktion zukommen. Der Grund dafür, dass Vornamen grundsätzlich nicht geeignet sind, natürliche Personen zu individualisieren, liegt in ihrer weiten Verbreitung. Dies gilt nicht in gleicher Weise für Unternehmen und Geschäftsbetriebe. Die Benennung von Unternehmen mit dem Vornamen des Inhabers ist gerade nicht weit verbreitet. Die Bezeichnung "Peter´s Objektservice" ist jedenfalls ohne weiteres geeignet, bei der Verwendung im Verkehr als Name des Unternehmens zu wirken.“

Und der Kläger verfügt durch die Markenregistrierung eben nicht über ein gegenüber dem Unternehmenskennzeichen des Beklagten älteres Kennzeichen- bzw. Markenrecht.

Besonders hilfreich kann in vielen Abmahnungsstreitigkeiten der zusätzlich in die Berufungsentscheidung aufgenommene, folgende richterliche Hinweis sein:

„Wollte man - wie der Kläger - der angegriffenen Bezeichnung jegliche Kennzeichnungskraft absprechen, wäre auch die Klagemarke nicht verletzt, weil es dann an der für eine solche Verletzung erforderlichen markenmäßigen Benutzung fehlen würde.“


Abmahnung und Klage scheitern also erst recht dann, wenn die angegriffene Bezeichnung selbst gar keine genügende Kennzeichnungskraft hat, sondern lediglich beschreibenden Charakter aufweist. Dann liegt nämlich überhaupt keine irgendwie angreifbare markenmäßige Benutzung des Abgemahnten vor, was nicht selten übersehen wird.

Es lohnt sich vor der voreiligen Abgabe verlangter strafbewehrter Unterlassungserklärungen und vor übereilter Zahlung anwaltlicher Abmahnungskosten also ein genauerer Blick auf die konkret berührte Sach- und Rechtslage ... auch im Gartenbau.


Freitag, 18. September 2015

Markenrecht in Gummi und Goldfolie: Freiheit für die Goldbären

Darf 'ne Gummi-Marke per  ein Schoko-Design verbieten?
Am 23.09.2015 wird der Erste Zivilsenat des Bundesgerichtshofes sein Urteil über den schokoladigen „Goldbären“ fällen (Az. I ZR 105/15). Abmahnerin und Klägerin ist die Fruchtgummi-Produzentin Haribo, die u.a. die sogenannten “Gummibärchen“ in goldfarbenen Verpackungen unter der Bezeichnung “GOLDBÄREN“ vermarktet. Haribo ist Inhaberin der Wortmarken “GOLDBÄREN“, “Goldbär“, und “Gold-Teddy“ sowie der Farbmarke “Gold“. Beklagte ist die Firma Lindt, die den sogenannten „Lindt Teddy“ vertreibt, eine in Goldfolie eingewickelte Schokoladenfigur in der Form eines Bären.

Die Richter des LG Köln hatten mit Urteil vom 18.12.2012(Az. 33 O 803/11) noch den Gummibärchen aus Bonn Recht gegeben: Die bärige und goldfolierte Schokolade beeinträchtigte in unlauterer Weise die Unterscheidungskraft der bekannten Marke “GOLDBÄREN“.
Der Berufungssenat des OLG Köln hatte dann stattdessen am11.04.2014 (Az. 6 U 230/12) die Klage gegen den Schweizer Schokoladen-Bären abgewiesen:  Allein Farbe und Form des goldigen Lindt-Schokobären riefen beim Verbraucher keine „ungezwungene gedankliche Verknüpfung“ zu der bekannten Marke “GOLDBÄREN“ hervor. Zudem stelle die Bezeichnung “GOLDBÄR“ für die Verbraucher auch keine naheliegende Bezeichnung für den Schokobären dar. Das Publikum werde durch die auf der Umverpackung verwendeten Wortbestandteile “Lindt“ bzw. “Lindt-Teddy“ – auch vor dem Hintergrund der Produktnähe zum sogenannten “Goldhasen“ - vielmehr gerade auf das beklagte Unternehmen „Lindt“ hingewiesen und nicht auf die Gummibärchen von Haribo, die auch keine ausreichende Ähnlichkeit mit den Schokobären aufwiesen; insofern scheide auch eine Verwechslungsgefahr aus.
Die Firma Haribo meint immer noch, die Gestaltung des “Lindt Teddys“ stelle die dreidimensionale bildliche Darstellung der berühmten, bei 95 Prozent der Verbraucher bekannten Wortmarke “GOLDBÄR“ dar und verletzte bereits deshalb ihre Markenrechte, aber auch wettbewerbsrechtliche Nachahmungsverbote hinsichtlich ihrer “Goldbärenfigur“ sowie der “Goldbärenproduktform“. Die Gummibärchen verlangen mit ihrer Revision insofern von dem Schokoladenhersteller weiterhin Unterlassung, Auskunft, Schadensersatz und die Vernichtung der putzigen Schokobären.
Die Schokoladenfabrikanten aus der Schweiz wehren sich mit der Argumentation, die Schoko-Figur des „Teddy“ stelle lediglich eine Fortentwicklung ihrer seit längerer Zeit entwickelten Produktlinie dar, zu der z. B. auch der “Lindt Goldhase“ gehöre. Außerdem sei die Teddybärenfigur eine im Süßwarenbereich öfter verwendete Form.
Der Vorsitzende des Karlsruher BGH-Senats fand in der mündlichen Verhandlung vom 25.06.2015 zwar beide Naschbären „süß“, ließ aber Bedenken erkennen, ob Haribo tatsächlich im Süßwaren-Regal für sich alle möglichen goldenen Bären monopolisieren darf.
Das wäre auch aus meiner Sicht einerseits schade und andererseits weder durch das Markenrecht, noch durch das Wettbewerbsrecht zu rechtfertigen. Deshalb: Freiheit für die goldigen Schokoladen-Bärchen. Die Goldfolie will ja niemand essen.

Update: Der BGH hat am 23.09.2015 die von mir prognostizierte und favorisierte Entscheidung gegen eine Monopolisierung des "Goldbären" per Marke getroffen und hierzu diese Pressemitteilung herausgegeben. Gut so.

 

Samstag, 13. Juni 2015

Huren-Humor statt Marken-Zensur: Die Wanderhure im Markenrecht

 EU-Behörde punktet mit Witz: Der Mörder ist nicht immer der Gärtner
  • Ist "Die Wanderhure" als Marke zu vulgär?
  • Hatte das Mittelalter "Dienstleistungserbringerinnen"?
  • Darf Konstanz fantasieren?
  • Und muss Reinhard Mey auf den Scheiterhaufen?
Eine freche und erfrischende, weise und humorvolle Entscheidung zur Wortmarke
„DIE WANDERHURE“
hat zugunsten eines Verlages aus München und des Autoren-Ehepaares aus dem oberbayerischen Poing die 4. Beschwerdekammer beim HARMONISIERUNGSAMT FÜR DEN BINNENMARKT (MARKEN, MUSTER UND MODELLE) am 28.05.2015 (Az. R 2889/2014-4) getroffen. Die vorausgegangen behördliche Ablehnung der Markeneintragung wurde aufgehoben und sodann heißt es im Entscheidungstenor tatsächlich: 
 
„Die Gemeinschaftsmarkenanmeldung wird zum Weiterwandern zugelassen.“
Dieser kesse Spruch betrifft die Gemeinschaftsmarkenanmeldung Nr. 1 291 7621. 

Zu vulgär?

Die vorher agierende Prüferin hatte die Eintragung der Wortmarke noch verweigert, weil der Begriff „HURE“ als Synonym für Prostituierte ein vulgärer und unanständiger Ausdruck und ein anstößiges Schimpfwort sei, das eben Anstoß errege und gegen die guten Sitten verstoße. 

Hatte das Mittelalter Dienstleistungserbringerinnen?


Die HABM-Juristen ordneten die Markenbezeichnung demgegenüber mit entspannter Analyse und historischem Durchblick in den zeitlichen Kontext des gleichnamigen Romans ein. In dem schriftstellerischen Werk ginge es immerhin „um eine eher jüngere Person weiblichen Geschlechts, die im 15. Jahrhundert ihre Dienstleistungen auf der Wanderschaft erbringt und schließlich diese auf dem vom Kaiser einberufenen Konzil zu Konstanz besorgt, wobei das relevante Publikum (nicht der vorliegenden Markenanmeldung, sondern der betr. mittelalterlichen Dienstleistungsempfänger) aus Klerikern besteht. Der Leser des Romans wird mit der These konfrontiert, dass die wandernden Damen besagter Art seinerzeit einen eigenen Berufsstand oder genauer eine spezialisierte Gruppe von Dienstleistungserbringerinnen waren.“

Darf Konstanz fantasieren?

Auch die Stadt Konstanz habe ersichtlich kein Problem damit, hochoffiziell sogar spezielle Wanderungen „auf den Spuren des Anmeldezeichens“ anzubieten. Schließlich existiere im aktuellen Sprachgebrauch der Begriff einer „Wanderdienstleistungserbringerin“ ja auch nicht. Die angemeldete Wortmarke nehme „auf die versunkene Welt des Mittelalters Bezug, über die wir so wenig wissen, dass man über sie umso besser fantasieren kann.“

Muss Reinhard Mey auf den Scheiterhaufen?

"Großes Kino" ist m.E. dann das weitere juristische Plädoyer gegen den vorinstanzlichen Zensur- und Verbots-Eifer sowie gegen medien- und kultur-schädlichen Prüderie-Aktionismus:
„Die angefochtene Entscheidung vermischt die Erwähnung eines Phänomens mit dem Phänomen selbst. Sie eignet sich hervorragend zum Verbot von Krimis mit dem Wort „Mord“ im Titel, denn bekanntlich sind Morde gemäß § 211 des deutschen Strafgesetzbuchs ein Verbrechen, und es gibt nichts sittenwidrigeres als solche zu begehen, und sie eignet sich hervorragend, den Liedermacher Reinhard Mey dem Scheiterhaufen zu überantworten, weil mit dem Lied „Der Mörder war immer der Gärtner“ letztgenannter Berufsstand sittenwidrig verunglimpft worden sei. Kurz: Die angefochtene Entscheidung versäumt die Unterscheidung von Fact und Fiction.“
Es geht der Beschwerdekammer dabei ausdrücklich „um die Wertordnung des europäischen Rechts als einer Rechtsordnung, die die Grund- und Menschenrechte schützt, nicht um ein Sprachgesetzbuch zur Unterdrückung von Schimpfwörtern.“

Schließlich enden die HABM-Entscheidungsgründe mit einer launigen Freigabe:

„Die Wanderdame darf also weiterwandern, und ihre Wanderwege können mit „wissenschaftlichen und Vermessungs-Instrumenten“ kartographiert, in „Loseblattsammlungen“ regelmäßig aktualisiert, mit „OCR-Zeichenerkennung“ aufbereitet, in „Chat-Rooms“ breitgetreten und zur „sportlichen Aktivität“ erklärt werden, wobei die Kammer selbstverständlich davon ausgeht, dass mit den beanspruchten „Erziehungs“-Dienstleistungen solche der gemeinnützigen Sozialarbeit gemeint sind und nicht solche der Erziehung zur Prostitution.“
Es gibt doch noch Juristen mit frecher Lebensnähe und -freude sowie gelebter Kultur- und Freiheitsliebe.

Die Gemeinschaftsmarke wurde übrigens für die folgenden Waren und Dienstleistungen angemeldet:
Klasse 9 – Wissenschaftliche, Schifffahrts-, Vermessungs-, fotographische, Film-, optische, Wäge-, Mess-, Signal-, Kontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate und -instrumente; Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Magnetaufzeichnungsträger, Schallplatten; CDs, DVDs und andere digitale Aufzeichnungsträger; bespielte Bild- und Tonträger; Datenträger aller Art mit und ohne Daten; herunterladbare Ton- und Bilddateien; Audio-Bücher; Pod-Casts; Datenverarbeitungsgeräte, Computer und Computersoftware; elektronische Publikationen (herunterladbar).
Klasse 16 – Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien (soweit in Klasse 16 enthalten), nämlich Anzeigekarten [Papeteriewaren], Aufkleber, Stickers [Papeteriewaren], Etiketten aus Papier, Anhänger, Aufbewahrungsbehälter, Schachteln, Behälter, Plakate, Poster, Ausstellungstransparente, Werbeschilder, Verpackungsmaterial; Druckereierzeugnisse, insbesondere gedruckte Veröffentlichungen, Bücher, Broschüren, Handbücher, Loseblattbinder, Zeitungen, Informationsblätter, Magazine und Zeitschriften sowie Seiten aus dem Internet in gedruckter Form; Fotografien; Stifte (Schreibwaren); Blöcke [Papier- und Schreibwaren].
Klasse 35 – Verkauf von Büchern; Sammeln, Zusammenstellen, Aktualisieren und Pflegen von Daten, Informationen und Publikationen in Datenbanken, insbesondere von E-Books, E-Zeitungen, E-Zeitschriften, E-Magazinen und anderen Ton-, Video-, Bild- und Textdateien; Werbung; Verbreitung von Werbeanzeigen für Dritte, insbesondere in Druckerzeugnissen, im Internet und über mobile Telekommunikationsgeräte; Vermietung von Werbeflächen; Vermietung von Werbezeit in Kommunikationsmedien, auch in digitalen Netzen; Marketing und Öffentlichkeitsarbeit für Dritte, auch in digitalen Netzen; Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen, insbesondere E-Commercedienstleistungen im Bereich gedruckter und elektronischer Verlagserzeugnisse; Digitalisierung von Dokumenten, Textvorlagen und Belegen mittels optischer Zeichenerkennung (OCR) für Dritte (Büroarbeiten).
Klasse 38 – Telekommunikation; Bereitstellung von Plattformen oder Portalen im Internet; Bereitstellung des Zugriffs auf Informationen und Computerprogramme in Datennetzen wie dem Internet, einschließlich Eingabe-, Such- und Navigationsfunktionen; Bereitstellung des Zugriffs auf Datenbanken mit elektronischen Publikationen und Verlagserzeugnissen in Datennetzen wie dem Internet, einschließlich Eingabe-, Such- und Navigationsfunktionen; elektronische Nachrichten-, Bild- und Textübermittlung, insbesondere Übermittlung von elektronischen Verlagserzeugnissen wie E-Books, E-Magazines und E-Zeitungen; Dienste von Presseagenturen; Bereitstellung von Chat-Lines, Chat-Rooms und Foren im Internet oder anderen Datennetzen.
Klasse 41 – Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; kulturelle und sportliche Aktivitäten; Publikation von Druckereierzeugnissen (auch in elektronischer Form), ausgenommen für Werbezwecke; Dienstleistungen eines Verlages, ausgenommen Druckarbeiten.

Donnerstag, 9. April 2015

Falsche Abmahnungen im Namen der Marke

Neues hilfreiches Urteil: Landgericht Bielefeld zu Grenzen im Markenrecht

Mit bisher unveröffentlichtem Urteil vom 06.03.2015 (Az. 17 O 12/15) hat das Landgericht Bielefeld einem Apotheker Recht gegeben, der sich nach vorausgegangener Abmahnung gegen angebliche markenrechtliche Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche sowie Abmahnungskosten in Höhe von über 2.500,00 Euro wehren musste. Die Klage der vermeintlichen Rechteinhaberin wurde zurückgewiesen. Abmahnung und Klage enthalten einen häufig übersehenen Fehler: 
 
Die Klägerin beruft sich auf eine beim DPMA eingetragene Wortmarke und eine gleichlautende Wort-/Bildmarke. Dabei handelt es sich um eine Kombination von dem rein beschreibenden Begriff „Apotheke“ mit einer lateinisch anmutenden, aus den Bereich „Medizin“ abgeleiteten Begrifflichkeit. 

Die von mir anwaltlich vertretene Apotheke führt in ihrem Namen eine aus Sicht der Klägerin ähnliche und angeblich verwechslungsfähige Bezeichnung: Die Abweichung besteht darin, dass der letzte Buchstabe des Klage-Kennzeichens fehlte und die von der beklagten Apotheke gewählte Begrifflichkeit eine sog. Zentralversalie (das ist ein Großbuchstabe innerhalb eines Wortes) aufwies.  

In dem landgerichtlichen Verfahren wurde heftig gestritten - u. a. über markenrechtliche Freihaltebedürfnisse und Monopolisierungsverbote, über die Aktivlegitimation,  über das Recht beschreibender Kennzeichnungen sowie über Kennzeichnungen mit örtlichem oder geografischem Bezug und über einige andere juristische Gesichtspunkte.  

Streitentscheidend war - auch aus Sicht des Gerichts - allerdings ein in markenrechtlichen Auseinandersetzungen häufig übersehener Aspekt: Nämlich die Frage, ob der beklagte Apotheker die angegriffene Kennzeichnung lediglich im Namen der Apotheke und damit als Kennzeichnung seines Unternehmens benutzt, oder ob er die Kennzeichnung tatsächlich markenmäßig für seine Waren oder Dienstleistungen verwendet. Eine Markenverletzung setzt nämlich im Regelfall voraus, dass das gerügte Kennzeichen tatsächlich auch als Marke und nicht lediglich als Name, Firmierung oder Unternehmenskennzeichen verwendet wird. Dies ignorieren aber zahlreiche Abmahnungen bzw. Abmahner. So auch hier.  

Das Landgericht Bielefeld hat dazu u. a. ausgeführt: 

"Letztlich kann die Verwechslungsgefahr dahinstehen, weil die Klägerin nicht dargelegt hat, dass die Beklagte die Bezeichnung M…-Apotheke nicht nur als Bezeichnung ihres Unternehmens benutzt, sondern darüber hinaus markenmäßig für die Dienstleistungen eines Apothekers. Dies ist aber Voraussetzung eines markenrechtlichen Anspruchs nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, da dieser nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und des Europäischen Gerichtshofes (GRUR 2007, 971) eine Benutzung des Zeichens für Waren und Dienstleistungen und nicht lediglich zur Kennzeichnung des Unternehmens voraussetzt. 
 
 
Als Dienstleistung kann insoweit nicht schon das Haben des Unternehmens ausreichen, weil es sonst keinen Unterschied zwischen einem Unternehmenskennzeichen und einer Produktkennzeichnung gäbe; erforderlich ist zumindest eine Benutzung des Zeichens in der Weise, dass zwischen dem Unternehmenskennzeichen und den vertriebenen Produkten oder Dienstleistungen eine Verbindung hergestellt wird (EUGH aaO). 

Eine derartige Verbindung zwischen Unternehmen und Dienstleistungen der Beklagten legt die Klägerin nicht dar. Es ergibt sich aus ihrem Vortrag nicht, dass die Beklagte ihre Dienstleistung, etwa die Beratung der Kunden oder die Herstellung besonderer Mixturen, unter der Bezeichnung M… erbrächte. Soweit die Beklagte vorgefertigte Produkte der Pharmaindustrie vertreibt, geschieht das ohnehin unter Bezugnahme auf die Produktnamen oder allenfalls auf die Namen der Hersteller, nicht aber auf den Namen der eigenen Apotheke. Lediglich bei eigenen Anfertigungen, Beratungen und anderen individuellen Leistungen kommt ein das Produkt aber die Dienstleistung kennzeichnender Hinweis auf die Herkunft aus dem Betrieb der Beklagten überhaupt in Betracht. Eine derartige Benutzung der Bezeichnung „M…-Apotheke“ legt aber die Klägerin nicht dar. 

Derartiges ergibt sich auch nicht aus dem Internetauftritt der Beklagten. Eine Produkte und Dienstleistungen kennzeichnende Benutzung des Apothekennamens ist auch nicht etwa selbstverständlich. Namen von Apotheken dienen regelmäßig nur deren Individualisierung, sei es, dass etwa an einen Tiernamen angeknüpft wird (Adler-, Bären-, Löwenapotheke) oder an Örtlichkeiten (Dom-, Bahnhofs-, Marktapotheke). Bei den Dienstleistungen gerade eines Apothekers wird demgegenüber regelmäßig das besondere Vertrauen des Apothekers selbst in Anspruch genommen und nicht der Name des Geschäftslokals. Das gilt auch für die Apotheke der Beklagten. 

Dasselbe Ergebnis folgt im Übrigen aus der Vorschrift des § 23 Nr. 1 MarkenG, wonach der Inhaber einer Marke einem Dritten nicht untersagen kann, im geschäftlichen Verkehr seinen Namen zu benutzen; als Name kommt insoweit nach neuerer Rechtsprechung nicht nur der bürgerliche Name, sondern auch der Handelsname oder Name eines Betriebs in Betracht, und zwar ohne Rücksicht auf die Priorität der Benutzung (…). Die Einschränkung, dass dies nicht in sittenwidriger Weise geschehen darf, spielt hier keine Rolle, weil die Benutzung eines an der Örtlichkeit (dem M…-Zentrum) orientierten Namens nicht gegen die guten Sitten verstößt und der Klägerin, deren Apotheken im wesentlichen im Raum … beheimatet sind, auch ersichtlich keinen Schaden zufügt.“ 

Die Klage wurde so m. E. zu Recht abgewiesen. Das - noch nicht rechtskräftige – Urteil aus Bielefeld fußt auf überraschend häufig übersehenen oder ignorierten Entscheidungen des EuGH vom 16.11.2004 (Az. C-245/02;„Anheuser Busch“) und vom 11.09.2007 (Az. C-17/06; „Céline“) sowie des BGH vom 13.09.2007 (Az. I ZR 33/05; „THE HOME DEPOT“) und ist ein ermutigendes Signal gegen die aktuell wieder ausufernden Tendenzen „überambitionierter“ markenrechtlicher Abmahnungen. Im Namen der Marke können eben doch nicht so einfach unzählige kleine Unternehmer, Dienstleister, (Online)-Händler, Gaststätten-, Praxis-, Institut-, Agentur- und Salon-Inhaber oder Handwerker um ihre gutwillig geführten Namen gebracht werden.