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Samstag, 1. Juli 2017

Das Echo zum WLAN-Gesetz: Das #Einmaleins vom #Eigelb im #Schlupfloch

Das WLAN-Gesetz wird mit den Netzsperren noch einige Fragen aufwerfen

Es war der letzte Sitzungstag der aktuellen Legislaturperiode, als der Bundestag am 30.06.2017 das „TMG-Änderungsgesetz“, das sogenannte WLAN-Gesetz, beschlossen hat. WLAN-Betreiber sollen danach nicht mehr behördlich verpflichtet werden können, ihren Internetanschluss durch ein Passwort zu verschlüsseln und die Nutzer zu registrieren oder gar ihren offenen WLAN-Zugang einzustellen. Die Hoffnung, offenes WLAN anbieten zu können, ohne Angst vor Abmahnungen haben zu müssen, wächst.

Die Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries bewertet die Gesetzesnovelle als einen „wichtigen Baustein der Digitalen Agenda“. Fabian Reinbold witzelt auf netzwelt.de über „die Reform der Reform der Reform“.

Die Störerhaftung ist laut taz.de nun endlich „weitgehend vom Tisch“, nach der Stuttgarter Zeitung ist sie „passé“, die ZEIT redet von „abgeschafft“ - wie sz.de es formuliert „diesmal wirklich“.

Ingo Dachwitz von netzpolitik.org fragt sich, ob das nun ein „Running Gag mit Happy End“ ist und bezeichnet den bisherigen Zustand unserer digitalen Entwicklung in Deutschland als „peinlich“, zumal die bis dato geltende sogenannte Störerhaftung ein „lukratives Geschäftsmodell“ für spezialisierte Anwaltskanzleien bildete. Stefan Krempl bezeichnet deshalb auf heise.de das Ende der Störerhaftung auch als „den Garaus“ für ein „Damoklesschwert“.

Die Rechteinhaber bekommen allerdings nun die Möglichkeit, WLAN-Betreiber zur Sperrung bestimmter Seiten oder Inhalte zu verpflichten.

Diese stattdessen jetzt ermöglichten Netzsperren erzeugen bei Ingo Dachwitz „einen faden Beigeschmack“. Er sieht darin „eine Gefahr für die Kommunikationsfreiheit“, zumal das Sperr-Verfahren auch nach Auffassung zahlreicher Sachverständiger „zu ungenau geregelt sei“.

Netzsperren ohne Richtervorbehalt, praktisch „auf Zuruf“, haben denn auch für den SPD-Netzexperten Lars Klingbiel einen „Beigeschmack“, während sein Fraktionskollege Markus Held von einem „Meilenstein“ spricht. Tobias Keber von der Hochschule für Medien bezeichnet den vorgenommenen Interessenausgleich immerhin als „fair“. Für Stephan Tromp vom Handelsverband Deutschland stellt das Gesetz einen guten „Kompromiss“ dar.

Oliver Süme, Vorstand beim Verband der Internetwirtschaft eco, riecht „Wahlkampf“-Luft mit deshalb bemühter „Symbolkraft“ und kritisiert die privaten Netzsperren als neue „Hürden“, als „absurd und inakzeptabel“.  Und Florian Drücke vom Bundesverband Musikindustrie moniert einen aus seiner Sicht zu beklagenden „Durchsetzungs-Leerraum“. Für den IHA-Manager Stefan Dinnendahl ist das neue Gesetz für die Hotelbranche zumindest noch „nicht das Gelbe vom Ei.“

Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen, spricht vom „kleinen Einmaleins der Digitalisierung“ und rügt die Einführung der Netzsperren laut netzpolitik.org als einen „Elfmeter ohne Torwart, den die Große Koalition trotzdem danebenschieße“. Man lasse „den Bäcker an der Ecke und den Freifunker im Regen stehen“. Auf spiegel.de wird er mit der Befürchtung zitiert: „Gerade nichtkommerzielle Anbieter werden hier wieder abgeschreckt und entweder voreilig blocken oder aber erst gar nicht ihr WLAN öffnen.“ 

Dort führt Fabian Reinbold dann zutreffend aus: „Es wird wohl darauf ankommen, wie die Regelung zu den Unterlassungsansprüchen umgesetzt wird - von Privatpersonen, aber auch von gewerblichen Anbietern, die große WLAN-Hotspots in Städten betreiben - und nicht zuletzt von Abmahnanwälten, die bislang stets die Lücken jedes neuen Gesetzes für sich zu nutzen wussten.“

Ein etwaiges „Schlupfloch“ stellt der Strafrechtler Udo Vetter in seinem law blog vor: Nach dem Gesetzeswortlaut gelte die Privilegierung der WLAN-Betreiber lediglich bei einer Verletzung geistigen Eigentums durch die Nutzung eines „Telemediendienstes“. „Eine dezentral organisierte Tauschbörse, die wohl wichtigste Plattform für Urheberrechtsverletzungen, ist aber eher kein Telemediendienst.“ Das könne „sich doch als Schlupfloch für die Abmahnindustrie erweisen“. Die Rechteinhaber könnten „sich auf den Standpunkt stellen, dass die alten Abmahn- und Schadensersatzregeln unverändert weiter gelten, wenn zum Beispiel der Betrieb eines Filesharing-Clients wie eMule nicht unterbunden wurde.“

Die Linke Petra Sitte bewertet die Websperren als „ein völlig untaugliches Mittel“, illegale Inhalte im Netz zu verhindern. Sie sieht ein weiteres Problem: Kein privater Anbieter könne wissen, wie er seinen Router einstellen müsse.

Rechtsanwalt Christian Solmecke ist nach alledem  gespannt, „wie sich dieses Sperr-Instrument in der Praxis auswirken wird.“ In das gleiche Horn stößt Reto Mantz, Richter am Landgericht Frankfurt am Main, wenn er darauf hinweist, dass „aufgrund gesetzestechnischer Mängel Unklarheiten“ verbleiben, „die der beabsichtigten Rechtssicherheit im Wege stehen könnten“.

Der Abmahnungs-Drops, bzw. das Eigelb ist wohl doch noch nicht vollständig gelutscht. Da können sich noch einige Schlupflöcher der Abmahnbranche im kleinen oder großen Einmaleins aus Urheberrecht, Medienrecht und Prozessrecht auftun. Prost Mahlzeit.




Donnerstag, 16. April 2015

BGH-Urteil: Urheberrecht verbietet keine Buch-Digitalisierung für öffentliche Leseplätze in Unis und Bibliotheken

In einem Streit über die Zulässigkeit elektronischer Leseplätze in Bibliotheken hat der für Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des BGH heute mit Urteil vom 16.04.2015 (Az. I ZR 69/11 „Elektronische Leseplätze II“) die Klage eines Verlages gegen die Technische Universität Darmstadt abgewiesen. Es ging um die Frage, ob für elektronische Leseplätze in Bibliotheken Bücher auch ohne Einwilligung des Verlages digitalisiert und sodann den Nutzern zugänglich gemacht werden dürfen - auch zum Ausdruck und zur Speicherung per USB-Stick seitens der Bibliotheksnutzer.
 

Öffentliche elektronische Leseplätze

Die TU Darmstadt stellt in ihrer öffentlich zugänglichen Bibliothek mehrere elektronische Leseplätze zur Verfügung. Dort können Bibliotheksbesucherinnen und -besucher bestimmte Werke aus dem Bestand der Universität nach von der Uni vorgenommener Digitalisierung durchsuchen, lesen, ausdrucken und auch per USB-Stick speichern - so u.a. das im klagenden Verlag herausgegebene und von der beklagten TU digitalisierte Lehrbuch mit dem Titel "Einführung in die neuere Geschichte". 

Lizenz-Angebot des Verlages abgelehnt

Die Klägerin hatte vor Abmahnung und Klage der Universität angeboten, im Verlag erscheinende Lehrbücher als E-Book-Version zu kaufen und in der Bibliothek zu nutzen. Darauf ließ sich die Uni-Bibliothek aber nicht ein.
Ist – wie der Verlag meint – die Digitalisierung der Bücher und deren Bereitstellung an den Uni-Leseplätzen nicht von der Schrankenregelung des § 52b UrhG gedeckt, wonach veröffentlichte Werke aus dem Bestand öffentlich zugänglicher Bibliotheken, die keinen unmittelbar oder mittelbar wirtschaftlichen oder Erwerbszweck verfolgen, ausschließlich in den Räumen der jeweiligen Einrichtung an eigens dafür eingerichteten elektronischen Leseplätzen zur Forschung und für private Studien zugänglich gemacht werden dürfen, soweit dem keine vertraglichen Regelungen entgegenstehen?  

Das Landgericht Frankfurt a.M. meinte Jein

Es hat zwar mit Urteil vom 16.03.2011 (Az. 2/06 O 378/10) den Unterlassungsantrag abgewiesen, soweit der TU verboten werden sollte, Bücher des Verlages zu digitalisieren und in digitalisierter Form an elektronischen Leseplätzen Uni-Bibliothek zu benutzen, wenn der Verlag ihr für diese Nutzung einen angemessenen Lizenzvertrag anbietet. Das Landgericht hat der beklagten TU allerdings verboten, Bibliotheksnutzern zu ermöglichen, digitale Versionen von Büchern des Verlages an elektronischen Leseplätzen auszudrucken oder auf USB-Sticks abzuspeichern.  

Sprungrevision und EuGH-Vorlage

So landete die Sache nach zugelassener Sprungrevision beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe, wo beide Seiten weiterstritten.
Der BGH setzte (Beschluss vom 20.09.2012) das Verfahren aus und legte dem EuGH zur Vorabentscheidung einige Fragen zur Auslegung von Art. 5 Abs. 3 Buchst. n der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und verwandter Schutzrechte in der Informationsgesellschaft vor. Die Regelung des § 52b UrhG setzt nämlich Art. 5 Abs. 3 Buchst. n der Richtlinie 2001/29/EG um und muss deshalb „richtlinienkonform“ ausgelegt werden. Hierüber hat der EuGH mit Urteil vom 11.09.2014 (Az. C-117/13) zugunsten der Bibliotheken entschieden.  

Der BGH erlaubt Digitalisierung, elektronische Leseplätze und USB-Sticks

Das Verlagsangebot zum Abschluss eines Lizenzvertrages hindert auch nach Auffassung der BGH-Richter die Hochschule urheberrechtlich nicht daran, im Verlag herausgegebene Bücher in digitalisierter Form an den elektronischen Leseplätzen ihrer Bibliothek zugänglich zu machen; die Bibliothek durfte die Bücher unter Berufung auf § 52b UrhG auch ohne Einwilligung des Verlages auf die geschehene Art und Weise nutzen. Unter "vertraglichen Regelungen", die nach § 52b UrhG einer solchen Verwendung entgegenstehen, sind nach der BGH-Entscheidung „allein Regelungen in bestehenden Verträgen und keine bloßen Vertragsangebote zu verstehen.“
Die Technische Universität war und  ist nach dem BGH-Urteil auch analog § 52a Abs. 3 UrhG berechtigt, die Bücher zu digitalisieren, wenn dies erforderlich ist für eine Zugänglichachung der Bücher an elektronischen Leseplätzen.
Der Bundesgerichtshof führt dazu in seiner heutigen Presseerklärung aus:
„§ 52b UrhG sieht zwar keine solche Berechtigung vor. Jedoch ist in diesen Fällen die unmittelbar für das öffentliche Zugänglichmachen von Werken in Unterricht und Forschung geltende Regelung des § 52a Abs. 3 UrhG entsprechend anwendbar, die zur Zugänglichmachung erforderliche Vervielfältigungen erlaubt. Eine entsprechende Anwendung dieser Regelung ist geboten, weil das Recht zur Wiedergabe von Werken an elektronischen Leseplätzen einen großen Teil seines sachlichen Gehalts und sogar seiner praktischen Wirksamkeit verlieren würde, wenn die Bibliotheken kein akzessorisches Recht zur Digitalisierung der betroffenen Werke besäßen.
Die Beklagte hat das Urheberrecht an dem Buch auch nicht dadurch verletzt, dass sie es Bibliotheksnutzern ermöglicht hat, das an elektronischen Leseplätzen zugänglich gemachte Werk auszudrucken oder auf USB-Sticks abzuspeichern. Der Beklagten war es nach § 52b UrhG erlaubt, das Buch an elektronischen Leseplätzen zugänglich zu machen. § 52b UrhG ist im Blick auf Art. 5 Abs. 3 Buchst. n der Richtlinie 2001/29/EG nicht dahingehend einschränkend auszulegen, dass Werke an elektronischen Leseplätzen nur in der Weise zugänglich gemacht werden dürfen, dass sie von Nutzern dort nur gelesen und nicht auch ausgedruckt oder abgespeichert werden können. Die Beklagte haftet auch nicht für unbefugte Vervielfältigungen des Werkes durch Nutzer der elektronischen Leseplätze. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass es zu unberechtigten Vervielfältigungen durch Nutzer der Leseplätze gekommen ist. Davon kann auch nicht ohne weiteres ausgegangen werden. Ein Ausdrucken oder Abspeichern von an elektronischen Leseplätzen bereitgestellten Werken kann in vielen Fällen als Vervielfältigung zum privaten oder sonstigen eigenen Gebrauch nach § 53 UrhG zulässig sein.“ (Markierung durch den Blogger)

Gut so. 

Update vom 25.09.2015:

Mittlerweile liegt das Urteil hier im Volltext vor.