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Freitag, 8. Mai 2015

OLG Köln begrenzt Abmahnungsrecht bei Film-Filesharing-Abmahnungen


Kein roter Teppich für Film-Filesharing-Abmahnung vor dem OLG Köln
Das Oberlandesgericht Köln hat einer abmahnenden Filmproduktionsgesellschaft die Grenzen ambitionierter Filesharing-Abmahnungen aufgezeigt, wenn ein Filmproduzent an einem Film Dritten ein ausschließliches Nutzungsrecht einräumt. Dann kann der Filmproduzent nämlich in seiner Möglichkeit, Internetanschlussinhaber wegen vermeintlicher illegaler Filesharing-Verstöße abzumahnen, mangels eigenen Urheberrechts und bei fehlendem materiellen Interesse beschränkt oder sogar gehindert sein. 
Nach einem zur Vorbereitung von Filesharing-Abmahnungen stattfindenden Auskunfts- bzw. Gestattungsverfahren zur Ermittlung von Internetanschlussinhabern, denen zu bestimmten Zeitpunkten bestimmte dynamische IP-Adressen zugewiesen gewesen sein sollen, hat das OLG Köln mit Beschluss vom 17.04.2015 (Az. 6 W 14/15) dem Abmahnungsadressaten Recht gegeben. Auf seine Beschwerde hin wurde festgestellt, dass der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 204 O 24/14 – vom 11. 2. 2014 den Abmahnungsempfänger in seinen Rechten verletzt hat, soweit darin dem Internetserviceprovider gestattet worden ist, der abmahnenden, in Kanada ansässigen Filmproduktionsgesellschaft unter Verwendung von Verkehrsdaten Auskunft über den Namen und die Anschrift desjenigen Inhabers eines Internetanschlusses zu erteilen, dem am 09. 02. 2014 um 10:12:30 Uhr (CET) die IP-Adresse 217.xxx.xxx.xx zugewiesen war. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens wurden der abmahnenden Filmproduzentin auferlegt.
Das Oberlandesgericht hat eine ausreichende Aktivlegitimation der vermeintlichen Rechteinhaberin und damit im Ergebnis auch Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche der Abmahnerin verneint.
Der OLG-Senat führt dazu aus:
„Das der dinglichen Rechtsposition des ausschließlich Nutzungsberechtigten zugeordnete Verbietungsrecht gemäß § 97 Abs. 1 UrhG wird grundsätzlich durch den Inhalt der eingeräumten Nutzungsart (§ 31 Abs. 1 UrhG) bestimmt (Senat, GRUR 2000, 414, 416 – „GRUR/GRUR Int“) und findet seine Grenze regelmäßig in der jeweils eingeräumten Nutzungsart und den hierzu getroffenen vertraglichen Vereinbarungen (BGH, GRUR 1992, 310, 311 – Taschenbuch-Lizenz; Senat, ZUM-RD 2014, 162 = juris Tz. 5; Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Auflage 2010, vor § 28 Rn. 82; Fromm/Nordemann, UrhG, 10. Auflage 2008, § 97 Rn. 133). Das Verbietungsrecht kann zwar über das Benutzungsrecht hinausgehen, wenn dies erforderlich erscheint, um die Nutzungsbefugnis zu dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch wirksam zu schützen (BGH, NJW 1953, 1258, 1259 – Lied der Wildbahn; BGHZ 141, 267 = GRUR 1999, 984, 985 – Laras Tochter; Wild in: Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Auflage 2010, § 97 Rn. 50).
Ein Verbietungsrecht besteht jedoch nicht mehr, wenn der Inhaber eines ausschließlichen Nutzungsrechts seine Rechte an Dritte übertragen hat. Mit der Übertragung des ausschließlichen Nutzungsrechts erlischt die Aktivlegitimation des bisherigen Inhabers und die Aktivlegitimation des neuen Inhabers wird begründet (Dreier, in: Dreier/Schulze, UrhG, 4. Aufl. 2013, § 97 Rn. 19). Der Inhaber eines ausschließlichen Nutzungsrechts bleibt ferner auch nach der Einräumung eines solchen Nutzungsrechts weiterer Stufe klageberechtigt, wenn er an den Verkaufserlösen des Unterlizenznehmers beteiligt ist. Der Feststellung, dass seine Lizenzeinnahmen durch die Verletzungshandlung tatsächlich beeinträchtigt sind, bedarf es dazu nicht (BGHZ 141, 267 = GRUR 1999, 984, 985 – Laras Tochter; GRUR 2010, 920 Tz. 16 – Klingeltöne für Mobiltelefone II).“ 
Die Filmproduzentin aus Vancouver wollte sich zum Nachweis ihrer angeblichen Rechteinhaberschaft auf einen Eintrag im US Copyright Register sowie eine eidesstattliche Erklärung ihres CEO E. W. berufen, nach der sie für Produktion und Finanzierung des Filmes verantwortlich gewesen ist. Sie bestritt allerdings nicht, dass sie Nutzungsrechte zur Verwertung des Films an Dritte vergeben hat, zumal sie selbst ein sogenanntes „Sales Agency Agreement“ vorlegte. Der Abgemahnte Inhaber des Internetanschlusses konnte außerdem Ausdrucke aus dem Internet vorweisen, nach denen die Rechte für Deutschland zumindest teilweise bei einer „J. GmbH“ liegen.
Die Filmproduktionsgesellschaft meinte, ihre Aktivlegitimation sei unabhängig von der Frage, ob sie an den Erlösen der Filmverwertung partizipiere und Ihre Berechtigung folge aus ihrem Urheberpersönlichkeitsrecht.
Demgegenüber differenziert das OLG Köln zu Recht zwischen Urheberrecht, Urheberpersönlichkeitsrecht, Leistungsschutzrecht und Nutzungsrecht sowie ideellen Interessen und materiellen Verwertungsinteressen, prüft juristisch penibel und stellt klar:
„Zutreffend ist, dass dem Urheber selber trotz der Übertragung der ausschließlichen Nutzungsrechte ein eigenes negatives Verwertungsrecht, mithin ein selbständige Verbotsrecht gegenüber rechtswidrigen Verwertungshandlungen Dritter zustehen kann (OLG München, GRUR 2005, 1038, 1039 – Hundertwasserhaus II; Nordemann, in: Fromm/Nordemann, UrhG, 10. Aufl. 2008, § 97 Rn. 128; Wild, in: Schricker/Loewenheim, UrhG, 4. Aufl. 2010, § 97 Rn. 48). Die Beteiligte zu 1) übersieht jedoch, dass sie nach dem infolge des Schutzlandprinzips hier anwendbaren deutschen Recht nicht Urheberin des Films ist. Zutreffend ist, dass nach dem Recht der USA dem Filmhersteller ein originäres Urheberrecht zukommen kann. Ob dies auch nach dem kanadischen Recht der Fall ist – die Beteiligte zu 1) hat ihren Sitz in Kanada –, kann offen bleiben. Selbst wenn US-Recht anwendbar sein sollte oder das kanadische Recht ein entsprechendes Rechtsinstitut vorsehen sollte, so würde dies nicht dazu führen, dass die Beteiligte zu 1) nach deutschem Recht als Urheberin anzusehen wäre, da ein originäres Urheberrecht des Filmherstellers mit dem Schöpferprinzip des § 7 UrhG nicht vereinbar ist. Ein nach US-Recht bestehendes originäres Urheberrecht ist daher in ein von den einzelnen Filmurhebern eingeräumtes ausschließliches und unbeschränktes Verwertungsrecht umzudeuten (vgl. Senat, Beschluss vom 11. 11. 2010 – 6 W 182/10; Nordemann, in: Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 10. Aufl. 2008, vor §§ 88 ff. Rn. 25). An einem eigenen Urheberrecht der Beteiligten zu 1) fehlt es daher.
Urheberpersönlichkeitsrechte können daher nur den an der Herstellung des Films beteiligten Schöpfern zukommen, nicht jedoch der Beteiligten zu 1). Ideelle Interessen der Beteiligten zu 1), die über diejenigen der Filmurheber hinausgehen würden, sind nicht erkennbar. Auf ein – zumindest im Recht der USA unbekanntes – Leistungsschutzrecht des Filmherstellers beruft sie sich nicht. Sie kann daher für den Fall, dass sie Dritten ausschließliche Nutzungsrechte übertragen hat, nach den oben dargelegten Grundsätzen nur dann selber gegen Rechtsverletzungen vorgehen, wenn sie ein eigenes materielles Interesse an der Rechtsverfolgung hat. Ein solches hat sie jedoch nicht dargelegt. Soweit sie gegenüber dem Landgericht darauf verwiesen hat, das „Sales Agency Agreement“ sehe ihre Beteiligung an den Lizenzeinnahmen vor, hatte sie zuvor im gleichen Schriftsatz (vom 26. 9. 2014) ausgeführt, nach diesem Vertrag sei eine Auswertung in Deutschland nicht vorgesehen. Ihm kann daher für die – maßgebliche – Nutzungsrechtslage in Deutschland nichts entnommen werden.“ 
Es ist folglich bei der Abwehr von Filesharing-Abmahnungen – neben zahlreichen weiteren Gesichtspunkten – auch verstärkt zu prüfen, ob dem jeweils abmahnenden Unternehmen die behaupteten Rechte überhaupt in urheberrechtlich relevanter Weise (weiter) zustehen.
  

Sonntag, 19. April 2015

Filesharing-Klagen auch bei Single-Haushalten in Beweis-Not


 
Neues Urteil des AG Bielefeld zu untauglichen Auskünften und Zeugen

Über die zunehmende Beweis-Not der Abmahn-Lobby und wachsende Abwehr-Chancen auch für Single-Haushalte hat der Kollege Gerth gepostet. Mit Urteil des AG Bielefeld vom 24.03.2015 (Az. 42 C 458/15) ging die Filesharing-Klage leer aus, weil der von der Rechteinhaberin benannte Zeuge, der Geschäftsführer und Entwickler der Ermittlungsfirma, nichts Genaues nicht wusste und IP-Adressen Auskunft-Ausdrucke der Internet Service Provider nicht wirklich einen ausreichenden Beweiswert haben.
In dem Urteil heißt es u.a.:
„Zum einen hat die Klägerin die Richtigkeit der Ermittlung der betreffenden IP-Adresse nicht bewiesen. Der hierzu vernommene Zeuge Perino hat bekundet, dass im vorliegenden Fall nicht er, sondern einer seiner Mitarbeiter die Ermittlung im Zusammenspiel mit der Ermittlungssoftware durchgeführt hat und hierbei insbesondere das Originalwerk mit dem in einer Referenzdatei enthaltenen Film eigenständig verglichen habe bzw. darüber hinaus auch den Hashwertvergleich durchgeführt habe. …
… Unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Zeuge nur die allgemeine Vorgehensweise bei den Ermittlungen sowie den Inhalt eines firmen internen Protokolls darlegen konnte, darüber hinaus aber nicht aus eigener Anschauung bestätigen konnte, dass im vorliegenden Fall die konkrete Referenzdatei tatsächlich den streitgegenständlichen Film enthalten hat bzw. die Hashwerte übereingestimmt haben, kann das Gericht nicht mit der notwendigen Gewissheit davon ausgehen, dass die Rechtsverletzung tatsächlich unter Nutzung eines Anschlusses mit der IP-Adresse XX.XXX.XXX.XX erfolgt ist.
Zur Überzeugung des Gerichts steht des Weiteren nicht fest, dass die IP-Adresse XX.XXX.XXX.XX zum fraglichen Zeitpunkt dem Anschluss Beklagten zugewiesen war. Insofern wurde klägerseits als Beweis nur der Ausdruck einer in Form einer Datei übermittelten Auskunft des zuständigen Internet Service Providers vorgelegt, welche den klägerischen Vortrag stützt. Allein aufgrund dieser Auskunft ist der Beweis der Richtigkeit dieser Zuordnung aber noch nicht erbracht, da im Zivilprozessrecht der allgemeine Grundsatz gilt, dass eine in irgendeiner Weise festgehaltene nichtöffentliche Gedankenerklärung nicht ihre eigene inhaltliche Richtigkeit beweist. ...
Da … das Gericht auch nicht ernsthaft ausschließen kann, dass der Internetservice Provider infolge eines technisch oder menschlich bedingten Fehlers bei der Erfassung und/oder Archivierung der Verbindungsdaten bzw. aufgrund eines Versehens eines Mitarbeiters bei der Auskunftserteilung eine inhaltlich unrichtige Auskunft erteilt hat, kann das Gericht nicht davon ausgehen, dass die fragliche IP-Adresse zum fraglichen Zeitpunkt dem Anschluss der Beklagten zugewiesen war.“

Die Luft wird zunehmend dünner für kecke und generalverdächtigende Filesharing-Abmahnungen gegenüber zahlreichen Internetanschlussinhabern, auch wenn diese den Anschluss als Single alleine nutzen. Das Urheberrecht bleibt also auch in diesen Fällen wohl doch kein Geschäftsmodell für das quasi automatisierte Einsammeln pauschaler Abmahn-Gelder.
 

Donnerstag, 16. Oktober 2014

Filesharing-Abmahnung vor dem EuGH - Piraten-Klage für offenes W-LAN

Ein Mitglied der Piratenpartei aus Bayern kämpft vor dem Landgericht München I und nun auch vor dem EuGH für Netzneutralität und Haftungsfreiheit beim Betrieb von ungesichertem offenem W-LAN.

Der Kläger betreibt per offenem WLAN einen Internetzugang für Geschäftspartner und Besucher. Er betreibt ein Gewerbe, in dessen Rahmen er Licht- und Tontechnik für Veranstaltungen aller Art verkauft und vermietet. Das offene W-LAN dient nach Angaben des Event-Unternehmers auch der Werbung für seinen Betrieb.
Der engagierte Pirat erhielt eine Filesharing-Abmahnung von der Anwaltskanzlei Waldorf-Frommer, die für Sony Music Unterlassungs-, Schadensersatz- und Kostenerstattungsansprüche geltend machte. Der Abmahnungsempfänger erhob eine negative Feststellungsklage gegen Sony Music und beruft sich darauf, dass er praktisch Zugangsanbieter und Provider ist und somit nach dem TMG nicht für die über das W-LAN-Netzwerk von Dritten übermittelten Inhalte verantwortlich ist. Er sei auch als Zugangsanbieter nicht verpflichtet, irgendwelche Vorkehrungen zu treffen zur Vorbeugung gegen oder zur Verhinderung von vermeintlichen Rechtsverletzungen Dritter. Im Gegenteil: Wenn er als Zugangsanbieter derartiges täte, würde er die Netzneutralität eklatant verletzen und eine Auswahl der Inhalte, die über seinen Anschluss übermittelt werden, würde ihn als Betreiber erst recht haftbar für die angebotenen Inhalte machen.
Die beklagte Tonträger-Produzentin hat auf Unterlassung, Schadensersatz und Erstattung von Abmahnungskosten gerichtete Widerklage gegen den Kläger erhoben.
Das Landgericht München tendiert zu der Rechtsauffassung,  eine Störerhaftung des W-LAN-Betreibers und damit eine Berechtigung zur Abmahnung sowie eine Verpflichtung zur Unterlassung zu bejahen, wenn das W-LAN-Netzwerk betrieben wird ohne die technisch möglichen Sicherungsmaßnahmen.
Die Münchener Richter haben allerdings erkannt, dass diese Rechtsauffassung mit den Haftungsprivilegierungen der E-Commerce-Richtlinie (insbesondere Art. 12,14 und 15),  in Deutschland gesetzlich umgesetzt im TMG, unvereinbar sein könnte. Der Kläger hat nämlich für den Fall, dass das Gericht § 8 TMG nicht anzuwenden beabsichtigt, hilfsweise beantragt, nach Art. 267 AEUV dem EuGH folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
“Ist die Richtlinie 2000/31/EG oder die Europäische Grundrechtecharta dahin auszulegen, dass sie den Mitgliedstaaten verbietet, Anbieter öffentlich oder anonym zugänglicher lnternet-Zugangsdienste unabhängig von einer gegen sie gerichteten gerichtlichen oder behördlichen Entscheidung und unabhängig von konkreten Anhaltspunkten für eine bestimmte drohende Rechtsverletzung zu verpflichten. allgemeine und permanente Maßnahmen zur Vorbeugung oder Verhinderung etwaiger zukünftiger Rechtsverletzungen seitens Teilnehmer des öffentlichen Internetzugangsdienstes zu treffen.” 
Das  Landgericht München I hat dem EuGH mit Beschluss vom 18.09.2014, Az. 7 O 14719/12, nun folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt: 
1. Ist Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (“Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr”) in Verbindung mit Art. 2 lit. a) der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der lnformationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (“Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr”) in Verbindung mit Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34/EG in der Fassung der Richtlinie 98/48/EG so auszulegen, dass “in der Regel gegen Entgelt” bedeutet, dass das nationale Gericht feststellen muss, ob die konkret betroffene Person, die sich auf die Diensteanbietereigenschaft beruft, diese konkrete Dienstleistung in der Regel entgeltlich anbietet,
 oder
 überhaupt Anbieter auf dem Markt sind, die diese Dienstleistung oder vergleichbare Dienstleistungen gegen Entgelt anbieten,
 oder
 die Mehrheit dieser oder vergleichbarer Dienstleistungen gegen Entgelt angeboten werden?
2. Ist Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (“Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr”) so auszulegen, dass “Zugang zu einem Kommunikationsnetzwerk zu vermitteln” bedeutet, dass es für eine richtlinienkonforme Vermittlung lediglich darauf ankommt, dass der Erfolg eintritt, indem der Zugang zu einem Kommunikationsnetzwerk (z. B. dem Internet) vermittelt wird?
3. Ist Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (“Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr”) in Verbindung mit Art 2 Iit b) der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (“Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr”) so auszulegen, dass es für “anbieten” im Sinne von Art. 2 lit. b) der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der lnformationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (“Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr”) ausreicht, wenn der Dienst der lnformationsgesellschaft rein tatsächlich zur Verfügung gestellt wird, im konkreten Fall also ein offenes WLAN bereitgestellt wird, oder ist z. B. darüber hinaus auch ein “Anpreisen” erforderlich?
 4. Ist Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (“Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr”) so auszulegen, dass mit “nicht für die übermittelten Informationen verantwortlich” bedeutet, dass etwaige Ansprüche auf Unterlassung, Schadensersatz, Zahlung der Abmahnkosten und Gerichtsgebühren des aufgrund einer Urheberrechtsverletzung Betroffenen gegen den Zugangs-Provider grundsätzlich oder jedenfalls in Bezug auf eine erste festgestellte Urheberrechtsverletzung ausgeschlossen sind?
5. Ist Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 in Verbindung mit Art 12 Abs. 3 der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (“Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr”) so auszulegen, dass die Mitgliedstaaten dem nationalen Richter nicht erlauben dürfen, in einem Hauptsacheverfahren gegen den Zugangs-Provider eine Anordnung zu erlassen, wonach dieser es künftig zu unterlassen hat, es Dritten zu ermöglichen, über einen konkreten Internetanschluss ein bestimmtes urheberrechtlich geschütztes Werk über lnternet-Tauschbörsen zum elektronischen Abruf bereitzustellen?
6. Ist Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (“Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr”) dahingehend auszulegen, dass unter den Umständen des Ausgangsverfahrens die Regelung von Art. 14 Abs. 1 lit. b) der RichtlinIe 2000/31 EG entsprechend auf einen Unterlassungsanspruch anzuwenden ist?
7. Ist Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (“Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr”) in Verbindung mit Art. 2 lit. b) der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (“Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr”) so auszulegen, dass sich die Anforderungen an einen Diensteanbieter darin erschöpfen, dass Diensteanbieter jede natürliche oder juristische Person ist, die einen Dienst der Informationsgesellschaft anbietet?
8. Falls Frage 7 verneint wird, welche zusätzlichen Anforderungen sind im Rahmen der Auslegung von Art. 2 lit. b) der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (“Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr”) an einen Diensteanbieter zu stellen?
9. a) Ist Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (“Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr”) unter Berücksichtigung des bestehenden grundrechtlichen Schutzes des geistigen Eigentums, das sich aus dem Eigentumsrecht ergibt (Art. 17 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union), sowie der in folgenden Richtlinien getroffenen Regelungen zum Schutz des geistigen Eigentums, vor allem des Urheberrechts:
– 2001/29fEG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.5.2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft,
– 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums
 sowie unter Berücksichtigung der Informationsfreiheit sowie des Unionsgrundrechts der unternehmerischen Freiheit (Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union)
 dahingehend auszulegen, dass er einer Entscheidung des nationalen Gerichts in einem Hauptsacheverfahren nicht entgegensteht, wenn in dieser Entscheidung der Zugangs-Provider kostenpflichtig dazu verurteilt wird, es künftig zu unterlassen, Dritten zu ermöglichen, über einen konkreten Internetanschluss ein bestimmtes urheberrechtlich geschütztes Werk oder Teile daraus über Internet-Tauschbörsen zum elektronischen Abruf bereitzustellen und dem Zugangs-Provider damit freigestellt wird, welche technischen Maßnahmen er konkret ergreift, um dieser Anordnung nachzukommen?
   b) Gilt dies auch dann, wenn der Zugangs-Provider dem gerichtlichen Verbot faktisch nur dadurch nachkommen kann, dass er den Internetanschluss stilllegt oder mit Passwortschutz versieht oder sämtliche darüber laufende Kommunikation darauf untersucht, ob das bestimmte urheberrechtlich geschützte Werk erneut rechtswidrig übermittelt wird, wobei dies schon von Anfang an feststeht und sich nicht erst im Rahmen des Zwangsvollstreckungs- oder Bestrafungsverfahrens herausstellt? 
Die dem EuGH vorgelegten Fragestellungen entbehren zwar durchaus teilweise bereits selbst nicht gewisser Kritikwürdigkeit, wie der Kollege Stadler zu Recht kommentiert hat, das weitere Verfahren darf man dennoch mit Interesse verfolgen.

Samstag, 22. Januar 2011

Abmahnung an Schnellschüsse in gerichtlichen Eil- und Vollstreckungsverfahren

Kommando zurück: Die vermeintlichen Wirkungen der Pfändung der Internet-Domain "nerdcore.de" durch einen nach eigenen Angaben "Full-Service-Internetdienstleister" werden seit gestern Abend wieder rückgängig gemacht und auf den früheren Stand der Inhaberdaten gebracht. Die im Verfahren aufgelaufenen Kosten, die Anlass der Pfändung gewesen sein sollen, sind zwischenzeitlich bezahlt worden. Auch deshalb droht wohl keine weitere Pfändung mehr. Netzpolitik.org berichtet aktuell darüber.

Der Kollege Thomas Stadler bewertet die Rückgängigmachung der Domain-Übertragung unter Berücksichtigung des Beschlusses des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg als fragwürdig.

Fragwürdiger sind allerdings wohl die konkreten Pfändungs-Inhalte bzw. der stattgefundene konkrete Verfahrensgang mit offenen Fragen zu einem ausreichenden rechtlichen Gehör (Grundrecht) des oder der Beteiligten insbesondere im Rahmen der Umschreibung.

Hier zeigt sich mal wieder:

Nicht jeder gerichtliche “Schnellschuss” in Eil- oder Vollstreckungsverfahren entfaltet ohne Rechtsmittel-Einlegung immer sofort klaren faktischen Handlungs- oder Unterlassungs-Zwang … schon deshalb, weil der Inhalt und die Folgen gerichtlicher Verfügungen manchmal nicht ausreichend klar und bestimmt sind. Wie so oft gilt der Grundsatz - nicht nur für den jeweils agierenden Rechtsanwalt: “Much Sorgfalt, aber no panic!”

Donnerstag, 4. März 2010

Das BVerfG-Urteil zur Vorratsdatenspeicherung und Filesharing-Abmahnungen

Mit Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 02. März 2010 (1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08) wird die Nichtigkeit der §§ 113a, 113b TKG und § 100g Abs. 1 Satz 1 StPO, soweit danach Verkehrsdaten gem. § 113 TKG erhoben werden dürfen, festgestellt wegen Verstoßes gegen das Grundrecht auf Schutz des Telekommunikationsgeheimnisses. Wenn auch das Bundesverfassungsgericht die Speicherungspflicht und ihren Umfang nicht in jeder Hinsicht und grundsätzlich für verfassungswidrig erachtet, rügt es doch die nicht ausreichend verhältnismäßige Ausgestaltung, die unzureichende Datensicherheit sowie eine fehlende sachgerechte Begrenzung der Verwendungszwecke der gespeicherten Daten. Zudem sieht das höchste deutsche Gericht das verfassungsrechtliche Transparenzgebot und die Regeln ausreichenden Rechtsschutzes verletzt.

Viele Adressaten einer Abmahnung wegen Verletzung von Urheberrecht durch Teilnahme an Filesharing- bzw. P2P-Netzwerken stellen sich und Ihrem Rechtsanwalt die Frage, ob und inwieweit dieses BVerfG-Urteil Auswirkungen auf Ihre urheberrechtliche Verfolgung als Inhaber eines Internet-Anschlusses haben kann.

Immerhin werden regelmäßig entsprechende dynamische IP-Adressen durch Anti-Piracy-Unternehmen ermittelt und sodann im gerichtlichen Auskunftsverfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG eingebracht, um so die bei dem jeweiligen Internet-Service-Provider zu der IP-Adresse zeitlich zugeordneten und abgespeicherten persönlichen Daten auf der Basis eines entsprechenden landgerichtlichen Beschlusses offengelegt zu bekommen. 

Die ISP (Internet-Service-Provider) greifen dabei aber schon seit geraumer Zeit grundsätzlich nicht auf die Ordner oder Festplatten bzw. Speichermedien zurück, die zur Vorratsdatenspeicherung verwendet wurden, sondern auf Speicher-Ordner oder -Medien, die lediglich Abrechnungszwecken oder der Erstellung von Fehlerprotokollen dienen und die ohnehin nicht länger als 7 Tage vorgehalten werden dürfen. Diese Speicher-Handhabung veranlasst die Musik-, Film-, Video- und Medien-Branche wegen des kurzen Zeitfensters bei Ermittlungs- und Auskunftsverfahren zu jeweils sehr schnellem, wenn nicht sogar hektischem Agieren. 

Die Speicherung von Vorratsdaten in der von den Verfassungsbeschwerden betroffenen Art wird dabei allerdings nicht berührt. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat insofern keinen unmittelbaren Einfluss auf die mit dem urheberrechtlichen Auskunftsverfahren erwirkten Daten-Auskünfte der Provider und eine auf deren Basis erstellte Abmahnung.

Empfänger einer urheberechtlichen Abmahnung wegen Filesharing können sich deshalb keineswegs entspannt zurücklehnen. Dennoch bleiben auch bei Filesharing-Abmahnungen weiterhin Datenschutz, Persönlichkeitsrecht und informationelle Selbstbestimmung sowie der Verhältnismäßigkeits-Grundsatz mit zu berücksichtigende Gesichtspunkte und rechtliche Hilfe bei Filesharing-Abmahnungen ist weiterhin machbar.