Montag, 31. Mai 2010

Kampf der Kulturen im Urheberrecht, Markenrecht und Wettbewerbsrecht: "FAZ" und "SZ" gegen "perlentaucher.de" vor dem Bundesgerichtshof

Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung“ und die "Süddeutsche Zeitung" versuchen nach insoweit beim Landgericht und beim OLG Frankfurt verlorenen Klageverfahren nun in der Revisionsinstanz vor dem I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, dem Internet-Kulturmagazin "perlentaucher.de" die kommerzielle Verwertung sogenannter Abstracts verbieten zu lassen. Am 15.07.2010 steht die mündliche Verhandlung vor dem BGH an.

Auf ihrer angegriffenen Internetseite bietet perlentaucher.de verkürzte Zusammenfassungen verschiedener Feuilletonartikel von bedeutenden deutschsprachigen Zeitungen an. Dies betrifft u. a. in der FAZ und der SZ abgedruckte Originalrezensionen bzw. Kritiken aktueller Buchveröffentlichungen. An den Abstracts erteilt das verklagte Online-Magazin auch entgeltliche Lizenzen zu Gunsten der Internet-Buchshops amazon.de und buecher.de. 

Die Zeitungsverlage wenden sich gegen diese kommerzielle Verwertung der anerkannten Rezensionen im Wege der Weiterlizenzierung an Dritte. Sie nehmen die Beklagte auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz in Anspruch, wobei hinsichtlich des Schadensersatzes lediglich der Feststellungsantrag gestellt wird. 

Landgericht (2/3 O 171/06 und 172/06) und OLG (11 U 75/06 und 76/06) haben die Klagen abgewiesen und eine Verletzung urheberrechtlicher Schutzrechte verneint. Die Abstracts seien freie Benutzungen der Originalrezensionen gem. § 24 UrhG und als solche zulässig. 

Die Verlage hätten auch keine Ansprüche gem. § 14 Abs. 5 und 6 MarkenG. So habe die Beklagte z.B. das Zeichen „FAZ“ nicht markenmäßig benutzt. 

Wettbewerbsrechtliche Ansprüche würden ebenfalls ausscheiden. Insbesondere sei nicht feststellbar, dass die durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Internetnutzer die Abstracts etwa mit den entsprechenden Feuilletonkritiken der Zeitungsverlage verwechselten (§ 4 Nr. 9a UWG). Soweit die Beklagte die Wertschätzung der Originalrezensionen für ihre Internetseite überhaupt ausnutze, sei dies jedenfalls nicht unangemessen i.S. d. § 4 Nr. 9b UWG und urheberrechtlich zudem gestattet. 

Unter Berücksichtigung des aktuell eher liberalen Rechtsprechungstrends des BGH ist wohl - m. E. zu Recht - eine Bestätigung der vorherigen Instanzen zu erwarten. Andernfalls müsste man sicherlich einer weiteren Welle von Abmahnungen und Klageverfahren durch "Beton"- und "Kohle"-orientierte Urheber-Egomanen entgegensehen. Damit sollen Urheber keineswegs ihrer Rechte beraubt werden; gerade im Bereich der Online-Kultur würde uns allerdings etwas mehr fruchtbare Durchlässigkeit, friedliche Koexistenz und gönnende Gelassenheit gut tun. Hinzu kommen die verfassungsrechtlichen Dimensionen, die Rechte ... und Pflichten ... beispielsweise aus Art. 5 und Art. 14 GG - und nicht zuletzt der Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit.
Trennlinie, die unterschiedliche Inhalte trennt.

Freitag, 28. Mai 2010

Mit allen Mitteln: Die psychologischen Tricks bei Abmahnung wegen Filesharing

Das Geschäftsmodell "Filesharing-Abmahnung" funktioniert in größerem und wachsendem Ausmaß seit über fünf Jahren. Ein Rückgang der Auskunftsverfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG und der danach verbreiteten Abmahnungsschreiben ist - auch nach dem WLAN-Urteil des BGH vom 12.05.2010 - nicht absehbar.

Um es vorweg zu nehmen: Nicht jede Abmahnung ist per se unanständiger "Psycho-Terror".

Bei etlichen Abmahnungs-Pamphleten spielen allerdings gezielte psychologische Strategien der Abmahnungs-Branche eine nicht unbedeutende Rolle, um die Internet-Anschlussinhaber und Abmahnungs-Empfänger subtil zu beeinflussen bzw. unter Druck zu setzen


In der anwaltlichen Praxis tauchen immer wieder insbesondere die folgenden Manöver auf:


 1. Die Abmahnungspost erreicht die Adressaten gehäuft kurz vor dem oder am Wochenende, kurz vor Feiertagen oder während der Ferienzeit, um die Einholung kurzfristiger anwaltlicher Beratung bzw. Hilfe zu erschweren, den etwaigen familiären Zwist zusätzlich zu schüren und den Psycho-Stress noch zu erhöhen.

 2. Das Abmahnungsschreiben wird mit komplexer Fachterminologie gespickt, um zum einen besonders bedeutungsschwangere Eindrücke zu vermitteln und zum anderen eine kritische Auseinandersetzung mit den Abmahnungs-Thesen zu erschweren und zu unterdrücken.

 3. Aus den gleichen Gründen werden zahllose, z. T. veraltete und singuläre Gerichtsentscheidungen benannt und/oder zitiert.

 4. Das Abmahnungsschreiben wird mit den vorbeschriebenen Inhalten und weiterer juristischer Prosa übermäßig aufgefüllt und "verlängert", um auch hierdurch den Lese-Stress für den juristischen Laien zu erhöhen.

 5. Die Diktion der Abmahnung ist sehr entschieden, vielleicht sogar scharf und bedrohlich - unter missverständlicher Vorspiegelung angeblich handgreiflicher extremer Bestrafungs- und Verteuerungs-Risiken.

 6. Eine andere Variante ist die bemüht freundliche, zugewandte Ansprache, die sich vermeintlich vornehmlich um die Interessen des bzw. der Abgemahnten sorgt.

 7. Im Laufe nachfolgender Korrespondenz kann sich die vorbeschriebene Taktik jeweils austauschen oder ändern (nach dem Motto: Wenn es im Guten nicht geht, ...).

 8. Aktuellere, die Rechtsposition des oder der Abgemahnten verbessernde Rechtsprechung wird verschwiegen oder mit zweifelhafter Argumentation als nicht einschlägig deklariert.

 9. Es werden unzutreffende und übertriebene Schadens-Szenarien dargestellt zur "politischen" und klimatischen Rechtfertigung der Abmahnungs-Aktion.

 10. Die vermeintliche Qualität bzw. Wertigkeit des vermeintlich betroffenen Werkes wird unrealistisch übertrieben.

 11. Die unterschiedlichen Voraussetzungen unterschiedlicher urheberrechtlicher Ansprüche ( gerichtet etwa auf Unterlassung, Auskunft, Löschung, Vernichtung, Schadensersatz, Aufwendungsersatz und Kostenerstattung) werden in missverständlicher und/oder unzutreffender Weise vermischt.

 12. Die möglichen bzw. angebrachten technischen und/oder prozessualen Zweifel hinsichtlich der angeblich festgestellten und dokumentierten Recherche-Ergebnisse und deren vermeintliche Konsequenzen werden verschwiegen oder verniedlicht (z. B. bzgl. dynamischer IP-Adresse, Datei-Name, Hash-Werte, Gutachten etc.).

 13. Die im summarischen Verfahren ergangenen landgerichtlichen Beschlüsse nach § 101 Abs. 9 UrhG werden überinterpretiert, als wenn damit praktisch die Verantwortlichkeit der abgemahnten Anschluss-Inhaberin bzw. des abgemahnten Anschluss-Inhabers bereits gerichtlich festgestellt worden ist.

 14. Es werden Streitwerte und Kostenerstattungsbeträge in den Raum gestellt, die mit dem konkreten Fall oft nichts zu tun haben.

 15. Schließlich wird ein "großzügiger" Vergleich mit einem vermeintlich entgegenkommenden Vergleichsbetrag angeboten zur "endgültigen" Erledigung der Angelegenheit und zur Vermeidung von Schlimmerem, insbesondere zur angeblichen Vermeidung ansonsten bevorstehender Gerichtsverfahren (einstweilige Verfügung und/oder Klage), wobei gleichzeitig eine unangemessene und nicht verantwortbare strafbewehrte Unterlassungserklärung vorgelegt wird, die angeblich keinesfalls verändert werden darf.

 16. Der oder die Abgemahnte wird so in diffusen Stress versetzt, der durch knappe Fristsetzung noch erhöht wird.


Dieses Vorgehen gibt erneuten Anlass, im Zusammenhang mit etlichen Filesharing-Abmahnungen die Frage nach der Verhältnismäßigkeit und dem Gebot von Treu und Glauben zu stellen.

Ein besonnener und sachgerechter Umgang mit der Abmahnung und dem Thema "Filesharing", "Tauschbörse" und "P2P" sowie die Einholung kompetenter Hilfe zur Abwehr der Abmahnung und zur etwaigen Abgabe einer im konkreten Fall modifizierten interessengerechten strafbewehrten Unterlassungserklärung soll durch derartige Psycho-Tricks sicher nicht gefördert werden.

Montag, 17. Mai 2010

Anwaltskosten beim Geschäftsmodell "Filesharing-Abmahnung" als Notgroschen, Unverschämtheit oder Gaunerei?

Der Streit um die Kappung von Anwaltskosten nach § 97 a II UrhG auf der einen Seite und um angeblich oder tatsächlich überhöhte Anwaltskosten bei Filesharing-Abmahnungen auf der anderen Seite wurde durch das WLAN-Urteil des BGH vom 12.05.2010 zusätzlich entfacht.

Bei dieser Auseinandersetzung werden einige Aspekte verdreht bzw. übersehen oder ausgeblendet:

1. Das Problem überhöhter Kosten-Berechnungen im Rahmen von formularmäßigen anwaltlichen Abmahnungen ist nicht ein Problem der überhöhten In-Rechnung-Stellung der die Abmahnungen fabrizierenden Rechtsanwälte gegenüber deren Mandanten (Musik-, Film-, Porno- und Rechteverwertungs-Branchen); der Angriffspunkt ist vielmehr der Umstand, dass in etlichen Filesharing-Abmahnungen vermeintliche Vergütungs-Szenarien angedeutet oder vorgetäuscht werden, die so zwischen den Rechte-Inhabern und deren Anwälten gar nicht vereinbart und gelebt werden, um auf diese Weise irreale Erstattungsansprüche zu generieren zu Lasten der abgemahnten Inhaber von Internet-Anschlüssen.

2. In gleicher Weise vorwerfbar ist dabei die In-Ansatz-Bringung überhöhter Gegenstandswerte, die nicht selten in keinem vernünftigen Verhältnis zum betroffenen Werk und den daraus ableitbaren Interessen des Urhebers oder Rechteinhabers stehen.

3. Die Bagatell-Klausel des § 97 a II UrhG betrifft nicht die Honorar-Rechnung der abmahnenden Rechtsanwälte, sondern lediglich die Höhe der dem Abmahnenden maximal seitens des Abgemahnten zu erstattenden Aufwendungen. Lediglich der Aufwendungsersatz wird auf 100,00 € gedeckelt in den gesetzlich vorgesehenen Fällen

  erstmaliger Abmahnung

  in einfach gelagerten Fällen

  mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung

  außerhalb des geschäftlichen Verkehrs.

4. Soweit einige Abmahner die Deckelung des Aufwendungsersatzes nach § 97 a II UrhG missbilligen als vermeintlich unangemessene Aufbürdung "hängen bleibender" Rechtsverfolgungskosten, werden die oben zitierten engen Geltungsvoraussetzungen übersehen, die "dramatische" Fallkonstellationen wohl eher nicht erfassen. Darüber hinaus entsteht der Eindruck, dem Aufwendungsersatz wird mehr Bedeutung beigemessen als der Verhinderung sich vielleicht dann eben doch nicht derartig dramatisch darstellender, angeblich monokausal durch Filesharing entstehender Vermögenseinbußen. Dass zudem auch Rechteinhaber und Urheber von freierer Netz-Kommunikation profitieren können, soll an dieser Stelle nicht vertiefter thematisiert werden.

5. Der Vergleich mit anderen vergütungspflichtigen Anwaltsmandaten und daraus erwachsenden ungedeckelten Ansprüchen auf Kostenerstattung ist mit Vorsicht "zu genießen". Der Genuss kann schnell im "Halzband" stecken bleiben, wenn man die häufig sehr unterschiedliche Mandats-Struktur, -Organisation und -Strategie bedenkt und die formularmäßige, automatisierte und massenhafte Handhabung und Abwicklung von Teilen der aktuell agierenden "Abmahnungs-Industrie" in die Bewertung einbezieht - unbeschadet des Grundsatzes, dass dort, wo massenhaft Urheberrechte verletzt werden, auch grundsätzlich massenhaft abgemahnt werden darf.

6. Schließlich auch ein (selbst-)kritischer Satz zu den die Filesharing-Abmahnungen abwehrenden  Anwaltskollegen: Auch der mit der Abwehr der Abmahnung befasste Rechtsanwalt ist sich - selbstverständlich und naturgemäß - nicht zu schade, mit seiner anwaltlichen Dienstleistung und seinem juristischen und sachverhaltlichen Know-how Geld zu verdienen. Dies allerdings ohne selbst oder im Zusammenwirken mit seiner Mandantschaft originär generierte Massen-Handlings und lediglich in Reaktion auf die oben und anderswo beschriebenen professionalisierten Missstände und Fehlentwicklungen.

Mittwoch, 12. Mai 2010

BGH-Urteil zur Störerhaftung bei unzureichend gesichertem WLAN-Anschluss und Konsequenzen für Filesharing-Abmahnungen

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit heutigem Urteil vom 12.05.2010 - I ZR 121/08 - ("Sommer unseres Lebens") einige Klarstellungen im Zusammenhang mit offenen Fragen bei Filesharing-Abmahnungen getroffen. Gleichzeitig bleiben allerdings auch weiterhin einige Problemfelder ungeklärt.

Festhalten lässt sich im derzeitigen Stadium - die schriftlichen Urteilsgründe liegen noch nicht vor - die folgenden Schlüsse:



1. Bei nicht ausreichend gesichertem WLAN-Anschluss haftet der private Anschlussinhaber nach den Rechtsgrundsätzen der Störerhaftung auf Unterlassung und auf Erstattung der Abmahnkosten, wenn der nicht ausreichend gesicherte WLAN-Anschluss von unberechtigten Dritten für Urheberrechtsverletzungen - beispielsweise im Rahmen von Filesharing - genutzt wurde.


2. Wird lediglich ein Musiktitel im Rahmen unberechtigter Tauschbörsen-Teilnahme öffentlich zugänglich gemacht, findet die Bagatellklausel des § 97a Abs. 2 UrhG Anwendung mit der darin geregelten Obergrenze für die anwaltlichen Kosten einer erstmaligen Abmahnung in Höhe von 100,00 Euro.


3. Dem privaten Betreiber eines WLAN-Netzes kann nicht zugemutet werden, die Netzwerksicherheit fortlaufend dem neuesten Stand der Technik anzupassen und dafür entsprechende finanzielle Mittel einzusetzen. Privatpersonen haben insofern lediglich die im Zeitpunkt der Installation des Routers für den privaten Bereich marktüblichen Sicherungen aufrecht zu erhalten und deren Einhaltung regelmäßig zu prüfen.
Sie sollten es allerdings nicht bei den werkseitigen Standardsicherheitseinstellungen des WLAN-Routers belassen und das vorgegebene Passwort durch ein persönliches, ausreichend langes und sicheres Passwort ersetzen.


4. In den Fällen der obigen Ziff. 1. ist der Anschlussinhaber mangels Vorsatz nicht zum Schadensersatz verpflichtet. Der BGH bewertet den Anschlussinhaber in derartigen Fällen weder als Täter, noch als Gehilfen oder Teilnehmer der durch einen unberechtigten Dritten vorgenommenen Urheberrechtsverletzung.


5. Nicht abschließend geklärt wird durch das BGH-Urteil vom 12.05.2010 die Frage, welche Art der Absicherungen bzw. Verschlüsselungen vom BGH als zum Zeitpunkt der Installation des Routers jeweils "marktübliche Sicherung" angesehen wird. Dies wird insofern auch zukünftig einer der offenen Streitpunkte bleiben und im Einzelfall ggf. auch erst durch Sachverständigen-Beweis einer Klärung näher gebracht werden können.

Als aktueller Mindest-Sicherungsstandard wird derzeit eine WPA2-Verschlüsselung verlangt.


6. Das BGH-Urteil wird nach Vorliegen der vollständigen schriftlichen Entscheidungsgründe genau zu analysieren sein, zeigt allerdings bereits jetzt Grenzen für Filesharing-Abmahnungen gegenüber Privatpersonen auf. Andererseits bleiben z. B. offene Fragen nicht ohne Dramatik für gewerbliche Betreiber von Hotspots, Internet-Cafes o. Ä.  im Hinblick auf die Anwendbarkeit des § 8 TMG.

Ergänzung vom 03.06.2010: Zwischenzeitlich liegen die schriftlichen Entscheidungsgünde des I. Zivilsenates vor, die ich hier recht kritisch kommentiert habe.

Montag, 26. April 2010

Das Urheberrecht der Künstlerin und die Thumbnails von Google

BGH - Verkündungstermin am 29.04.2010 (I ZR 69/08)
LG Erfurt , 15.03.2007 (3 O 1108/05)  /  Thüringisches OLG, 27.02.2008 (2 U 319/07)
 
Eine bildende Künstlerin und Klägerin hat auf ihrer Website mehrere ihrer Bilder mit Copyrightvermerk veröffentlicht. Google, die Beklagte, zeigt über eine textgestützte Bildsuchfunktion in der Trefferliste die fraglichen Bilder in verkleinerter und komprimierter Form als sogenannte Thumbnails (auf Servern in den USA gespeicherte Miniaturansichten der Bilder). 

Die Klägerin beansprucht die Unterlassung der Vervielfältigung und öffentlichen Zugänglichmachung ihrer Bilder über die Internet-Suchmaschine der Beklagten sowie ein Verbot der Umgestaltung ihrer Bilder in Thumbnails. 

Das Landgericht Erfurt und das OLG in Jena haben die Klage abgewiesen (GRUR-RR 2008, 223). 

Google verletze zwar grundsätzlich die Urheberrechte der Künstlerin gemäß § 23 UrhG. Die von Google erstellten und in der Trefferliste veröffentlichten Thumbnails seien auch unzulässige Umgestaltungen der Bildwerke. Allerdings verstoße die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs durch die Künstlerin gegen den Grundsatz von Treu und Glauben und sei rechtsmissbräuchlich gemäß § 242 BGB. Dies wird damit begründet, dass die Künstlerin eine Suchmaschinenoptimierung mit im Quellcode versteckten, gezielt ausgesuchten Suchworten vorgenommen habe, den Zugriff von Suchrobotern nicht blockiert habe und so zu erkennen gäbe, dass sie eigentlich am Zugriff durch die Suchmaschine interessiert sei. Dies sei im Verhältnis zum Klagebegehren als widersprüchliches Verhalten zu bewerten. 

Das ist bei sonst stringenter gerichtlicher Bejahung aller tatbestandlichen Voraussetzungen für urherrrechtliche Ansprüche der Künstlerin und bei klarer Verneinung von Rechtfertigungsgründen oder etwaig eingreifenden gesetzlichen Schranken ein dünner Faden, an dem die streitgegenständliche Thumbnail-Praxis von Google hängt.

Verhandlungstermin vor dem 1. Zivilsenat war am 10.12.2009. Der BGH verkündet seine Entscheidung am 29.04.2010. Vielleicht finden die Revisionsrichter noch neue Betrachtungswinkel auf die Trefferlisten und Thumbnails.

Samstag, 24. April 2010

Der Mai wird kommen und die Hotspots schlagen aus. Blühende Phantasien zum anstehenden Filesharing-W-LAN-Urteil des BGH und zum Wetter.

Am 12. Mai 2010 wird der Bundesgerichtshof (I ZR 121/08) vielleicht alle Blütenträume der Abmahnungs-Zunft oder stattdessen eine Bombe zu Lasten aller Hotspots in Hotels, Service-Einrichtungen, Flughäfen oder Cocktail-Bars platzen lassen. Die Angst vor Filesharing-Abmahnung ist trotz oder wegen der kommenden Maienzeit ungeschmälert.


Moses Pelham's Power Productions (Musiklabel 3P) wird der Musik-, Film- und Porno-Branche - nach dem vor dem OLG Frankfurt verlorenen Berufungsverfahren - mit den im Revisionsverfahren weiterverfolgten vermeintlichen urheberrechtlichen Ansprüchen eventuell den "Sommer ihres Lebens" bereiten (in leichter Abwandlung des betroffenen Musiktitels von Sebastian Hämer). Dann nämlich, wenn der 1. Zivilsenat (wegen eines während des Urlaubs des Anschlussinhabers nicht ausreichend verschlüsselten W-LAN-Netzwerkes und einer angeblich in dem Zusammenhang durch einen Dritten stattgefundenen illegalen Teilnahme an einer Musik-Tauschbörse) den Urlauber zum haftenden (Mit-)Störer erklärt. Dann wäre der Erholungswert jenes Urlaubs wohl dahin - schöner Mai hin oder her.


Argumente sind pro und contra zahlreich und z. T. auch vertieft ausgetauscht worden - selbstverständlich außerhalb von Tauschbörsen. Akademisch und dogmatisch lassen sich da ohne alle Frühlingsgefühle zahlreiche Gesichtspunkte und eine Menge juristischer Theorien heranziehen oder neu begründen. Verkehrssicherungspflichten (die nun wirklich nichts mit Frühlingsgefühlen zu tun haben), Halter-Haftungen (die nichts mit Mikrofonhaltern zu tun haben), Garantie-Haftungen ohne Garanten, verschuldensähnliche Bewertungen (bei denen jede Ähnlichkeit rein zufällig ist), Sphären-Theorien und -Klänge oder weitere störende Störer-Geräusche rauschen durch den maienhaften Blätter-Wald. 


Auf der anderen Seite - des Waldes - werden dem gegenüber Lieder von Waldeslust und Userfrust, von Piraten-Freiheit und offenen Netzen sowie von Schüler- und Rentner-Abzocke gesungen - möglichst ohne dabei die Urheberrechte anderen Liedgutes zu tangieren.

Wer wird letzlich im Regen - im Mairegen - stehen?


Wahrscheinlich ist es so, wie es häufig mit dem Wetter ist: Schwer vorherzusagen und hinterher stehen meistens alle etwas im Regen.


Besonders könnte das Urteil die erwähnten Heißpunkte bzw. Hotspots treffen .. und deren bisherige Nutzer. Da kann es schnell passieren, dass einem das "Halzband"-Urteil (I ZR 114/06) im Hals stecken bleibt; aber wem?


Bei Hotspots erleichtert m. E. wie so oft ein Blick in das Gesetz die Rechtsfindung

Das Telemediengesetz (TMG) regelt die Haftung eines Diensteanbieters im Telekommunikationsrecht. Als Diensteanbieter gilt gemäß § 2 TMG 

jede natürliche oder juristische Person, die eigene oder fremde Telemedien zur Nutzung bereithält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt. 

Zu den Telemedien gehört unzwiefelhaft auch das Internet.
In § 8 Abs. 1 TMG heißt es dann:
 
Diensteanbieter sind für fremde Informationen, die sie in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich, sofern sie
 1.
die Übermittlung nicht veranlasst,
 2.
den Adressaten der übermittelten Informationen nicht ausgewählt und
 3.
die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben.

Ein Hotspot-Betreiber ist grundsätzlich Diensteanbieter i. S. d. Telemediengesetzes, da er anderen seinen Internetzugang zur Verfügung stellt. Ob er dies gewerblich oder zu privaten Zwecken macht, ist für die Anwendung des TMG an dieser Stelle nicht relevant. Der Diensteanbieter haftet, wenn er anderen seinen Webzugang zur Verfügung stellt, nur dann, wenn er Kenntnis von den über seinen Anschluss begangenen Rechtsverstößen hat und nicht etwa generell und immer.

Nach § 7 Abs. 2 TMG besteht auch keine Pflicht des Hotspot-Betreibers, den Webzugang nach rechwidrigen Benutzungen zu untersuchen bzw. zu kontrollieren oder zu überwachen. Im Gesetz heißt es dazu:

Diensteanbieter im Sinne der §§ 8 bis 10 sind nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen.

Wenn der 1. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes die gesetzlichen Vorgaben zur Haftungsbeschränkung derjenigen beachtet, die bewusst, gewollt und damit "schuldhaft" (vorsätzlich) Webzugänge für Dritte (seien es z. B. Kunden, Gäste oder Besucher) schaffen, muss er eigentlich im Erst-Recht-Schluss die Begrenzung der Haftung auch für Anschlussinhaber anwenden, die ohne entsprechenden Plan, ohne Vorsatz und unfreiwillig praktisch zum "Diensteanbieter" werden - egal ob von Dritten (ohne vorherige Kenntnis des Anschlussinhabers) Mai-Lieder, Rap-Songs oder Hardcore-Filme öffentlich beim Filesharing zugänglich gemacht wurden.

Die Instanzen-Gerichte und die meisten Anwälte (anders als z. B. die Kollegen Stadler und Euler) haben bisher das TMG praktisch links des Maiwaldes liegen lassen. Wir wollen hoffen, dass der BGH den Baum vor lauter Wald sieht und bei seinen Abwägungen die Wertungen des TMG-Gesetzgebers angemessen berücksichtigt.

Ein unbegrenzter Freibrief wird den Hotspots - und anderen Anschlussinhabern - ohnehin am 12. Mai 2010 nicht geschrieben werden: Nach Kenntnis, für die die Abmahner oder Kläger wohl in den meisten Fällen "sorgen", bleibt für den Hotspot-Betreiber - wie für jeden anderen Anschlussinhaber - "nichts wie vorher"; dann beginnen in jedem Fall Untersuchungs- und Überwachungspflichten. Dies wird nicht selten zur anschließenden Schließung des offenen W-LAN-Hotspots führen. Der (Mai-)Regen scheint mal wieder für alle sicher.


Dienstag, 20. April 2010

Landgericht stärkt Presse- und Meinungsfreiheit in Eilverfahren um Pressefoto von politischer Protest-Demonstration

Mit Beschluss vom 16.04.2010 hat das Landgericht Bielefeld in zwei Eilverfahren - 2 O 143/10 und 2 O 144/10 - die gegen eine Tagezeitung gerichteten Anträge von zwei seitens ihrer Eltern vertretenen Minderjährigen zurückgewiesen, die Veröffentlichung eines sie abbildenden Fotos zu verbieten.

Eine kleine Gruppe von Eltern hatte am Rosenmontag 2010 in der Gemeinde L. einen Karnevalsumzug dazu genutzt, unter dem Motto "Reisende" bzw. "Zugereiste in L. unerwünscht!" sich und ihre Kinder als "Flüchtlinge" mit in Frakturschrift beschriebenen Plakaten (mit den Worten "Zugereist" oder "Wohin?") sowie mit an die Verfolgung jüdischer Mitbürger erinnernden gelben Binden auszustaffieren und so der Öffentlichkeit zu präsentieren.

Daraufhin wurde in einem Leserbrief massiv kritisiert, wie bei dem Umzug und der darin veranstalteten Protest-Demo einige Eltern ihre Kinder für politische Absichten benutzten. Zur Bebilderung dieser Kritik veröffentlichte die Tageszeitung eine ausschnittweise Abbildung des Umzugs, die im Vordergrund zwei entsprechend "ausstaffierte" Kinder zeigt.


Das Landgericht wies die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück.

Zur Begründung stützt sich das Landgericht auf das aktuelle Urteil des BGH vom 06.10.2009, VI ZR 314/08, GRUR 2010, 173 ff., wonach das generelle Verbot einer Bildberichterstattung grundsätzlich nicht beansprucht werden kann, da eine in jedem Einzelfall vorzunehmende Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Interesse des Abgebildeten an dem Schutz seiner Privatsphäre auch jeweils eine Berücksichtigung verlangt, in welchem Kontext das Foto veröffentlicht wird.

In diesem Zusammenhang möchte ich ergänzend auf das aktuelle Urteil des OLG Düsseldorf vom 08.03.2010 - I-20 U 188/09 - zu heimlichen Ton- und Bild-Aufnahmen in einer Arzt-Praxis hinweisen; diese Entscheidung geht in eine ähnliche Richtung.

Das Landgericht Bielefeld verneinte im vorliegenden Fall bereits das Vorliegen eines Verfügungsgrundes. Eine besondere Eilbedürftigkeit war nicht erkennbar. Es waren keine Anhaltspunkte für erneute Veröffentlichungen ersichtlich.

Ferner bewertete das Landgericht den Umstand, dass die Eltern ihre Kinder bewusst und gewollt "ausstaffiert" und der Öffentlichkeit präsentiert hatten, zu Recht als Einwilligung gemäß § 22 KUG.

Zudem stellte das Gericht - auch an dieser Stelle der Argumentation der Antragsgegnerin, des Zeitungsverlages, folgend - darauf ab, dass die minderjährigen Antragsteller von ihren die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich und die Kinder ziehenden Eltern gezielt in den Mittelpunkt öffentlicher Wahrnehmung gestellt worden waren und es sich damit auch um "sogenannte relative Personen der Zeitgeschichte" gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG handelt.

Schließlich waren der Karnevalsumzug sowie die darin gleichzeitig erfolgende politische Protest-Demonstration als Aufzug und Versammlung gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG einzuordnen. Es war insoweit legitim, einen repräsentativen Ausschnitt der streitgegenständlichen Veröffentlichungs-Thematik abzubilden.

Nach Abwägung aller Gesichtspunkte unter Einbeziehung der wohlverstandenen Schutzbedürfnisse von Kindern im Hinblick auf deren freie Persönlichkeitsentfaltung sah das Landgericht in überzeugender Weise hier keine Grundlage für eine Beschneidung der verfassungsrechtlich geschützten Meinungs- und Pressefreiheit.

Montag, 12. April 2010

Wer soll das bezahlen? Erstattung überhöhter Rechtsanwaltskosten bei Filesharing-Abmahnung

Es geht um's Geld. Im Musikgeschäft, in der Filmbranche und auch in der Abmahnungs-Industrie. Aber wie seriös, wie belastbar sind die Kostenerstattungs-Begehren in einer Vielzahl der kursierenden Filesharing-Abmahnungen?

Kostenerstattung kann derjenige beanspruchen, dem wegen berechtigter urheberrechtlicher Abmahnung Kosten entstanden sind, ersetzbar in bestimmter Höhe, maximal in Höhe der gesetzlichen Rechtsanwaltsgebühren nach dem RVG. Voraussetzung für ein berechtigtes Verlangen nach Erstattung von Anwaltskosten ist deren tatsächliche Vereinbarung, In-Rechnung-Stellung durch den Rechtsanwalt und Zahlung durch den abmahnenden Rechteinhaber.

In vielen Fällen wird bereits zu prüfen sein, ob ggf. die für einfach gelagerte Erst-Abmahnungen gesetzlich geschaffene Kosten-Deckelung durch die 100 Euro-Bagatellgrenze des § 97 a Abs. 2 UrhG eingreift.

Auch über die z. T. in den Raum gestellten Streitwert-Höhen lässt sich trefflich streiten. Die aktuelle obergerichtliche Rechtsprechung tendiert in den vergangenen Monaten insoweit zu eher zurückhaltenderen Festsetzungen und verabschiedet sich von der schlichten "Multiplikations-Praxis" der vergangenen Jahre. Die demgegenüber in den Abmahnungen enthaltenen Streitwert-Phantasien entbehren nicht selten seriöser Substanz.

Es ist allerdings in zahlreichen Fällen noch viel zweifelhafter, ob zwischen dem abmahnenden, vermeintlichen Rechteinhaber und dem die Abmahnung versendenden Rechtsanwalt überhaupt eine anwaltliche Vergütung in der geltend gemachten Art und Höhe rechtsverbindlich vereinbart worden ist, ob die angeblichen Anwaltskosten in dieser Weise abgerechnet worden sind bzw. überhaupt abgerechnet werden sollen und ob die zur Erstattung aufgegebene oder angedrohte Zahlungsforderung vom Abmahner beglichen wurde oder zumindest beglichen wird.

Die aktuelle Rechtsprechung (z. B. Amtsgericht Frankfurt und Landgericht Köln) tendiert insoweit zu Recht zunehmend zu kritischer Hinterfragung der häufig von der Abmahnungs-Branche pauschal und ungenügend substantiierten Kostenerstattungsansprüche. Wie so oft gilt : Bange machen gilt nicht ... und Papier ist geduldig.

Wer kann glauben, dass bei der ungeheuren Masse von Abmahnungen einzelner Musik-Konzerne, Film-Produzenten oder Rechte-Verwerter diese Mandanten ihren Rechtsanwälten wirklich für jedes verschickte Abmahnungsformular die vollen gesetzlichen Gebühren zu dem im Abmahnungsschreiben bezifferten Streitwert vergüten? Probeberechnungen haben belegt, dass dann einige Abmahnungs-Unternehmen bereits vor einiger Zeit wegen immenser Anwaltskosten zahlungsunfähig gewesen wären.

Das Thema Kostenerstattung ist für die Abmahnungsbranche durchaus sensibel und diffzil, kann die Vorgabe überhöhter, fiktiver und nicht tatsächlich entstandener Kosten doch durchaus auch den Staatsanwalt interessieren. Zudem wäre die Aufdeckung im deutschen Recht für die hier betroffenen Abmahnungs-Fälle unzulässiger Vergütungsabreden - etwa in der Form eines Erfolgshonorars - auch standesrechtlich nicht ohne Konsequenzen.

Dies kann auch ein Grund dafür sein, dass viele abmahnende Rechtsanwälte mittlerweile zunehmend dazu übergehen, die Kostenerstattungsbeträge nicht mehr konkret zu beziffern, sondern lediglich mehr oder weniger nebulös in dramatisierender Höhe anzudeuten, um anschließend eine nicht näher aufgeschlüsselte, vermeintlich günstige Vergleichssumme zu nennen - zur "Erledigung" sämtlicher Schadensersatz-, Aufwendungsersatz- und Kostenerstattungsbeträge.

Bei der Abwehr von Filesharing-Abmahnungen gilt es folglich nicht nur, die angebliche Verletzung von Urheberrecht und behauptete Schadenshöhen und Lizenzen sowie eine etwaig modifizierte strafbewehrte Unterlassungserklärung zu prüfen, sondern auch die anwaltlichen Kosten-Szenarien kritisch unter die Lupe zu nehmen.

Samstag, 3. April 2010

Der Basta-Kanzler, die Fahrt in´s Blaue und ein Lehrstück zur Abwehrtaktik bei Abmahnungen - Tauschbörse inbegriffen

Der Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder, seines Zeichens selbst Volljurist, war stets ein entschiedener Macher und Macht-Mensch. Ihn in die Alkoholfahrt-Affäre der (Ex-)Bischöfin Margot Käßmann als potentiellen Beifahrer hineinzuziehen, musste eigentlich Konsequenzen nach sich ziehen. Die anwaltliche Abmahnung gegen den sich erdreistenden Blogger und Twitterer kam dann auch postwendend.

Der couragierte - sowie vielleicht auch grenzwertige und provokante - Umgang des Kollegen Rechtsanwalt und Blogger Joachim Nikolaus Steinhöfel mit dem medienrechtlichen Spannungsfeld zwischen Boulevard, öffentlichem Informationsinteresse und schützenswertem Persönlichkeitsrecht visualisiert ganz en "passant", wie wichtig auf der Klaviatur des Abmahnungsrechts neben materiell-rechtlichen Gesichtspunkten auch verfahrensrechtliche Weitsicht und prozesstaktische Finesse sind. Auch wenn damit der etwaige Ausgang des an der Medienfront aufgezogenen Streitfalles naturgemäß keineswegs gerichtsfest prognostiziert werden kann, zeigt der Fall doch recht anschaulich, dasss vor und nach einer Abmahnung knieweiches Bangemachen - z. B. vor einem allmächtigen "Basta" - nicht immer gilt, zumal wenn selbst bei materiellrechtlich offenen Fragen gleichzeitig für mehrere Beteiligte prozessuale Zwickmühlen und unangenehme Nebenkriegsschauplätze existieren.

Es darf und soll nicht Gegenstand dieses Beitrags sein, wessen verfahrenstaktische Achillesferse von wem im bischöflichlichen Beifahrer-Verfahren ausgenutzt oder verletzt wird. Jeder Empfänger einer vermeintlich starken und lauten Abmahnung lasse sich jedoch Mut machen - auch wenn es um starke Filme oder laute Musik und um deren "beifahrerischen" Tausch gehen sollte:

1. Der Absender einer Abmahnung und dessen zur Schau getragene Macht oder Stärke (egal ob Polit-Goliath oder Musik-Konzern) sagen für sich genommen noch nichts über tatsächliche Rechteinhaberschaft und prozessuale Substanz aus.

2. Bei anwaltlicher Prüfung und Strategie-Findung spielt nicht nur die vordergründige Anspruchsgrundlage, sondern spielen wenigstens ebenso weitere, evtl. "querlaufende" Interessen(-Konflikte) und Motivationshintergründe des Anspruchstellers, dessen wirkliche, oft verzwicktere Verfahrenslagen sowie  faktische Prozess-Bremsen nicht unwesentliche Rollen.

3. Rechtlich beherrscht der am besten den Streit, der nicht nur unter die Anspruchsgrundlage subsumiert, sondern zusätzlich umliegende Rechtsfelder strategisch einbezieht - also neben Medienrecht oder Urheberrecht beispielsweise auch Zivilprozessrecht, Strafprozessrecht, Verfassungsrecht, Datenschutzrecht, Kirchenrecht, Schadensrecht, Kostenrecht etc. berücksichtigt.

4. Und schließlich gilt immer wieder: Einen Fall über den juristischen Tellerrand hinaus zu betrachten und zu analysieren, schadet nie und hilft oft bei der berechtigten Wahrnehmung rechtlicher Interessen.

Samstag, 27. März 2010

Schadensersatz bei Filesharing-Abmahnung? ... Wer den Schaden hat ...

Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen bzw. - wie der Volksmund  in der aktuelleren Version sagt - spottet jeder Beschreibung.

Welche gewagten Berechnungsmodelle sich zur Berechnung vermeintlicher Schäden oder Schadensersatz-Ansprüche in Abmahnungen der Musik- und Filmbranche finden, das sprengt alle möglichen und unmöglichen Vorstellungen.
Gehen die Abmahnungen der Musik-Labels, der Filmbranche und der vermeintlichen Rechtevermarkter gegen tatsächliche oder angebliche Tauschbörsen-Nutzer in Wirklichkeit ins Leere?

Im Urheberrecht juristisch anerkannt sind lediglich drei Schadensberechnungen:

1. Die Gewinnabschöpfung:
Der Verletzer bzw. der Abgemahnte hat seinen durch die Urheberrechtsverletzung generierten Gewinn, den sog. Verletzer-Gewinn, an den Verletzten, den Urheber bzw. Rechteinhaber, herauszugeben. Dieses Modell wurde gerade wieder im Fall des Möllemann-Videos vom BGH (I ZR 122/08 und I ZR 130/08) herangezogen. In Filesharing-Fällen gibt es i. d. R. keine abschöpfbaren konkreten Gewinne des Rechtsverletzers bzw. des Abgemahnten.

2. Der entgangene Gewinn:
Der Verletzer bzw. der Abgemahnte hat dem Verletzten, dem Urheber bzw. Rechteinhaber den diesem wegen der Urheberrechtsverletzung entgangenen Gewinn zu erstatten.
Kausal durch die etwaige Urheberrechtsverletzung entgangene Gewinne lassen sich auch im Zusammenhang mit der Teilnahme an Tauschbörsen kaum greifbar beziffern bzw. nach dem Grundsatz hypothetischer Kausalität kaum sachgerecht schätzen:
Wieviel Geschäfte wären ohne die jeweiligen P2P-Vorgänge tatsächlich getätigt worden und welcher Gewinn wäre dadurch auf Seiten des Rechteinhabers erwirtschaftet worden? Viel, wenig, keiner .. ?
Es kursieren dennoch Abmahnungen, in denen werden mit viel Phantasie sogar vermeintlich entgangene Download-Umsätze hochgerechnet und erstattet verlangt oder zur Grundlage "großzügiger" Vergleichsangebote gemacht. Das grenzt an Betrug.
Generell ist die Bereitschaft, in Abmahnungen brauchbare Unternehmenszahlen zur Belegung der konkreten Gewinn-Situation offen zu legen, naturgemäß äußerst gering.

3. Die Lizenz-Analogie:
Bleibt als Schaden der Lizenzbetrag, den bei vertraglicher Einräumung ein vernünftiger Lizenzgeber als angemessen gefordert und ein vernünftiger Lizenznehmer gewährt hätte.
Wie hoch ist diese fiktive Lizenzgebühr bei der Teilnahme an einer Musik-, Film- oder Software-Tauschbörse? Wieviel zahlt ein verständiger Filesharing-User für das Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung des urheberrechtlich geschützten Materials zum kostenlosen Download durch Dritte? Vielleicht gar nichts? Wäre eine Lizenzgebühr nicht ohnehin in P2P-Netzwerken systemwidrig?

Wer hat welchen konkreten und kausal auf die spezielle vermeintliche Filesharing-Nutzung zurückzuführenden Schaden? Das ist im Einzelfall kaum zwingend zu berechnen und kaum seriös gemäß § 287 ZPO gerichtlich zu schätzen. Abgesehen davon setzt ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Urheberrechtsverletzung stets ein Verschulden (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) voraus, woran es in vielen Fällen fehlen kann.

Auf jeden Fall muss nicht zwangsläufig  beim Adressaten der Abmahnung ein Schaden "landen", denn es gibt zahlreiche Gegenargumente und zielführende Hilfe bei der Abwehr von Filesharing-Abmahnungen.