Freitag, 22. Juli 2022
NICHT NUR ZUR SOMMERZEIT
Dienstag, 12. April 2022
Emojis, Meinungsfreiheit und verletzte Gefühle
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Emojis können verschiedenste Meinungen und Gefühle mitteilen. |
Nur zur Erinnerung: Das Grundgesetz schützt – wenn auch nicht schrankenlos – das Recht, seine Meinung „in Wort, Schrift und Bild“ frei zu äußern und zu verbreiten (Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 des Grundgesetzes).
Als Bilder mit zusätzlichem
ansatzweisem Schriftcharakter stellen sich auch die sog. Emojis dar. Und im
digitalen Zeitalter der sog. „sozialen“ Medien und unzähliger Gelegenheiten,
online zu kommentieren und zu bewerten, spielen die kleinen, mal niedlichen,
ein anderes Mal hässlichen digitalen Piktogramme eine zunehmende Rolle.
Da wird gelacht und geweint, gestaunt und geblinzelt, gestrahlt und gemeckert, geküsst und gewunken, geschwitzt, gefürchtet und getrauert.
Kann man damit die Rechte anderer verletzen?
Was man allgemein mit einem klaren Ja, einem gehobenen Daumen, beantworten kann, lässt sich im jeweiligen Einzelfall keineswegs immer so einfach und so eindeutig beurteilen. Wie im analogen Leben kommt es auch in der digitalen Welt häufig auf den Kontext und den Gesamtzusammenhang bzw. die Begleitumstände an.
Dazu gehören u. a. der
vorausgegangene Kommunikationsverlauf, die typischen Kommunikationsweisen auf
der jeweils benutzten Plattform und der sog. „Empfängerhorizont“ des Adressaten und des erreichbaren Publikums
respektive der Follower.
Da werden Richterinnen und Richter bei der Klärung etwaiger Rechtsverletzungen keinen leichten Job haben, müssen sie sich doch in die Wahrnehmung eines „unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikums“ hineinversetzen.
Die Juristen haben dann zu klären, ob Persönlichkeitsrechte verletzt wurden und ob sich daraus im konkreten Fall Unterlassungs-, Löschungs- und Entschädigungsansprüche ergeben.
Dabei kommt es insbesondere auf den jeweiligen Sinngehalt an, der der streitgegenständlichen Emoji-Verwendung zu entnehmen ist.
Emojis können, das soll nicht vergessen werden, so viel:
Sie betonen, verstärken oder dramatisieren die Aussage, sie können aber auch vorausgegangene schärfere Formulierungen abmildern, Statements Dritter kommentieren, eigene Positionen klarstellen oder unterschiedliche Gefühle wie Liebe, Trauer, Angst, Wohlwollen und Hass transportieren.
Nutzen wir die vorhandene Vielfalt
an kleinen Gesichtern, Gegenständen, Symbolen und Gesten nicht als destruktive
Waffenkammer, sondern als Schatzkiste wortloser – aber nicht sprachloser –
Emotionen, als kleine kommunikative Hilfe bei empfundener Sprachlosigkeit und vielleicht
als hoffnungsvolle Brücke zu nachfolgend wiedergefundener Sprache.
Donnerstag, 27. Januar 2022
Alles KLAR im Internet? Aktuelle BGH-Urteile zur Klarnamenpflicht in sozialen Medien
Der III. Zivilsenat in Karlsruhe urteilte zu Online-Pseudonymen |
Der Bundesgerichtshof hatte am 27.01.2022 darüber zu entscheiden, ob die Anbieter sozialer Netzwerke deren Nutzung in anonymisierter bzw. pseudonymisierter Form zu ermöglichen haben. Mediennutzer und Medienanwälte waren gespannt.
Die beiden Verfahren vor dem III. Zivilsenat (Az. III ZR 3/21 und Az. III ZR 4/21) richten sich gegen Facebook. Der Portalbetreiber hatte, gestützt auf seine Nutzungsbedingungen vom 30.01.2015 und vom 19.04.2018, die in den beiden prozessualen Verfahren betroffenen Nutzerkonten wegen Nichteinhaltung der vorgegebenen Klarnamenpflicht gesperrt. Nach den streitgegenständlichen Facebook-AGB ist bei der Nutzung der Plattform der wahre Name bzw. der Name zu verwenden, der auch im täglichen Leben verwendet wird.
Hiergegen sind der im ersten Fall betroffene Nutzer und die im zweiten Fall betroffene Nutzerin gerichtlich vorgegangen. Sie stützen sich dabei auf die bis November 2021 geltende Regelung des § 13 Abs. 6 S. 1 Telemediengesetz (TMG). Dort heißt es, dass ein Diensteanbieter die Nutzung von Telemedien anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen hat, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist.
Was geschah bisher vor Gericht?
Nach
unterschiedlichen erstinstanzlichen Urteilen des Landgerichts Traunstein v.
02.05.2019 (Az. 8 O 3510/18) sowie des Landgerichts Ingolstadt v. 13.09.2019
(Az. 31 O 227/18) hatte das OLG München am 08.12.2020 (Az. 18 U 2822/19 Pre und Az. 18 U 5493/19 Pre) in beiden Fällen Facebook Recht gegeben
und eine Klarnamenpflicht auf der dortigen Plattform gestattet. Zwar sei die oben
erwähnte gesetzliche Regelung des TMG grundsätzlich anwendbar; es sei Facebook
allerdings – auch um Nutzer von einem rechtswidrigen Verhalten im Internet
abzuhalten – nicht zumutbar, die Verwendung von Pseudonymen zu ermöglichen und
damit von der Klarnamenpflicht abzusehen.
Und was sagt nun der BGH zur Klarnamenpflicht?
Der III. Zivilsenat hat die beiden Streitfälle praktisch für Altfälle entschieden, d. h. für Nutzerinnen und Nutzer, die seit langem Pseudonyme auf der Plattform verwenden.
In dem Fall des
klagenden Nutzers (Az. III ZR 3/21) hat der Bundesgerichtshof Facebook
verurteilt, es zu dulden, dass der Kläger seinen Profilnamen in ein Pseudonym
ändert; die soziale Plattform hat dem Kläger unter Verwendung des gewählten
Profilnamens Zugriff auf die Funktionen seines Nutzerkontos zu gewähren.
Die gegenteilige Vorgabe, der Kontoinhaber habe bei der Nutzung des sozialen Netzwerks den Namen zu verwenden, den er auch im täglichen Leben verwendet, sei rechtlich unwirksam, weil eine derartige Klarnamenpflicht den Nutzer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige. Eine derartige Regelung sei mit der bis zum 30.11.2021 geltenden Fassung des § 13 Abs. 6 S. 1 TMG, insbesondere mit dem darin zum Ausdruck kommenden Grundgedanken, dass ein Diensteanbieter die Nutzung der Telemedien anonym bzw. pseudonymisiert zu ermöglichen hat, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist, nicht vereinbar.
Der Kläger darf folglich das Netzwerk unter einem Pseudonym nutzen. Eine Klarnamenpflicht wird höchstrichterlich in dem Zusammenhang verneint.
Auch die Klägerin im Verfahren zum Az. III ZR 4/21 muss sich nicht auf eine Klarnamenpflicht verweisen lassen und kann von Facebook die Freischaltung ihres Nutzerkontos und den Zugriff auf dessen Funktionen beanspruchen.
Der BGH stellt in seinen Urteilen klar, dass es auf die aktuellen gesetzlichen Vorgaben der DSGVO für seine Entscheidung nicht angekommen ist, da diese datenschutzrechtlichen Regelungen zum damaligen Zeitpunkt des Facebook-Beitritts der Kläger und damit bei Einbeziehung der strittigen AGB-Klauseln noch nicht galten.
Zumindest für
langjährige Facebook-Nutzerinnen und -nutzer besteht folglich keine Klarnamenpflicht.
Dienstag, 10. August 2021
Social Media: Rechtliche Minenfelder für Influencer & Co.
Influencer sind auf rechtlich gefährlichen Feldern unterwegs.
Ohne an dieser Stelle jungen Newcomern, Influencern, Bloggern, Start-Ups und Mediensternchen jeden Mut zum kreativen Durchstarten in lukrative virtuelle Karrierehimmel nehmen zu wollen, sollen hier doch einmal wesentliche Rechtsgebiete bzw. rechtliche „Minenfelder“ aufgezeigt werden, auf denen für die angesprochenen Zielgruppen besonders häufig juristische Konflikt- und Regressrisiken auftauchen.
Da ist zum einen das Urheberrecht. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der vollständigen oder auch nur teilweisen Übernahme fremder Fotos oder Zeichnungen und dies kann durchaus auch sog. „freies“ oder „kostenloses“ Material betreffen, wenn bspw. die im Zusammenhang mit den entsprechenden Angeboten vorgegebenen Nutzungsbedingungen nicht eingehalten werden oder die grundsätzlich vorgeschriebene Urhebernennung nicht erfolgt.
Unabhängig vom Urheberrecht ist – auch bei selbst geschossenen Fotos – das Bildrecht der abgebildeten Person zu beachten, ohne deren ausdrückliche Einverständniserklärung nur in rechtlichen Ausnahmefällen eine Veröffentlichung gestattet ist.
Das vorerwähnte Bildrecht leitet sich ab aus dem Persönlichkeitsrecht bzw. dem Reputationsrecht, das nicht nur im Zusammenhang mit Abbildungen eine Rolle spielen kann, sondern auch im Zusammenhang mit textlichen Äußerungen, die wegen unwahrer oder diskreditierender Inhalte rechtsverletzend sein können.
Neben den zuvor angesprochenen Bild- und Persönlichkeitsrechten kann zudem auch das Hausrecht der betroffenen Person verletzt werden z. B. durch einverständnislose Veröffentlichung von Abbildungen, die das Grundstück oder auf dem Grundstück befindliche Gegenstände betreffen. Da hilft selbst die sog. „Panoramafreiheit“ nicht immer weiter.
Häufig verkannte Rechtsmaterien im Zusammenhang mit Kennzeichnungen und Ausgestaltungen innerhalb sozialer Medien bilden das Markenrecht, das Titelrecht und auch das Namensrecht. Mit den vorgenannten Konfliktfeldern können darüber hinaus auch unverhoffte Verstöße im Designrecht, das früher Geschmacksmusterrecht genannt wurde, korrespondieren. Da schmückt man sich schon mal gerne mit prominenten Kennzeichen oder Gestaltungen und selbst dann, wenn es sich dabei im Einzelfall nicht um eine rechtswidrige marken- oder designrechtsverletzende Darstellung handeln sollte, kann unabhängig davon dennoch manchmal das Wettbewerbsrecht dem übermotivierten Internetsternchen einen Strick drehen – etwa bei wettbewerbsrechtlich unzulässiger Rufausbeutung bzw. unlauterer Anlehnung an fremde Leistungen.
Dass Online-Veröffentlichungen zudem ggf. bestehendes Vertragsrecht verletzen können, liegt in der Natur mancher vertraglicher Regelungen.
Und dass bei allen Veröffentlichungen auch das Datenschutzrecht nicht unbeachtet bleiben darf, hat gerade in den letzten Jahren viele überfordert.
Das ist schon
eine Menge Stoff, der bei begrenzten zeitlichen und finanziellen Ressourcen
möglichst praktikabel, aber dennoch verantwortungsvoll zu beachten, zu prüfen und zu
bewältigen ist, wenn man auf diesen Felden nicht ungewollt in die Luft fliegen möchte.
Mittwoch, 24. März 2021
Private Geheimpolizei in Familien und Wohnungen
BGH-Urteil: Verdächtigungen und Verhöre nach anwaltlichen Abmahnungen
Was unbescholtene Haus- und Wohnungseigentümer in ihren Briefkästen vorfinden, löst auch und gerade in aktuellen Pandemiezeiten nicht selten Bestürzung und Entsetzen aus. Da wird in umfangreicher Anwaltspost unter Vorlage gerichtlicher Beschlüsse und unter Hinweis auf ergangene höchstrichterliche Entscheidungen verlangt, Familienangehörige, Mitbewohner und Gäste wegen vermeintlich über das Internet begangener Urheberrechtsverletzungen quasi geheimdienstlich zu bespitzeln und zu denunzieren. Andernfalls drohen die Abmahner mit erheblichen Schadensersatz- und Kostenforderungen. Gleichzeitig wird für den Fall eines unkooperativen Verhaltens die Gefahr mehrinstanzlicher gerichtlicher Verfahren mit immensen Prozesskosten angekündigt.
Ist man dann zu familiärem Verrat verpflichtet?
Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe (verkündet am 17.12.2020, Az. I ZR 228/19) hat nun auf über 30 Seiten Klarheit dazu geschaffen. Obwohl einige Abmahnanwälte dies anders darzustellen versuchen, sind die Inhaber*innen von häuslichen Internetanschlüssen nicht dazu verpflichtet, nach Erhalt einer Filesharing-Abmahnung den Abmahnern außergerichtlich etwa Familienangehörige oder Mitbewohner*innen der illegalen Teilnahme an Online-Tauschbörsen zu bezichtigen und sie ggf. so „ans Messer zu liefern“.
Greift die sekundäre Darlegungslast oder die Störerhaftung
ein?
Die in derartigen Abmahnungsschreiben häufig zu findende gegenteilige Argumentation, der schuld- und ahnungslose Abmahnungsadressat müsse innerhalb der eingeräumten Frist seinen sog. „sekundären Darlegungspflichten“ nachkommen, da er ansonsten selbst hafte, ist ebenso falsch wie ein etwaiger Versuch der Film-, Serien- oder Audio-Produzenten, mit sog. „tatsächlichen Vermutungen“ oder gar mit einer angeblich jeden Anschlussinhaber treffenden „Störerhaftung“ zu argumentieren. Dies geht spätestens seit der Änderung des Telemediengesetzes (TMG) vom 28.09.2017 ebenso fehl wie der in manchen Abmahnungen ausdrücklich oder unterschwellig enthaltene Vorwurf, man habe evtl. den häuslichen Internetanschluss nicht ausreichend abgesichert oder unzulänglich kontrolliert.
Was ist mit drohenden Abmahnungs- und Prozesskosten?
Wenn die Abmahner schließlich damit drohen, trotz fehlender Täterschaft des Anschlussinhabers sei dieser für den Fall anschließender gerichtlicher Verfahren zumindest gesetzlich verpflichtet, die wegen fehlender Auskunft erforderlich gewordenen Prozesskosten zu erststatten, wird mit der o. g. BGH-Entscheidung auch derartigen fehlerhaften Rechtsbehauptungen ein Riegel vorgeschoben. Karlsruhe verneint eindeutig entsprechende vorgerichtliche Kostenerstattungsansprüche.
Keine Panik!
Mittwoch, 3. März 2021
Kerniger Meinungskampf unter blutigem Verdacht
Eine boshafte Glosse
zu Meinungsfreiheiten,
Tatsachenkernen und Geisteshaltungen
Wer seine Meinung äußert, hat es oft nicht besonders leicht. Die Schere im oder der Maulkorb vor dem Kopf sind durchaus anzutreffende Utensilien. Da wird dann nicht selten über die Frage zulässiger Meinungsäußerung oder unzulässiger Tatsachenbehauptung gestritten.
Eins ist klar, wenn der Meier „meint“, der Müller habe den Lehmann umgebracht, und das dann auch gegenüber Dritten oder gar öffentlich auf dem analogen oder digitalen Marktplatz äußert, dann ist das keine Meinungsäußerung, sondern eine Tatsachenbehauptung. Eine derartige Tatsachenäußerung ist grundsätzlich dann, wenn sie der Wahrheit entspricht, zulässig; anderenfalls ist sie selbstverständlich grundsätzlich unzulässig. Das hat dann nämlich mit Meinungsfreiheit nichts zu tun.
Grundsätzlich im vorgenannten Sinne bedeutet, dass auch wahre Tatsachen keineswegs immer und überall aufgestellt bzw. verbreitet werden dürfen. Gerade die Wahrheit kann ja bekanntlich weh tun, also verletzen und damit auch Rechte verletzen. Berührt werden können dabei insbesondere persönliche Persönlichkeitsrechte von Personen. Das ist dann für diejenigen nicht immer witzig und nicht selten muss die Waage der Justitia die tangierten wechselseitigen schwereren oder leichteren Rechtsmeinungen abwägen.
Wenn der Müller meint, der Meier wolle mit seiner bösartigen Aussage lediglich verhindern, selbst in den Verdacht zu geraten, den Lehmann umgebracht zu haben, stellt eine derartige Aussage nach herrschender Rechtsprechung grundsätzlich eine Bewertung, eine Einschätzung und damit eine Meinungsäußerung dar. Diese Meinungskundgabe beinhaltet allerdings gleichzeitig einen sog. „Tatsachenkern“, in diesem Fall die – wenn auch nur angedeutete - Behauptung, es gäbe einen mehr oder weniger plausiblen oder gar begründeten Verdacht gegen den Meier, er habe den Lehmann mehr oder weniger kaltblütig oder blutrünstig umgebracht.
Die Verbreitung derartiger – eventuell auch blutiger - Tatsachenkerne ist grundsätzlich wiederum dann zulässig, wenn sie der Wahrheit entsprechen.
Wann entspricht ein Verdacht in diesem Sinne der nackten Wahrheit?
Ein Verdacht entspricht zweifelsohne jedenfalls dann der Wahrheit, wenn er nachweislich den Tatsachen entspricht. Tatsachen sind nämlich anerkanntermaßen dem Beweis zugänglich, Meinungen demgegenüber leider nicht.
Aber wie sieht es aus, wenn und solange der tatsächliche Sachverhalt noch verflixt und zugenäht ungeklärt ist?
Wird ein Verdacht einfach munter „ins Blaue hinein“ geäußert, ist dies selbstverständlich nicht zulässig. Gibt es ernsthafte Anhaltspunkte oder Belege, die den geäußerten Verdacht als solchen begründen, kann eine Verdachtsäußerung durchaus zulässig sein. Dies ist dann u. a. von der gewichtigen Schwere des Vorwurfs und davon abhängig, wie schwer eine entsprechende Behauptung die Person des von der Äußerung Betroffenen und deren Rechte, insbesondere deren Persönlichkeitsrechte, beeinträchtigt. Also müssen etwa für einen Verdacht, den Lehmann umgebracht zu haben, schon ganz besonders gewichtige Erkenntnisse vorliegen.
Nicht ganz unerheblich ist bei Verdachtsäußerungen zudem, wie groß das Publikum einer derartigen Äußerung ist, wie weit die entsprechende Aussage also verbreitet wird.
Bösartige Geisteshaltungen
Wie ist es denn zu beurteilen, wenn der Meier äußert, der Müller würde sich über ein zeitnahes Ableben des Lehmanns wahrscheinlich unbändig freuen? Immerhin impliziert dies doch eine angeblich „tatsächlich“ mögliche Geisteshaltung des Müllers, oder?
Ja, dem ist wohl so; andererseits werden abweichende Einstellungen des Müllers damit nicht ausgeschlossen, was juristisch wiederum den Meinungsanteil überwiegen lässt.
Sofern es zudem konkrete Anknüpfungspunkte für die behauptete Niedertracht des Müllers gibt, wird der Boshaftigkeitsvorwurf des Meiers hinsichtlich der angeblichen Freude des Müllers folglich als zulässige Meinungskundgabe zu bewerten sein, die nicht an die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Verdachtsäußerung gebunden ist.
Alles klar soweit?
Wie beurteilt sich denn der Fall, dass der Lehmann hinsichtlich der eingangs zitierten Aussage des Meiers die Einschätzung äußert, dieser wolle ihn ruinieren?
Der Begriff des Ruinierens, nicht zu verwechseln mit dem Begriff des Urinierens, ist kaum genau objektivierbar und primär durch subjektive Bewertungen und Vorstellungen geprägt und beinhaltet deshalb vornehmlich eine Meinungsäußerung. Das ist zumindest meine Meinung.
Nicht abgedeckt von zulässigen Meinungskundgaben bzw. Bewertungen sind verächtlich machende Herabwürdigungen, bei denen es nicht um eine kritische und vielleicht auch pointierte Auseinandersetzung mit der betroffenen und vielleicht auch getroffenen Person geht, sondern allein deren Ehrabschneidung, Schmähung und Verächtlichmachung bezweckt wird.
Im Spannungsfeld
zwischen Meinungen, Bewertungen, Verunglimpfungen, Verdächtigungen und
Tatsachenkernen gibt es viele rechtliche Grauzonen mit diversen Fallstricken
und Tretminen. Deshalb verdienen diejenigen, die sich dennoch mutig am
Meinungskampf beteiligen, unseren Respekt.
Wer in belastbarerer und spezifischerer Form die unterschiedliche aktuelle Rechtsprechung zum Thema Meinungsfreiheit studieren möchte, der sei exemplarisch verwiesen auf nachfolgend benannte gerichtliche Entscheidungen, in denen es in dem Kontext teilweise zudem um Fotoveröffentlichungen oder die Bereithaltung von früherer Berichterstattung im Internet durch Inhalteanbieter oder Suchmaschinen geht:
BVerfG NJW 2020,
300; BVerfG NJW 2020, 314; BVerfG NJW 2020, 1.793; BVerfG NJW 2020, 1.824;
BVerfG NJW 2020, 2.096; BVerfG NJW 2020, 2.531; BVerfG NJW 2020, 2.873; BVerfG
NJW 2020, 3.302; BVerfG BeckRS 2020, 39.777; BVerfG BeckRS 2021, 1.003; NdsStGH
MMR 2021, 96; BGH NJW 2020, 45; BH NJW 2020, 2.032; BGH NJW 2020, 3.444; BGH
NJW 2020, 3.715; BGH GRUR 2020, 664; BGH GRUR 2020, 1.344; BGH GRUR 2021, 106; BGH
AfP 2020, 149 …
Freitag, 21. August 2020
Bei Filesharing-Abmahnung primär wichtig:
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Die erfolgreiche Abwehr unberechtigter Filesharing-Abmahnungen ist kompliziert. |
DIE SEKUNDÄREN DARLEGUNGSPFLICHTEN
Viele Internetnutzer ereilen beim Erhalt von urheberrechtlichen Filesharing-Abmahnungen noch immer etliche Unsicherheiten und Irrtümer hinsichtlich der sog. „sekundären Darlegungspflichten“. Wenn der Internetanschlussinhaber eigentlich auch erst im etwaig nachfolgenden gerichtlichen Verfahren zur substantiierten Rechtsverteidigung prozessual verpflichtet ist, empfiehlt es sich in einer Vielzahl von Abmahnungsfällen doch, der Gegenseite zwecks Vermeidung anschließender Klageverfahren bereits frühzeitig überzeugende Verteidigungsargumente entgegenzuhalten.
Dazu gehört die unmissverständliche Zurückweisung unberechtigter Tatvorwürfe und wahrheitsgemäße Darlegungen zur eigenen Router- und Endgeräte-Ausstattung, zur WLAN-Verschlüsselung sowie zum eigenen Internetnutzungsverhalten.
Anzugeben ist ferner, welche Haushaltsangehörigen oder Besucher mit Rücksicht auf ihre technische Ausstattung, ihr Nutzerverhalten, ihre Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen.
Insoweit ist der Anschlussinhaber auch im Rahmen des Zumutbaren zu Befragungen und Nachforschungen verpflichtet und hat mitzuteilen, welche relevanten Kenntnisse er auf welche Weise dabei ggf. erhalten hat.
Die Anforderungen an das Erinnerungsvermögen und die darauf fußenden Darlegungen des Internetanschlussinhabers dürfen allerdings – was häufig selbst von Teilen der Rechtsprechung übersehen wird – vor dem Hintergrund des etwaigen Zeitablaufs von mehreren Wochen, mehreren Monaten und manchmal sogar mehreren Jahren nicht überspannt werden. Die prozessualen Anforderungen sind nämlich unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit sachgerecht und fair zu begrenzen.
Ein zu dieser Thematik diesseits bereits im September 2018 errungenes Urteil des Landgerichts Bielefeld hat das in überzeugender Weise bestätigt. Soweit dennoch oft überhöhte Anforderungen an detailliertere sekundäre Darlegungen zurückliegender technischer, häuslicher und familiärer Abläufe und Verhaltensweisen gestellt werden, dient dies demgegenüber primär der zusätzlichen Verunsicherung vieler Abmahnungsadressaten.
Dem ist dann ggf. unter Hinweis auf einschlägige gerichtliche Urteile entschieden entgegenzutreten.
Freitag, 28. Februar 2020
Nicht nur Vermutungen zur GEMA
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Vorsicht: In Sozialen Medien lauern zahlreiche rechtliche Fallstricke. |
Kurzer Weckruf zur Musik auf Instagram & Co.
Recht häufig geht es in der medienrechtlichen anwaltlichen Praxis aktuell um Influencer oder sonstige Internet- oder Social Media Akteure, die beabsichtigen, eigene Video-Veröffentlichungen oder sonstige Posts mit Musik zu untermalen.
Donnerstag, 22. August 2019
Filesharing-Abmahnungen: 7 aktuelle Irrtümer
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Nach dem Abmahnungsschock: Fehler vermeiden |
Mittwoch, 10. Juli 2019
EuGH-Überraschung für Online-Shops und neue Grenze für Abmahnungen
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Onlinehändler und Abmahnungsgegner freuen sich über das neue EuGH-Urteil |