Donnerstag, 29. September 2011

Mit Tinte: Nach Abmahnung und Unterlassungsurteil nun der BGH: Pelikan darf doch Druck machen mit Teddybär und Bade-Ente


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Der 1. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat  Drittanbietern von Druckpatronen nicht untersagt, Bildmotive, die der Originalhersteller für die Zuordnung seiner Patronen zu seinen Druckern verwendet, auch für seine Druckerpatronen zu verwenden.


Geklagt hatte die EPSON Deutschland GmbH, die  Drucker und hierzu passende Farbpatronen herstellt und vertreibt, auf deren Verpackung neben der Artikelnummer und der passenden Drucker-Bezeichnung jeweils Bildmotive  angebracht sind. Die Teddybären, Bade-Enten und Sonnenschirme sollen dann die Zuordnung des Patronentyps zum passenden Drucker ermöglichen. Die Bildmotive weisen die Farbe bzw. die Farben der in der konkreten Patrone enthaltenen Tinte aus. 


Die Tintenauswahl der Beklagten, Unternehmen des Pelikan-Konzerns, umfasst u. a. auch für EPSON-Drucker geeignete Patronen, wobei die Verpackungen der Beklagten ähnliche Bildmotive aufweisen. Die Klägerin hält die Übernahme der Bildmotive insbesondere wegen unzulässiger Rufausbeutung für wettbewerblich unlauter. 

Das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 18.07.2008 (Az. 38 O 185/07) hatte der auf Unterlassung, Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichteten Klage stattgegeben. Das OLG (Az. 20 U 190/08) gab der Beklagten am 09.02.2010 nur in geringem Umfang Recht, bejahte allerdings im Ergebnis eine unlautere Rufbeeinträchtigung. Zur Begründung führte das Berufungsgericht aus, die Verwendung der Bildmotive seitens der Beklagten schwäche zwangsläufig die Zuordnung der Motive zum Unternehmen der Klägerin. Dies sei deshalb unlauter, weil sie über das Maß hinausgehe, das mit vergleichender Werbung notwendigerweise verbunden sei.

Der BGH hat am 28.09.2011 die Urteile von Landgericht und Oberlandesgericht aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen (Az. I ZR 48/10). Nach den hier heranzuziehenden Bestimmungen des § 6 I Nr. 4 Fall 2 UWG  i. V. m. Art. 5 Buchstabe d der Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung sei eine vergleichende Werbung nämlich nur dann unzulässig, wenn diese Werbung das fremde Zeichen herabsetzt oder verunglimpft. Eine Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft, die das Berufungsgericht als ausreichend angesehen hat, sei mit einer Rufbeeinträchtigung nicht gleichzusetzen. 


Auf eine daneben noch zu erwägende Rufausnutzung, die grundsätzlich ebenfalls zur Unzulässigkeit einer vergleichenden Werbung führen kann, kommt es nach Auffassung des 1. Zivilsenats in Karlsruhe im Streitfall nicht an. 

Im Rahmen einer vergleichenden Werbung sei eine gewisse Rufausnutzung oft unvermeidbar. Ob der Werbende, der sich im Rahmen einer vergleichenden Werbung auf ein fremdes Produkt bezieht, auf eine schonendere Form der Bezugnahme verwiesen werden könne, sei eine Frage, die nur im Wege einer Abwägung der Interessen des Werbenden, des betroffenen Zeicheninhabers und der Verbraucher beantwortet werden könne. Da sich Besitzer von EPSON-Druckern allerdings unstreitig vor allem an den Bildmotiven orientierten, müsse es den Beklagten - auch im Interesse der Verbraucher - erlaubt bleiben, zur Kennzeichnung unterschiedlicher Drucker nicht nur auf die Bestellnummern, sondern - zumindest in abgewandelter Form - zusätzlich auf die genannten Bildmotive zu verweisen. 

Eine gewisse Rufausnutzung und Darstellungs-Anlehnung ist also im Rahmen zulässiger vergleichender Werbung nach Einschätzung des Bundesgerichtshofes vom Wettbewerber hinzunehmen.  Eine Entscheidung, die einer zu weitgehenden Monopolisierung werblicher Darstellungsformen entgegentritt.

Das Urteil wurde noch nicht veröffentlicht.


Montag, 12. September 2011

Nach einer Abmahnung im Urheberrecht, Markenrecht oder Wettbewerbsrecht: Einfach 'ne modifizierte strafbewehrte Unterlassungserklärung?

Immer häufiger erschrecken sich internet-affine Abmahnungs-Adressaten: Nach intensiver Online-Recherche in den erkenntnisreichen Tiefen des WorldWideWeb hatte man eine gut klingende sogenannte "modifizierte UE" abgegeben und so innerhalb der ohnehin von der Abmahnungskanzlei recht knapp bemessenen Frist auf die als unverschämt empfundene Abmahnung schriftlich reagiert. Erst nach weiteren Anwaltsschreiben und nach Erhalt von Gerichtspost zeigt der nun eingeschaltete eigene Rechtsanwalt diverse rechtliche und taktische Fehler auf, die sich bei rechtzeitiger und sorgfältiger Überlegung eigentlich hätten vermeiden lassen.

Trotz - oder gerade wegen - des durch die Abmahnungspost erzeugten Zeitdrucks empfielt sich u. a. insbesondere die Prüfung der folgenden Gesichtspunkte, bevor sachgerecht entschieden werden kann, ob die angeforderte strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung mit dem vorformulierten Inhalt, in welcher modifizierten Form oder überhaupt nicht abgegeben werden sollte.

Die pauschalen Formulierungs-Tipps aus dem Netz zur vermeintlich generell richtigen modifizierten strafbewehrten Unterlassungserklärung sind ohne Abstimmung mit den konkret betroffenen Sachverhalten, Hintergründen, Risiken und Interessen recht gefährlich und im Ergebnis nicht zu verantworten.


Zunächst ist nämlich in jedem Einzelfall genau zu prüfen, ob es überhaupt realistische Prozessrisiken gibt für den Fall, das von der Abgabe einer Unterlasungserklärung abgesehen wird. Immerhin kann ein Vertragsstrafenversprechen sehr teuer werden und bleibt zumindest 30 Jahre lang gültig und verbindlich.

Nicht selten ist zumindest die sofortige Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung nicht zu empfehlen, solange nicht vorher im konkreten Fall erforderliche oder zumindest sinnvolle Vorsorge- und/oder Sicherungs-Maßnahmen getroffen worden sind.

Dabei ist auch auf etwaige Risiken zu achten, für Dritte haften zu müssen - sofort oder auch nach mehreren Jahren, z.B. wenn Kinder oder Enkelkinder, Mitarbeiter oder Kollegen in zurechenbarer Weise etwaige Verstöße begehen.

Vorsicht geboten ist bei der unbeabsichtigten konkludenten Verknüpfung der Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung mit weitergehenden Anerkenntnissen - z. B. hinsichtlich Schadensersatz oder Kostenerstattung.

Andererseits muss die Erklärung den Anforderungen der aktuellen Rechtsprechung hinsichtlich einer ausreichenden Ernsthaftigkeit und Rechtsverbindlichkeit entsprechen. Sonst kann trotz gutwilliger Erklärungsabgabe dennoch der Erlasss einer einstweiligen Verfügung und/oder eines Unterlassungs-Urteils drohen.

In einigen fälschlicherweise empfohlenen Erklärungs-Entwürfen findet sich ein sogenannter "Ausschluss der Einrede des Fortsetzungszusammenhangs", obwohl ein Unterlassungsschuldner zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr und damit der gegnerischen Klagebefugnis zu dem damit verbunden Einwendungs-Verzicht gar nicht verpflichtet ist. Von einem derartigen Geschenk an den Abmahner ist folglich dringend abzuraten.

Die Vertragsstrafen-Zusage sollte auch nicht so abgefasst sein, dass der Eindruck entstehen könnte, zukünftig auch für unverschuldete Verstöße zu haften. Auch hierauf hat der Unterlassungsgläubiger nämlich keinen Anspruch.

Ungeschickte Formulierungen können in einem späteren Streitfall schaden, geschickte Formulierungs-Nuancen können bei nicht auszuschließenden nachfolgenden Auseinandersetzungen hilfreich und von Nutzen sein.

Gut zu überlegen ist in jedem Fall, welche Verstoß-Sachverhalte überhaupt relevant sind bzw. noch relevant werden können und ob im konkreten Einzelfall und vor dem Hintergrund der speziellen Risiken und Erwartungen eher eine möglichst eng am vorgeworfenen Verstoßsachverhalt orientierte oder eher eine weite Fassung des Verbotes innerhalb der Unterlassungserklärung zu empfehlen ist. Hierbei werden auch Einschätzungen zu und Erfahrungen mit dem abmahnenden Rechteinhaber und/oder dessen Rechtsanwalt von Bedeutung sein.

Und Achtung, wenn es um's Geld geht: Es besteht zum Einen die Möglichkeit, eine konkret bezifferte Vertragsstrafe einzusetzen, deren Höhe dann bei Erklärungsabgabe festzulegen ist. Zum Anderen kann man stattdessen auf den sogenannten neuen Hamburger Brauch zurückgreifen und die Höhe der Vertragsstrafe nicht festschreiben, sondern in das gerichtlich (nicht immer nur landgerichtlich!) überprüfbare Ermessen des Unterlassungsgläubigers stellen. In dem Zusammenhang vergessen viele, dennoch zumindest eine von der Rechtsprechung bei ausreichender Bemessung zugebilligte Obergrenze festzulegen.

Es sollte ferner verantwortungsvoll geklärt werden, ob im Einzelfall die Unterlassungserklärung befristet und/oder bedingt abgegeben werden darf und soll und welche etwaigen auflösenden Bedingungen sich empfehlen.

Manchmal ist es zudem sinnvoll, über vorsorgliche weitere Unterlassungserklärungen gegenüber Dritten nachzudenken sowie darüber, welche weiteren Veranlassungen und Absicherungen nach der Erklärungsabgabe vorzunehmen sind und welche weiteren Personen nachher oder besser vorher zu informieren und zu instruieren sind.

Schließlich ist es rechtlich und taktisch anzuraten, der schriftlichen strafbewehrten Unterlassungserklärung sinnvolle und hilfreiche weitere Hinweise und Argumente beizufügen, um anlässlich der erhaltenen Abmahnung möglichst zielführend zu agieren und anschließende gerichtliche Verfahren und Kosten zu vermeiden.

Einfach 'ne modifizierte Allround-Unterlassungserklärung aus dem Netz oder von guten Freunden kann folglich den oben angesprochenen individuellen Interessen und Risiken oft nicht ausreichend gerecht werden. Was ist schon einfach?

Sonntag, 4. September 2011

Die Marke als Allheilmittel oder unnötiger Blindflug in die Welt der Abmahnung


Ähnlichkeitsrecherche wichtiger als Markenanmeldung?

In den vergangenen Jahren wurden allein beim Deutschen Patent- und Markenamt jährlich jeweils fast 75.000 Markenanmeldungen vorgenommen. Ist schon schön, so eine eigene MARKE. Das denken sich auch viele (Klein-)Unternehmer und Dienstleister, die mit ihrer Außendarstellung "was hermachen" möchten. Da geht es u.a. darum, den eigenen Namen bzw. das eigene Kennzeichen zu schützen ... und manchmal auch darum, die eigenen kleinen Eitelkeiten zu bedienen und/oder zu befriedigen.

Das ist ja grundsätzlich auch nichts Schlimmes. Schlimm können allerdings die Folgen unüberlegt kurzfristiger und kurzsichtiger "Marken-Aktionen" sein.

So ist der Schritt zu rechtlich und finanziell dramatischen Kollisionen mit ggf. vorrangigen Namens-, Firmen-, Kennzeichen- oder Markenrechten Dritter oft nicht weit. Dies gilt nicht nur bei identischen Bezeichnungen und bei der Berührung von Rechten unmittelbarer Konkurrenten. Das kann auch bei lediglich ähnlicher Logo- oder Wortwahl bzw. bei der Tangierung bekannter Marken - selbst ohne Branchennähe oder sich aufdrängernde Verwechslungsgefahr - auf dem Terrain von Markenrecht und Wettbewerbsrecht gefährlich werden.

Eine nicht geringe Menge Rechtsanwälte und Patentanwälte befasst sich fast ausschließlich mit der Recherche nach mutmaßlichen Verletzungen von Markenrechten ihrer Mandanten und mit daraus erwachsenden Abmahnungen und auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz gerichteten gerichtlichen Verfahren. Da kommt schnell Kater-Stimmung auf, wenn hohe Regress- und Kosten-Forderungen im Briefkasten landen. Was ist denn da schiefgelaufen?

Nicht nur vor einer Markenregistrierung, schon bei Nutzung einer Bezeichnung oder Kennzeichnung im geschäftlichen Verkehr - etwa auch als Domain - ohne vorherige Markenanmeldung ist Umsicht und Vorsicht geboten vor rechtsverletzenden Kollisionen mit vorgehenden Rechten Dritter. Deshalb ist eine Verwendung von Wort-Kennzeichen oder grafischen Logos im Geschäftsleben ohne vorausgegangene Ähnlichkeitsrecherche kaum zu verantworten. Eine eigene Online-Suche bei Google (und anderen geeignet erscheinenden Suchmaschinen) und die eigene Durchsicht von Markenregistern, Handelsregistern und Branchen-Listen sind ein erster Schritt zu vielleicht hilfreichen Überprüfungen. Vertieftere Ergebnisse kann ggf. eine anwaltliche Ähnlichkeitsrecherche liefern. Dabei sollten neben dem jeweils konkreten Risiko-Potenzial auch etwaige konstruktive Begrenzungsmöglichkeiten und Handlungs-Alternativen abgefragt werden.

Und was ist nun mit der Markenanmeldung?

Da wird häufig vom kleinen Unternehmen(sgründer) bzw. Dienstleister die gerade durch eine Markenanmeldung stattfindende Erhöhung der Kollisions- und Konflikt-Risiken unterschätzt ... und der Sinn der schnellen Anmeldung im konkreten Fall nicht selten überschätzt.

Durch die Anmeldung werden manche Streitigkeiten im Markenrecht erst "provoziert", die ohne Anmeldung vielleicht - mangels transparenter Registrierung - gar nicht aufgekommen wären. Dies kann selbstverständlich kein Aufruf sein, Markenverletzungen ohne Markenanmeldung zu betreiben!

In einer großen Zahl von Fällen bedarf  es für einen ausreichenden Kennzeichenschutz allerdings nicht unbedingt einer Markeneintragung: Der Familienname und das Unternehmens-Kennzeichen bzw. die Firma (der Name, unter dem ein Kaufmann auftritt) genießen auch ohne Markeneintragung rechtlichen Schutz vor Verletzung und Missbrauch. Der Dienstleister wird in seinem Geschäftsumfeld oft keine zusätzliche Produkt-Kennzeichnung benötigen - zumal seine Leistungen im Wesentlichen durch seine Persönlichkeit und seine Individualität gekennzeichnet werden. Allerdings kann ein Unternehmens-Kennzeichen nicht ohne Weiteres übertragen bzw. lizensiert werden, wie dies bei der Marke der Fall ist. In vielen Fällen wird es auf eine derartige Verwertungsmöglichkeit aber nicht entscheidend ankommen. Dann kann eine kreativ und klug eingesetzte Unternehmenskennzeichnung für eine gelungene und rechtlich geschützte Außendarstellung völlig ausreichen.

Und dann ist es wichtiger, bei der Auswahl und Gestaltung der Firmierung und Domain eine sorgfältige Recherche nach konfliktträchtigen ähnlichen Kennzeichen oder Marken Dritter durchzuführen, als eine "chicke" Marke für das geschäftliche und werbliche Allheilmittel zu halten. Zumal gerade in der Gründungsphase die finanziellen Ressourcen ohnehin regelmäßig eher begrenzt sein werden.


Freitag, 19. August 2011

Enthüllung: Anwälte nehmen Geld für die Abwehr von Filesharing-Abmahnungen

Jetzt ist es doch rausgekommen: Es gibt Rechtsanwälte, die lassen sich von ihren Mandanten für die Beratung und die außergerichtliche und/oder prozessuale anwaltliche Vertretung bei der Abwehr von urheberrechtlichen Abmahnungen eine Vergütung zahlen. Ein Skandal!

Und dabei beraten, prüfen und recherchieren diese mit derartigen Dienstleistungen Geld verdienenden Anwälte lediglich u.a.
  • ob evtl. eine bloße Fake- oder Trittbrettfahrer-Abmahnung ohne realen Hintergrund vorliegt,
  • ob der vermeintliche Rechteinhaber überhaupt grundsätzlich aktivlegitimiert ist,
  • ob bereits Erkenntnisse oder Erfahrungen mit der ausgewiesenen Anwaltskanzlei bzw. dem dortigen anwaltlichen Sachbearbeiter und/oder dem dortigen Abmahner und den auf der Gegenseite bisher gehandhabten individuellen außergerichtlichen und/oder gerichtlichen Vorgehensweisen bestehen und wie diese Erkenntnisse und Erfahrungen für den Mandanten bzw. die Mandantin nutzbringend und zielführend verwendet werden können,
  • ob und wie ein evtl. in welcher Weise angreifbares Auskunftsverfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG stattgefunden hat,
  • welche in welcher Weise evtl. relevanten gerichtlichen Entscheidungen in der Abmahnung unter Bezug genommen werden und welche aktuelle Rechtsprechung dem entgegengehalten werden kann,
  • welche klärenden und/oder hilfreichen Informationen und Details evtl. der Abmahnungsadressat und/oder dritte Personen beibringen können (u.a. auch
  1. zu den Wohnverhältnissen,
  2. zur An- oder Abwesenheit während der fraglichen "Tatzeit",
  3. zur technischen und vertraglichen Konfiguration und Absicherung des Internetanschlusses,
  4. zur Belehrung und Überwachung anderer Nutzer des Internetzugangs,
  5. zu Nutzungsgewohnheiten und zur Download-/Upload-Praxis im Internet,
  6. zu etwaigen Beweismitteln und evtl. noch möglichen Beweissicherungen im Hinblick auf eine sekundäre Darlegungs- und Beweispflicht - und zu vielem mehr).
Zudem sind u.a. zu erörtern
  • die Angaben des Abmahners zu dort vermeintlich recherchierten (dynamischen) IP-Adressen, Hashwerten, Dateinamen etc.,
  • weitere Einzelheiten zur Frage einer etwaigen Störerhaftung bzw. deren Verneinung,
  • angebliche Schadens-Szenarien und -Beträge, deren etwaige Grundlagen und im konkreten Fall durchgreifende Gegenargumente,
  • angebliche Streitwerte, bezifferte Gebühren und behauptete Kostenerstattungsansprüche sowie in Betracht kommende Einwendungen dagegen.
Die im Abmahnungsschreiben vorgegebene formularmäßige strafbewehrte Unterlassungserklärung ist anwaltlich zu prüfen und mit dem Mandanten bzw. der Mandantin sorgfältig zu erörtern, auch wenn auf Seiten der Mandantschaft kein urheberrechtlicher Verstoß ersichtlich ist: Diesbezüglich darf ich auf meinen Beitrag "Die strafbewehrte Unterlassungserklärung nach der Abmahnung - Wichtige Fragen und Details" verweisen, in dem ich mich mit den 
  • 20 (!) wichtigsten Gesichtspunkten
hierzu und zu evtl. anpassungs-, streichungs- und/oder ergänzungsbedürftigen Einzelheiten einer im konkreten Fall sich verbietenden oder sach- und interessengerechten modifizierten Erklärung befasse.


Und schließlich erwartet der Abmahnungsempfänger auf der Basis der unter Beachtung knapper Fristsetzungen stattgefundenen Prüfungen, Recherchen und Erörterungen als anwaltliche Dienstleistung eine versierte 
  • Einschätzung der in seinem konkreten Fall bestehenden Risiken und Chancen und dazu, wie es nach dem etwaigen, auf der Basis der mit ihm erörterten Einzelheiten gefertigten Abwehrschreiben weitergeht.


Und dafür verlangen einige Rechtsanwälte tatsächlich Geld von ihrer Mandantschaft. 
Ich muss gestehen: Ich entfalte meine anwaltlichen Dienstleistungen ebenfalls ausnahmslos entgeltlich.

Samstag, 13. August 2011

Wir basteln uns eine Filesharing-Abmahnung - Eine böse Glosse zum Urheberrecht

Verregnete Ferientage sind die richtige Zeit, um mit geschickt gebastelten Rundschreiben ein zusätzliches Urlaubsgeld zu gewinnen. Dabei geben die Praktiken einiger besonders gewiefter Angehöriger der Abmahnungsbranche hilfreiche Anregungen für ein leicht verdientes urheberrechtliches Zubrot.

Dies gilt um so mehr, als liebevoll gestaltete Abmahnungspost gerade in der Ferienzeit lukrative Wirkungen entfalten kann: Während der Urlaubsvorbereitungen, kurz vor Urlaubsantritt oder auch unmittelbar bei Rückkehr von der Reise ist die Bereitschaft vieler, dann besonders gestresster Abmahnungsempfänger sehr groß, durch Zahlung des vermeintlich entgegenkommenden Vergleichsbetrages und Abgabe der freundlicherweise bereits vorgedruckten Unterlassungserklärung befürchtete zusätzliche Unannehmlichkeiten und Kosten zu vermeiden.

Fangen wir also gleich damit an, ein geeignetes Abmahnungselaborat zusammen zu basteln.

Die schriftliche Vollmacht eines Rechteinhabers ist dazu nicht erforderlich. Wir benötigen auch kein besonders gelungenes oder erfolgreiches (Musik- oder Film-)Werk. Ein Song von Platz 98 der "Charts" oder ein Low-Budget-Porno-Film reichen völlig aus als Grundlage lukrativer Geschäftspolitik.

Jetzt gilt es, einen gewitzten IT-Freak mit einem kleinen Anti-Piracy-Unternehmen zu finden, der sich mit möglichst geringem und billigem technischen Aufwand in Tauschbörsen einloggt und dort sicherlich schnell und massenhaft IP-Adressen ermittelt, über die wilde Surfer zumindest Fragmente der entsprechenden Audio- oder Video-Werke (mit zumindest entsprechendem Dateinamen und/oder Hashwert) down- und upgeloaded haben.

Mit den entsprechenden Daten-Listen geht´s dann zur zuständigen Urheberrechtskammer beispielsweise des Landgerichts Köln, München, Bielefeld oder Flensburg, wo in einem recht automatisierten und formularisierten Verfahren der der jeweiligen IP-Adresse zuzuordnende ISP (Internet-Service-Provider) gerichtlich verpflichtet wird, Auskunft über Name und Adresse des zum fraglichen (nicht selten wirklich fraglichen) Zeitpunkt der ermittelten IP-Adresse zuzuordnenden Anschlussinhabers zu erteilen. Die Angabe von Zeugen oder die Vorlage substantiierter Gutachten von öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen wird in diesem Verfahren nicht von uns verlangt. Im Auskunftsverfahren müssen wir auch nichts beweisen; das Gericht muss lediglich glauben, was wir erzählen.

Damit haben wir schon mal das Wichtigste für das Basteln eines Abmahnungsschreibens: die postalische Adresse.

Nun sammeln wir noch ein wenig kompliziert klingende juristische Fachterminologie, gepaart mit technischen Vokabeln und einigen Paragraphen. Das ganze ergänzen wir um ausgewählte passende und unpassende Gerichtsurteile und Urteilszitate.

Wichtig ist es bei der Abfassung unseres Bastel-Briefes, darin keinerlei Zweifel oder Unsicherheit hinsichtlich der vorausgegangenen Daten-Recherche und der Frage der wirklichen und konkreten Verantwortlichkeit des Adressaten oder der Adressatin aufkommen zu lassen. Entlastende oder auch nur differenzierende Gerichtsentscheidungen sind tunlichst zu verschweigen oder gewieft umzuinterpretieren. Den kritischen Stimmen forensisch besonder anspruchsvoll agierender Sachverständiger verleihen wir besser kein Gehör.

Die Abmahnungs-Adressaten bezeichnen wir als Störer, obwohl uns die Gelegenheit zur Abmahnung eigentlich eher nicht stört. Den Internet-Anschluss deklarieren wir zur gemeinen, in jedem Fall haftungserzeugenden Gefahrenquelle - gleichsam das Kraftfahrzeug im worlwide Web der Raubkopierer und Piraten.

Mit juristischer Prosa sollte man keineswegs sparsam umgehen. Das streckt das "Lese-Erlebnis" für den Abmahnungsempfänger bzw. die Abmahnungsempfängerin und erhöht den dortigen Stress-Faktor.

Geschmacklich können wir beliebig wählen zwischen bitteren und scharfen Androhungen auf der einen Seite und gefälligen und lieblichen Vergleichs-Formulierungen auf der anderen Seite der Geschmacks-Skala. Kein Zweifel sollte allerdings über die extreme Wertigkeit und Hochpreisigkeit des Streitstoffes aufkommen. Nur was teuer ist, ist auch gut.

Etwaigen Kritikern des Schriftstücks und des damit massenhaft verbreiteten Geschäftsmodells sollte von vornherein der Wind aus den Segeln genommen werden - mit vollmundiger "Zweifellos-Argumentation".

Die Ankündigung dramatischer Schadens- und Kosten-Szenarien darf ebenfalls nicht fehlen: Angst essen Seele auf.


Abgerundet wird das Ganze mit tränenreichen Ergüssen über das Darben der piraten-gebeutelten Rechte-Industrie.


Für zukünftig etwaig weiter sprudelnde Geldquellen empfiehlt sich die möglichst gewitzte Abfassung einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Das Formular bedarf je nach Ausgangssituation entweder einer sehr engen Abfassung des "Verstoß"-Sachverhaltes, um durch nachfolgende weitere Abmahnungen hinsichtlich ähnlicher "Verstöße" wiederholt kurzfristigst Kasse machen zu können, oder aber unangemessen weiter Fassung der "Verstoß"-Sachverhalte, um die lukrativen Möglichkeiten eventueller späterer Vertragsstrafen-Forderungen zu maximieren.

Die Vertragsstrafen sollten wir so ansetzen, dass entweder generell ein konkreter, recht hoher Betrag für jeden atomisierten Einzelfall zu zahlen ist, oder aber - ohne fixierte Bezifferung - nach oben unbegrenzte Summen zu verdienen sind.

Bei der Kostenrechnung gehen wir selbstverständlich von überhöhten Streitwerten auf der Basis veralteter Gerichtsurteile aus und lehnen jede Relevanz der etwaigen Kappungsgrenze von 100 Euro ab, auch wenn nur ein "Chart"-Song zur Grundlage unseres Abmahnungs-Werkes gemacht wird.

Schließlich fehlt nur noch die Einsetzung einer klitzekleinen Frist, um den Druck auf die Abmahnungsempfänger in der Ferienzeit und damit die Aussicht auf schnelles Geld noch mehr zu erhöhen.

Dann frisch an's Werk, eine frohe Bastelstunde und viel, viel "Urlaubsgeld".



Samstag, 23. Juli 2011

Urheberrecht: Vergütungspflicht für Drucker und PC? Vorlage des BGH zum EuGH

Am 21. Juli 2011 hat der BGH dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung mehrere Fragen zur Vergütungspflicht von Drucker und PC vorgelegt. 

Klägerin ist die VG Wort. Die Beklagten vertreiben Drucker und PCs in Deutschland. 

Die Klägerin verlangt in insgesamt vier Verfahren von den Beklagten eine Vergütung für diese Geräte.


Nach dem bis 2007 geltenden und in dem zu entscheidenden Fall noch anzuwendenden Recht hat der Urheber eines Werkes einen Vergütungsanspruch gegen Hersteller, Importeur und Händler, falls die Geräte dazu bestimmt sind, ein derartiges Werk (gem. § 54a Abs. 1 Satz 1 UrhG a.F.) "durch Ablichtung eines Werkstücks oder in einem Verfahren vergleichbarer Wirkung" zu vervielfältigen, um auf diese Weise dem Urheber einen Ausgleich dafür zu verschaffen, dass Vervielfältigungen zum eigenen Gebrauch unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne seine Zustimmung zulässig sind. 


Vor den Oberlandesgerichten Stuttgart und München hat die VG Wort zum größten Teil obsiegt. Der Bundesgerichtshof hat diese Urteile aufgehoben und die Klagen abgewiesen - ebenso wie das Oberlandesgericht Düsseldorf in zwei dort anhängigen Verfahren, in denen die VG Wort auch mit der Revision in Karlsruhe scheiterte. 

Das Bundesverfassungsgericht hat die Entscheidungen des BGH aufgehoben und die Sachen zurückverwiesen. Der I. Zivilsenat des BGH hat daraufhin alle Verfahren ausgesetzt und dem EuGH mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt - und zwar zur Auslegung der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft:


Die Bundesrichter stellen primär die Frage, 

ob es sich bei Vervielfältigungen mittels Druckern und PCs um Vervielfältigungen "mittels beliebiger fotomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung" im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie handelt. 

Dies erscheint deshalb klärungsbedürftig, weil nach § 54a Abs. 1 Satz 1 UrhG aF eine Vergütungspflicht nur für Geräte besteht, die dazu bestimmt sind, ein Werk "durch Ablichtung eines Werkstücks oder in einem Verfahren vergleichbarer Wirkung" zu vervielfältigen. 

Bei der Beantwortung dieser Frage kommt es nach Einschätzung der Karlsruher Richter darauf an, innerhalb welcher "Geräteketten" Drucker und PCs zur Vornahme von Vervielfältigungen benutzt werden (So könnten z. B. mit einer "Gerätekette" aus Scanner, PC und Drucker Vervielfältigungen wie mit einem herkömmlichen Fotokopiergerät hergestellt werden; demgegenüber sei dies bei einer lediglich aus einem PC und einem Drucker bestehenden "Gerätekette" gerade nicht der Fall: Damit könnten nur digitale Vorlagen vervielfältigt werden.).


Für den Fall, dass die Frage bejaht wird, hat der BGH dem EuGH die weitere Frage vorgelegt, 
"ob die Anforderungen der Richtlinie an einen gerechten Ausgleich für Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht (Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie) unter Berücksichtigung des Grundrechts auf Gleichbehandlung (Art. 20 der EU-Grundrechtecharta) auch dann erfüllt sein können, wenn nicht die Hersteller, Importeure und Händler der Drucker oder der PCs, sondern die Hersteller, Importeure und Händler eines anderen Geräts oder mehrerer anderer Geräte einer zur Vornahme entsprechender Vervielfältigungen geeigneten Gerätekette den gerechten Ausgleich der Rechtsinhaber zu finanzieren haben".

Nach der bisherigen Rechtsmeinung des BGH ist grundsätzlich nur das Gerät einer solchen "Gerätekette"  vergütungspflichtig gem. § 54a Abs. 1 UrhG, "das am deutlichsten dazu bestimmt ist, zusammen mit den anderen Geräten wie ein Vervielfältigungsgerät eingesetzt zu werden":

Falls die "Gerätekette" aus Scanner, PC und Drucker besteht, dann sei das "Vervielfältigungsgerät" der Scanner. 

Soweit auch Drucker und PC dem Grunde nach zu den vergütungspflichtigen "Vervielfältigungsgeräten" gehören, stellen sich  im Zusammenhang mit der Bemessung der Höhe der Vergütung nach Auffassung des BGH weitere Fragen zur Auslegung der Richtlinie. Insbesondere danach, 
"ob die Mitgliedstaaten auch dann für Einschränkungen des Vervielfältigungsrechts einen im Sinne der Richtlinie gerechten Ausgleich zugunsten der Rechtsinhaber vorsehen müssen oder dürfen, wenn die Rechtsinhaber einer Vervielfältigung ihrer Werke ausdrücklich oder konkludent zugestimmt haben".
Es ist zu beachten, dass nach der in den hier zu entscheidenden Fällen noch nicht anzuwendenden, seit 2008 geltenden gesetzlichen Regelung des § 54 Abs. 1 UrhG ein Vergütungsanspruch hinsichtlich sämtlicher Gerätetypen besteht, die zur Vornahme von bestimmten Vervielfältigungen zum eigenen Gebrauch benutzt werden. Der Vergütungsanspruch ist danach folglich nicht mehr davon abhängig, ob Geräte dazu bestimmt sind, ein Werk "durch Ablichtung eines Werkstücks oder in einem Verfahren vergleichbarer Wirkung" zu vervielfältigen. Für Alt-Fälle bleiben die EuGH-Klärungen nach dem bisher stattgefundenen langen Instanzen-Marathon spannend.

Donnerstag, 23. Juni 2011

Rote Karte für "Rechteverwertung" durch die Fußball-Bundesliga: Urheberrecht am Spielplan?

Die Deutsche Fußball Liga (DFL) berühmt sich eines Urheberrechts am Bundesliga-Spielplan. Der leitende Justitiar der DFL, Holger Blask, meint, dass "die DFL bei seiner Erstellung eine erhebliche schöpferische Leistung" erbringe. Diese bestehe "insbesondere aus der Anordnung der Begegnungen mit Blick auf verschiedenste Kriterien wie die sportliche Ausgeglichenheit, Attraktivität für die Fans sowie Sicherheitsbelange und der Auswahl der konkreten Spieltermine". 

Der Kollege Hoesmann  folgt dieser Auffassung - unter Hinweis auf § 4 UrhG, wonach Sammlungen von Daten, die aufgrund der Auswahl oder Anordnung der Elemente eine persönliche geistige Schöpfung sind, geschützt werden. "Dieses Merkmal kann durchaus bei dem Spielplan bejaht werden, stellt die Anordnung der Begegnungen doch eine schöpferische Leistung dar, bei welcher viele verschiedene Kriterien berücksichtigt werden müssen", so Hoesmann. Da kündigen sich Abmahnungen an.

Dies verlangt und verdient Widerspruch - zumindest die Gelbe, wenn nicht sogar die Rote Karte:

Wo ist die individuelle sprachliche schöpferische Leistung, auf die es bei Sprachwerken ankommt? Wie bei Bedienungsanleitungen oder Rezepten ist nicht das technische Know-how oder die “Kochkunst” entscheidend, sondern die schöpferische Beschreibungsform (nicht der dargestellte Inhalt!). Der Spielplan hat allerings sprachlich eine recht “karge” Ausprägung ;).  Da würde übrigens auch kein Seitenblick auf  § 87a UrhG helfen, wonach Datenbanken urheberrechtlichen Schutz genießen können:
"Datenbank im Sinne dieses Gesetzes ist eine Sammlung von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen, die systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise zugänglich sind und deren Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung eine nach Art oder Umfang wesentliche Investition erfordert. Eine in ihrem Inhalt nach Art oder Umfang wesentlich geänderte Datenbank gilt als neue Datenbank, sofern die Änderung eine nach Art oder Umfang wesentliche Investition erfordert."

Die "Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung" der im Bundesliga-Spielplan enthaltenen "Daten" erforderten seitens des "Herstellers" aber keine wesentlichen Investitionen.

Mit Urteil vom 09.11.2004 - C-46/02 - hat die Große Kammer des EuGH entschieden:
"Der Begriff einer mit der Beschaffung des Inhalts einer Datenbank verbundenen Investition im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie 96/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken ist dahin zu verstehen, dass er die Mittel bezeichnet, die der Ermittlung von vorhandenen Elementen und deren Zusammenstellung in dieser Datenbank gewidmet werden. Er umfasst nicht die Mittel, die eingesetzt werden, um die Elemente zu erzeugen, aus denen der Inhalt einer Datenbank besteht. Im Rahmen der Aufstellung eines Spielplans von Begegnungen zur Veranstaltung von Fußballmeisterschaften erfasst er daher nicht die Mittel, die der Festlegung der Daten, der Uhrzeiten und der Mannschaftspaarungen für die einzelnen Begegnungen dieser Meisterschaften gewidmet werden."

M.E. hätte die DFL hinsichtlich der Bundesliga-Spielpläne allenfalls über wettbewerbsrechtliche Ansätze vielleicht eine etwas größere Chance, in ausgewählten Fällen Leistungsschutz nach dem UWG hinsichtlich der Spielpläne zu erlangen. Hinzu können selbstverständlich Ansprüche aus dem Markenrecht kommen, soweit relevante Verletzungshandlungen auftreten.

Sonntag, 19. Juni 2011

BGH verhandelt über "Falschzitat" oder journalistische Interpretationsfreiheit

Eine ehemalige Tagesschau-Sprecherin und populäre Moderatorin, Journalistin und Buchautorin und der Springer-Verlag verhandeln am 21.06.2011 vor dem 6. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes (VI ZR 262/09). Der Klage der prominenten Medienfrau vorausgegangen waren Urteile des Landgerichts Köln vom 14.01.2009 (28 O 511/08) und des Oberlandesgerichts Köln vom 28.07.2009 (15 U 37/09).
 
Die Klägerin hat den Verlag  auf Unterlassung, Richtigstellung und Zahlung einer Geldentschädigung verklagt wegen einer Wortberichterstattung über eine mündliche Äußerung anlässlich ihrer Buchvorstellung.

Die Klägerin hatte auf der streitbefangenen Pressekonferenz am 6. September 2007 gegenüber den anwesenden Journalisten geäußert:
"Wir müssen den Familien Entlastung und nicht Belastung zumuten und müssen auch ´ne Gerechtigkeit schaffen zwischen kinderlosen und kinderreichen Familien. Wir müssen vor allem das Bild der Mutter in Deutschland auch wieder wertschätzen, das leider ja mit dem Nationalsozialismus und der darauf folgenden 68er-Bewegung abgeschafft wurde. Mit den 68ern wurde damals praktisch alles das - alles was wir an Werten hatten - es war ne grausame Zeit, das war ein völlig durchgeknallter Politiker, der das deutsche Volk ins Verderben geführt hat, das wissen wir alle - aber es ist eben auch das, was gut war - das sind die Werte, das sind Kinder, das sind Mütter, das sind Familien, das ist Zusammenhalt - das wurde abgeschafft. Es durfte nichts mehr stehen bleiben."
Der beklagte Verlag hatte in der Print- und der Online-Ausgabe des "Hamburger Abendblatts" vom 7. September 2007 u.a. ausgeführt:
"Das Buch „sei wieder ein ‚Plädoyer für eine neue Familienkultur, die zurückstrahlen kann auf die Gesellschaft’, heißt der Klappentext.“ Die Autorin, „die übrigens in vierter Ehe verheiratet ist, will auch schon festgestellt haben, dass die Frauen ‚im Begriff sind, aufzuwachen’, dass sie Arbeit und Kariere nicht mehr unter dem Aspekt der Selbstverwirklichung betrachten, sondern unter dem der ‚Existenzsicherung’. Und dafür haben sie ja den Mann, der ,kraftvoll’ zu ihnen steht."
Weiter heißt es dort:
"In diesem Zusammenhang machte die Autorin einen Schlenker zum Dritten Reich. Da sei vieles sehr schlecht gewesen, zum Beispiel Adolf Hitler, aber einiges eben auch sehr gut. Zum Beispiel die Wertschätzung der Mutter. Die hätten die 68er abgeschafft, und deshalb habe man nun den gesellschaftlichen Salat. Kurz danach war diese Buchvorstellung Gott sei Dank zu Ende."
Die Klägerin sieht sich als Sympathisantin des Nationalsozialismus verunglimpft und erachtet ihr Persönlichkeitsrecht als durch Falschzitate schwerwiegend verletzt. Ihre berufliche und gesellschaftliche Existenz sei zerstört und ihr sei großer seelischer Schaden zugefügt worden.

Die Klägerin hat den Verlag erstinstanzlich auf Unterlassung und auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 50.000 € verklagt.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von lediglich 10.000 € sowie zur Unterlassung der Behauptung verurteilt: 
„In diesem Zusammenhang machte die Autorin einen Schlenker zum Dritten Reich. Da sei vieles sehr schlecht gewesen, zum Beispiel Adolf Hitler, aber einiges eben auch sehr gut. Zum Beispiel die Wertschätzung der Mutter.“ 

Auf die Berufung der Klägerin, die im Berufungsrechtszug zusätzlich die Richtigstellung verlangt hat, dass sie die streitgegenständliche Äußerung so nicht getätigt habe, hat das OLG die Beklagte darüber hinaus zur begehrten Richtigstellung und zur Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von weiteren 25.000 € verurteilt. Die weitergehende Berufung und das Rechtsmittel der Beklagten hat es zurückgewiesen. 

Der beklagte Verlag begehrt mit der vom BGH zugelassenen Revision weiterhin die vollständige Klageabweisung. 

Es bleibt abzuwarten, wie der 6. Zivilsenat die strittige Berichterstattung im Spannungsfeld zwischen der Presse- und Meinungsfreiheit auf der einen Seite und dem Persönlichkeitsrecht auf der anderen Seite beurteilt. Dabei wird es auch auf die Grenzziehung zwischen Tatsachenbehauptung und -bewertung ankommen. Wie weit geht die journalistische Interpretationsfreiheit - insbesondere dann, wenn mit indirekter Rede als Zitate zu verstehende Sätze in den Mund gelegt werden, die so nicht geäußert wurden? Und das auch noch, ohne die "eingearbeitete" Interpretation als solche kenntlich zu machen. 

Es spricht m.E. vieles dafür, dass hier bedauerlicherweise nicht verantwortungsvoll genug zwischen dem Zitat (als Tatsachenbehauptung) und dessen Interpretation (als Meinung und Dafürhalten) getrennt worden ist. In einer Zitat-Wiedergabe hat die Meinung des - oder in diesem Fall - der Zitierenden (Redakteurin) nichts zu suchen. Neben dem Zitat sind selbst gewagte Interpretationen als Meinung und Kommentierung durchaus zulässig und verfassungsrechtlich gewollt.

Update 21.06.2011: Der Bundesgerichtshof hat heute der Revision Recht gegeben und die Klage abgewiesen. In der aktuellen Pressemitteilung des BGH heißt es dazu:
"Der u. a. für den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die beanstandete Berichterstattung das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin nicht beeinträchtigt. Zwar umfasst das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch das Recht am eigenen Wort und schützt den Einzelnen davor, dass ihm Äußerungen zugeschrieben werden, die er nicht getan hat und die seine Privatsphäre oder den von ihm selbst definierten sozialen Geltungsanspruch beeinträchtigen. Der grundrechtliche Schutz wirkt dabei nicht nur gegenüber Fehlzitaten, sondern auch gegenüber unrichtigen, verfälschten oder entstellten Wiedergaben einer Äußerung. Die Beklagte hat die Äußerung der Klägerin aber weder unrichtig noch verfälscht oder entstellt wiedergegeben. Die Äußerung lässt im Gesamtzusammenhang betrachtet gemessen an Wortwahl, Kontext der Gedankenführung und Stoßrichtung nur die Deutung zu, die die Beklagte ihr beigemessen hat."

Dienstag, 31. Mai 2011

OLG Köln sanktioniert einschüchternde Filesharing-Abmahnung mit negativer Kostenfolge für Abmahner

Kein Anlass zur gerichtlichen Inanspruchnahme trotz vorausgegangener Abmahnung

Mit Beschluss vom 20.05.2011 - 6 W 30/11 - hat der 6. Zivilsenat des Kölner Oberlandesgerichts einem Tonträgerhersteller nach Beschwerdeeinlegung seitens der Kollegen Richter und Süme die Kosten eines einstweiligen Verfügungsverfahrens nach vorausgegangener, unbeantwortet gebliebener Abmahnung auferlegt - wobei die Kollegin Neubauer insoweit zu Recht vor übereilten Fehlschlüssen warnt.

Vorausgegangen war eine nicht unübliche, recht rigide anwaltliche Filesharing-Abmahnung unter Beifügung einer sogenannten "weiten" strafbewehrten Unterlassungserklärung, die sämtliche geschützten Werke des abmahnenden Tonträgerherstellers umfassen sollte - und nicht nur das im vorliegenden Fall konkret betroffene Hörbuch. Der Abmahnungsadressat wurde vor möglichen rechtlichen und kostenmäßigen Nachteilen bei etwaigen Veränderungen oder Einschränkungen des Erklärungsentwurfs gewarnt. Der Abgemahnte gab daraufhin zunächst keinerlei Erklärung ab.

Kurz darauf erwirkte der Audio-Produzent eine auf das konkrete Hörbuch beschränkte einstweilige Verfügung sowie einen darauf fußenden Kostenfestsetzungsbeschluss gegen den angeblichen Filesharer. Im anschließenden Widerspruchsverfahren erklärten beide Parteien das Verfahren hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs für erledigt und stritten über die Verfahrenskosten.

Durch das Landgericht Köln wurden die Kosten des Verfahrens zunächst dem Abgemahnten auferlegt. Diese Kostenentscheidung hob das Oberlandesgericht nach Beschwerde nun auf:

  • Die Abmahnung solle dem Schuldner einen Weg weisen, den Gläubiger ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen.

  • Besondere Anforderungen werden dabei an einen gewerblich tätigen und rechtlich beratenen Gläubiger gestellt, der eine nicht geschäftlich tätige Privatperson bzw. einen Verbraucher abmahnt.

  • Der Abmahner dürfe dem Abmahnungsempfänger keine "Hinweise" erteilen, die diesen von einer Anerkennung der geltend gemachten Ansprüche abhalten können (gemeint sind hier die Warnungen vor der Abgabe einer modifizierten strafbewehrten Unterlassungserklärung).

  • Andernfalls könne aus einer nach der Abmahnung unterbliebenen Reaktion des Abgemahnten objektiv nicht auf die Erforderlichkeit einer gerichtlichen Auseinandersetzung geschlossen werden.

Der OLG-Senat erwähnt in dem Zusammenhang auch den "früher kaum vorstellbaren Umfang", in dem in den letzten Jahren "Privatpersonen wegen Urheberrechtsverletzungen in Anspruch genommen werden". Im Rahmen der Kosten-Vorschrift des § 93 ZPO sei das Verhalten einer geschäftlich unerfahrenen und rechtlich nicht beratenen Person anders auszulegen ... als die Reaktion einer Person, die gewerblich tätig ist".

Es ist eine m. E. zu begrüßende Tendenz in der Rechtsprechung erkennbar dahingehend, den Besonderheiten des Geschäftsmodells besonders einschüchternder "Filesharing-Abmahnungen" und der diesbezüglichen Schutzbedürftigkeit insbesondere rechtlicher Laien zunehmend gerechter zu werden.

Samstag, 28. Mai 2011

Urteil der Pressekammer: Landgericht Hamburg will Unterlassung - Kein STERN für BUNTE Recherche

Wie unterschiedlich doch die Betrachtungen und Gewichtungen zur gestrigen Entscheidung der hanseatischen Ersten Instanz (der 24. Zivilkammer) sein können: Dies zeigen die aktuellen Berichterstattungen bzw. Kommentierungen durch Journalisten und Medien-Anwälte (wobei der Kollege Rechtsanwalt Prof. Schweizer als Prozessvertreter auf Kläger-Seite (Burda-Verlag) naturgemäß parteiisch sein darf und muss und für Montagnachmittag eine Veröffentlichung des Urteils angekündigt hat).

Den Hintergrund des Streits bildet ein Artikel des STERN, in dem im Frühjahr 2010 darüber berichtet wurde, dass die BUNTE  - mit Hilfe der Bild-Agentur CMK - bekannte Politiker und ihr Privatleben ausspioniert. Der SPD-Politiker Franz Müntefering hatte bereits im letzten Jahr unter Berufung auf unzumutbare Spitzelmethoden Beschwerde beim Deutschen Presserat eingelegt, der das Verfahren allerdings mangels ausreichender Beweise einstellte.

Die BUNTE widersprach auch vor dem Landgericht Hamburg den Vorwürfen: Bilder von Politikern würden zwar in Auftrag gegeben, von angeblich unlauteren Recherchemethoden habe man allerdings nichts gewusst.

Die Hamburger Richter haben nun erstinstanzlich dem STERN seine kritische Berichterstattung über die Spitzelaffäre verboten - maßgeblich wohl deshalb, weil ohne Nachweis der Eindruck erweckt worden sei, die Redaktion der BUNTE habe von den Spitzel-Methoden gewusst. 

Rechtsanwalt Kompa bewertet das Unterlassungs-Urteil und das Verfahren gegen Gruner + Jahr unter Berücksichtigung des Grundrechts auf Pressefreiheit offensichtlich eher als bedauerlich und "seltsam".

Distanziert und kritisch betrachtet die FAZ die streitgegenständlichen Recherche-Methoden der vom Burda-Verlag eingesetzten Bild-Agentur CMK. Die BUNTE hat vor Gericht bestritten, von den unlauteren Spitzel-Ausspähungen gewusst zu haben. Gegenteiliges konnte vor der Pressekammer - so die Richter - nicht nachgewiesen werden.

Die Süddeutsche Zeitung setzt sich mit den Gefahren des Boulevard-Journalismus für die Privatsphäre bzw. Intimsphäre prominenter Politiker auseinander (im konkreten Fall ging es - wie erwähnt - unter Anderem um SPD-Urgestein Franz Müntefering) und betont, dass auch nach Einschätzung des Deutschen Presserats "Redaktionen, die Dritte mit Recherche-Aufgaben beauftragen, dabei grundsätzlich die Verantwortung für die Einhaltung des Pressekodex übernehmen".

Andres Lehmann, Chefredakteur des Hamburger Online-Magazins quaeng, scheint sich - wenn nicht "diebisch", dann doch mehr oder weniger (un)heimlich - über den eher papiernen Presse-Rechts-Streit zu amüsieren und überlässt dem Leser die Medien-Wahl.

Und ich werde eine vertieftere Bewertung des Streitstoffes erst dann vornehmen, wenn das vollständige Urteil der unter dem Vorsitz von Herrn Buske entscheidenden Pressekammer veröffentlicht ist.

Ich befürchte allerdings, dass die Entscheidung meinem Verständnis von Pressefreiheit nicht gerecht wird.