Samstag, 23. Juli 2011

Urheberrecht: Vergütungspflicht für Drucker und PC? Vorlage des BGH zum EuGH

Am 21. Juli 2011 hat der BGH dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung mehrere Fragen zur Vergütungspflicht von Drucker und PC vorgelegt. 

Klägerin ist die VG Wort. Die Beklagten vertreiben Drucker und PCs in Deutschland. 

Die Klägerin verlangt in insgesamt vier Verfahren von den Beklagten eine Vergütung für diese Geräte.


Nach dem bis 2007 geltenden und in dem zu entscheidenden Fall noch anzuwendenden Recht hat der Urheber eines Werkes einen Vergütungsanspruch gegen Hersteller, Importeur und Händler, falls die Geräte dazu bestimmt sind, ein derartiges Werk (gem. § 54a Abs. 1 Satz 1 UrhG a.F.) "durch Ablichtung eines Werkstücks oder in einem Verfahren vergleichbarer Wirkung" zu vervielfältigen, um auf diese Weise dem Urheber einen Ausgleich dafür zu verschaffen, dass Vervielfältigungen zum eigenen Gebrauch unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne seine Zustimmung zulässig sind. 


Vor den Oberlandesgerichten Stuttgart und München hat die VG Wort zum größten Teil obsiegt. Der Bundesgerichtshof hat diese Urteile aufgehoben und die Klagen abgewiesen - ebenso wie das Oberlandesgericht Düsseldorf in zwei dort anhängigen Verfahren, in denen die VG Wort auch mit der Revision in Karlsruhe scheiterte. 

Das Bundesverfassungsgericht hat die Entscheidungen des BGH aufgehoben und die Sachen zurückverwiesen. Der I. Zivilsenat des BGH hat daraufhin alle Verfahren ausgesetzt und dem EuGH mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt - und zwar zur Auslegung der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft:


Die Bundesrichter stellen primär die Frage, 

ob es sich bei Vervielfältigungen mittels Druckern und PCs um Vervielfältigungen "mittels beliebiger fotomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung" im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie handelt. 

Dies erscheint deshalb klärungsbedürftig, weil nach § 54a Abs. 1 Satz 1 UrhG aF eine Vergütungspflicht nur für Geräte besteht, die dazu bestimmt sind, ein Werk "durch Ablichtung eines Werkstücks oder in einem Verfahren vergleichbarer Wirkung" zu vervielfältigen. 

Bei der Beantwortung dieser Frage kommt es nach Einschätzung der Karlsruher Richter darauf an, innerhalb welcher "Geräteketten" Drucker und PCs zur Vornahme von Vervielfältigungen benutzt werden (So könnten z. B. mit einer "Gerätekette" aus Scanner, PC und Drucker Vervielfältigungen wie mit einem herkömmlichen Fotokopiergerät hergestellt werden; demgegenüber sei dies bei einer lediglich aus einem PC und einem Drucker bestehenden "Gerätekette" gerade nicht der Fall: Damit könnten nur digitale Vorlagen vervielfältigt werden.).


Für den Fall, dass die Frage bejaht wird, hat der BGH dem EuGH die weitere Frage vorgelegt, 
"ob die Anforderungen der Richtlinie an einen gerechten Ausgleich für Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht (Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie) unter Berücksichtigung des Grundrechts auf Gleichbehandlung (Art. 20 der EU-Grundrechtecharta) auch dann erfüllt sein können, wenn nicht die Hersteller, Importeure und Händler der Drucker oder der PCs, sondern die Hersteller, Importeure und Händler eines anderen Geräts oder mehrerer anderer Geräte einer zur Vornahme entsprechender Vervielfältigungen geeigneten Gerätekette den gerechten Ausgleich der Rechtsinhaber zu finanzieren haben".

Nach der bisherigen Rechtsmeinung des BGH ist grundsätzlich nur das Gerät einer solchen "Gerätekette"  vergütungspflichtig gem. § 54a Abs. 1 UrhG, "das am deutlichsten dazu bestimmt ist, zusammen mit den anderen Geräten wie ein Vervielfältigungsgerät eingesetzt zu werden":

Falls die "Gerätekette" aus Scanner, PC und Drucker besteht, dann sei das "Vervielfältigungsgerät" der Scanner. 

Soweit auch Drucker und PC dem Grunde nach zu den vergütungspflichtigen "Vervielfältigungsgeräten" gehören, stellen sich  im Zusammenhang mit der Bemessung der Höhe der Vergütung nach Auffassung des BGH weitere Fragen zur Auslegung der Richtlinie. Insbesondere danach, 
"ob die Mitgliedstaaten auch dann für Einschränkungen des Vervielfältigungsrechts einen im Sinne der Richtlinie gerechten Ausgleich zugunsten der Rechtsinhaber vorsehen müssen oder dürfen, wenn die Rechtsinhaber einer Vervielfältigung ihrer Werke ausdrücklich oder konkludent zugestimmt haben".
Es ist zu beachten, dass nach der in den hier zu entscheidenden Fällen noch nicht anzuwendenden, seit 2008 geltenden gesetzlichen Regelung des § 54 Abs. 1 UrhG ein Vergütungsanspruch hinsichtlich sämtlicher Gerätetypen besteht, die zur Vornahme von bestimmten Vervielfältigungen zum eigenen Gebrauch benutzt werden. Der Vergütungsanspruch ist danach folglich nicht mehr davon abhängig, ob Geräte dazu bestimmt sind, ein Werk "durch Ablichtung eines Werkstücks oder in einem Verfahren vergleichbarer Wirkung" zu vervielfältigen. Für Alt-Fälle bleiben die EuGH-Klärungen nach dem bisher stattgefundenen langen Instanzen-Marathon spannend.

Donnerstag, 23. Juni 2011

Rote Karte für "Rechteverwertung" durch die Fußball-Bundesliga: Urheberrecht am Spielplan?

Die Deutsche Fußball Liga (DFL) berühmt sich eines Urheberrechts am Bundesliga-Spielplan. Der leitende Justitiar der DFL, Holger Blask, meint, dass "die DFL bei seiner Erstellung eine erhebliche schöpferische Leistung" erbringe. Diese bestehe "insbesondere aus der Anordnung der Begegnungen mit Blick auf verschiedenste Kriterien wie die sportliche Ausgeglichenheit, Attraktivität für die Fans sowie Sicherheitsbelange und der Auswahl der konkreten Spieltermine". 

Der Kollege Hoesmann  folgt dieser Auffassung - unter Hinweis auf § 4 UrhG, wonach Sammlungen von Daten, die aufgrund der Auswahl oder Anordnung der Elemente eine persönliche geistige Schöpfung sind, geschützt werden. "Dieses Merkmal kann durchaus bei dem Spielplan bejaht werden, stellt die Anordnung der Begegnungen doch eine schöpferische Leistung dar, bei welcher viele verschiedene Kriterien berücksichtigt werden müssen", so Hoesmann. Da kündigen sich Abmahnungen an.

Dies verlangt und verdient Widerspruch - zumindest die Gelbe, wenn nicht sogar die Rote Karte:

Wo ist die individuelle sprachliche schöpferische Leistung, auf die es bei Sprachwerken ankommt? Wie bei Bedienungsanleitungen oder Rezepten ist nicht das technische Know-how oder die “Kochkunst” entscheidend, sondern die schöpferische Beschreibungsform (nicht der dargestellte Inhalt!). Der Spielplan hat allerings sprachlich eine recht “karge” Ausprägung ;).  Da würde übrigens auch kein Seitenblick auf  § 87a UrhG helfen, wonach Datenbanken urheberrechtlichen Schutz genießen können:
"Datenbank im Sinne dieses Gesetzes ist eine Sammlung von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen, die systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise zugänglich sind und deren Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung eine nach Art oder Umfang wesentliche Investition erfordert. Eine in ihrem Inhalt nach Art oder Umfang wesentlich geänderte Datenbank gilt als neue Datenbank, sofern die Änderung eine nach Art oder Umfang wesentliche Investition erfordert."

Die "Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung" der im Bundesliga-Spielplan enthaltenen "Daten" erforderten seitens des "Herstellers" aber keine wesentlichen Investitionen.

Mit Urteil vom 09.11.2004 - C-46/02 - hat die Große Kammer des EuGH entschieden:
"Der Begriff einer mit der Beschaffung des Inhalts einer Datenbank verbundenen Investition im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie 96/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken ist dahin zu verstehen, dass er die Mittel bezeichnet, die der Ermittlung von vorhandenen Elementen und deren Zusammenstellung in dieser Datenbank gewidmet werden. Er umfasst nicht die Mittel, die eingesetzt werden, um die Elemente zu erzeugen, aus denen der Inhalt einer Datenbank besteht. Im Rahmen der Aufstellung eines Spielplans von Begegnungen zur Veranstaltung von Fußballmeisterschaften erfasst er daher nicht die Mittel, die der Festlegung der Daten, der Uhrzeiten und der Mannschaftspaarungen für die einzelnen Begegnungen dieser Meisterschaften gewidmet werden."

M.E. hätte die DFL hinsichtlich der Bundesliga-Spielpläne allenfalls über wettbewerbsrechtliche Ansätze vielleicht eine etwas größere Chance, in ausgewählten Fällen Leistungsschutz nach dem UWG hinsichtlich der Spielpläne zu erlangen. Hinzu können selbstverständlich Ansprüche aus dem Markenrecht kommen, soweit relevante Verletzungshandlungen auftreten.

Sonntag, 19. Juni 2011

BGH verhandelt über "Falschzitat" oder journalistische Interpretationsfreiheit

Eine ehemalige Tagesschau-Sprecherin und populäre Moderatorin, Journalistin und Buchautorin und der Springer-Verlag verhandeln am 21.06.2011 vor dem 6. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes (VI ZR 262/09). Der Klage der prominenten Medienfrau vorausgegangen waren Urteile des Landgerichts Köln vom 14.01.2009 (28 O 511/08) und des Oberlandesgerichts Köln vom 28.07.2009 (15 U 37/09).
 
Die Klägerin hat den Verlag  auf Unterlassung, Richtigstellung und Zahlung einer Geldentschädigung verklagt wegen einer Wortberichterstattung über eine mündliche Äußerung anlässlich ihrer Buchvorstellung.

Die Klägerin hatte auf der streitbefangenen Pressekonferenz am 6. September 2007 gegenüber den anwesenden Journalisten geäußert:
"Wir müssen den Familien Entlastung und nicht Belastung zumuten und müssen auch ´ne Gerechtigkeit schaffen zwischen kinderlosen und kinderreichen Familien. Wir müssen vor allem das Bild der Mutter in Deutschland auch wieder wertschätzen, das leider ja mit dem Nationalsozialismus und der darauf folgenden 68er-Bewegung abgeschafft wurde. Mit den 68ern wurde damals praktisch alles das - alles was wir an Werten hatten - es war ne grausame Zeit, das war ein völlig durchgeknallter Politiker, der das deutsche Volk ins Verderben geführt hat, das wissen wir alle - aber es ist eben auch das, was gut war - das sind die Werte, das sind Kinder, das sind Mütter, das sind Familien, das ist Zusammenhalt - das wurde abgeschafft. Es durfte nichts mehr stehen bleiben."
Der beklagte Verlag hatte in der Print- und der Online-Ausgabe des "Hamburger Abendblatts" vom 7. September 2007 u.a. ausgeführt:
"Das Buch „sei wieder ein ‚Plädoyer für eine neue Familienkultur, die zurückstrahlen kann auf die Gesellschaft’, heißt der Klappentext.“ Die Autorin, „die übrigens in vierter Ehe verheiratet ist, will auch schon festgestellt haben, dass die Frauen ‚im Begriff sind, aufzuwachen’, dass sie Arbeit und Kariere nicht mehr unter dem Aspekt der Selbstverwirklichung betrachten, sondern unter dem der ‚Existenzsicherung’. Und dafür haben sie ja den Mann, der ,kraftvoll’ zu ihnen steht."
Weiter heißt es dort:
"In diesem Zusammenhang machte die Autorin einen Schlenker zum Dritten Reich. Da sei vieles sehr schlecht gewesen, zum Beispiel Adolf Hitler, aber einiges eben auch sehr gut. Zum Beispiel die Wertschätzung der Mutter. Die hätten die 68er abgeschafft, und deshalb habe man nun den gesellschaftlichen Salat. Kurz danach war diese Buchvorstellung Gott sei Dank zu Ende."
Die Klägerin sieht sich als Sympathisantin des Nationalsozialismus verunglimpft und erachtet ihr Persönlichkeitsrecht als durch Falschzitate schwerwiegend verletzt. Ihre berufliche und gesellschaftliche Existenz sei zerstört und ihr sei großer seelischer Schaden zugefügt worden.

Die Klägerin hat den Verlag erstinstanzlich auf Unterlassung und auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 50.000 € verklagt.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von lediglich 10.000 € sowie zur Unterlassung der Behauptung verurteilt: 
„In diesem Zusammenhang machte die Autorin einen Schlenker zum Dritten Reich. Da sei vieles sehr schlecht gewesen, zum Beispiel Adolf Hitler, aber einiges eben auch sehr gut. Zum Beispiel die Wertschätzung der Mutter.“ 

Auf die Berufung der Klägerin, die im Berufungsrechtszug zusätzlich die Richtigstellung verlangt hat, dass sie die streitgegenständliche Äußerung so nicht getätigt habe, hat das OLG die Beklagte darüber hinaus zur begehrten Richtigstellung und zur Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von weiteren 25.000 € verurteilt. Die weitergehende Berufung und das Rechtsmittel der Beklagten hat es zurückgewiesen. 

Der beklagte Verlag begehrt mit der vom BGH zugelassenen Revision weiterhin die vollständige Klageabweisung. 

Es bleibt abzuwarten, wie der 6. Zivilsenat die strittige Berichterstattung im Spannungsfeld zwischen der Presse- und Meinungsfreiheit auf der einen Seite und dem Persönlichkeitsrecht auf der anderen Seite beurteilt. Dabei wird es auch auf die Grenzziehung zwischen Tatsachenbehauptung und -bewertung ankommen. Wie weit geht die journalistische Interpretationsfreiheit - insbesondere dann, wenn mit indirekter Rede als Zitate zu verstehende Sätze in den Mund gelegt werden, die so nicht geäußert wurden? Und das auch noch, ohne die "eingearbeitete" Interpretation als solche kenntlich zu machen. 

Es spricht m.E. vieles dafür, dass hier bedauerlicherweise nicht verantwortungsvoll genug zwischen dem Zitat (als Tatsachenbehauptung) und dessen Interpretation (als Meinung und Dafürhalten) getrennt worden ist. In einer Zitat-Wiedergabe hat die Meinung des - oder in diesem Fall - der Zitierenden (Redakteurin) nichts zu suchen. Neben dem Zitat sind selbst gewagte Interpretationen als Meinung und Kommentierung durchaus zulässig und verfassungsrechtlich gewollt.

Update 21.06.2011: Der Bundesgerichtshof hat heute der Revision Recht gegeben und die Klage abgewiesen. In der aktuellen Pressemitteilung des BGH heißt es dazu:
"Der u. a. für den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die beanstandete Berichterstattung das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin nicht beeinträchtigt. Zwar umfasst das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch das Recht am eigenen Wort und schützt den Einzelnen davor, dass ihm Äußerungen zugeschrieben werden, die er nicht getan hat und die seine Privatsphäre oder den von ihm selbst definierten sozialen Geltungsanspruch beeinträchtigen. Der grundrechtliche Schutz wirkt dabei nicht nur gegenüber Fehlzitaten, sondern auch gegenüber unrichtigen, verfälschten oder entstellten Wiedergaben einer Äußerung. Die Beklagte hat die Äußerung der Klägerin aber weder unrichtig noch verfälscht oder entstellt wiedergegeben. Die Äußerung lässt im Gesamtzusammenhang betrachtet gemessen an Wortwahl, Kontext der Gedankenführung und Stoßrichtung nur die Deutung zu, die die Beklagte ihr beigemessen hat."

Dienstag, 31. Mai 2011

OLG Köln sanktioniert einschüchternde Filesharing-Abmahnung mit negativer Kostenfolge für Abmahner

Kein Anlass zur gerichtlichen Inanspruchnahme trotz vorausgegangener Abmahnung

Mit Beschluss vom 20.05.2011 - 6 W 30/11 - hat der 6. Zivilsenat des Kölner Oberlandesgerichts einem Tonträgerhersteller nach Beschwerdeeinlegung seitens der Kollegen Richter und Süme die Kosten eines einstweiligen Verfügungsverfahrens nach vorausgegangener, unbeantwortet gebliebener Abmahnung auferlegt - wobei die Kollegin Neubauer insoweit zu Recht vor übereilten Fehlschlüssen warnt.

Vorausgegangen war eine nicht unübliche, recht rigide anwaltliche Filesharing-Abmahnung unter Beifügung einer sogenannten "weiten" strafbewehrten Unterlassungserklärung, die sämtliche geschützten Werke des abmahnenden Tonträgerherstellers umfassen sollte - und nicht nur das im vorliegenden Fall konkret betroffene Hörbuch. Der Abmahnungsadressat wurde vor möglichen rechtlichen und kostenmäßigen Nachteilen bei etwaigen Veränderungen oder Einschränkungen des Erklärungsentwurfs gewarnt. Der Abgemahnte gab daraufhin zunächst keinerlei Erklärung ab.

Kurz darauf erwirkte der Audio-Produzent eine auf das konkrete Hörbuch beschränkte einstweilige Verfügung sowie einen darauf fußenden Kostenfestsetzungsbeschluss gegen den angeblichen Filesharer. Im anschließenden Widerspruchsverfahren erklärten beide Parteien das Verfahren hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs für erledigt und stritten über die Verfahrenskosten.

Durch das Landgericht Köln wurden die Kosten des Verfahrens zunächst dem Abgemahnten auferlegt. Diese Kostenentscheidung hob das Oberlandesgericht nach Beschwerde nun auf:

  • Die Abmahnung solle dem Schuldner einen Weg weisen, den Gläubiger ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen.

  • Besondere Anforderungen werden dabei an einen gewerblich tätigen und rechtlich beratenen Gläubiger gestellt, der eine nicht geschäftlich tätige Privatperson bzw. einen Verbraucher abmahnt.

  • Der Abmahner dürfe dem Abmahnungsempfänger keine "Hinweise" erteilen, die diesen von einer Anerkennung der geltend gemachten Ansprüche abhalten können (gemeint sind hier die Warnungen vor der Abgabe einer modifizierten strafbewehrten Unterlassungserklärung).

  • Andernfalls könne aus einer nach der Abmahnung unterbliebenen Reaktion des Abgemahnten objektiv nicht auf die Erforderlichkeit einer gerichtlichen Auseinandersetzung geschlossen werden.

Der OLG-Senat erwähnt in dem Zusammenhang auch den "früher kaum vorstellbaren Umfang", in dem in den letzten Jahren "Privatpersonen wegen Urheberrechtsverletzungen in Anspruch genommen werden". Im Rahmen der Kosten-Vorschrift des § 93 ZPO sei das Verhalten einer geschäftlich unerfahrenen und rechtlich nicht beratenen Person anders auszulegen ... als die Reaktion einer Person, die gewerblich tätig ist".

Es ist eine m. E. zu begrüßende Tendenz in der Rechtsprechung erkennbar dahingehend, den Besonderheiten des Geschäftsmodells besonders einschüchternder "Filesharing-Abmahnungen" und der diesbezüglichen Schutzbedürftigkeit insbesondere rechtlicher Laien zunehmend gerechter zu werden.

Samstag, 28. Mai 2011

Urteil der Pressekammer: Landgericht Hamburg will Unterlassung - Kein STERN für BUNTE Recherche

Wie unterschiedlich doch die Betrachtungen und Gewichtungen zur gestrigen Entscheidung der hanseatischen Ersten Instanz (der 24. Zivilkammer) sein können: Dies zeigen die aktuellen Berichterstattungen bzw. Kommentierungen durch Journalisten und Medien-Anwälte (wobei der Kollege Rechtsanwalt Prof. Schweizer als Prozessvertreter auf Kläger-Seite (Burda-Verlag) naturgemäß parteiisch sein darf und muss und für Montagnachmittag eine Veröffentlichung des Urteils angekündigt hat).

Den Hintergrund des Streits bildet ein Artikel des STERN, in dem im Frühjahr 2010 darüber berichtet wurde, dass die BUNTE  - mit Hilfe der Bild-Agentur CMK - bekannte Politiker und ihr Privatleben ausspioniert. Der SPD-Politiker Franz Müntefering hatte bereits im letzten Jahr unter Berufung auf unzumutbare Spitzelmethoden Beschwerde beim Deutschen Presserat eingelegt, der das Verfahren allerdings mangels ausreichender Beweise einstellte.

Die BUNTE widersprach auch vor dem Landgericht Hamburg den Vorwürfen: Bilder von Politikern würden zwar in Auftrag gegeben, von angeblich unlauteren Recherchemethoden habe man allerdings nichts gewusst.

Die Hamburger Richter haben nun erstinstanzlich dem STERN seine kritische Berichterstattung über die Spitzelaffäre verboten - maßgeblich wohl deshalb, weil ohne Nachweis der Eindruck erweckt worden sei, die Redaktion der BUNTE habe von den Spitzel-Methoden gewusst. 

Rechtsanwalt Kompa bewertet das Unterlassungs-Urteil und das Verfahren gegen Gruner + Jahr unter Berücksichtigung des Grundrechts auf Pressefreiheit offensichtlich eher als bedauerlich und "seltsam".

Distanziert und kritisch betrachtet die FAZ die streitgegenständlichen Recherche-Methoden der vom Burda-Verlag eingesetzten Bild-Agentur CMK. Die BUNTE hat vor Gericht bestritten, von den unlauteren Spitzel-Ausspähungen gewusst zu haben. Gegenteiliges konnte vor der Pressekammer - so die Richter - nicht nachgewiesen werden.

Die Süddeutsche Zeitung setzt sich mit den Gefahren des Boulevard-Journalismus für die Privatsphäre bzw. Intimsphäre prominenter Politiker auseinander (im konkreten Fall ging es - wie erwähnt - unter Anderem um SPD-Urgestein Franz Müntefering) und betont, dass auch nach Einschätzung des Deutschen Presserats "Redaktionen, die Dritte mit Recherche-Aufgaben beauftragen, dabei grundsätzlich die Verantwortung für die Einhaltung des Pressekodex übernehmen".

Andres Lehmann, Chefredakteur des Hamburger Online-Magazins quaeng, scheint sich - wenn nicht "diebisch", dann doch mehr oder weniger (un)heimlich - über den eher papiernen Presse-Rechts-Streit zu amüsieren und überlässt dem Leser die Medien-Wahl.

Und ich werde eine vertieftere Bewertung des Streitstoffes erst dann vornehmen, wenn das vollständige Urteil der unter dem Vorsitz von Herrn Buske entscheidenden Pressekammer veröffentlicht ist.

Ich befürchte allerdings, dass die Entscheidung meinem Verständnis von Pressefreiheit nicht gerecht wird.

Sonntag, 17. April 2011

Die Angst vor'm "TOOOR!"-Schrei: Markenrecht, Monopole, T-Shirts und Abmahnungen

Mit aktuellem Beschluss in der Beschwerdesache 29 W (pat) 85/07 hat das Bundespatentgericht die Eintragung der Wortmarke "TOOOR!" für die Waren

“Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen, Sportbekleidung, insbesondere T-Shirts, Sweatshirts, Baseballkappen, Fußballtrikots, Fußballhosen, Fußballschuhe, Schienbeinschoner, Trainingsanzüge” 

zugelassen. 


Zuvor hatte der BGH die Sache an das Bundespatentgericht zurückverwiesen, weil die vormals vom Bundespatentgericht getroffenen Feststellungen zur Frage vermeintlich fehlender Unterscheidungskraft nicht ausreichten. 

Bei aller Sympathie für einen großzügigeren Umgang mit den im Markenrecht manchmal zu destruktiv gebrauchten Prüfungsmerkmalen der Unterscheidungskraft und des Freihaltebedürfnisses

Ich sehe in Fällen dieser Art das Risiko neuer Wellen von Abmahnungen, in denen z. B. auf T-Shirts abgedruckte Sprüche (oder Tor-, Toor- oder Tooor-Schreie) zum Anlass genommen werden, strafbewehrte Unterlassungserklärungen und die Erstattung von Anwaltskosten zu beanspruchen. Diese Gefahr entsteht nicht selten, wenn gebräuchliche Aussprüche als Marke monopolisiert werden

(man denke etwa an die "Uschi", auf die sich nichts reimt,  des Mario Barth - hierzu vgl. die kritischen Anmerkungen des Kollegen Stadler)

und dann trefflich darüber gestritten werden kann, ob die Abmahnungs-Adressaten den Begriff, Spruch oder Slogan markenmäßig und damit rechtlich angreifbar verwendet haben oder nicht. Viele werden dann einen diesbezüglichen Rechtsstreit und die damit verbunden (Prozess-)Kosten scheuen und stattdessen klein beigeben, wenn sie T-Shirts mit entsprechendem Aufdruck erworben und/oder angeboten bzw. vertrieben haben. 

Gerecht werden kann man derartigen Fällen m. E. nur, soweit eine großzügige Bewertung der Unterscheidungskraft von "Spruch"-Marken korrespondiert mit der Bereitschaft der Gerichte, die Anforderungen an eine wirklich markenmäßige Benutzung eines Spruches sehr kritisch zu prüfen (vgl. zu ähnlicher Thematik das "CCCP"-Urteil des I. Zivilsenats des BGH vom 14.01.2010 - I ZR 82/08 sowie das entsprechende "DDR"-Urteil des BGH gleichen Datums - I ZR 92/08). 

In der "CCCP"-Entscheidung stellt der BGH zur T-Shirt-Abbildung von Zeichen oder Begriffen, die gerade in anderen Zusammenhängen und nicht als Produktkennzeichen bekannt sind, klar:

"Der durchschnittlich informierte situationsadäquat aufmerksame Durchschnittsverbraucher hat danach bei der Wiedergabe auf der Vorderseite von Bekleidungsstücken keine Veranlassung, der Bezeichnung statt dieser ihm bekannten Bedeutung nunmehr auch einen Herkunftshinweis zu entnehmen. Aber selbst diejenigen Teile des angesprochenen Publikums, die die Bedeutung der Buchstabenfolge "CCCP" nicht kennen, haben keine Veranlassung, in der angegriffenen Bezeichnung in Kombination mit dem Hammer-und-Sichel-Symbol mehr als ein dekoratives Element zu sehen."

Es kommt folglich wesentlich darauf an, ob das Zeichen oder der Spruch oder Ausspruch erkennbar lediglich dekorative, schmückende Bedeutung hat, oder ob der für Marken typische Zweck, die Herkunft eines Produktes zu dokumentieren, eine Rolle spielt. Dabei kann es auch auf die typische oder untypische Platzierung und Anbringung des Zeichens bzw. des Spruches auf, an oder in der Kleidung ankommen - will man markenrechtliche Abmahnungen vermeiden.

Also Vorsicht und Nachsicht beim Tor-Schrei - wenn Kleider Sprüche machen.

Samstag, 16. April 2011

"Filesharing"-Sperren und-Filter verfassungswidrig: EuGH-Generalanwalt erteilt "Abmahnung" an Verwertungsgesellschaft und Gericht

Der EuGH-Generalanwalt M. Pedro Cruz Villalón hat in seinem Schlussantrag in einem Rechtsstreit (Az. C-70/10) zwischen der belgischen Verwertungsgesellschaft SABAM und dem Internet-Provider Scarlet Extended zu den EU-rechtlichen Voraussetzungen von Filter- und Sperrsystemen gegen Filesharing Stellung bezogen:
 

Der mit einem Filter- und Sperrsystem einhergehende Eingriff in Art. 7 (Kommunikationsfreiheit), Art. 8 (Schutz personenbezogener Daten) und Art. 11 (Informationsfreiheit) der EU-Grundrechte-Charta ist nur auf der Grundlage eines zugänglichen, klaren und vorhersehbaren Gesetzes rechtlich zulässig. Die belgische Regelung erfüllt diese Kriterien nicht, sondern ist "ungewöhnlich, neu und unerwartet".


In Belgien kann bisher schon per bloßer gerichtlicher Verbotsverfügung ein umfassendes Filter- und Sperrsystem zu Lasten einer unbestimmten Vielzahl natürlicher und juristischer Personen angeordnet werden. Betroffen sind dabei ebenso Nutzer anderer Internet-Provider, soweit diese sich mit den Kunden des jeweils betroffenen Providers austauschen. Damit müssten nicht nur Daten gesperrt bzw. gefiltert werden, die von belgischen Nutzern eingestellt werden, sondern auch die Daten ausländischer User. 


Es gibt zudem nach Auffassung des Generalanwalts am EuGH kein System von Internetfiltern und -sperren, das konkret ausnahmslos spezifisch unzulässige Inhalte erfasst. Das wäre aber Voraussetzung, um im Einklang mit Art. 11 EU-Grundrechtecharta (Informationsfreiheit) zu stehen. In dem Zusammenhang wird ferner gerügt, dass die Zwangsmaßnahmen allgemein und präventiv angewandt werden - ohne konkrete vorherige Feststellung einer tatsächlichen Verletzung oder der Gefahr einer unmittelbaren Verletzung von Urheberrechten. 

Der Generalanwalt sieht auch Einschränkungen des Rechts auf Beachtung des Kommunikationsgeheimnisses sowie - mangels hinreichender Möglichkeiten der rechtlichen Anfechtung durch Betroffene - Verletzungen der Rechtsstaats-Garantie

Es wird davon ausgegangen, dass der Europäische Gerichtshof , der an den Entscheidungsvorschlag des Generalanwalts nicht gebunden ist, diesem - wie in der Mehrzahl der Fälle - folgt. Vorausgegangen war ein Vorabentscheidungsersuchen des nationalen Berufungsgerichts in Brüssel. 

Die Augen sind nun auf den belgischen Gesetzgeber gerichtet und darauf, inwieweit dieser sachgerecht, angemessen und verhältnismäßig den schutzwürdigen Belangen aller Beteiligter gerecht wird.

Mittwoch, 30. März 2011

Kein Durchmarsch für Filesharing-Abmahnung - Verdacht und Vermutung bedeuten noch keine Verurteilung

Der 6. Zivilsenat des OLG Köln hat am 24.03.2011 (Az. 6 W 42/11) einer Internetanschluss-Inhaberin nach Erhalt einer Filesharing-Abmahnung im Zusammenhang mit der Abwehr von Unterlassungsansprüchen sowie von Schadensersatz- und Kostenerstattungsansprüchen Prozesskostenhilfe bewilligt. Damit korrigierte das Oberlandesgericht eine gegenteilige Entscheidung des Landgerichts Köln vom 21.01.2011 (Az. 28 O 482/10).

Die Klägerin behauptet die Verletzung von Verwertungsrechten an einem Computerspiel und beruft sich auf vermeintliche Ergebnisse eines Antipiracy-Unternehmens, das zum fraglichen Zeitpunkt eine entsprechende Tauschbörsen-Teilnahme über eine dynamische IP-Adresse festgestellt haben will. Im Anordnungsverfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG wurde vom zuständigen Internet-Serviceprovider die Beklagte als angeblich zuzuordnende Internet-Anschlussinhaberin benannt.

Die Beklagte bestreitet die Filesharing-Teilnahme, nennt ihren zwischenzeitlich verstorbenen Ehemann als faktischen zweiten Nutzer des Internetanschlusses und bestreitet die korrekte Ermittlung bzw. Zuordnung der IP-Adresse mit Nichtwissen.

Das OLG differenziert - anders als die Klägerin und Rechteverwerterin - bereits im Zusammenhang mit der Beurteilung des Unterlassungsantrags strikt zwischen Täterhaftung und Störerhaftung und bewertet den Unterlassungsantrag mangels hinreichender Bestimmtheit als unzulässig. Dies ist materiellrechtlich und prozessual konsequent und folgerichtig.

Eine Täterschaft der Beklagten ist nach Einschätzung der Berufungsrichter nicht bewiesen. Eine etwaige Vermutung zulasten der Anschlussinhaberin sei entkräftet, soweit diese auf ihren Ehemann als weiteren Nutzer des Internetanschlusses verweist. Damit gibt es nämlich "die ernsthafte Möglichkeit eines von der Lebenserfahrung, auf die die Vermutung gegründet ist, abweichenden Geschehensablaufs".

Soweit eine ordnungsgemäße Ermittlung der IP-Adresse mit Nichtwissen (gem. § 138 Abs. 4 ZPO) bestritten wird, sei auch dies zulässig und beachtlich. Zu einer sicheren entgegenstehenden Beweisprognose sah sich der Senat nicht in der Lage - auch nicht unter Berücksichtigung des in Abmahnungen häufig überbetonten Anordnungsverfahrens nach § 101 Abs. 9 UrhG bzw. der dortigen Ergebnisse. Das OLG verkennt in dem Zusammenhang nicht, dass am Eilverfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG der oder die Abgemahnte grundsätzlich ohnehin nicht beteiligt wird.

Daneben stellt das Berufungsgericht auch etwaige Aufklärungs-, Belehrungs- und Kontrollpflichten unter faktisch den Internetanschluss im gemeinsamen Haushalt gemeinsam nutzenden Ehepartnern ernsthaft und mit überzeugender Begründung (auch unter Hinweis auf § 1357 BGB) in Frage.

Und schließlich thematisiert das Oberlandesgericht Köln die etwaige Anwendbarkeit der 100 Euro-Kappungsgrenze des § 97a Abs. 2 UrhG auch für Computerspiele.

Mit dieser Entscheidung wird der ausufernden Argumentations-Prosa vieler Filesharing-Abmahnungen - mit ihren Verweisen auf (technische) Verdachtsmomente, tatsächliche Vermutungen, gerichtliche Beschlüsse nach § 101 Abs. 9 UrhG, angebliche Verbote einfachen Bestreitens oder gar des Bestreitens mit Nichtwissen, mit dramatisierenden Hinweisen auf sekundäre Darlegungs- und Beweislasten und mit oft unzureichenden Differenzierungen zwischen Täterhaftung und Störerhaftung - ein relativierender und differenzierender Spiegel vorgehalten und eine sachgerechte Begrenzung unzulässiger Verallgemeinerungen und Verdächtigungen entgegengesetzt. Empfänger von entsprechenden Abmahnungen dürfen wieder vertrauensvoller auf eine nicht zu voreilig und nicht zu summarisch vorgehende Rechtsprechung hoffen, die neben den berechtigten Belangen vieler Urheber und Rechteverwerter auch die Schutzwürdigkeit oft unbedarfter und überforderter Anschlussinhaber (und Inhaberinnen) angemessen berücksichtigt.

Ein Lichtblick - auch nach der für Rechteinhaber und Abmahnungsadressaten z.T. unbefriedigenden und kritikwürdigen Entscheidung des BGH ("Sommer unseres Lebens") vom 12.05.2010.

Freitag, 25. Februar 2011

Fehler bei IP-Adressen-Ermittlung - OLG Köln gibt Adressaten einer Filesharing-Abmahnung Recht

Erfolgreich war eine vom Kollegen Mathias Straub eingelegte Beschwerde gegen einen Auskunftsbeschluss des Landgerichts Köln vom 16.06.2010 (203 O 203/10): Die Richter des 6. Zivilsenates des OLG Köln (Beschluss vom 10.02.2011, 6 W 5/11) hatten große Zweifel an den angeblichen Ermittlungsergebnissen des von den Abmahnern eingeschalteten Antipiracy-Unternehmens und sahen den Empfänger der Filesharing-Abmahnung durch den Beschluss nach § 101 Abs. 9 UrhG in seinen Rechten verletzt. Die Abmahnung wurde zurückgenommen.

Das Oberlandesgericht stellte in dem nun ruchbar gewordenen Fall fest, dass die dem Abmahnungsempfänger zugeordnete dynamische IP-Adresse in der der Antragsschrift beigefügten Anlage gleich dreimal mit unterschiedlichen Zeitstempeln auftauchte, die mehr als 24 Stunden auseinanderlagen. Daneben gab es auch andere Mehrfach-Nennungen jeweils identischer IP-Adressen.

Der abmahnende Erotik-Film-Produzent GMV berief sich auf  eine vermeintlich relevante Umstellung auf den sogenannten Dual-Stack-Betrieb (Parallelbetrieb vom herkömmlichen IPv4 und dem neuen IPv6) bzw. diesbezüglich angeblich bereits stattfindende Testläufe, was das OLG Köln ebenso wenig überzeugte wie nicht ausreichend subbstantiierte Eidesstattliche Versicherungen und lediglich mit empirischen Untersuchungen ausgestattete Sachverständigen-Gutachten.

Die auch von den Kollegen Rechtsanwalt Dosch und Rechtsanwalt Stadler kommentierte Entscheidung belegt ein weiteres Mal, dass die Massen-Ermittlungen der Log-Firmen nicht in jedem Fall dazu führen dürfen, die in Filesharing-Abmahnungen unter Hinweis auf die Störerhaftung so lautstark propagierte "sekundäre" Darlegungslast und Beweislast des abgemahnten Internet-Anschlussinhabers zu überfrachten bzw. zu früh einsetzen zu lassen: Wie soll der Inhaber eines häuslichen Internetanschlusses - zumal ohne Einschaltung und Bezahlung von fremdem Know-how - den immer häufiger auftauchenden technischen Nebelkerzen der Abmahnungs-Industrie begegnen, wenn von den eigentlich primär darlegungs- und beweispflichtigen Abmahnern keine im Einzelfall nachvollziehbaren konkreten Funktionsnachweise erbracht werden? Der teilweise auch richterliche Glaube an pauschale Ergebnislisten mit unsubstantiierten technischen Bewertungen dürfte langsam ins Wanken geraten.

Samstag, 19. Februar 2011

Die Kündigung der Kunst: Kunstfreiheit in der Lebenswirklichkeit eines Roman-Autors

 Über die fristlose Kündigung eines 50-jährigen kaufmännischen Angestellten und Schriftstellers, der in seinem Roman die "Hölle" des Büro-Alltags auf's Korn genommen hatte, entschied nach Mittelung der "Neue Westfälische" am 18.02.2011 erstinstanzlich die 2. Kammer des Arbeitsgerichts Herford. Dem Export-Sachbearbeiter eines westfälischen Küchen-Produzenten wurde vorgeworfen, in einigen Passagen seines Werkes würden Mitarbeiter identifizierbar diffamiert und beleidigt; es ginge teilweise auch unter die Gürtellinie.

Das Gericht stellte fest, dass seitens der Belegschaft bisher keine rechtlichen Schritte gegen das umstrittene Buch eingeleitet worden sind. Im Übrigen sei das Buch "so weit von der Wirklichkeit entfernt", dass eine Verletzung von Persönlichkeitsrechten "nicht ernsthaft" geltend gemacht werden könne. Der Kammervorsitzende verwies auf die sogenannte "Esra"-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 13.06.2007 (Az. 1 BvR 1783/05).

Darin hatte der Erste Senat grundlegende Maßstäbe der Drittwirkung von Grundrechten festgelegt - insbesondere im Spannungsfeld von Kunstfreiheit und Persönlichkeitsrechten - und zwar mit den Leitsätzen: