Montag, 18. Februar 2013

"Rasch" noch 'ne Unterlassungserklärung zur Filesharing-Abmahnung?

 

Wen stört die Störerhaftung?                         In letzter Zeit erhalten immer mehr (Alt-)Empfänger von Filesharing-Abmahnungen neue Anwaltspost - insbesondere aus Hamburg. Darin wird trotz bereits abgegebener Unterlassungserklärung "rasch" die Abgabe weiterer Erklärungen verlangt oder zumindest angeregt - mit der Andeutung ansonsten bestehender zusätzlicher Prozessrisiken. Die vorausgegangene Erklärung decke die Störerhaftung nicht ab.


Die Abfassung einer interessengerechten modifizierten strafbewehrtenUnterlassungserklärung stellt gewachsene Herausforderungen an Laien und Juristen, erst recht, wenn nachträglich vom Abmahner "Nachschlag" verlangt wird. Welche - zusätzliche - Formulierung ist verantwortbar und schadensmindernd und vermeidet unnötige Vertragsstrafen und unnötige Prozessrisiken?

Vormals von der Mehrzahl der Abmahnanwälte akzeptierte Erklärungsinhalte dahingehend, es zukünftig zu unterlassen, das geschützte oder die geschützten Werke des vermeintlichen Rechteinhabers im Internet im Rahmen sogenannter Tauschbörsen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, werden immer öfter als unzureichend gerügt, wobei einige Abmahner auch den Zusatz "oder öffentlich zugänglich machen zu lassen" nicht mehr als ausreichend akzeptieren. Häufig wird nun verlangt, verknüpft mit dem jeweiligen Vertragsstrafen-Versprechen zuzusagen, zukünftig jedes "Bereitstellen" (so der m.E. fragwürdig tenorierte, berüchtigte Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 11.01.2013) von Werk-Daten zum Abruf durch andere Filesharing-Teilnehmer oder jedes "Ermöglichen" der jeweils in Rede stehenden, angeblichen Rechtsverstöße zu unterlassen.

"Ermöglichen" ist ein sehr weiter, ein zu weiter Begriff.

Hintergrund sind die unterschiedlichen sachverhaltlichen und rechtlichen Voraussetzungen einerseits der Täterhaftung (einschließlich Teilnehmer-Haftung) und andererseits der sogenannten Störerhaftung, die ihrerseits etliche unterschiedliche und höchst umstrittene Ausprägungen hat. Dem wird eine offene und vieldeutige Vokabel wie das "Ermöglichen" nicht gerecht.

Deshalb an dieser Stelle der hoffentlich zu Kritik, Ergänzung, Verbesserung und/oder Verwerfung aufmunternde, auf den ersten Blick vielleicht etwas kryptische Vorschlag, neben selbstverständlich zahlreichen weiteren erforderlichen Überlegungen im Zusammenhang mit einer modifizierten Unterlassungserklärung derzeit (vorbehaltlich ausstehender Erkenntnisse z. B. hinsichtlich der noch nicht veröffentlichten Entscheidungsgründe zum Urteil des BGH vom 15.11.2012) folgendes Formulierungsfragment konkretisierend in die UE aufzunehmen:
"... wobei die Unterlassungsverpflichtung so zu verstehen ist, dass sie auch eine sogenannte "Störerhaftung" umfasst, ein etwaiges schuldhaftes zukünftiges Verhalten, das ein entsprechend vertragsstrafenbewehrtes öffentliches Zugänglichmachen außenstehenden, unbefugten Dritten ermöglicht, indem der Zugang zum privaten WLAN-Anschluss des/der Erklärenden pflichtwidrig nicht in zumutbarer und hinreichender Art gesichert wird und/oder indem minderjährige befugte Nutzer des privaten Internetanschlusses nicht pflichtgemäß über das Verbot einer rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen belehrt werden. ..."

Hiermit wird sowohl eine zukünftige (und für die Vergangenheit übrigens keineswegs eingeräumte) Störerhaftung wegen unzureichender Sicherung des häuslichen WLAN-Netzwerkes als auch eine unzureichende Belehrung minderjähriger Kinder erfasst, ohne die Störerhaftung etwa z.B. auf übertriebene Kontroll- und Überwachungspflichten oder vermeintliche Belehrungspflichten gegenüber erwachsenen Kindern oder Ehepartnern auszuweiten.

Auch das vorstehende Erklärungsfragment sollte in der Mehrzahl der Fälle natürlich ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht und ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage sowie für weitergehende Ansprüche und insbesondere auch unter Protest gegen irgendeine Kostentragungspflicht, dennoch allerdings mit rechtlicher Verbindlichkeit, abgegeben werden. Darüber hinaus sind immer auch die jeweiligen spezifischen Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls sorgfältig zu klären und zu berücksichtigen.

Mit der vorstehenden ergänzenden Erklärung sollte möglichst auch ausdrücklich keine Aufnahme oder Fortsetzung von Verhandlungen über vermeintliche Ansprüche oder über vermeintliche Ansprüche begründende Umstände verbunden werden, außer dies und eine damit ggf. verbundene Hemmung einer noch laufenden Verjährungsfrist sind gewollt.

Der Entwurf ermöglicht vielleicht, die von einigen Gerichten und Anwälten propagierte ausufernde Formulierung der "Ermöglichung" von Urheberrechtsverletzungen in angemessener Weise einzugrenzen und damit auch das Risiko zu weitgehender vertraglicher Bindungen im Rahmen einer vertragsstrafenbewehrten Unterlassungserklärung zu minimieren. Verlangt der Abmahner die Erfassung weitergehender Haftungsszenarien, wird er m.E. entsprechende konkrete Verstoßsachverhalte darlegen und beweisen müssen, was schwierig werden dürfte.

In jedem Fall kann der oben zitierte Entwurfsauszug nur eine vorläufige Handhabung bei Filesharing-Abmahnungen sein, da anstehende höchstrichterliche Entscheidungen noch weitere Klärungen herbeiführen können, die neue Formulierungsanpassungen sinnvoll machen. 

Donnerstag, 24. Januar 2013

"Grundrecht auf Internet" und Nutzungsausfall für eine Lebensgrundlage

Mit Update vom 21. Februar 2013

Das Urteil des BGH vom 24.01.2013 (Az. III ZR 98/12), das dem Kunden eines Telekommunikationsunternehmens grundsätzlich Schadensersatz für den mehrwöchigen Ausfall seines DSL-Anschlusses und die damit entgangenen Nutzungsmöglichkeiten zuspricht, kann in seiner Bedeutung weit über finanzielle Regress-Phantasien hinausgehen. Wenn Karlsruhe das Internet als Lebensgrundlage anerkennt, ist es vielleicht kein zu weiter Weg zum "Grundrecht auf Internet":


Der Inhaber eines DSL-Internetanschlusses verlangt mit prozessualem Erfolg Schadensersatz für die wegen einer technisch missglückten Tarifumstellung fortgefallene Möglichkeit, seinen DSL-Anschluss während eines Zeitraums von ca. zwei Monaten für die Festnetztelefonie und den Telefaxverkehr (Voice und Fax over IP, VoIP) sowie insbesondere auch für den Internetverkehr zu nutzen.

Nach ständiger BGH-Rechtsprechung bleibt Nutzungsausfall für Wirtschaftsgüter grundsätzlich solchen Fällen vorbehalten, "in denen sich die Funktionsstörung typischerweise als solche auf die materiale Grundlage der Lebenshaltung signifikant auswirkt". 

Das wird für den Ausfall eines Telefaxes ausdrücklich verneint, da ein Telefax lediglich ermöglicht, "Texte oder Abbildungen bequemer und schneller als auf dem herkömmlichen Postweg zu versenden", ohne dass sich dies im privaten Bereich signifikant auswirkt, zumal das Telefax zunehmend beispielsweise durch E-Mail verdrängt wird. Im Ergebnis hat der BGH auch für den Ausfall des Festnetztelefons einen Anspruch auf Nutzungsausfall verneint, obwohl die Nutzungsmöglichkeit des Telefons ein Wirtschaftsgut darstellt, "dessen ständige Verfügbarkeit für die Lebensgestaltung von zentraler Wichtigkeit ist". Nutzungsausfall für das Festnetztelefon wird aber verneint, weil dem Geschädigten ein gleichwertiger Ersatz z. B. per Mobiltelefon zur Verfügung steht und ihm der hierfür anfallende Mehraufwand ersetzt wird. 

Zur Bedeutung der darüber hinausgehenden Nutzungsmöglichkeiten eines Internetanschlusses heißt es in der Pressemitteilung des III. Zivilsenates des Bundesgerichtshofes:

 Demgegenüber hat der Senat dem Kläger dem Grunde nach Schadensersatz für den Fortfall der Möglichkeit zuerkannt, seinen Internetzugang für weitere Zwecke als für den Telefon- und Telefaxverkehr zu nutzen. Die Nutzbarkeit des Internets ist ein Wirtschaftsgut, dessen ständige Verfügbarkeit seit längerer Zeit auch im privaten Bereich für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise von zentraler Bedeutung ist. Das Internet stellt weltweit umfassende Informationen in Form von Text-, Bild-, Video- und Audiodateien zur Verfügung. Dabei werden thematisch nahezu alle Bereiche abgedeckt und verschiedenste qualitative Ansprüche befriedigt. So sind etwa Dateien mit leichter Unterhaltung ebenso abrufbar wie Informationen zu Alltagsfragen bis hin zu hochwissenschaftlichen Themen. Dabei ersetzt das Internet wegen der leichten Verfügbarkeit der Informationen immer mehr andere Medien, wie zum Beispiel Lexika, Zeitschriften oder Fernsehen. Darüber hinaus ermöglicht es den weltweiten Austausch zwischen seinen Nutzern, etwa über E-Mails, Foren, Blogs und soziale Netzwerke. Zudem wird es zunehmend zur Anbahnung und zum Abschluss von Verträgen, zur Abwicklung von Rechtsgeschäften und zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten genutzt. Der überwiegende Teil der Einwohner Deutschlands bedient sich täglich des Internets. Damit hat es sich zu einem die Lebensgestaltung eines Großteils der Bevölkerung entscheidend mitprägenden Medium entwickelt, dessen Ausfall sich signifikant im Alltag bemerkbar macht. (Fettdruck durch den Verfasser)
Mit dieser höchstrichterlichen Analyse und Bewertung ist in Karlsruhe das Tor geöffnet worden auch für zeitgerechte und mediengerechte Einordnungen in Richtung einer Art "Grundrecht auf Internet" - vor dem Hintergrund der gerichtlich anerkannten aktuellen Lebens- und Kommunikationswirklichkeit sowie der damit korrespondierenden schutzwürdigen Bedürfnisse und Interessen samt den verfassungsrechtlich normierten Grundrechten der Meinungs- und Informationsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG), auch der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) und der Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) sowie den Rechten auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 und 1 Abs. 1 GG) und den grundgesetzlichen Garantien und Prinzipien zu elterlicher Erziehung und schulischer Bildung (vgl. Art. 6 und 7 GG) und nicht zuletzt dem Sozialstaatsprinzip des Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG.

Das heutige BGH-Urteil kann der unumkehrbare Beginn lebensnaher höchstrichterlicher Ankunft in der Wirklichkeit "2.0"  bzw. der Realität von "Social Media" sein. Da öffnen sich weitere Argumentationsfenster gegen Netzsperren und Three- oder Six-Strikes-Modelle.

Update vom 21. Februar 2013 

Zwischenzeitlich liegt das Urteil des BGH vom 24.01.2013 im Volltext vor.
Auch darin finden u.a. "Foren, Blogs und soziale Netzwerke" signifikante und relevante Erwähnung:

Die Nutzbarkeit des Internets ist ein Wirtschaftsgut, dessen ständige Verfügbarkeit seit längerer, jedenfalls vor dem hier maßgeblichen Jahreswechsel 2008/2009 beginnender Zeit auch im privaten Bereich für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise von zentraler Bedeutung ist und bei dem sich eine Funktionsstörung als solche auf die materiale Grundlage der Lebenshaltung signifikant auswirkt. Das Internet stellt weltweit umfassende Informationen in Form von Text-, Bild-, Video- und Audiodateien zur Verfügung. Dabei werden thematisch nahezu alle Bereiche abgedeckt und verschiedenste qualitative Ansprüche befriedigt. So sind etwa Dateien mit leichter Unterhaltung ebenso abrufbar wie Informationen zu Alltagsfragen bis hin zu hochwissenschaftlichen Themen. Dabei ersetzt das Internet wegen der leichten Verfügbarkeit der Informationen immer mehr andere Medien, wie zum Beispiel Lexika, Zeitschriften oder Fernsehen. Darüber hinaus ermöglicht es den weltweiten Austausch zwischen seinen Nutzern, etwa über E-Mails, Foren, Blogs und soziale Netzwerke. Zudem wird es zunehmend zur Anbahnung und zum Abschluss von Verträgen, zur Abwicklung von Rechtsgeschäften und zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten genutzt (von der unübersehbaren Vielfalt z.B. nur: Fernabsatzkäufe, Hotel-, Bahn- und Flugbuchungen, Erteilung von Überweisungsaufträgen, Abgabe von Steuererklärungen, An- und Abmeldung der Strom-, Gas- und Wasserversorgung sowie der Müllabfuhr, Verifikation von Bescheinigungen). Nach dem unbestritten gebliebenen Sachvortrag des Klägers bedienen sich nahezu 70 % der Einwohner Deutschlands des Internets, wobei dreiviertel hiervon es sogar täglich nutzen. Damit hat sich das Internet zu einem die Lebensgestaltung eines Großteils der Bevölkerung entscheidend mitprägenden Medium entwickelt, dessen Ausfall sich signifikant im Alltag bemerkbar macht. Die Unterbrechung des Internetzugangs hat typischerweise Auswirkungen, die in ihrer Intensität mit dem Fortfall der Möglichkeit, ein Kraftfahrzeug zu nutzen, ohne weiteres vergleichbar sind.

Freitag, 18. Januar 2013

Nach Filesharing-Abmahnung folgt Vertragsstrafen-Horror


 Die zweite Welle kommt

Aktuelle Korrespondenz- und Klage-Fälle - u.a. auch vor dem Landgericht Bielefeld - überraschen immer häufiger die vormaligen Empfänger von Filesharing-Abmahnungen. Einige Monate, nicht selten Jahre nach Unterzeichnung einer anwaltlich vorgegebenen Unterlassungserklärung werden sie nun mit z. T. extrem hohen Vertragsstrafen konfrontiert. Dann rächen sich voreilig unterschriebene Formulare und der Glaube, bei schneller Abgabe der vom Abmahnungsanwalt vorgegebenen "Unterlassungserklärung" nicht weiter behelligt zu werden. Das ist nämlich ein böser Irrtum und führt zu neuem Ungemach.

Nicht selten enthalten die den urheberrechtlichen Abmahnungen beigefügten Formulare nämlich rechtsverbindliche Erklärungen, deren Abgabe so weder gewollt, noch erforderlich oder sinnvoll ist. 

Nachteilige Formulare

So sind manche Unterlassungserklärungen zu weit gefasst
  • hinsichtlich der sie umfassenden Werke,
  • hinsichtlich der einbezogenen Verletzungshandlungen bzw. Verstoßsachverhalte,
  • hinsichtlich der Vertragsstrafenhöhen
  • oder auch hinsichtlich über etwaige Vertragsstrafen hinausgehender Erstattungs- bzw. Schadensersatz-Szenarien.
Ferner erzeugen die anwaltlichen Erklärungsvorgaben manchmal unbeabsichtigte, für etwaig nachfolgende gerichtliche Verfahren nachteilige Anerkenntnis-, Beweis- oder Indiz-Wirkungen, die bei sachgerechtem Vorgehen hätten vermieden werden können.

Lücken-Büßer

Selbstverständlich enthalten die einer Filesharing-Abmahnung beigefügten Erklärungsformulare regelmäßig nicht die im jeweiligen Einzelfall für den Internetanschlussinhaber interessengerechten und empfehlenswerten Zusätze, die die rechtliche Position des Erklärenden in einem etwaig folgenden Vertragstrafen-Prozess stärken können. Zu derartigen "Lücken", die man hinterher büßen muss, gehören beispielsweise fehlende optimierende
  • Ausschluss-Klauseln,
  • Betrags-Reduzierungen bzw. -Begrenzungen,
  • Verstoßeingrenzungen,
  • Ermessenseingrenzungen,
  • Haftungseingrenzungen,
  • (auflösende) Bedingungen.

Das Verhalten "danach"

Neben den vorgenannten Gesichtspunkten, die die Erklärungsabgabe selbst betreffen, ist vor dem Hintergrund der zunehmenden Vertragsstrafen-Streitigkeiten auch dringend eine gesteigerte Achtsamkeit nach der Erklärungsabgabe zu empfehlen. Dies gilt besonders für verantwortungsvolle Verhaltens- und Organisationsmaßnahmen
  • hinsichtlich der eigenen Nutzung des Internets,
  • hinsichtlich der Nutzung des eigenen Internetanschlusses durch Dritte,
  • hinsichtlich deren Belehrung und ggf. gesteigerter Überwachung,
  • hinsichtlich der optimierten Absicherung des häuslichen Internetanschlusses,
  • und auch hinsichtlich einer beweissichernden Dokumentierung derartiger Konsequenzen.

Sowohl die etwaige Abfassung und Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung als auch das Verhalten nach Abgabe einer entsprechenden Unterlassungserklärung dürfen in keinem Fall "auf die leichte Schulter" genommen werden.

Die sich in jüngerer Zeit - außergerichtlich und per Klage - häufenden Vertragsstrafen-Forderungen  lassen aus meiner Sicht befürchten, dass insoweit in der nächsten Zeit mit einer wachsenden zweiten "Welle" von Filesharing-Post zu rechnen ist, von der Zahl der Betroffenen geringer als bei der klassischen Abmahnungswelle, hinsichtlich der geltend gemachten Geldbeträge allerdings deutlich höher.

Samstag, 22. Dezember 2012

Skandal: Abmahnung der Weihnachtsgeschichte

Engel, Hirten und Piraten
Urheberrecht zum Fest
"Es begab sich aber zu der Zeit, dass rasch ein Gebot von dem Kaiser Sonyus ausging, dass alle Netzwelt abgemahnt würde. Und diese Abmahnung war weiß Gott nicht die Allererste und geschah zur Zeit, da ein Frommer Warner und Quälgeistius Lizenz-Halter in Universal war. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeder mit seinem Router.

Da machte sich auf auch Josef von seiner dynamischen IP-Adresse, aus der Auskunftsliste aus der Stadt Colonia, in das bayerische Land zur Stadt Waldorfs, die da heißt Betteldenn, während er gar nicht aus der Tauschbörse und dem Geschlechte Filesharings war, damit er sich löschen ließe mit Maria, seinem vertrauten Motherboard; das ging mit einem W-LAN schwanger.

Und als sie dort waren, kam die Zeit, dass sie downloaden sollte. Und sie erwarb ihren ersten Song und wickelte ihn in Dateien und legte ihn in einen Ordner; denn sie hatten sonst keinen Speicher in der Hardware.

Und es waren Piraten in demselbem Forum auf dem Hotspot bei den Netzsperren, die hüteten des Nachts ihre Software. Und der Pressesprecher des Herrn Richter trat zu ihnen und das Unterlassungsurteil des Herrn Richter leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Sprecher sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Netz-Freiheit, die allem Web widerfahren wird; denn euch ist heute der Highlander geboren, welcher ist Piratus, der Herr oder die Frau, in der Stadt Karlsruhe. Und das habt zum primären und sekundären Beweis: ihr werdet nicht finden den Titel in Hashwerte gewickelt und in einer Crawling-Krippe liegen.

Und alsbald war da bei dem Pressesprecher die Menge der bloggenden Medienscharen, die lobten den göttlichen Gerichtshof und sprachen: Ehre sei Karlsruhe in der Höhe und Friede auf Erden bei den Urhebern seiner Lizenz und den Störern seines Wohlgefallens."

 - Mit freundlicher Genehmigung von Lukas und den besten Wünschen für friedvolle Weihnachten und einen abmahnungsfreien Jahreswechsel -

Dienstag, 11. Dezember 2012

Pressefreiheit zum Advent: Abmahnung des BGH nach Hamburg

Der BGH hat mit zwei Urteilen vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10 und VI ZR 315/12 - wieder sehr bedenkliche Urteile des LG Hamburg und des Hanseatischen OLG Hamburg
(LG Hamburg: Urteil vom 15. August 2008 - 324 O 774/04
Hanseatisches OLG Hamburg: Urteil vom 12. Oktober 2010 - 7 U 89/08
und
LG Hamburg: Urteil vom 30. Mai 2008 - 324 O 18/05
Hanseatisches OLG Hamburg: Urteil vom 12. Oktober 2010 - 7 U 67/08)
mit  unmissverständlicher Kritik aufgehoben und damit ein weiteres Mal ein deutliches Zeichen für mehr Respekt vor der Pressefreiheit gesetzt.


Der klagende, seinerzeitige Professor an der Universität Leipzig, ehemaliger Fraktionsvorsitzender der PDS im Sächsischen Landtag und Spitzenkandidat der PDS für die Landtagswahl am 19. September 2004 nimmt die Beklagten - nämlich die Verleger von "Sächsische Zeitung", "Dresdner Morgenpost", "Bild" und "Die Welt" - wegen redaktioneller Berichterstattung über angebliche Tätigkeiten als IM (Inoffizieller Mitarbeiter für das Ministerium für Staatssicherheit der DDR) auf Unterlassung in Anspruch.

Die Beklagten berichteten im August 2004 in mehreren Artikeln über einen Verdacht: Der Kläger habe als langjähriger IM "Christoph" mit dem Ministerium für Staatssicherheit zusammengearbeitet und dabei insbesondere seine damalige Freundin und jetzige Frau bespitzelt. 

Der Kläger sieht sich durch die Veröffentlichungen in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Er behauptet, er habe keine Kenntnis davon gehabt, dass das Ministerium für Staatssicherheit ihn als "IM Christoph" geführt habe. Er sei ohne sein Wissen "abgeschöpft" worden. Die Beklagten stützten ihre Verdachtsberichterstattung u.a. auf eine entsprechende Stellungnahme des Pressesprechers der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR.

Die Pressekammer des Landgerichts Hamburg hat den Klagen überwiegend stattgegeben. Die Berufungen der Beklagten blieben noch erfolglos. Auf die Revisionen der Beklagten hat der Bundesgerichtshof die Urteile des OLG Hamburg aufgehoben und die Sachen zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. 

In seiner heutigen Pressemitteilung lässt es der VI. Zivilsenat des BGH an abmahnender Deutlichkeit und harscher Kritik gegenüber den Hamburger Entscheidungen nicht fehlen:

"Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen tragen nicht die Annahme, dass das von den Beklagten verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit hinter dem Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit zurückzutreten habe. Die Würdigung des Berufungsgerichts, die Beklagten hätten nicht bewiesen, dass der Kläger wissentlich und willentlich mit dem Staatssicherheitsdienst zusammengearbeitet habe, ist unvollständig und verstößt gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze. Die von ihm vorgenommene Deutung der in den Akten des MfS verwendeten Begriffe ist weit hergeholt und mit dem natürlichen Sprachempfinden kaum in Einklang zu bringen. Darüber hinaus hat das Berufungsgericht die Anforderungen an die richterliche Überzeugung überspannt. Das Berufungsgericht hat auch zu Unrecht die Voraussetzungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung verneint. Es hat insbesondere nicht berücksichtigt, dass die Beklagten der Stellungnahme des Pressesprechers der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR, den gefundenen Unterlagen sei zweifelsfrei zu entnehmen, dass der Kläger als IM Christoph für den Staatssicherheitsdienst tätig gewesen sei, ein gesteigertes Vertrauen entgegenbringen durften. Bei dem Bundesbeauftragten handelt es sich um eine Bundesoberbehörde, der durch Gesetz die Aufgabe zugewiesen ist, die Stasi-Unterlagen auszuwerten und zu archivieren." (Fettdruck durch den Verfasser)

Da ist eine presserechtliche Klatsche aus Karlsruhe bei den Hamburger Spruchkörpern angekommen; Advent heißt ja auch "Ankunft".

Den schriftlichen Entscheidungsgründen darf mit Spannung und Interesse entgegengesehen werden.

Donnerstag, 15. November 2012

Filesharing-Abmahnung verliert nach BGH-Urteil an Boden und Grund

Mit dem heutigen Urteil des Bundesgerichtshofs (Az. I ZR 74/12 - "Morpheus" ) haben die Musik-Konzerne und die Abmahn-Industrie nicht nur einen Prozess verloren, sondern auch die Grundlage für unzählige Filesharing-Abmahnungen.

Der Pressemitteilung des BGH vom 15.11.2012 sind unter Berücksichtigung des mit der höchstrichterlichen Entscheidung aufgehoben Urteils des OLG Köln vom 23.03.2012 (Az. 6 U 67/11) sowie des erstinstanzlichen Urteils der vielkritisierten 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 30.03.2011 (Az. 28 O 716/10) aus meiner Sicht insbesondere die folgenden berechtigten Bewertungen bzw. Erwartungen zu entnehmen:

  1. Es gibt keine grundsätzliche oder grundsätzlich vermutbare deliktische Schadenshaftung der Eltern für illegale Filesharing-Aktivitäten ihrer minderjährigen Kinder.
  2. Erst recht gibt es keine grundsätzliche oder grundsätzlich vermutbare deliktische Schadenshaftung der Eltern für illegale Filesharing-Aktivitäten ihrer volljährigen Kinder.
  3. Es gibt auch keine grundsätzliche oder grundsätzlich vermutbare Störerhaftung der Eltern für illegale Filesharing-Aktivitäten ihrer Kinder und damit auch keine grundsätzliche Berechtigung zur Abmahnung der Eltern sowie insbesondere keine grundsätzlich daraus etwa ableitbare Verpflichtung der Eltern zur Erstattung anwaltlicher Abmahnungskosten.
  4. Eltern sind bei häuslichem Internetanschluss lediglich verpflichtet, minderjährige Kinder über das Verbot einer rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen zu belehren. Dies reicht zumindest dann aus, wenn das Kind (im Streitfall 13 Jahre alt) normal entwickelt ist und grundlegende Gebote und Verbote der Eltern regelmäßig befolgt.
  5.  Eine grundsätzliche Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internetanschlusses durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren - z. B. durch Portsperren oder Kindersicherungen, besteht nicht. Eine Verpflichtung der Eltern zu derartigen Maßnahmen besteht allenfalls dann, wenn die Eltern konkrete Anhaltspunkte für eine rechtsverletzende Nutzung des Internetanschlusses durch das Kind haben.
Das entzieht zu Recht etlichen an die Inhaber familiärer Internetanschlüsse gerichteten Filesharing-Abmahnungen die deliktsrechtliche und urheberrechtliche Grundlage.

  • Update:  "Früher hätten die Eltern dafür auch schon mal Ohrfeigen verteilt." Interessanter Terminsbericht zur Verhandlung vor dem 1. Zivisenat des BGH von Rechtsanwalt Solmecke

Freitag, 2. November 2012

Filesharing-Abmahnung ohne Strom? Urlaub für Täter- und Störerhaftung?

Es wird nicht leichter für Filesharing-Abmahnungen - selbst auf Kölner Terrain: Auf ein neues Urteil der 28. Zivilkammer des Langerichts Köln vom 24.10.2012 ( Az. 28 O 391/11) weisen die Rechtsanwälte Wagner Halbe hin.

Nach der insoweit richtungsweisenden Entscheidung des OLG Köln vom 16.05.2012 (Az. 6 U 239/11) und dem die dortigen Vorgaben aufgreifenden Urteil der 33. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 11.09.2012 (Az. 33 = 353/11) hat nun auch die zuvor recht großzügig mit P2P-Abmahnungen umgehende 28. Zivilkammer des Kölner Landgerichts sich kritischer als sonst mit Filesharing-Vorwürfen von Warner, Universal, EMI und Sony Music auseinandergesetzt. Dennoch gibt das aktuelle Urteil keinen Anlass zu Über-Interpretationen, wenn auch neben den immer klarer gezogenen Grenzen einer Täter- und Störerhaftung zunehmende Zweifel an den Recherche-Methoden auftauchen.

Zum zugrundeliegenden Sachverhalt führt das Landgericht u. a. aus:
...
Die Klägerinnen haben ... die Firma pro Media GmbH mit der Ermittlung solcher Urheberrechtsverletzungen beauftragt. Diese ermittelte, dass am 19.06.2007 um 15:04:56 Uhr über einen Internetanschluss, dem zu diesem Zeitpunkt die IP-Adresse „XXX.XX.XXX.XX“ zugewiesen war, mittels einer Tauschbörsensoftware insgesamt 2.200 Audiodateien zum Download verfügbar gemacht wurden.
...
Die Klägerinnen stellten daraufhin am 20.06.2007 Strafanzeige. Nach der in dem Ermittlungsverfahren eingeholten Auskunft der Deutsche Telekom AG als zuständigem Internet-Service-Provider war die vorgenannte IP-Adresse zu dem streitgegenständlichen Zeitpunkt dem Internetanschluss des Beklagten zugewiesen. In dem Haushalt des Beklagten lebten seinerzeit dessen Ehefrau sowie dessen zum damaligen Zeitpunkt 16 bzw. 20 Jahre alten Söhne.

Nachdem die Klägerinnen durch Einsichtnahme in die Ermittlungsakten Kenntnis von der Person des Beklagten erhalten hatten, mahnten sie diesen durch Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 24.09.2007 ab und forderten ihn auf, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Hierauf reagierte der Beklagte nicht.
Mit der vorliegenden Klage verfolgen die Klägerinnen nunmehr Ansprüche auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten aus einem Gegenstandswert von EUR 200.000,00 sowie Schadensersatz in Form der Lizenzentschädigung, die Sie pro Musiktitel mit EUR 200,00 beziffern.
...
Die Klägerinnen beantragen, den Beklagten zu verurteilen,
1. an die Klägerin zu 2) EUR 800,00, an die Klägerin zu 3) EUR 200,00 und an die Klägerin zu 4) EUR 2.000,00 EUR jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;


2. an die Klägerinnen zu 1) bis 4) zu gleichen Teilen EUR 2.380,80 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.


Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.


...
Er sei mit der gesamten Familie vom 18.-25.06.2007 im Urlaub gewesen und vor Urlaubsantritt seien sämtliche technische Geräte, insbesondere Router und Computer vom Stromnetz getrennt worden. Ein Datentausch über seinen Internetanschluss sei daher zum streitgegenständlichen Zeitpunkt unmöglich gewesen. Im Übrigen hält der Beklagte den Lizenzschaden für übersetzt, ebenso die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten: der zu Grunde gelegte Gegenstandswert sei überhöht und es sei von einer pauschalen Entgeltabrede im Verhältnis der Klägerinnen zu ihren Prozessbevollmächtigten auszugeben.
Abmahnkosten könnten aber auch dem Grunde nach nicht verlangt werden: die Abmahnung sei zu weit gefasst und der Unterlassungsanspruch überdies nicht weiterverfolgt worden.


...
 In den Entscheidungsgründen heißt es dazu u. a.:
...
1. Die Klage ist zulässig, ...
2. Die Klage ist jedoch unbegründet.
Nach den unstreitigen familiären Umständen und dem Ergebnis der Beweisaufnahme geht die Kammer davon aus, dass der Beklagte die behauptete Rechtsverletzung weder selbst begegangen, noch an ihr als Teilnehmer beteiligt war; er ist für sie auch nicht als Störer verantwortlich. Gegen ihm bestehen daher weder Ansprüche auf Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten (§§ 683, 670 BGB) noch auf Schadenersatz (§ 97 UrhG); ein Anspruch auf Schadensersatz wegen der Verletzung elterlicher Aufsichtspflichten besteht ebenfalls nicht.
a) Der verfolgte Anspruch auf Schadensersatz besteht gegen den Beklagten weder aus § 97 UrhG noch aus § 832 BGB.


aa) Ein Anspruch aus § 97 UrhG scheidet aus, da der Beklagte nach den gegebenen Umständen nicht selbst Täter der behaupteten Urheberrechtsverletzung ist und an diese auch nicht als Teilnehmer beteiligt war.


Gegen den Beklagten spricht zwar im Ausgangspunkt die tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Inhabers des Internetanschlusses, über den die Urheberrechtsverletzung begangen worden ist (BGH vom 12.05.2010, I ZR 121/08, Sommer unseres Lebens). Die Klägerinnen haben mithilfe der Screenshots (Anlage K1) belegt, dass am 19.06.2007, 15:04:56 Uhr über den Internetanschluss, dem zu diesem Zeitpunkt die IP-Adresse „XXX.XX.XXX.XX“ zugewiesen war, die aus der Anlage K1 ersichtlichen Dateien mit den Namen von Musiktiteln öffentlich zugänglich gemacht worden sind. Die Deutsche Telekom AG hat weiterhin ausweislich Anlage K3 bestätigt, dass die vorgenannte IP-Adresse zum vorgenannten Zeitpunkt dem Internetanschluss des Beklagten zugewiesenen war. Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit der Screenshots oder der Beauskunftung durch die Deutsche Telekom AG begründen könnten, sind auf den ersten Blick nicht ersichtlich, so dass in einem ersten Schritt davon auszugehen war, dass die streitgegenständliche Verletzungshandlung vom Internetanschluss des Beklagten aus erfolgte.


Allerdings ist die darauf aufbauende tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Beklagten vorliegend schon durch den tatsächlichen Umstand entkräftet, dass außer diesem auch dessen Frau und Kinderzugriff auf den Internetzugang hatten. Die Vermutung der Täterschaft greift bei dieser Sachverhaltskonstellation nicht ein. Hinzu kommt, dass die Kammer nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon ausgeht, dass sich der Beklagte mitsamt seiner Familie zum streitgegenständlichen Zeitpunkt im Urlaub befand und PC und Router vom Stromnetz getrennt waren.


Dafür, dass der Beklagte als Anstifter oder Gehilfe an der Tat eines Dritten beteiligt gewesen sein könnte, und aus diesem Grunde auf Schadensersatz haften würde, ist nichts ersichtlich.
bb) Der Beklagte haftet auch nicht nach § 832 BGB wegen der Verletzung von elterlichen Aufsichtspflichten auf Schadensersatz, da nicht ersichtlich ist, dass die Rechtsverletzung durch einen zum damaligen Zeitpunkt minderjährigen Sohn erfolgte.
b) Die Klägerinnen können von dem Beklagten auch nicht die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten beanspruchen. Aus Schadensersatzgesichtspunkten besteht ein solcher Anspruch nicht (s.o.). Den Klägerinnen steht darüber hinaus auch kein Anspruch nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683, 670 BGB ) zu. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme haftet der Beklagte auch nicht als Störer für die behauptete Rechtsverletzung, so dass die Abmahnung unberechtigt erfolgte.


Als Störer kann bei der Verletzung absoluter Rechte in Anspruch genommen werden, wer - ohne Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt. Allerdings darf die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden, die die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben; sie setzt daher die Verletzung von Prüfpflichten voraus, deren Umfang sich danach bestimmt, inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen eine Prüfung nach den Umständen zumutbar ist (BGH vom 12.05.2010, I ZR 121/08).
aa) Eine solche Prüf- und Kontrollpflicht nimmt die Kammer in Bezug auf die Überlassung eines Internetanschlusses an minderjährige Kinder an. Die Überlassung des Internetanschlusses an minderjährige Kinder begründet - nicht zuletzt auch als Ausfluss elterlicher Aufsichtspflicht – die Verpflichtung des überlassenden Anschlussinhabers, das Kind über die Wahrung von Rechten Dritter zu belehren und das Verhalten des Kindes regelmäßig darauf hin zu kontrollieren.


Gleichwohl kann insoweit nicht von einer Störerhaftung des Beklagten ausgegangen werden, da nicht feststeht, dass die Rechtsverletzung gerade durch den minderjährigen Sohn des Beklagten begangen wurde.
bb) Ob auch die Überlassung des Internetanschlusses an erwachsene Haushaltsangehörige oder Dritte entsprechende Prüf- und Kontrollpflichten mit sich bringt, die eine Störerhaftung begründen können, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Der nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Rechtsverletzung nicht durch eine Person begangen worden ist, der der Beklagte den Internetanschluss überlassen hat. Sämtliche Personen, die Zugang zu diesem Internetanschluss hatten, befanden sich danach zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung im Urlaub auf Mallorca. Dies hat die Zeugin X übereinstimmend mit dem vorgelegten Mietvertrag bekundet und die Kammer hat keine objektiven Umstände feststellen können, die durchgreifende Zweifel am Wahrheitsgehalt dieser Aussage begründen würden.


Soweit die Klägerinnen in diesem Zusammenhang einwenden, die körperliche Anwesenheit sei für die Teilnahme an Filesharing-Programmen weder Voraussetzung noch auch üblich, stimmt die Kammer dem im Grundsatz zu, hält dies aber bei einer einwöchigen Urlaubsabwesenheit für fernliegend. Hinzu kommt, dass angesichts der Aussagen der Zeugen Y und Z davon auszugehen ist, dass PC und Router vom Stromnetz getrennt waren (s.u.).
cc) Eine Störerhaftung des Beklagten ließe sich danach nur noch damit begründen, dass die Rechtsverletzung durch ein rechtsmissbräuchlichen Zugriff Dritter auf den Internetanschluss des Beklagten erfolgt ist und der Beklagte diesen Zugriff ermöglicht hat, indem er den Internetanschluss nicht ausreichend gegen Zugriffe durch Dritte gesichert hatte. Insoweit hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung „Sommer unseres Lebens“ (s.o.) erkannt, dass den Betreiber eines W-Lan-Anschlusses eine Prüfpflicht hinsichtlich ausreichender Sicherheitsmaßnahmen treffe. Diese gehe zwar nicht so weit, dass der private W-Lan-Betreiber das Netzwerk stets dem neuesten Stand der Technik anpassen müsse. Die Prüfpflicht beziehe sich aber auf die Einhaltung der im Kaufzeitpunkt des Routers für den privaten Bereich marktüblichen Sicherungen.

Ob die Sicherung des Routers des Beklagten diesen Anforderungen entsprach, ist zumindest zweifelhaft. Letztlich kann dies aber dahinstehen, da nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon auszugehen ist, dass der Router vom Stromnetz getrennt war. Sowohl der Zeuge Y als auch der Zeuge Z haben bekundet, dass die Ehefrau des Beklagten vor Urlaubsantritt durch das ausgegangen ist und die elektrischen Geräte vom Stromnetz getrennt hat. Die Zeugen haben insoweit ausgeführt, dass die Mutter dies immer so mache und auch an diesem Tage so gehandelt hatte. Zwar hat keiner der Zeugen direkt gesehen, dass die Mutter auch den im Büro befindlichen Router vom Stromnetz getrennt hat; der Zeuge Z hat jedoch beobachtet, dass seine Mutter im Zusammenhang mit dem Ziehen der Stecker vor Urlaubsantritt auch im Büro in der Ecke tätig gewesen sei, in der sich die Stecker befunden haben. Die Kammer geht auf der Grundlage dieser Aussage davon aus, dass die Mutter regelmäßig die Stecker gezogen hat und dass dies auch an diesem Tag geschehen ist. Auch wenn nicht unmittelbar von den Zeugen bestätigt werden konnte, dass die Mutter auch just den Stecker des Routers entfernt hat, hat die Kammer doch – vor dem Hintergrund der detaillierten Schilderung zum üblichen Verhalten der Mutter – keine Veranlassung anzunehmen, dass dies nicht geschehen sein könnte. Auch hat die Kammer keine objektiven Umstände feststellen können, die durchgreifende Zweifel am Wahrheitsgehalt dieser Aussage begründen würden....
Bleibt festzuhalten: Die ganze Familie in Urlaub und Router und Computer vom Stromnetz getrennt. Da bleibt nicht viel mehr als die Abweisung der Klage mangels Täterhaftung und mangels Störerhaftung.

Gleichzeitig fragt man sich bei derartiger Konstellation allerdings rasch: Wie verlässlich oder wie fehlerhaft sind die "Ermittlung" der dynamischen IP-Adresse, deren Zuordnung zum vermeintlichen Anschlussinhaber und die Prüfung der vermeintlich festgestellten Datei-Identität? Sind die Ermittler urlaubsreif?

Samstag, 13. Oktober 2012

Filesharing-Abmahnung und Familie: Keine Sippen-Störerhaftung im Urheberrecht



Langsam wird die Luft für die Abmahnungs-Lobby immer dünner. Fragwürdige Anti-Piracy-Ermittlungssoftware, kritische Trojaner-Diskussionen, Schelte an Abzock-Mentalität und Pranger-Taktik, differenzierte Signale vom Bundesverfassungsgericht und nun zunehmende Begrenzung der in den Filesharing-Abmahnungen ausufernd ge- oder missbrauchten Störerhaftung für Familien-Angehörige nun auch durch ein Urteil des viel gescholtenen Landgerichts Köln.

Die zur pauschalen Unterstellung ausgeartete Vermutung, dass der Internetanschlussinhaber vermeintlich festgestelltes und vermeintlich dokumentiertes illegales Filesharing und daraus abgeleitete Rechtsverletzungen angeblich täterschaftlich begangen, unterstützt, zugelassen oder in verantwortlicher Weise als sogenannter Störer ermöglicht habe, geht bei einem von einer Familie genutzten Internetanschluss zunehmend ins Leere.

Die Kollegen Ferner und Stadler befassen sich erhellend mit der aktuellen Entscheidung der 33. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 11.09.2012 (33 O 353/11), das seine klageabweisende Entscheidung m. E. differenziert und überzeugend begründet – ohne Diskrepanz zum Urteil des Ersten Zivilsenats des BGH vom 12.05.2010 (I ZR 121/08) – Sommer unseres Lebens – und im Einklang mit der im LG-Urteil umfangreich zitierten aktuellen Rechtsprechung des OLG Köln vom 16.05.2012.

Der demgegenüber für einige als Alarm und Rückschlag empfundene, recht rechteinhaber-freundliche BGH-Beschluss vom 19.04.2012 (I ZB 80/11) betrifft nicht Fragen der Täter- oder Störerhaftung, sodass man m. E. durchaus optimistisch sein darf in Richtung auf eine zunehmende auch höchstrichterliche Tendenz, mit einer ausufernden Filesharing-Haftung kritischer und sachgerechter umzugehen.

Hoffnung macht dabei auch der Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 21.03.2012 (1 BvR 2365/11), in dem es zwar primär um verfahrensrechtliche und verfassungsrechtliche Bewertungen geht, in dem  die höchsten deutschen Richter allerdings zwischen den Zeilen (und mit Beschlusszitaten des OLG Frankfurt) ziemlich deutlich gezeigt haben, mit welchen Bewertungen zur Störerhaftung man in Karlsruhe “sympathisiert”.

Die neuen richterlichen Bewertungs-Tendenzen sind dabei durchaus kein Freibrief für sanktionslose illegale Rechtsverletzungen oder unsubstantiiertes bzw. ungeschicktes Verteidigungsvorbringen, allerdings auch keineswegs als "Lästigkeits"-Reaktion der Richterinnen und Richter ob der zunehmenden Klagehäufigkeit nach erfolglosen Filesharing-Abmahnungen abzutun, sondern entsprechen vielmehr sachgerecht und sauber subsumierend den geltenden gesetzlichen Regelungen aus dem Urheberrecht, dem Delikts- und Haftungsrecht sowie dem Verfassungsrecht. Pauschale Sippenhaft zu Lasten ganzer Familien war und ist mit dem geltenden Recht nicht in Einklang zu bringen.

Eine bloße Filesharing-Vermutung gegenüber einer mit Internetanschluss ausgestatteten Familie macht noch keinen Abmahnungs-"Sommer".

Samstag, 15. September 2012

Filesharing-Abmahnung: Das Geschäft mit der kleinen und großen Lüge

mit Update vom 29. September 2012

Lügen haben kurze Beine, in unzähligen Filesharing-Abmahnungen aber dennoch bereits eine lange - und ärgerliche - Tradition. Das artet in vielen Fällen sogar in betrügerische Machenschaften aus. Selbstverständlich agieren nicht alle Abmahner in jedem Fall mit Lug und Trug. Nachdem allerdings nach meiner Wahrnehmung gerade im laufenden Jahr Abmahnungen mit unwahren Behauptungen, vollmundigen Verdrehungen und mit der unseriösen Verbreitung falscher Eindrücke zunehmen,

hier die 12 dreistesten Abmahnungs-Bluffs:


  1. Das angegebene Musik-, Film- oder Software-Produkt existiert gar nicht bzw. der genannte Rechteinhaber ist nicht Anspruchsinhaber bzw. der als solcher ausgewiesene Rechtsanwalt ist nicht bevollmächtigt oder - in ganz krassen (Fake-)Fällen - besitzt gar keine anwaltliche Zulassung.
  2. Die vermeintlichen "Ermittlungsergebnisse" eines angeblich tätig gewordenen Anti-Piracy-Unternehmens mit angeblich dem Abmahnungsempfänger zuzuordnender IP-Adresse und angeblich sicher protokollierten und archivierten sowie angeblich sicher zuzuordnenden Downloads und Filehashwerten existieren nicht bzw. weisen nicht die behauptete eindeutige und revisionssichere Qualität auf.
  3. Es wird fälschlicherweise behauptet, der Bundesgerichtshof habe mit Urteil vom 12.05.2010 entschieden, dass der Inhaber eines Internetanschlusses für alle diesem Internetanschluss zuzuordnenden illegalen Filesharing-Vorgänge Schadensersatz zahlen muss.
  4. Es wird fälschlicherweise behauptet, der BGH habe mit dem gleichen Urteil zur Frage der sogenannten Störerhaftung entschieden, dass ein Internetanschlussinhaber für illegales Filesharing seiner Familienangehörigen oder sonstiger Nutzer seines Interetanschlusses haftet.
  5. Es wird der rechtlich falsche Eindruck erweckt, der Inhaber bzw. die Inhaberin des Internetanschlusses müsse angeblich beweisen, dass er nicht selbst illegales Filesharing betrieben hat.
  6. Es wird der rechtlich falsche Eindruck erweckt, der Inhaber des Internetanschlusses müsse angeblich zur eigenen Entlastung den wirklichen Filesharing-"Täter" ermitteln und benennen.
  7. Es wird der rechtlich falsche Eindruck erweckt, ein vorliegender gerichtlicher Gestattungs-/Auskunfts-Beschluss nach § 101 UrhG belege angeblich alle die vermeintlichen Ansprüche gegen den Abmahnungsempfänger begründenden Voraussetzungen.
  8. Es wird der rechtlich falsche Eindruck erweckt, eine Abänderung der zur Unterschrift vorgelegten strafbewehrten Unterlassungs- und Anerkennungserklärung führe angeblich zur Unwirksamkeit der außergerichtlichen Erklärung und damit zu teuren Unterlassungsklagen.
  9. Es wird der rechtlich falsche Eindruck erweckt, der Streitwert für Abmahnungen und Klagen beispielsweise im Zusammenhang mit einem einzigen Musiktitel betrage 10.000,00 Euro oder mehr.
  10. Es wird der falsche Eindruck erweckt, es gäbe angeblich bereits in diversen Klageverfahren gerichtlich eingeholte Sachverständigen-Gutachten, die die angeblich gerichtsfeste Qualität der Crawler-Protokolle und deren Ergebnisse bestätigten, was ebenfalls unwahr ist.
  11. Es wird der falsche Eindruck erweckt, eine Fristverlängerung gegenüber einem vom Abmahnungsempfänger beauftragten Anwalt oder eine Verhandlung über Betragshöhen komme nicht in Betracht. Stattdessen würde unmittelbar nach Ablauf der gesetzten Frist sofort eine gerichtliche einstweilige Verfügung gegen den Adressaten der Abmahnung beantragt.
  12. Es wird behauptet, alle sachverhaltlichen, technischen und rechtlichen Gegenargumente des bzw. der Abgemahnten seien untaugliche Schutzbehauptungen, technische und rechtliche Fehleinschätzungen sowie ... Lügen.
Aus Anlass der außerordentlich engagierten Kommentare zu diesem Beitrag hier nun als

Update 

vom 29.09.2012 eine weitere Ziffer

   13.  Es werden falsche Eindrücke erweckt über angeblich für die jeweilige Abmahnung geltende anwaltliche Kosten, Kostenberechnungen, Kostenrechnungen, (fehlende) Kostenvereinbarungen, Kostenzahlungen und/oder Kostenerstattungspflichten.

Freitag, 17. August 2012

Wie die richtigen Fragen falsche Filesharing-Abmahnungen entlarvend beantworten

Wenn man nach Erhalt einer Abmahnung ratlos - und nicht selten verzweifelt - ist, geben häufig schon einige zielorientierte Fragen die richtigen Antworten.



Nach einer Filesharing-Abmahnung
sitzt man oft zwischen den Stühlen.

Ein Fall, wie er hunderttausendfach vorkommt:

In einer im Briefkasten vorgefundenen Abmahnung werden erhebliche rechtliche Konsequenzen angedroht, weil vermeintlich das Urheberrecht bzw. die Verwertungsrechte des Abmahners verletzt wurden. Der Adressat soll angeblich nachweislich illegal in Online-Tauschbörsen fremde Musik-, Film- oder Software-Werke down- und insbesondere upgeloadet haben.

Gefordert werden die Abgabe einer mit Vertragsstrafen sanktionierten unangemessenen Unterlassungserklärung sowie die Zahlung von überhöhtem Schadensersatz und fragwürdigen Anwaltskosten - zumeist "großzügig" und in nicht nachvollziehbarer Weise zusammengefasst zu einem "entgegenkommenden Vergleichsbetrag".


Was tun?

 

Der durch die Abmahnungspost erzeugte Stress lässt die Abmahnungsadressaten häufig keinen klaren Gedanken fassen. Dabei führen bereits die richtigen Fragestellungen oft zu geeigneten Hilfestellungen.

  1. Enthält das Abmahnungsschreiben tatsächlich durchgreifende Schuldnachweise? Warum werden Internetanschlussinhaber ohne Verschuldensnachweis kriminalisiert, obwohl eine Anschluss-Inhaberschaft keinen Tatnachweis darstellt?
  2. Warum werden für zweifelhafte isolierte "Rechte" zur Verwertung von Musik- oder Filmwerken in P2P-Systemen bzw. Online-Tauschbörsen allein zu diesem Zweck Lizenzen an extra zu diesem Zweck gegründete Gesellschaften (GmbH, Ltd. etc.) vergeben und dem Lizenznehmer damit das Generieren von Abmahnungserlösen erst ermöglicht?
  3. Warum erzielen einige "Rechteinhaber" mehr Geld mit Filesharing-Abmahnungen als mit den den Abmahnungen zugrundeliegenden "Werken"?
  4. Warum gibt es Rechtsanwälte, die in der Abmahnung angebliche Kostenerstattungsansprüche vorspiegeln, die - zumindest in der angegebenen Höhe - tatsächlich dem Abmahnenden gar nicht in Rechnung gestellt werden und lediglich der fingierten Forderungsbegründung gegenüber dem Abmahnungsempfänger dienen?
  5. Warum werden in vielen Filesharing-Abmahnungen völlig überhöhte und unrealistische Schadensbeträge beziffert - unter unverhältnismäßiger und dramatisierender Fehlinterpretation der Grundsätze der Lizenzanalogie?
  6. Warum wird in vielen Filesharing-Abmahnungen nicht ausreichend deutlich zwischen Täterhaftung und Störerhaftung differenziert?
  7. Warum machen viele Abmahner aus der in ihren Ausprägungen ohnehin recht umstrittenen Störerhaftung desjenigen, der einen Internetanschluss angeblich nicht angemessen und zumutbar sichert und überwacht, ohne gesetzliche Grundlage quasi eine "Halterhaftung für Internetanschlüsse"? 
  8. Warum ignorieren viele Abmahner die tatsächliche und rechtliche Sondersituation bei Hotspots?
  9. Warum versuchen viele Abmahn-Kanzleien, die Unterschiede zwischen der - ebenfalls in ihren Ausprägungen umstrittenen - sekundären Darlegungs- und Beweispflicht zu ignorieren und zudem damit eine vermeintlich primäre Darlegungs- und Beweislast des Abgemahnten vorzutäuschen?
  10. Warum verunglimpfen große Teile der Abmahnungsbranche alle kritischen Darlegungen zur Fragwürdigkeit einiger Recherche- und Dokumentierungs-Techniken und -Methoden als pauschale Schutzbehauptungen (z. B. nicht revisionssichere Protokollierung und Archivierung durch Crawling-Unternehmen, Zweifel bzgl. IP-Adresse, Zeitstempel oder Hashwert, Hinweise auf die Möglichkeit durch Rootkits verschleierter Trojaner-Angriffe, aber auch Klarstellungen darüber, dass ein "Knacken" von Verschlüsselungen bzw. Passwörtern letzendlich nicht sicher vermeidbar ist und es zudem Grenzen der Kontrolle von Familienangehörigen oder Mitbewohnern gibt)?
  11. Warum arbeitet die Abmahnungsbranche z. T. mit bewussten Einschüchterungen und fragwürdigem Psychostress (z. B. mit Platzierung der Abmahnungspost zum Wochende, mit kurzen Fristsetzungen, mit aus dem Zusammenhang gerissenen und/oder veralteten Urteilszitaten, mit unverständlicher Fachterminologie, wiederholten und unrealistischen Drohkulissen etc.)? Sind die selbstsicheren und teilweise selbstgerechten Darlegungen im Abmahnungsschreiben wirklich so unumstößlich?
  12. Warum versuchen viele Abmahner, unangemessene und den Abgemahnten in seinen Rechten beschneidende strafbewehrte Unterlassungserklärungen zu erlangen?
  13. Warum wird diese Praxis von einigen Gerichten (insbesondere unterer Instanzen, wobei allerdings auch höchstrichterliche Rechtsprechung manchmal nicht weniger kritikwürdig ist) verkannt oder sogar mitgetragen, insbesondere wenn der oder die Abgemahnte ohne anwaltliche Verstärkung den prozessualen Hürden und Fallen (Sach- und Rechtsvortrag, Substantiierungspflicht, Beweisanträge, Rechtsbehelfe bzw. Rechtsmittel etc.) hilflos ausgesetzt ist?

In vielen Fällen gilt:

Diese Fragen zu stellen heißt, sie bereits ansatzweise zu beantworten. Leider bleiben die Fragen allerdings zumeist und bezeichnenderweise von den Abmahnern unbeantwortet bzw. ignoriert. Vielleicht geben die im obigen Blog-Post vorgenommenen Verlinkungen des Verfassers noch etwas weitergehende Antworten.