Donnerstag, 29. Dezember 2011

BGH-Urteil zur Beweislast für Fälschung bzw. Erschöpfung im Markenrecht


Verkauf gefälschter bzw. "erschöpfter" Markenschuhe?  

Nach dem Verhandlungstermin vom 21.12.2011 wird der Erste Zivilsenat des Bundesgerichtshofs am 15.03.2012 in den Verfahren I ZR 52/10 und I ZR 137/10 darüber befinden müssen, wer die Beweislast dafür trägt, dass "markierte" Ware angeblich gefälscht ist bzw. dass die Markenrechte erschöpft sind, weil die Waren vermeintlich mit Zustimmung des Markeninhabers in der EU in Verkehr gebracht worden sind.

1. Fall:
Die Klägerin im Verfahren I ZR 52/10 ist Produzentin der als „Converse All Star Chuck Taylor“ bezeichneten Freizeitschuhe und Inhaberin mehrerer Marken mit den Wortbestandteilen „CONVERSE“ und „ALL STAR“. Beklagte ist in diesem Verfahren die Lieferantin der Handelsgruppen "Rewe" und "real" sowie der Verbrauchermärkte "toom".

Die Klägerin behauptet, eine "toom"-Verbrauchermarkt in Solingen und ein "real"-Warenhaus in Neuss hätten im September 2008 von der Beklagten gelieferte Produktfälschungen angeboten.

Der wegen Verletzung von Markenrechten nach vorausgegangener Abmahnung u.a. auf Unterlassung gerichteten Klage hat das Landgericht Stuttgart mit Urteil vom 17.11.2009 (Az. 17 O 714/08) stattgegeben. Im Berufungsverfahren hat dann allerdings das Oberlandesgericht Stuttgart mit seiner Entscheidung vom 04.03.2010 (Az. 2 U 86/09) die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin habe weder nachweisen können, dass es sich bei den Freizeitschuhen um Fälschungen handele, noch, dass die Markenrechte im vorliegenden Fall nicht erschöpft seien. Der Erste Zivilsenat hat in diesem Verfahren (Az. I ZR 52/10) die Revision zugelassen.

2. Fall:
Die Klägerin im Verfahren I ZR 137/10 vertreibt in Deutschland, Österreich und der Schweiz exklusiv den Freizeitschuh „Converse All Star Chuck Taylor“. Die Beklagte in jenem Verfahren gehört zur "Metro"-Gruppe und verkaufte in der Zeit von 2006 bis 2008 in ihren Cash & Carry Märkten wiederholt originale Freizeitschuhe der Markeninhaberin. Die Klägerin behauptet, die fraglichen Schuhe seien in den USA in Verkehr gebracht worden und für einen Vertrieb in Deutschland oder einem anderen EU-Mitgliedstaat fehle es an einer Zustimmung der Markeninhaberin. 

Das Landgericht Hamburg hat mit Urteil vom 30.10.2008 (Az. 327 O 569/07) und das Hanseatische Oberlandesgericht mit Urteil vom 07.07.2010 (Az. 5 U 246/08) der ebenfalls u. a. auf Unterlassung gerichteten Klage stattgegeben. Das OLG hat dabei im Berufungsverfahren die Auffassung vertreten, die Beklagte sei beweispflichtig dafür, dass die Markenrechte erschöpft seien, und habe diesen Beweis nicht erbracht. Das Berufungsgericht hat allerdings die Revision gegen diese Entscheidung zugelassen.

Der Klärung der unter den Oberlandesgerichten umstrittenen Beweislast-Fragen darf mit Interesse entgegengesehen werden. Von der BGH-Entscheidung können bedeutende Weichenstellungen für die zukünftige markenrechtliche Abmahnungs-Praxis abhängen.

Freitag, 23. Dezember 2011

Urheberrecht und Geld: Fragen an das Geschäftsmodell "Filesharing-Abmahnung" ... und an den BGH

Es ist keine Schande, mit seinen Werken (Kunst, Musik, Film, Literatur, Wissenschaft ...) oder mit seiner Profession (Online-Ermittler oder -Ermittlerin, Rechte-Verwerterin oder -Verwerter, Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt, Richterin oder Richter ... ) Geld zu verdienen oder zu erwirtschaften.

In zwar kreative, aber dennoch tatsächlich und rechtlich nicht hinnehmbare Geldschneiderei artet dies allerdings aus, wenn Schöpfer und/oder tatsächliche oder vermeintliche Rechteinhaber und/oder Recherche-Unternehmen und/oder Anwaltskanzleien und/oder Justizbehörden ein subtiles und ausuferndes Geschäftsmodell konstruieren und pflegen, das faire Darstellungen, angemessene Bewertungen und verhältnismäßige Vorgehens- und Verfahrensweisen in vielen Fällen vermissen lässt.

Wo massenhaft Urheberrechte verletzt werden dürfen grundsätzlich auch massenhaft urheberrechtliche (nicht wettbewerbsrechtliche, § 8 Abs. 4 UWG!) Abmahnungen auf den Weg gebracht werden.

Aber:


  • Warum werden zweifelhafte isolierte "Rechte" zur Verwertung von Musik- oder Filmwerken in P2P-Systemen bzw. Online-Tauschbörsen allein zu dem Zweck lizenziert, dem Lizenznehmer das Generieren von Abmahnungserlösen zu ermöglichen?

  • Warum erzielen einige "Rechteinhaber" mehr Geld mit Abmahnungen als mit den den Abmahnungen zugrundeliegenden "Werken"?

  • Warum gibt es Anwälte, die in den Abmahnungen angebliche Kostenerstattungsansprüche vorspiegeln, die - zumindest in der angegebenen Höhe - tatsächlich den Abmahnenden gar nicht in Rechnung gestellt werden und lediglich der fingierten Forderungsbegründung gegenüber dem Abmahnungsadressaten dienen?

  • Warum werden in vielen Filesharing-Abmahnungen völlig überhöhte und unrealistische Schadensbeträge beziffert - unter unverhältnismäßiger und dramatisierender Fehlinterpretation der Grundsätze der Lizenzanalogie?


  • Warum machen viele Abmahner aus der in ihren Ausprägungen ohnehin recht umstrittenen Störerhaftung desjenigen, der einen Internetanschluss nicht angemessen und zumutbar sichert und überwacht, ohne gesetzliche Grundlage eine quasi angeblich generell einschlägige "Halterhaftung für Internetanschlüsse"? 

  • Warum ignorieren viele Abmahner die tatsächliche und rechtliche Sondersituation bei Hotspots?

  • Warum versuchen viele Abmahn-Kanzleien, die Unterschiede zwischen der - ebenfalls in ihren Ausprägungen umstrittenen - sekundären Darlegungs- und Beweispflicht zu ignorieren und zudem damit eine vermeintlich primäre Darlegungs- und Beweislast des Abgemahnten vorzutäuschen?


  • Warum arbeitet die Abmahnungsbranche z. T. mit bewussten Einschüchterungen und fragwürdigem Psychostress (z. B. mit Platzierung der Abmahnungspost zum Wochende, mit kurzen Fristsetzungen, mit aus dem Zusammenhang gerissenen und/oder veralteten Urteilszitaten, mit unverständlicher Fachterminologie, wiederholten und unrealistischen Drohkulissen etc.)?


  • Warum wird diese Praxis von einigen Gerichten (insbesondere unterer Instanzen, wobei allerdings auch höchstrichterliche Rechtsprechung manchmal nicht weniger kritikwürdig ist) verkannt oder sogar mitgetragen, insbesondere wenn der oder die Abgemahnte ohne anwaltliche Verstärkung den prozessualen Hürden und Fallen (Sach- und Rechtsvortrag, Substantiierungspflicht, Beweisanträge, Rechtsbehelfe bzw. Rechtsmittel etc.) hilflos ausgesetzt ist?

Es wird höchste Zeit, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung sich tatsächlich, technisch und rechtlich vertiefter mit dem Geschäftsmodell Filesharing-Abmahnung befasst, nachdem mit dem WLAN-Urteil des I. Zivilsenats des BGH vom 12.05.2010 (I ZR 128/08) die bei Filesharing-Abmahnungen berührten Problemfelder nur fragmentarisch angegangenen worden sind.

Freitag, 2. Dezember 2011

Abmahnungspost vom Nikolaus: Eine Checkliste zur modifizierten strafbewehrten Unterlassungserklärung nach Filesharing-Abmahnung

Wegen zahlreicher Nachfragen hier eine kurze Checkliste der wesentlichen Aspekte beim Umgang mit strafbewehrten Unterlassungserklärungen insbesondere nach einer Filesharing-Abmahnung. Was ist zu klären, um die im konkreten Einzelfall optimalste modifizierte strafbewehrte Unterlassungserklärung zu gewährleisten?

  • Ist die Abmahnung überhaupt grundsätzlich schlüssig, oder haften ihr bereits so viele Fehler und Ungereimtheiten an - oder handelt es sich um eine der im Umlauf befindlichen "Fake"-Abmahnungen, die ohnehin jede Reaktion überflüssig machen?
  • Wem gegenüber soll ich im konkreten Fall die Erklärung tatsächlich in welcher Form abgeben?
  • Für wie groß halte ich das Risiko, dass während der mich nach der Unterlassungserklärung lebenslang bindenden Verpflichtung durch Dritte aufgrund von mir ggf. zu verantwortender Nichteinhaltung üblicher Sicherheitsstandards über meinen Internetanschluss Urheberrechte des Abmahners verletzt werden?
  • Enthält die Unterlassungserklärung ungewollt eine - vielleicht auch nur mittelbare -  Verknüpfung der zukünftigen Unterlassungs- und Vertragsstrafen-Verpflichtung mit weitergehenden Anerkenntnissen - wie z. B. Schadensersatz- oder Kostenerstattungs-Versprechen?
  • Genügt die Erklärung andererseits den Anforderungen der aktuellen Rechtsprechung an eine ausreichend ernsthafte und rechtsverbindliche Erklärung?
  • Wird fälschlicherweise ein "Ausschluss der Einrede des Fortsetzungszusammenhangs" verlangt?
  • Wird mit der Vertragsstrafen-Zusage der falsche Eindruck vermittelt, zukünftig auch für unverschuldete Verstöße zu haften, obwohl ich dazu eigentlich nicht verpflichtet bin?
  • Ist im konkreten Einzelfall und vor dem Hintergrund der speziellen Risiken und Erwartungen eher eine möglichst eng am vorgeworfenen Verstoßsachverhalt orientierte oder eher eine weite Fassung des Verbotes innerhalb der Unterlassungserklärung sinnvoll und interessengerecht?
  • Möchte ich in der Unterlassungserklärung bereits eine konkret bezifferte Vertragsstrafe festlegen oder lieber nach dem sogenannten "Neuen Hamburger Brauch" die etwaige, zukünftig angemessene Vertragsstrafe in das gerichtlich (nicht immer nur landgerichtlich!) überprüfbare billige Ermessen des Unterlassungsgläubigers stellen und zusätzlich eine von der Rechtsprechung erlaubte, oft übersehene Obergrenze bestimmen?
  • Sollte und darf ich die Unterlassungserklärung im Einzelfall befristet und/oder bedingt abgeben und welche etwaigen auflösenden Bedingungen empfehlen sich insbesondere?
  • Welche weiteren Hinweise und Argumente sind in Reaktion auf die konkrete Abmahnung der modifizierten strafbewehrten Unterlassungserklärung beizufügen, um anlässlich der erhaltenen Abmahnung möglichst zielführend und interessengerecht zu agieren und anschließende gerichtliche Verfahren und Kosten zu vermeiden?

Freitag, 25. November 2011

Du sollst die Abmahnung nicht mit dem Bade auskippen - Eine zeternde Streisand-Glosse zu ruhmreicher Ehr und Mär

Es war einmal ein berühmter Advokat und ehrenhafter Abgeordneter in grünem Wams. Der badete mit seiner geliebten Gattin in einem  kleinen See, der durch den Bau einer großen Fernstraße vierzig Jahre zuvor erschaffen worden war.

Man schwamm an einer idyllischen, den Fischern vorbehaltenen Stelle, an der es den Sterblichen verboten war, sich zu tummeln und zu plantschen. Da berührte eine der von einem Fischer-Knaben mit einer kleinen Schleuder ins Wasser beförderten Futterkugeln den Kopf der Abgeordneten-Gemahlin. Erzürnt entriss der berühmte Advokat das Corpus Delicti dem kleinen Fischerjungen, der - zusammen mit zwei älteren Fischern - vergeblich um Nachsicht und Vergebung gebeten haben soll.

Das aus dem Schwarz-Bad entstiegene Paar begab sich tags darauf zum Wachtmeister, wo der Fischerjunge der bösen Tat bezichtigt und beschuldigt wurde. Es begab sich aber, dass ein in diesem Gestrich sich herumtreibender Geschichten-Erzähler nun die Mär verkündete, der ehrenhafte Berühmte habe die Bezichtigung und Beschuldigung beim Wachtmeister angebracht, wie dies auch die Wachtmeisterei selbst dem Geschichten-Erzähler kundgetan hatte.

Diese Mär missfiel dem berühmten Ehrenhaften sehr und er ließ durch einen weiteren Advokaten nun dem Geschichten-Erzähler eine Postille zukommen. Darin wurde der Geschichten-Erzähler auf das Ärgste abgewatscht und abgemahnt und zum Schwur verpflichtet, bei Meidung arger Strafzahlungen nie mehr zu verbreiten, der ehrenrührig Behaftete habe beim Wachtmeister selbige Bezichtigung und Beschuldigung vorgebracht. Zudem wurde vom Geschichten-Erzähler ein Obulus von über siebenhundertfünfundsiebzig Talern für die Advokaten-Schriftrolle begehrt.

Daraufhin verbreitete der Geschichten-Erzähler die Kunde von den Folgen vom "Schwarz-Bad" mit der "bad cease-and-desist order", wie die Anglizisten die Abmahnung zu benennen pflegen, und er bat um eine kleine Kollekte für seinen Sparstrumpf, um sich gegen den ehrlichen Ruhmreichen ein Rüstzeug verschaffen zu vermögen.

Und der Pöbel mit den (Fischer-)Netzen keifte und zeterte und verstreute den Badesand vom Badestrand:

  • Wie hoch ist die Pönale für das liebliche Schwarz-Bad?
  • Hatte der Fischerjunge einen Waffenschein? Und wer hatte ihm zuvor derart treffliches Zielwasser eingeflößt?
  • Wie kam der Geschichten-Erzähler zu der schändlichen und schmachvollen Behauptung, der ehrreiche Haftforderer habe beim Wachtmeister Haft gefordert? Wie schwer wiegt diese tapfere Schilderung? 
  • War der tapfere Ruhmbehaftete etwa gar nicht beim Wachtmeister? Oder warum will er dort keine Beschwer vorgebracht haben? Was erregt ihn gar derartig unartig?
  • Und was passiert mit den schönen siebenhunderfünfundsiebzig Talern und was mit der Kollekte?

Bei einem  Gläschen gut gekühlten heimatlichen Bioweins werden sich diese und weitere Fragen geschwind klären oder in dem gar hundert Fuß tiefen Tümpel versenken lassen.

Samstag, 19. November 2011

Aktuelle Falsch-Veröffentlichung der Hamburger Verbraucherschutz-Behörde zu Filesharing, Abmahnung und Urheberrecht in Tauschbörsen

Auf eine skandalös fehlerhaft erstellte Broschüre der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz in Hamburg weisen die Rechtsanwälte Mielke Koy Butenberg aktuell zu Recht hin.

Die für Schülerinnen und Schüler gedachten Informationen der "Fachabteilung Wirtschaftlicher Verbraucherschutz" mit dem Titel "UPLOAD DOWNLOAD Rechte im Internet" enthalten bedauerliche Ahnungslosigkeiten und Irreführungen zum Thema Tauschbörsen, P2P-Netzwerke, Urheberrecht und Abmahnungen.

So werden z. B. Datenfreigabe und Filesharing undifferenziert vermengt und im Ansatz dann mit Streaming verwechselt. Es wird behauptet, beim Filesharing würden keine Kopien erstellt, und der Begriff der TAUSCHbörse wird laienhaft falsch erläutert. Die unterschiedliche Relevanz von Download und Upload wird teilweise verkannt und "Tausch"-Vorgänge werden missverständlich verharmlost. Den Lesern des Informationsheftchens erweist man so einen Bärendienst.

Oder hat die Freie und Hansestadt Hamburg  bereits - ungeachtet ihrer insoweit unzureichenden Gesetzgebungskompetenz (und Rechtskompetenz?) - liberalere urheberrechtliche Bestimmungen für ihr Hoheitsgebiet oder gar das World Wide Web erlassen?
Hilfe! "Gut gemeint" ist eben nicht unbedingt "gut gemacht".

Dienstag, 1. November 2011

Was dürfen Perlentaucher vermarkten? OLG nimmt starke Formulierungen gefangen.

Das OLG Frankfurt a. M. urteilte am 01.11.2011 nach Vorgaben des BGH neu über den Fall "perlentaucher.de" und die urheberrechtlichen Grenzen bei der Zusammenfassung von Buchrezensionen ( sog. "Abstracts").  Die Gedanken sind frei - die Formulierungen nicht immer.

OLG Frankfurt a. M., Urteile v. 01.11.2011, Az. 11 U 75/06 und 11 U 76/06
(LG Frankfurt a. M., Urteile v. 23.11.2006, Az.
2-3 O 171/06 und 2-3 O 172/06;  

OLG Frankfurt a. M., Urteile v. 11.12.2007; 
BGH, Urteile v. 01.12.2010, Az. I ZR 12/08 u. I ZR 13/08)

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte Ende des vergangenen Jahres eine Art Zwischenentscheidung zu der Frage getroffen, ob eine kommerzielle Verwertung von sogenannten "Abstracts" urheberrechtlich, markenrechtlich und wettbewerbsrechtlich zulässig ist. Das Online-Kulturmagazin "perlentaucher.de" veröffentlicht im Internet verkürzte Zusammenfassungen (sogenannte "Abstracts") von Buch-Rezensionen aus verschiedenen renommierten Zeitungen - u.a. aus der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und der "Süddeutsche Zeitung". Die "Abstracts" zitieren dabei besonders aussagekräftige Passagen aus den Buch-Rezensionen - wobei dies zumeist durch Anführungszeichen kenntlich gemacht wird. Anderen Internet-Portalen verkauft "perlentaucher.de" Lizenzen zum Abdruck der erstellten Zusammenfassungen.
 

Die Zeitungsverlage der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" und der "Süddeutsche Zeitung" sehen in der kostenpflichtigen Lizenzierung der "Abstracts" zugunsten Dritter eine Verletzung des Urheberrechts an den Buch-Besprechungen, darüber hinaus auch eine Verletzung von Markenrechten sowie einen Verstoß gegen wettbewerbsrechtliche Regeln. Nach entsprechenden Abmahnungen erhoben die Verlage vor über 5 Jahren Klagen gegen "perlentaucher.de", gerichtet auf auf Unterlassung, Auskunftserteilung und auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht. 

Das Landgericht Frankfurt a. M. und das OLG Frankfurt a. M. hatten die Klagen abgewiesen. Der I. Zivilsenat des BGH hatte die OLG-Urteile z. T. aufgehoben und die Sachen an das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. zurückverwiesen. 

Nach Auffassung des BGH ist die urheberrechtliche Zulässigkeit einer Verwertung eines "Abstracts" wesentlich davon abhängig, ob es sich dabei um ein selbständiges Werk handelt, das lediglich in freier Benutzung der Buch-Rezension geschaffen worden ist und das auf diese Weise ohne Zustimmung des Urhebers verwertet werden darf gem. § 24 Abs. 1 UrhG. Der BGH meinte, das Oberlandesgericht habe bei der diesbezüglichen Prüfung der "Abstracts" nicht alle gebotenen rechtlichen Maßstäbe angelegt und auch nicht alle relevanten tatsächlichen Umstände berücksichtigt. 

Jetzt musste das OLG Frankfurt a. M. erneut prüfen, ob es sich bei den gerügten "Abstracts" um selbständige Werke i. S. d. § 24 Abs. 1 UrhG handelt. 

Dabei kam es jeweils auf eine genaue Würdigung des Einzelfalls an. Bei der Beurteilung war nach der Vorgabe der BGH-Richter zu beachten, dass grundsätzlich nur die sprachliche Gestaltung einer Rezension Urheberrechtsschutz genießt - nicht der gedankliche Inhalt. 
Die Gedanken sind frei. Es ist wettbewerbsrechtlich, markenrechtlich und auch urheberrechtlich zulässig, den Inhalt eines Schriftwerks mit eigenen Worten zusammenzufassen und diese Zusammenfassung dann auch geschäftlich zu verwerten. Entscheidend ist, in welchem Umfang "perlentaucher.de"  in den einzelnen "Abstracts" besonders originelle Formulierungen der in der Presse veröffentlichten Buch-Rezensionen außerhalb zulässiger freier Bearbeitung jeweils wörtlich übernommen hat und ob dies vom Zitierrecht gedeckt bzw. hierdurch gerechtfertigt war.
Das OLG hat nun entschieden, dass neun von zehn Perlentaucher-Abstracts zu FAZ-Rezensionen und vier von zehn Abstracts zu SZ-Kritiken Urheberrechte verletzen wegen der Übernahme besonders ausdrucksstarker und prägender Passagen aus den Orginal-Artikeln. Zudem muss das Online-Magazin den Klägerinnen Auskunft erteilen über die Einnahmen, die es mit diesen 13 Abstracts erzielt hat, damit danach ein zu leistender Schadensersatz bemessen werden kann.


Die Perlentaucher schließen aus dem OLG-Urteil, dass man beim Zitieren von Formulierungen wie "weltanschauliches Anliegen" oder "langatmige Ausbreitung von Altbekanntem" künftig besondere Vorsicht walten lassen muss. Die genauen schriftlichen Entscheidungsgründe der Frankfurter Richter werden abzuwarten und zu analysieren sein.

Die Gedanken sind frei - aber starke und kreative Formulierungs- und Wortschöpfungen bleiben eben doch manchmal an der Quelle "gefangen".

Dienstag, 11. Oktober 2011

OLG bremst Schadensersatz-Lawine bei Filesharing-Abmahnungen --- Geschäftsmodell in zunehmender Rechtfertigungsnot

Große Aufmerksamkeit hat der Beschluss des 6. Zivilsenats des OLG Köln vom 30.09.2011 (Az. 6 U 67/11) erlangt. Die Berufungsrichter verlangen von der Musikindustrie wesentlich umfassendere und vertieftere Darlegungen, um auf plausiblerer und realistischerer Berechnungsgrundlage vermeintliche Schadenshöhen bei Filesharing-Vorwürfen nach § 287 ZPO abschätzen zu können. Dabei baut das Oberlandesgericht erstmalig eine "Schadensbremse" mit einem überfälligen Anrechnungsmodus ein.

Besonders bemerkenswert ist bei der aktuellen Entscheidung m. E. nicht so sehr, an welchem GEMA-Tarif sich die Richter zu orientieren beabsichtigen bzw. welchen Tarif sie als den dem zu beurteilenden Sachverhalt am nächsten kommend bewerten. 

Der Senat favorisiert in dem Zusammenhang wohl nicht den von den Klägerinnen angeführten Tarif VR W I, der u.a. Hintergrundmusik insbesondere im Bereich der Werbung betrifft, die im Wege des Streaming zur Verfügung gestellt wird, und der eine Mindestlizenz von 100 Euro für bis zu 10.000 Abrufe ansetzt, sondern den allerdings für Komponisten und Textdichter geltenden Tarif VR-OD 5, der die Nutzung einzelner Titel auch durch Internet-Downloads betrifft und der für ein Werk mit einer Spieldauer von bis zu 5 Minuten von einer Mindestvergütung von 0,1278 € pro Zugriff auf den jeweiligen Titel ausgeht. Alternativ gibt das Gericht den klagenden Tonträgerherstellern Gelegenheit, konkreter zu den von ihnen tatsächlich erzielten Vergütungen für Download-Lizenzen vorzutragen.

Eine seriöse richterliche Schätzung etwaiger Schadenshöhen möchte das OLG davon abhängig machen, dass die Musiklabels darlegen, wie viele Zugriffe auf den Rechner des abgemahnten Internetanschluss-Inhabers zum Zweck des Downloads des jeweiligen streitgegenständlichen Titels erfolgt sind. Zumindest erwartet der Senat Angaben dazu, in welcher Größenordnung nach den Ermittlungen der Klägerinnen bei Titeln der streitgegenständlichen Art "Upload-Angebote von an der Tauschbörse Beteiligten erfolgen bzw., wie sich diese Zahlen im fraglichen Zeitraum entwickelt haben."

Diese Betrachtungen und Bewertungen fügen sich systematisch durchaus in die bisherige Rechtsprechungspraxis zu Filesharing-Abmahnungen ein. Relativ neu und bemerkenswert sind aber die folgenden richterlichen Feststellungen: 

"Das Einstellen der Titel in die Tauschbörse hat zwar - wie die Klägerinnen im Ausgangspunkt zutreffend vortragen - einer unübersehbaren Anzahl Beteiligter den Zugriff auf diese ermöglicht, es bestehen aber auch gegen all jene (soweit schuldhaft handelnden) weiteren unberechtigten Nutzer wiederum Schadensersatzansprüche. Eine - aus diesem Grunde zumindest theoretisch möglich erscheinende - vielfache Geltendmachung desselben Schadens ohne Anrechnung der schon erfolgten Ersatzleistung eines der Schädiger dürfte im Ansatz unberechtigt sein."
Damit wird zu Recht die in zahlreichen Abmahnungen der Rechteverwerter propagierte Schadenspotenzierung als haltlos und unseriös entlarvt. Diese Problematik wurde auch bereits vor über einem Jahr in meinem Beitrag zu den unlogischen Boom-Geschäften mit der Lizenzanalogie beim Geschäftsmodell "Filesharing-Abmahnung" erläutert und kritisiert. Es kann und darf nicht angehen, dass im Wege überhöhter und unrealistischer Schadensersatz-Szenarien bei Abmahnungs-Adressaten "Lizenz"-Beträge tatsächlich wiederholt "eingefahren" werden, obwohl etwa an vorausgegangener Stelle der Upload bereits fiktiv im Wege der Lizenzanalogie vergütet bzw. entschädigt worden ist.

Der in Rede stehende OLG-Beschluss bestätigt eine zunehmende Rechtsprechungs-Tendenz dahingehend, distanzierter, objektiver, kritischer und angemessener mit dem Geschäftsmodell der ausufernden Filesharing-Abmahnungen umzugehen.

Samstag, 8. Oktober 2011

Sparkasse sieht ROT: Streit mit Abmahnungen und Prozessen um die Farb-Marke

Ein heftiger Kampf um die Farbe des Geldes wird aktuell zwischen dem Deutschen Sparkassen- und Giroverband und Spaniens größter privater Geschäftsbank, der Santander Bank, vor Hamburger Gerichten und dem DPMA geführt. Es geht um die möglicherweise einen Milliarden-Wert darstellende Farbmarke der Sparkassen mit der Registernummer 302111204. 

Diese Farbmarke wurde am 07.02.2002 angemeldet und ist seit dem 11.07.2007  im Markenregister des DPMA eingetragen - geschützt für die folgenden Dienstleistungen der Klasse 36:
Finanzwesen, nämlich Retail-Banking (Bankdienstleistungen für Privatkunden), insbesondere Kontoführung, Durchführung des Zahlungsverkehrs (Girogeschäft), Ausgabe von Debit- und Kreditkarten, Abwicklung von Geldgeschäften mit Debit- und Kreditkarten, Anlage- und Vermögensberatung, Beratung zu und Vermittlung von Geldanlagen, Wertpapiergeschäft, Depotgeschäft, allgemeine Geldberatung, Vermittlung von Versicherungen, Beratung zu und Vermittlung von Bausparverträgen, Kreditberatung, Kreditgeschäft, Kreditvermittlung.

Nachdem das Landgericht Hamburg der Santander Bank eine weitere Verwendung der streitigen Farbe bereits in mehrfacher Hinsicht verboten hat, gingen die iberischen Banker nun in Berufung vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht. Darüber hinaus betreibt Santander ein Marken-Löschungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt. Die Spanier sind also kampfesmutiger als noch vor einigen Jahren etwa die Norisbank oder die früher noch nicht zu Santander gehörende GE Money Bank.

Die Santander Consumer Bank AG hatte mit Wirkung zum 31.01.2011 den deutschen Retailbankbereich der SEB AG übernommen, deren Filialen bekanntlich damals eine "grüne CI" aufwiesen, bevor der Wechsel zu den bereits seit ca. 25 Jahren blutroten Spaniern geschah.

Die Monopolisierung einer Farbe im Wege einer Farbmarke setzt eine ausreichende Unterscheidungskraft für die beanspruchten Waren und/oder Dienstleistungen voraus sowie eine graphische Darstellbarkeit, die nach der Rechtsprechung nur dann gegeben ist, wenn sie klar, eindeutig, in sich abgeschlossen, leicht zugänglich, verständlich, dauerhaft und objektiv ist. Drshalb wird bei abstrakten Farbmarken der zu schützende Farbton regelmäßig nach einem internationalen Farbklassifikationsssystem - wie z. B. RAL oder HKS - angegeben (bei den Sparkassen ist das HKS 13).

Diese Art der Farb-Monopol-Bildung stößt nicht selten auf Kritik - nicht zuletzt unter Hinweis auf werbliche und marktmäßige Freihaltebedürfnisse sowie im Hinblick auf den Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit.

Für die Prozess-Parteien und deren Rechtsanwälte steht einiges auf dem Spiel - da wird man wohl nach weiterem Austausch farbenfroher Argumente sich doch besser irgendwie grün werden müssen, bevor eine letzte Instanz für eine Seite die "falsche" Entscheidung trifft.

Mittwoch, 5. Oktober 2011

BGH-Urteil zur Verselbständigung von Namen: Das Recht, nach Erwerb von Immobilien den Namen des früheren Eigentümers als Geschäftsbezeichnung und Domain zu nutzen

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Gleichzeitig ein Reminder zum Risiko eines Untergangs bzw. Verfalls sogenannter generischer Marken

Mit Urteil vom 28.09.2011 (Az. I ZR 188/09 - Landgut Borsig) hat der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes entschieden, dass mit dem Erwerb eines Gebäudes oder eines Grundstücks das Recht verbunden sein kann, dieses Anwesen mit dem Namen eines früheren Eigentümers zu bezeichnen (BGH-Pressemitteilung  Nr. 151/2011 vom 29.09.2011).



Kläger ist der in München lebende Nachkomme der Berliner Industriellenfamilie von Borsig. Er hatte den ersten Teil seiner Kindheit auf dem Landgut verbracht.. 

Dessen Vorfahre, Albert Borsig, hatte 1866 das ca. 40 km westlich von Berlin gelegene Gut Groß Behnitz erworben. Nachdem der Grundbesitz 1947 von der sowjetischen Besatzungsmacht enteignet worden war, erwarb der Beklagte zu 1 im Jahr 2000 einen Teil der Liegenschaft von der Treuhand. Der Beklagte zu 1 ist Geschäftsführer der Landgut Borsig Kontor GmbH, die auf dem Anwesen nach der Sanierung unter der Bezeichnung "Landgut Borsig Groß Behnitz" kulturelle und andere Freizeitveranstaltungen durchführt und dort auch typische Produkte aus der Region vertreibt.

Der Beklagte zu 1 hat für sich zudem bei der DENIC den Domainnamen "landgut-borsig.de" registrieren lassen. 


Der Kläger will nach entsprechender Abmahnung die Beklagten verurteilen lassen, es zu unterlassen, die umstrittene Kennzeichnung auf die beschriebene Art und Weise zu verwenden, und ferner die Löschung der registrierten Domain erwirken.

Die Beklagten haben u. a. vorgetragen, ihnen sei die Verwendung des Namens "Borsig" aufgrund einer Gestattung der Borsig GmbH erlaubt. Zudem habe sich der Name "Landgut Borsig" für das Gut in Groß Behnitz verselbständigt und durch den Namensgebrauch seien auch keine schutzwürdigen Interessen des Klägers verletzt.

Die Klage war vor dem Berliner Landgericht (Urteil vom 12.10.2007, Az. 35 O 106/07) und dem Kammergericht (Urteil vom 2010.2009, Az. 5 U 173/07) weitgehend erfolgreich. 

Der BGH hob das Berufungsurteil auf die Revision der Beklagten hin auf. 


Nach Einschätzung des I. Zivilsenats kann der Gebrauch der Bezeichnung "Landgut Borsig" beim Publikum zwar den unzutreffenden Eindruck erwecken, der Kläger habe als Nachfahre des früheren Eigentümers Ernst von Borsig dem Gebrauch seines Namens zugestimmt. Die Beklagten könnten sich auch nicht mit Erfolg auf eine Gestattung der Namensverwendung durch die heutige Borsig GmbH berufen. 

Nach dem Vortrag der Beklagten könne allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass sich der Name "Landgut Borsig" für das Gut Groß Behnitz derartig verselbständigt hat, dass die Zustimmung der Träger des Namens "Borsig" nicht mehr erforderlich war. Voraussetzung hierfür sei, dass die Bezeichnung "Landgut Borsig" zu dem Zeitpunkt, zu dem die Beklagten die Benutzung der Bezeichnung "Landgut Borsig" aufgenommen haben, im allgemeinen Sprachgebrauch der näheren Umgebung üblich war. Hätte sich der Name "Landgut Borsig" auf diese Weise verselbständigt, könnten sich die Beklagten auf dieses Namensrecht stützen. Ihr berechtigtes Interesse, ihre dort betriebenen wirtschaftlichen Aktivitäten mit diesem Namen zu bezeichnen, wäre in diesem Fall nicht zu leugnen. 


Da das Berufungsgericht noch keine Feststellungen dazu getroffen hat, verwies der BGH die Sache an das Kammergericht zurück. 

Vor dem Kammergericht wird es nun auf das Ergebnis der dort durchzuführenden Beweisaufnahme zu den vorgenannten Fragen ankommen. 

Schon jetzt bleibt festzuhalten, dass durch allgemeinen Sprachgebrauch Namensrechte und Kennzeichnungsrechte teilweise untergehen bzw. sich verlagern können und dass mit dem Erwerb von Immobilien oder anderen Objekten auch manchmal unbeabsichtigt oder zunächst unerkannt ein Namensrecht oder Kennzeichnungsrecht bzw. eine Geschäftsbezeichnung generiert oder übertragen werden kann. Diese Phänomen wird auch bei Marken sorgfältig zu beachten bleiben. 

Das Risiko eines Untergangs oder Verfalls von Marken thematisiert § 49 Abs. 2 Ziff. 1 MarkenG, wo es heißt:

... Die Eintragung einer Marke wird ferner auf Antrag wegen Verfalls gelöscht
wenn die Marke infolge des Verhaltens oder der Untätigkeit ihres Inhabers im geschäftlichen Verkehr zur gebräuchlichen Bezeichnung der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, geworden ist ...

Sogenannte praktisch fast zu Gattungsbegriffen gewordene generische Marken wie Aspirin, Bobbycar, Frisbee, Jeep, Kleenex, Nylon, Pampers, Plexiglas, Rigips, Selters, Tempo, Tesa, Uhu oder Vespa können ein Lied davon singen und führen teilweise in dem Zusammenhang harte - manchmal auch gerichtliche - Auseinandersetzungen.

Der Streit um das "Landgut Borsig" bildet in dem Zusammenhang lediglich einen gediegenen Teilaspekt ab, bei dem ein mit einer Kennzeichnung verbundener Immobilienerwerb durch Dritte eine zusätzliche Rolle spielt - neben einer etwaigen Kennzeichen-Verselbständigung durch Eingang in den allgemeinen (regionalen) Sprachgebrauch. Der BGH paart hier die etwaige Entstehung eines allgemeinen regionalen Sprach- und Namensgebrauchs mit einem möglichen Untergang eines objektbezogenen Untersagungsrechts. Den Urteilsgründen kann mit Spannung entgegengesehen werden.


Donnerstag, 29. September 2011

Mit Tinte: Nach Abmahnung und Unterlassungsurteil nun der BGH: Pelikan darf doch Druck machen mit Teddybär und Bade-Ente


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Der 1. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat  Drittanbietern von Druckpatronen nicht untersagt, Bildmotive, die der Originalhersteller für die Zuordnung seiner Patronen zu seinen Druckern verwendet, auch für seine Druckerpatronen zu verwenden.


Geklagt hatte die EPSON Deutschland GmbH, die  Drucker und hierzu passende Farbpatronen herstellt und vertreibt, auf deren Verpackung neben der Artikelnummer und der passenden Drucker-Bezeichnung jeweils Bildmotive  angebracht sind. Die Teddybären, Bade-Enten und Sonnenschirme sollen dann die Zuordnung des Patronentyps zum passenden Drucker ermöglichen. Die Bildmotive weisen die Farbe bzw. die Farben der in der konkreten Patrone enthaltenen Tinte aus. 


Die Tintenauswahl der Beklagten, Unternehmen des Pelikan-Konzerns, umfasst u. a. auch für EPSON-Drucker geeignete Patronen, wobei die Verpackungen der Beklagten ähnliche Bildmotive aufweisen. Die Klägerin hält die Übernahme der Bildmotive insbesondere wegen unzulässiger Rufausbeutung für wettbewerblich unlauter. 

Das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 18.07.2008 (Az. 38 O 185/07) hatte der auf Unterlassung, Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichteten Klage stattgegeben. Das OLG (Az. 20 U 190/08) gab der Beklagten am 09.02.2010 nur in geringem Umfang Recht, bejahte allerdings im Ergebnis eine unlautere Rufbeeinträchtigung. Zur Begründung führte das Berufungsgericht aus, die Verwendung der Bildmotive seitens der Beklagten schwäche zwangsläufig die Zuordnung der Motive zum Unternehmen der Klägerin. Dies sei deshalb unlauter, weil sie über das Maß hinausgehe, das mit vergleichender Werbung notwendigerweise verbunden sei.

Der BGH hat am 28.09.2011 die Urteile von Landgericht und Oberlandesgericht aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen (Az. I ZR 48/10). Nach den hier heranzuziehenden Bestimmungen des § 6 I Nr. 4 Fall 2 UWG  i. V. m. Art. 5 Buchstabe d der Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung sei eine vergleichende Werbung nämlich nur dann unzulässig, wenn diese Werbung das fremde Zeichen herabsetzt oder verunglimpft. Eine Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft, die das Berufungsgericht als ausreichend angesehen hat, sei mit einer Rufbeeinträchtigung nicht gleichzusetzen. 


Auf eine daneben noch zu erwägende Rufausnutzung, die grundsätzlich ebenfalls zur Unzulässigkeit einer vergleichenden Werbung führen kann, kommt es nach Auffassung des 1. Zivilsenats in Karlsruhe im Streitfall nicht an. 

Im Rahmen einer vergleichenden Werbung sei eine gewisse Rufausnutzung oft unvermeidbar. Ob der Werbende, der sich im Rahmen einer vergleichenden Werbung auf ein fremdes Produkt bezieht, auf eine schonendere Form der Bezugnahme verwiesen werden könne, sei eine Frage, die nur im Wege einer Abwägung der Interessen des Werbenden, des betroffenen Zeicheninhabers und der Verbraucher beantwortet werden könne. Da sich Besitzer von EPSON-Druckern allerdings unstreitig vor allem an den Bildmotiven orientierten, müsse es den Beklagten - auch im Interesse der Verbraucher - erlaubt bleiben, zur Kennzeichnung unterschiedlicher Drucker nicht nur auf die Bestellnummern, sondern - zumindest in abgewandelter Form - zusätzlich auf die genannten Bildmotive zu verweisen. 

Eine gewisse Rufausnutzung und Darstellungs-Anlehnung ist also im Rahmen zulässiger vergleichender Werbung nach Einschätzung des Bundesgerichtshofes vom Wettbewerber hinzunehmen.  Eine Entscheidung, die einer zu weitgehenden Monopolisierung werblicher Darstellungsformen entgegentritt.

Das Urteil wurde noch nicht veröffentlicht.


Montag, 12. September 2011

Nach einer Abmahnung im Urheberrecht, Markenrecht oder Wettbewerbsrecht: Einfach 'ne modifizierte strafbewehrte Unterlassungserklärung?

Immer häufiger erschrecken sich internet-affine Abmahnungs-Adressaten: Nach intensiver Online-Recherche in den erkenntnisreichen Tiefen des WorldWideWeb hatte man eine gut klingende sogenannte "modifizierte UE" abgegeben und so innerhalb der ohnehin von der Abmahnungskanzlei recht knapp bemessenen Frist auf die als unverschämt empfundene Abmahnung schriftlich reagiert. Erst nach weiteren Anwaltsschreiben und nach Erhalt von Gerichtspost zeigt der nun eingeschaltete eigene Rechtsanwalt diverse rechtliche und taktische Fehler auf, die sich bei rechtzeitiger und sorgfältiger Überlegung eigentlich hätten vermeiden lassen.

Trotz - oder gerade wegen - des durch die Abmahnungspost erzeugten Zeitdrucks empfielt sich u. a. insbesondere die Prüfung der folgenden Gesichtspunkte, bevor sachgerecht entschieden werden kann, ob die angeforderte strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung mit dem vorformulierten Inhalt, in welcher modifizierten Form oder überhaupt nicht abgegeben werden sollte.

Die pauschalen Formulierungs-Tipps aus dem Netz zur vermeintlich generell richtigen modifizierten strafbewehrten Unterlassungserklärung sind ohne Abstimmung mit den konkret betroffenen Sachverhalten, Hintergründen, Risiken und Interessen recht gefährlich und im Ergebnis nicht zu verantworten.


Zunächst ist nämlich in jedem Einzelfall genau zu prüfen, ob es überhaupt realistische Prozessrisiken gibt für den Fall, das von der Abgabe einer Unterlasungserklärung abgesehen wird. Immerhin kann ein Vertragsstrafenversprechen sehr teuer werden und bleibt zumindest 30 Jahre lang gültig und verbindlich.

Nicht selten ist zumindest die sofortige Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung nicht zu empfehlen, solange nicht vorher im konkreten Fall erforderliche oder zumindest sinnvolle Vorsorge- und/oder Sicherungs-Maßnahmen getroffen worden sind.

Dabei ist auch auf etwaige Risiken zu achten, für Dritte haften zu müssen - sofort oder auch nach mehreren Jahren, z.B. wenn Kinder oder Enkelkinder, Mitarbeiter oder Kollegen in zurechenbarer Weise etwaige Verstöße begehen.

Vorsicht geboten ist bei der unbeabsichtigten konkludenten Verknüpfung der Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung mit weitergehenden Anerkenntnissen - z. B. hinsichtlich Schadensersatz oder Kostenerstattung.

Andererseits muss die Erklärung den Anforderungen der aktuellen Rechtsprechung hinsichtlich einer ausreichenden Ernsthaftigkeit und Rechtsverbindlichkeit entsprechen. Sonst kann trotz gutwilliger Erklärungsabgabe dennoch der Erlasss einer einstweiligen Verfügung und/oder eines Unterlassungs-Urteils drohen.

In einigen fälschlicherweise empfohlenen Erklärungs-Entwürfen findet sich ein sogenannter "Ausschluss der Einrede des Fortsetzungszusammenhangs", obwohl ein Unterlassungsschuldner zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr und damit der gegnerischen Klagebefugnis zu dem damit verbunden Einwendungs-Verzicht gar nicht verpflichtet ist. Von einem derartigen Geschenk an den Abmahner ist folglich dringend abzuraten.

Die Vertragsstrafen-Zusage sollte auch nicht so abgefasst sein, dass der Eindruck entstehen könnte, zukünftig auch für unverschuldete Verstöße zu haften. Auch hierauf hat der Unterlassungsgläubiger nämlich keinen Anspruch.

Ungeschickte Formulierungen können in einem späteren Streitfall schaden, geschickte Formulierungs-Nuancen können bei nicht auszuschließenden nachfolgenden Auseinandersetzungen hilfreich und von Nutzen sein.

Gut zu überlegen ist in jedem Fall, welche Verstoß-Sachverhalte überhaupt relevant sind bzw. noch relevant werden können und ob im konkreten Einzelfall und vor dem Hintergrund der speziellen Risiken und Erwartungen eher eine möglichst eng am vorgeworfenen Verstoßsachverhalt orientierte oder eher eine weite Fassung des Verbotes innerhalb der Unterlassungserklärung zu empfehlen ist. Hierbei werden auch Einschätzungen zu und Erfahrungen mit dem abmahnenden Rechteinhaber und/oder dessen Rechtsanwalt von Bedeutung sein.

Und Achtung, wenn es um's Geld geht: Es besteht zum Einen die Möglichkeit, eine konkret bezifferte Vertragsstrafe einzusetzen, deren Höhe dann bei Erklärungsabgabe festzulegen ist. Zum Anderen kann man stattdessen auf den sogenannten neuen Hamburger Brauch zurückgreifen und die Höhe der Vertragsstrafe nicht festschreiben, sondern in das gerichtlich (nicht immer nur landgerichtlich!) überprüfbare Ermessen des Unterlassungsgläubigers stellen. In dem Zusammenhang vergessen viele, dennoch zumindest eine von der Rechtsprechung bei ausreichender Bemessung zugebilligte Obergrenze festzulegen.

Es sollte ferner verantwortungsvoll geklärt werden, ob im Einzelfall die Unterlassungserklärung befristet und/oder bedingt abgegeben werden darf und soll und welche etwaigen auflösenden Bedingungen sich empfehlen.

Manchmal ist es zudem sinnvoll, über vorsorgliche weitere Unterlassungserklärungen gegenüber Dritten nachzudenken sowie darüber, welche weiteren Veranlassungen und Absicherungen nach der Erklärungsabgabe vorzunehmen sind und welche weiteren Personen nachher oder besser vorher zu informieren und zu instruieren sind.

Schließlich ist es rechtlich und taktisch anzuraten, der schriftlichen strafbewehrten Unterlassungserklärung sinnvolle und hilfreiche weitere Hinweise und Argumente beizufügen, um anlässlich der erhaltenen Abmahnung möglichst zielführend zu agieren und anschließende gerichtliche Verfahren und Kosten zu vermeiden.

Einfach 'ne modifizierte Allround-Unterlassungserklärung aus dem Netz oder von guten Freunden kann folglich den oben angesprochenen individuellen Interessen und Risiken oft nicht ausreichend gerecht werden. Was ist schon einfach?

Sonntag, 4. September 2011

Die Marke als Allheilmittel oder unnötiger Blindflug in die Welt der Abmahnung


Ähnlichkeitsrecherche wichtiger als Markenanmeldung?

In den vergangenen Jahren wurden allein beim Deutschen Patent- und Markenamt jährlich jeweils fast 75.000 Markenanmeldungen vorgenommen. Ist schon schön, so eine eigene MARKE. Das denken sich auch viele (Klein-)Unternehmer und Dienstleister, die mit ihrer Außendarstellung "was hermachen" möchten. Da geht es u.a. darum, den eigenen Namen bzw. das eigene Kennzeichen zu schützen ... und manchmal auch darum, die eigenen kleinen Eitelkeiten zu bedienen und/oder zu befriedigen.

Das ist ja grundsätzlich auch nichts Schlimmes. Schlimm können allerdings die Folgen unüberlegt kurzfristiger und kurzsichtiger "Marken-Aktionen" sein.

So ist der Schritt zu rechtlich und finanziell dramatischen Kollisionen mit ggf. vorrangigen Namens-, Firmen-, Kennzeichen- oder Markenrechten Dritter oft nicht weit. Dies gilt nicht nur bei identischen Bezeichnungen und bei der Berührung von Rechten unmittelbarer Konkurrenten. Das kann auch bei lediglich ähnlicher Logo- oder Wortwahl bzw. bei der Tangierung bekannter Marken - selbst ohne Branchennähe oder sich aufdrängernde Verwechslungsgefahr - auf dem Terrain von Markenrecht und Wettbewerbsrecht gefährlich werden.

Eine nicht geringe Menge Rechtsanwälte und Patentanwälte befasst sich fast ausschließlich mit der Recherche nach mutmaßlichen Verletzungen von Markenrechten ihrer Mandanten und mit daraus erwachsenden Abmahnungen und auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz gerichteten gerichtlichen Verfahren. Da kommt schnell Kater-Stimmung auf, wenn hohe Regress- und Kosten-Forderungen im Briefkasten landen. Was ist denn da schiefgelaufen?

Nicht nur vor einer Markenregistrierung, schon bei Nutzung einer Bezeichnung oder Kennzeichnung im geschäftlichen Verkehr - etwa auch als Domain - ohne vorherige Markenanmeldung ist Umsicht und Vorsicht geboten vor rechtsverletzenden Kollisionen mit vorgehenden Rechten Dritter. Deshalb ist eine Verwendung von Wort-Kennzeichen oder grafischen Logos im Geschäftsleben ohne vorausgegangene Ähnlichkeitsrecherche kaum zu verantworten. Eine eigene Online-Suche bei Google (und anderen geeignet erscheinenden Suchmaschinen) und die eigene Durchsicht von Markenregistern, Handelsregistern und Branchen-Listen sind ein erster Schritt zu vielleicht hilfreichen Überprüfungen. Vertieftere Ergebnisse kann ggf. eine anwaltliche Ähnlichkeitsrecherche liefern. Dabei sollten neben dem jeweils konkreten Risiko-Potenzial auch etwaige konstruktive Begrenzungsmöglichkeiten und Handlungs-Alternativen abgefragt werden.

Und was ist nun mit der Markenanmeldung?

Da wird häufig vom kleinen Unternehmen(sgründer) bzw. Dienstleister die gerade durch eine Markenanmeldung stattfindende Erhöhung der Kollisions- und Konflikt-Risiken unterschätzt ... und der Sinn der schnellen Anmeldung im konkreten Fall nicht selten überschätzt.

Durch die Anmeldung werden manche Streitigkeiten im Markenrecht erst "provoziert", die ohne Anmeldung vielleicht - mangels transparenter Registrierung - gar nicht aufgekommen wären. Dies kann selbstverständlich kein Aufruf sein, Markenverletzungen ohne Markenanmeldung zu betreiben!

In einer großen Zahl von Fällen bedarf  es für einen ausreichenden Kennzeichenschutz allerdings nicht unbedingt einer Markeneintragung: Der Familienname und das Unternehmens-Kennzeichen bzw. die Firma (der Name, unter dem ein Kaufmann auftritt) genießen auch ohne Markeneintragung rechtlichen Schutz vor Verletzung und Missbrauch. Der Dienstleister wird in seinem Geschäftsumfeld oft keine zusätzliche Produkt-Kennzeichnung benötigen - zumal seine Leistungen im Wesentlichen durch seine Persönlichkeit und seine Individualität gekennzeichnet werden. Allerdings kann ein Unternehmens-Kennzeichen nicht ohne Weiteres übertragen bzw. lizensiert werden, wie dies bei der Marke der Fall ist. In vielen Fällen wird es auf eine derartige Verwertungsmöglichkeit aber nicht entscheidend ankommen. Dann kann eine kreativ und klug eingesetzte Unternehmenskennzeichnung für eine gelungene und rechtlich geschützte Außendarstellung völlig ausreichen.

Und dann ist es wichtiger, bei der Auswahl und Gestaltung der Firmierung und Domain eine sorgfältige Recherche nach konfliktträchtigen ähnlichen Kennzeichen oder Marken Dritter durchzuführen, als eine "chicke" Marke für das geschäftliche und werbliche Allheilmittel zu halten. Zumal gerade in der Gründungsphase die finanziellen Ressourcen ohnehin regelmäßig eher begrenzt sein werden.


Freitag, 19. August 2011

Enthüllung: Anwälte nehmen Geld für die Abwehr von Filesharing-Abmahnungen

Jetzt ist es doch rausgekommen: Es gibt Rechtsanwälte, die lassen sich von ihren Mandanten für die Beratung und die außergerichtliche und/oder prozessuale anwaltliche Vertretung bei der Abwehr von urheberrechtlichen Abmahnungen eine Vergütung zahlen. Ein Skandal!

Und dabei beraten, prüfen und recherchieren diese mit derartigen Dienstleistungen Geld verdienenden Anwälte lediglich u.a.
  • ob evtl. eine bloße Fake- oder Trittbrettfahrer-Abmahnung ohne realen Hintergrund vorliegt,
  • ob der vermeintliche Rechteinhaber überhaupt grundsätzlich aktivlegitimiert ist,
  • ob bereits Erkenntnisse oder Erfahrungen mit der ausgewiesenen Anwaltskanzlei bzw. dem dortigen anwaltlichen Sachbearbeiter und/oder dem dortigen Abmahner und den auf der Gegenseite bisher gehandhabten individuellen außergerichtlichen und/oder gerichtlichen Vorgehensweisen bestehen und wie diese Erkenntnisse und Erfahrungen für den Mandanten bzw. die Mandantin nutzbringend und zielführend verwendet werden können,
  • ob und wie ein evtl. in welcher Weise angreifbares Auskunftsverfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG stattgefunden hat,
  • welche in welcher Weise evtl. relevanten gerichtlichen Entscheidungen in der Abmahnung unter Bezug genommen werden und welche aktuelle Rechtsprechung dem entgegengehalten werden kann,
  • welche klärenden und/oder hilfreichen Informationen und Details evtl. der Abmahnungsadressat und/oder dritte Personen beibringen können (u.a. auch
  1. zu den Wohnverhältnissen,
  2. zur An- oder Abwesenheit während der fraglichen "Tatzeit",
  3. zur technischen und vertraglichen Konfiguration und Absicherung des Internetanschlusses,
  4. zur Belehrung und Überwachung anderer Nutzer des Internetzugangs,
  5. zu Nutzungsgewohnheiten und zur Download-/Upload-Praxis im Internet,
  6. zu etwaigen Beweismitteln und evtl. noch möglichen Beweissicherungen im Hinblick auf eine sekundäre Darlegungs- und Beweispflicht - und zu vielem mehr).
Zudem sind u.a. zu erörtern
  • die Angaben des Abmahners zu dort vermeintlich recherchierten (dynamischen) IP-Adressen, Hashwerten, Dateinamen etc.,
  • weitere Einzelheiten zur Frage einer etwaigen Störerhaftung bzw. deren Verneinung,
  • angebliche Schadens-Szenarien und -Beträge, deren etwaige Grundlagen und im konkreten Fall durchgreifende Gegenargumente,
  • angebliche Streitwerte, bezifferte Gebühren und behauptete Kostenerstattungsansprüche sowie in Betracht kommende Einwendungen dagegen.
Die im Abmahnungsschreiben vorgegebene formularmäßige strafbewehrte Unterlassungserklärung ist anwaltlich zu prüfen und mit dem Mandanten bzw. der Mandantin sorgfältig zu erörtern, auch wenn auf Seiten der Mandantschaft kein urheberrechtlicher Verstoß ersichtlich ist: Diesbezüglich darf ich auf meinen Beitrag "Die strafbewehrte Unterlassungserklärung nach der Abmahnung - Wichtige Fragen und Details" verweisen, in dem ich mich mit den 
  • 20 (!) wichtigsten Gesichtspunkten
hierzu und zu evtl. anpassungs-, streichungs- und/oder ergänzungsbedürftigen Einzelheiten einer im konkreten Fall sich verbietenden oder sach- und interessengerechten modifizierten Erklärung befasse.


Und schließlich erwartet der Abmahnungsempfänger auf der Basis der unter Beachtung knapper Fristsetzungen stattgefundenen Prüfungen, Recherchen und Erörterungen als anwaltliche Dienstleistung eine versierte 
  • Einschätzung der in seinem konkreten Fall bestehenden Risiken und Chancen und dazu, wie es nach dem etwaigen, auf der Basis der mit ihm erörterten Einzelheiten gefertigten Abwehrschreiben weitergeht.


Und dafür verlangen einige Rechtsanwälte tatsächlich Geld von ihrer Mandantschaft. 
Ich muss gestehen: Ich entfalte meine anwaltlichen Dienstleistungen ebenfalls ausnahmslos entgeltlich.

Samstag, 13. August 2011

Wir basteln uns eine Filesharing-Abmahnung - Eine böse Glosse zum Urheberrecht

Verregnete Ferientage sind die richtige Zeit, um mit geschickt gebastelten Rundschreiben ein zusätzliches Urlaubsgeld zu gewinnen. Dabei geben die Praktiken einiger besonders gewiefter Angehöriger der Abmahnungsbranche hilfreiche Anregungen für ein leicht verdientes urheberrechtliches Zubrot.

Dies gilt um so mehr, als liebevoll gestaltete Abmahnungspost gerade in der Ferienzeit lukrative Wirkungen entfalten kann: Während der Urlaubsvorbereitungen, kurz vor Urlaubsantritt oder auch unmittelbar bei Rückkehr von der Reise ist die Bereitschaft vieler, dann besonders gestresster Abmahnungsempfänger sehr groß, durch Zahlung des vermeintlich entgegenkommenden Vergleichsbetrages und Abgabe der freundlicherweise bereits vorgedruckten Unterlassungserklärung befürchtete zusätzliche Unannehmlichkeiten und Kosten zu vermeiden.

Fangen wir also gleich damit an, ein geeignetes Abmahnungselaborat zusammen zu basteln.

Die schriftliche Vollmacht eines Rechteinhabers ist dazu nicht erforderlich. Wir benötigen auch kein besonders gelungenes oder erfolgreiches (Musik- oder Film-)Werk. Ein Song von Platz 98 der "Charts" oder ein Low-Budget-Porno-Film reichen völlig aus als Grundlage lukrativer Geschäftspolitik.

Jetzt gilt es, einen gewitzten IT-Freak mit einem kleinen Anti-Piracy-Unternehmen zu finden, der sich mit möglichst geringem und billigem technischen Aufwand in Tauschbörsen einloggt und dort sicherlich schnell und massenhaft IP-Adressen ermittelt, über die wilde Surfer zumindest Fragmente der entsprechenden Audio- oder Video-Werke (mit zumindest entsprechendem Dateinamen und/oder Hashwert) down- und upgeloaded haben.

Mit den entsprechenden Daten-Listen geht´s dann zur zuständigen Urheberrechtskammer beispielsweise des Landgerichts Köln, München, Bielefeld oder Flensburg, wo in einem recht automatisierten und formularisierten Verfahren der der jeweiligen IP-Adresse zuzuordnende ISP (Internet-Service-Provider) gerichtlich verpflichtet wird, Auskunft über Name und Adresse des zum fraglichen (nicht selten wirklich fraglichen) Zeitpunkt der ermittelten IP-Adresse zuzuordnenden Anschlussinhabers zu erteilen. Die Angabe von Zeugen oder die Vorlage substantiierter Gutachten von öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen wird in diesem Verfahren nicht von uns verlangt. Im Auskunftsverfahren müssen wir auch nichts beweisen; das Gericht muss lediglich glauben, was wir erzählen.

Damit haben wir schon mal das Wichtigste für das Basteln eines Abmahnungsschreibens: die postalische Adresse.

Nun sammeln wir noch ein wenig kompliziert klingende juristische Fachterminologie, gepaart mit technischen Vokabeln und einigen Paragraphen. Das ganze ergänzen wir um ausgewählte passende und unpassende Gerichtsurteile und Urteilszitate.

Wichtig ist es bei der Abfassung unseres Bastel-Briefes, darin keinerlei Zweifel oder Unsicherheit hinsichtlich der vorausgegangenen Daten-Recherche und der Frage der wirklichen und konkreten Verantwortlichkeit des Adressaten oder der Adressatin aufkommen zu lassen. Entlastende oder auch nur differenzierende Gerichtsentscheidungen sind tunlichst zu verschweigen oder gewieft umzuinterpretieren. Den kritischen Stimmen forensisch besonder anspruchsvoll agierender Sachverständiger verleihen wir besser kein Gehör.

Die Abmahnungs-Adressaten bezeichnen wir als Störer, obwohl uns die Gelegenheit zur Abmahnung eigentlich eher nicht stört. Den Internet-Anschluss deklarieren wir zur gemeinen, in jedem Fall haftungserzeugenden Gefahrenquelle - gleichsam das Kraftfahrzeug im worlwide Web der Raubkopierer und Piraten.

Mit juristischer Prosa sollte man keineswegs sparsam umgehen. Das streckt das "Lese-Erlebnis" für den Abmahnungsempfänger bzw. die Abmahnungsempfängerin und erhöht den dortigen Stress-Faktor.

Geschmacklich können wir beliebig wählen zwischen bitteren und scharfen Androhungen auf der einen Seite und gefälligen und lieblichen Vergleichs-Formulierungen auf der anderen Seite der Geschmacks-Skala. Kein Zweifel sollte allerdings über die extreme Wertigkeit und Hochpreisigkeit des Streitstoffes aufkommen. Nur was teuer ist, ist auch gut.

Etwaigen Kritikern des Schriftstücks und des damit massenhaft verbreiteten Geschäftsmodells sollte von vornherein der Wind aus den Segeln genommen werden - mit vollmundiger "Zweifellos-Argumentation".

Die Ankündigung dramatischer Schadens- und Kosten-Szenarien darf ebenfalls nicht fehlen: Angst essen Seele auf.


Abgerundet wird das Ganze mit tränenreichen Ergüssen über das Darben der piraten-gebeutelten Rechte-Industrie.


Für zukünftig etwaig weiter sprudelnde Geldquellen empfiehlt sich die möglichst gewitzte Abfassung einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Das Formular bedarf je nach Ausgangssituation entweder einer sehr engen Abfassung des "Verstoß"-Sachverhaltes, um durch nachfolgende weitere Abmahnungen hinsichtlich ähnlicher "Verstöße" wiederholt kurzfristigst Kasse machen zu können, oder aber unangemessen weiter Fassung der "Verstoß"-Sachverhalte, um die lukrativen Möglichkeiten eventueller späterer Vertragsstrafen-Forderungen zu maximieren.

Die Vertragsstrafen sollten wir so ansetzen, dass entweder generell ein konkreter, recht hoher Betrag für jeden atomisierten Einzelfall zu zahlen ist, oder aber - ohne fixierte Bezifferung - nach oben unbegrenzte Summen zu verdienen sind.

Bei der Kostenrechnung gehen wir selbstverständlich von überhöhten Streitwerten auf der Basis veralteter Gerichtsurteile aus und lehnen jede Relevanz der etwaigen Kappungsgrenze von 100 Euro ab, auch wenn nur ein "Chart"-Song zur Grundlage unseres Abmahnungs-Werkes gemacht wird.

Schließlich fehlt nur noch die Einsetzung einer klitzekleinen Frist, um den Druck auf die Abmahnungsempfänger in der Ferienzeit und damit die Aussicht auf schnelles Geld noch mehr zu erhöhen.

Dann frisch an's Werk, eine frohe Bastelstunde und viel, viel "Urlaubsgeld".



Samstag, 23. Juli 2011

Urheberrecht: Vergütungspflicht für Drucker und PC? Vorlage des BGH zum EuGH

Am 21. Juli 2011 hat der BGH dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung mehrere Fragen zur Vergütungspflicht von Drucker und PC vorgelegt. 

Klägerin ist die VG Wort. Die Beklagten vertreiben Drucker und PCs in Deutschland. 

Die Klägerin verlangt in insgesamt vier Verfahren von den Beklagten eine Vergütung für diese Geräte.


Nach dem bis 2007 geltenden und in dem zu entscheidenden Fall noch anzuwendenden Recht hat der Urheber eines Werkes einen Vergütungsanspruch gegen Hersteller, Importeur und Händler, falls die Geräte dazu bestimmt sind, ein derartiges Werk (gem. § 54a Abs. 1 Satz 1 UrhG a.F.) "durch Ablichtung eines Werkstücks oder in einem Verfahren vergleichbarer Wirkung" zu vervielfältigen, um auf diese Weise dem Urheber einen Ausgleich dafür zu verschaffen, dass Vervielfältigungen zum eigenen Gebrauch unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne seine Zustimmung zulässig sind. 


Vor den Oberlandesgerichten Stuttgart und München hat die VG Wort zum größten Teil obsiegt. Der Bundesgerichtshof hat diese Urteile aufgehoben und die Klagen abgewiesen - ebenso wie das Oberlandesgericht Düsseldorf in zwei dort anhängigen Verfahren, in denen die VG Wort auch mit der Revision in Karlsruhe scheiterte. 

Das Bundesverfassungsgericht hat die Entscheidungen des BGH aufgehoben und die Sachen zurückverwiesen. Der I. Zivilsenat des BGH hat daraufhin alle Verfahren ausgesetzt und dem EuGH mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt - und zwar zur Auslegung der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft:


Die Bundesrichter stellen primär die Frage, 

ob es sich bei Vervielfältigungen mittels Druckern und PCs um Vervielfältigungen "mittels beliebiger fotomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung" im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie handelt. 

Dies erscheint deshalb klärungsbedürftig, weil nach § 54a Abs. 1 Satz 1 UrhG aF eine Vergütungspflicht nur für Geräte besteht, die dazu bestimmt sind, ein Werk "durch Ablichtung eines Werkstücks oder in einem Verfahren vergleichbarer Wirkung" zu vervielfältigen. 

Bei der Beantwortung dieser Frage kommt es nach Einschätzung der Karlsruher Richter darauf an, innerhalb welcher "Geräteketten" Drucker und PCs zur Vornahme von Vervielfältigungen benutzt werden (So könnten z. B. mit einer "Gerätekette" aus Scanner, PC und Drucker Vervielfältigungen wie mit einem herkömmlichen Fotokopiergerät hergestellt werden; demgegenüber sei dies bei einer lediglich aus einem PC und einem Drucker bestehenden "Gerätekette" gerade nicht der Fall: Damit könnten nur digitale Vorlagen vervielfältigt werden.).


Für den Fall, dass die Frage bejaht wird, hat der BGH dem EuGH die weitere Frage vorgelegt, 
"ob die Anforderungen der Richtlinie an einen gerechten Ausgleich für Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht (Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie) unter Berücksichtigung des Grundrechts auf Gleichbehandlung (Art. 20 der EU-Grundrechtecharta) auch dann erfüllt sein können, wenn nicht die Hersteller, Importeure und Händler der Drucker oder der PCs, sondern die Hersteller, Importeure und Händler eines anderen Geräts oder mehrerer anderer Geräte einer zur Vornahme entsprechender Vervielfältigungen geeigneten Gerätekette den gerechten Ausgleich der Rechtsinhaber zu finanzieren haben".

Nach der bisherigen Rechtsmeinung des BGH ist grundsätzlich nur das Gerät einer solchen "Gerätekette"  vergütungspflichtig gem. § 54a Abs. 1 UrhG, "das am deutlichsten dazu bestimmt ist, zusammen mit den anderen Geräten wie ein Vervielfältigungsgerät eingesetzt zu werden":

Falls die "Gerätekette" aus Scanner, PC und Drucker besteht, dann sei das "Vervielfältigungsgerät" der Scanner. 

Soweit auch Drucker und PC dem Grunde nach zu den vergütungspflichtigen "Vervielfältigungsgeräten" gehören, stellen sich  im Zusammenhang mit der Bemessung der Höhe der Vergütung nach Auffassung des BGH weitere Fragen zur Auslegung der Richtlinie. Insbesondere danach, 
"ob die Mitgliedstaaten auch dann für Einschränkungen des Vervielfältigungsrechts einen im Sinne der Richtlinie gerechten Ausgleich zugunsten der Rechtsinhaber vorsehen müssen oder dürfen, wenn die Rechtsinhaber einer Vervielfältigung ihrer Werke ausdrücklich oder konkludent zugestimmt haben".
Es ist zu beachten, dass nach der in den hier zu entscheidenden Fällen noch nicht anzuwendenden, seit 2008 geltenden gesetzlichen Regelung des § 54 Abs. 1 UrhG ein Vergütungsanspruch hinsichtlich sämtlicher Gerätetypen besteht, die zur Vornahme von bestimmten Vervielfältigungen zum eigenen Gebrauch benutzt werden. Der Vergütungsanspruch ist danach folglich nicht mehr davon abhängig, ob Geräte dazu bestimmt sind, ein Werk "durch Ablichtung eines Werkstücks oder in einem Verfahren vergleichbarer Wirkung" zu vervielfältigen. Für Alt-Fälle bleiben die EuGH-Klärungen nach dem bisher stattgefundenen langen Instanzen-Marathon spannend.

Donnerstag, 23. Juni 2011

Rote Karte für "Rechteverwertung" durch die Fußball-Bundesliga: Urheberrecht am Spielplan?

Die Deutsche Fußball Liga (DFL) berühmt sich eines Urheberrechts am Bundesliga-Spielplan. Der leitende Justitiar der DFL, Holger Blask, meint, dass "die DFL bei seiner Erstellung eine erhebliche schöpferische Leistung" erbringe. Diese bestehe "insbesondere aus der Anordnung der Begegnungen mit Blick auf verschiedenste Kriterien wie die sportliche Ausgeglichenheit, Attraktivität für die Fans sowie Sicherheitsbelange und der Auswahl der konkreten Spieltermine". 

Der Kollege Hoesmann  folgt dieser Auffassung - unter Hinweis auf § 4 UrhG, wonach Sammlungen von Daten, die aufgrund der Auswahl oder Anordnung der Elemente eine persönliche geistige Schöpfung sind, geschützt werden. "Dieses Merkmal kann durchaus bei dem Spielplan bejaht werden, stellt die Anordnung der Begegnungen doch eine schöpferische Leistung dar, bei welcher viele verschiedene Kriterien berücksichtigt werden müssen", so Hoesmann. Da kündigen sich Abmahnungen an.

Dies verlangt und verdient Widerspruch - zumindest die Gelbe, wenn nicht sogar die Rote Karte:

Wo ist die individuelle sprachliche schöpferische Leistung, auf die es bei Sprachwerken ankommt? Wie bei Bedienungsanleitungen oder Rezepten ist nicht das technische Know-how oder die “Kochkunst” entscheidend, sondern die schöpferische Beschreibungsform (nicht der dargestellte Inhalt!). Der Spielplan hat allerings sprachlich eine recht “karge” Ausprägung ;).  Da würde übrigens auch kein Seitenblick auf  § 87a UrhG helfen, wonach Datenbanken urheberrechtlichen Schutz genießen können:
"Datenbank im Sinne dieses Gesetzes ist eine Sammlung von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen, die systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise zugänglich sind und deren Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung eine nach Art oder Umfang wesentliche Investition erfordert. Eine in ihrem Inhalt nach Art oder Umfang wesentlich geänderte Datenbank gilt als neue Datenbank, sofern die Änderung eine nach Art oder Umfang wesentliche Investition erfordert."

Die "Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung" der im Bundesliga-Spielplan enthaltenen "Daten" erforderten seitens des "Herstellers" aber keine wesentlichen Investitionen.

Mit Urteil vom 09.11.2004 - C-46/02 - hat die Große Kammer des EuGH entschieden:
"Der Begriff einer mit der Beschaffung des Inhalts einer Datenbank verbundenen Investition im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie 96/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken ist dahin zu verstehen, dass er die Mittel bezeichnet, die der Ermittlung von vorhandenen Elementen und deren Zusammenstellung in dieser Datenbank gewidmet werden. Er umfasst nicht die Mittel, die eingesetzt werden, um die Elemente zu erzeugen, aus denen der Inhalt einer Datenbank besteht. Im Rahmen der Aufstellung eines Spielplans von Begegnungen zur Veranstaltung von Fußballmeisterschaften erfasst er daher nicht die Mittel, die der Festlegung der Daten, der Uhrzeiten und der Mannschaftspaarungen für die einzelnen Begegnungen dieser Meisterschaften gewidmet werden."

M.E. hätte die DFL hinsichtlich der Bundesliga-Spielpläne allenfalls über wettbewerbsrechtliche Ansätze vielleicht eine etwas größere Chance, in ausgewählten Fällen Leistungsschutz nach dem UWG hinsichtlich der Spielpläne zu erlangen. Hinzu können selbstverständlich Ansprüche aus dem Markenrecht kommen, soweit relevante Verletzungshandlungen auftreten.

Sonntag, 19. Juni 2011

BGH verhandelt über "Falschzitat" oder journalistische Interpretationsfreiheit

Eine ehemalige Tagesschau-Sprecherin und populäre Moderatorin, Journalistin und Buchautorin und der Springer-Verlag verhandeln am 21.06.2011 vor dem 6. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes (VI ZR 262/09). Der Klage der prominenten Medienfrau vorausgegangen waren Urteile des Landgerichts Köln vom 14.01.2009 (28 O 511/08) und des Oberlandesgerichts Köln vom 28.07.2009 (15 U 37/09).
 
Die Klägerin hat den Verlag  auf Unterlassung, Richtigstellung und Zahlung einer Geldentschädigung verklagt wegen einer Wortberichterstattung über eine mündliche Äußerung anlässlich ihrer Buchvorstellung.

Die Klägerin hatte auf der streitbefangenen Pressekonferenz am 6. September 2007 gegenüber den anwesenden Journalisten geäußert:
"Wir müssen den Familien Entlastung und nicht Belastung zumuten und müssen auch ´ne Gerechtigkeit schaffen zwischen kinderlosen und kinderreichen Familien. Wir müssen vor allem das Bild der Mutter in Deutschland auch wieder wertschätzen, das leider ja mit dem Nationalsozialismus und der darauf folgenden 68er-Bewegung abgeschafft wurde. Mit den 68ern wurde damals praktisch alles das - alles was wir an Werten hatten - es war ne grausame Zeit, das war ein völlig durchgeknallter Politiker, der das deutsche Volk ins Verderben geführt hat, das wissen wir alle - aber es ist eben auch das, was gut war - das sind die Werte, das sind Kinder, das sind Mütter, das sind Familien, das ist Zusammenhalt - das wurde abgeschafft. Es durfte nichts mehr stehen bleiben."
Der beklagte Verlag hatte in der Print- und der Online-Ausgabe des "Hamburger Abendblatts" vom 7. September 2007 u.a. ausgeführt:
"Das Buch „sei wieder ein ‚Plädoyer für eine neue Familienkultur, die zurückstrahlen kann auf die Gesellschaft’, heißt der Klappentext.“ Die Autorin, „die übrigens in vierter Ehe verheiratet ist, will auch schon festgestellt haben, dass die Frauen ‚im Begriff sind, aufzuwachen’, dass sie Arbeit und Kariere nicht mehr unter dem Aspekt der Selbstverwirklichung betrachten, sondern unter dem der ‚Existenzsicherung’. Und dafür haben sie ja den Mann, der ,kraftvoll’ zu ihnen steht."
Weiter heißt es dort:
"In diesem Zusammenhang machte die Autorin einen Schlenker zum Dritten Reich. Da sei vieles sehr schlecht gewesen, zum Beispiel Adolf Hitler, aber einiges eben auch sehr gut. Zum Beispiel die Wertschätzung der Mutter. Die hätten die 68er abgeschafft, und deshalb habe man nun den gesellschaftlichen Salat. Kurz danach war diese Buchvorstellung Gott sei Dank zu Ende."
Die Klägerin sieht sich als Sympathisantin des Nationalsozialismus verunglimpft und erachtet ihr Persönlichkeitsrecht als durch Falschzitate schwerwiegend verletzt. Ihre berufliche und gesellschaftliche Existenz sei zerstört und ihr sei großer seelischer Schaden zugefügt worden.

Die Klägerin hat den Verlag erstinstanzlich auf Unterlassung und auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 50.000 € verklagt.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von lediglich 10.000 € sowie zur Unterlassung der Behauptung verurteilt: 
„In diesem Zusammenhang machte die Autorin einen Schlenker zum Dritten Reich. Da sei vieles sehr schlecht gewesen, zum Beispiel Adolf Hitler, aber einiges eben auch sehr gut. Zum Beispiel die Wertschätzung der Mutter.“ 

Auf die Berufung der Klägerin, die im Berufungsrechtszug zusätzlich die Richtigstellung verlangt hat, dass sie die streitgegenständliche Äußerung so nicht getätigt habe, hat das OLG die Beklagte darüber hinaus zur begehrten Richtigstellung und zur Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von weiteren 25.000 € verurteilt. Die weitergehende Berufung und das Rechtsmittel der Beklagten hat es zurückgewiesen. 

Der beklagte Verlag begehrt mit der vom BGH zugelassenen Revision weiterhin die vollständige Klageabweisung. 

Es bleibt abzuwarten, wie der 6. Zivilsenat die strittige Berichterstattung im Spannungsfeld zwischen der Presse- und Meinungsfreiheit auf der einen Seite und dem Persönlichkeitsrecht auf der anderen Seite beurteilt. Dabei wird es auch auf die Grenzziehung zwischen Tatsachenbehauptung und -bewertung ankommen. Wie weit geht die journalistische Interpretationsfreiheit - insbesondere dann, wenn mit indirekter Rede als Zitate zu verstehende Sätze in den Mund gelegt werden, die so nicht geäußert wurden? Und das auch noch, ohne die "eingearbeitete" Interpretation als solche kenntlich zu machen. 

Es spricht m.E. vieles dafür, dass hier bedauerlicherweise nicht verantwortungsvoll genug zwischen dem Zitat (als Tatsachenbehauptung) und dessen Interpretation (als Meinung und Dafürhalten) getrennt worden ist. In einer Zitat-Wiedergabe hat die Meinung des - oder in diesem Fall - der Zitierenden (Redakteurin) nichts zu suchen. Neben dem Zitat sind selbst gewagte Interpretationen als Meinung und Kommentierung durchaus zulässig und verfassungsrechtlich gewollt.

Update 21.06.2011: Der Bundesgerichtshof hat heute der Revision Recht gegeben und die Klage abgewiesen. In der aktuellen Pressemitteilung des BGH heißt es dazu:
"Der u. a. für den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die beanstandete Berichterstattung das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin nicht beeinträchtigt. Zwar umfasst das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch das Recht am eigenen Wort und schützt den Einzelnen davor, dass ihm Äußerungen zugeschrieben werden, die er nicht getan hat und die seine Privatsphäre oder den von ihm selbst definierten sozialen Geltungsanspruch beeinträchtigen. Der grundrechtliche Schutz wirkt dabei nicht nur gegenüber Fehlzitaten, sondern auch gegenüber unrichtigen, verfälschten oder entstellten Wiedergaben einer Äußerung. Die Beklagte hat die Äußerung der Klägerin aber weder unrichtig noch verfälscht oder entstellt wiedergegeben. Die Äußerung lässt im Gesamtzusammenhang betrachtet gemessen an Wortwahl, Kontext der Gedankenführung und Stoßrichtung nur die Deutung zu, die die Beklagte ihr beigemessen hat."

Dienstag, 31. Mai 2011

OLG Köln sanktioniert einschüchternde Filesharing-Abmahnung mit negativer Kostenfolge für Abmahner

Kein Anlass zur gerichtlichen Inanspruchnahme trotz vorausgegangener Abmahnung

Mit Beschluss vom 20.05.2011 - 6 W 30/11 - hat der 6. Zivilsenat des Kölner Oberlandesgerichts einem Tonträgerhersteller nach Beschwerdeeinlegung seitens der Kollegen Richter und Süme die Kosten eines einstweiligen Verfügungsverfahrens nach vorausgegangener, unbeantwortet gebliebener Abmahnung auferlegt - wobei die Kollegin Neubauer insoweit zu Recht vor übereilten Fehlschlüssen warnt.

Vorausgegangen war eine nicht unübliche, recht rigide anwaltliche Filesharing-Abmahnung unter Beifügung einer sogenannten "weiten" strafbewehrten Unterlassungserklärung, die sämtliche geschützten Werke des abmahnenden Tonträgerherstellers umfassen sollte - und nicht nur das im vorliegenden Fall konkret betroffene Hörbuch. Der Abmahnungsadressat wurde vor möglichen rechtlichen und kostenmäßigen Nachteilen bei etwaigen Veränderungen oder Einschränkungen des Erklärungsentwurfs gewarnt. Der Abgemahnte gab daraufhin zunächst keinerlei Erklärung ab.

Kurz darauf erwirkte der Audio-Produzent eine auf das konkrete Hörbuch beschränkte einstweilige Verfügung sowie einen darauf fußenden Kostenfestsetzungsbeschluss gegen den angeblichen Filesharer. Im anschließenden Widerspruchsverfahren erklärten beide Parteien das Verfahren hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs für erledigt und stritten über die Verfahrenskosten.

Durch das Landgericht Köln wurden die Kosten des Verfahrens zunächst dem Abgemahnten auferlegt. Diese Kostenentscheidung hob das Oberlandesgericht nach Beschwerde nun auf:

  • Die Abmahnung solle dem Schuldner einen Weg weisen, den Gläubiger ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen.

  • Besondere Anforderungen werden dabei an einen gewerblich tätigen und rechtlich beratenen Gläubiger gestellt, der eine nicht geschäftlich tätige Privatperson bzw. einen Verbraucher abmahnt.

  • Der Abmahner dürfe dem Abmahnungsempfänger keine "Hinweise" erteilen, die diesen von einer Anerkennung der geltend gemachten Ansprüche abhalten können (gemeint sind hier die Warnungen vor der Abgabe einer modifizierten strafbewehrten Unterlassungserklärung).

  • Andernfalls könne aus einer nach der Abmahnung unterbliebenen Reaktion des Abgemahnten objektiv nicht auf die Erforderlichkeit einer gerichtlichen Auseinandersetzung geschlossen werden.

Der OLG-Senat erwähnt in dem Zusammenhang auch den "früher kaum vorstellbaren Umfang", in dem in den letzten Jahren "Privatpersonen wegen Urheberrechtsverletzungen in Anspruch genommen werden". Im Rahmen der Kosten-Vorschrift des § 93 ZPO sei das Verhalten einer geschäftlich unerfahrenen und rechtlich nicht beratenen Person anders auszulegen ... als die Reaktion einer Person, die gewerblich tätig ist".

Es ist eine m. E. zu begrüßende Tendenz in der Rechtsprechung erkennbar dahingehend, den Besonderheiten des Geschäftsmodells besonders einschüchternder "Filesharing-Abmahnungen" und der diesbezüglichen Schutzbedürftigkeit insbesondere rechtlicher Laien zunehmend gerechter zu werden.

Samstag, 28. Mai 2011

Urteil der Pressekammer: Landgericht Hamburg will Unterlassung - Kein STERN für BUNTE Recherche

Wie unterschiedlich doch die Betrachtungen und Gewichtungen zur gestrigen Entscheidung der hanseatischen Ersten Instanz (der 24. Zivilkammer) sein können: Dies zeigen die aktuellen Berichterstattungen bzw. Kommentierungen durch Journalisten und Medien-Anwälte (wobei der Kollege Rechtsanwalt Prof. Schweizer als Prozessvertreter auf Kläger-Seite (Burda-Verlag) naturgemäß parteiisch sein darf und muss und für Montagnachmittag eine Veröffentlichung des Urteils angekündigt hat).

Den Hintergrund des Streits bildet ein Artikel des STERN, in dem im Frühjahr 2010 darüber berichtet wurde, dass die BUNTE  - mit Hilfe der Bild-Agentur CMK - bekannte Politiker und ihr Privatleben ausspioniert. Der SPD-Politiker Franz Müntefering hatte bereits im letzten Jahr unter Berufung auf unzumutbare Spitzelmethoden Beschwerde beim Deutschen Presserat eingelegt, der das Verfahren allerdings mangels ausreichender Beweise einstellte.

Die BUNTE widersprach auch vor dem Landgericht Hamburg den Vorwürfen: Bilder von Politikern würden zwar in Auftrag gegeben, von angeblich unlauteren Recherchemethoden habe man allerdings nichts gewusst.

Die Hamburger Richter haben nun erstinstanzlich dem STERN seine kritische Berichterstattung über die Spitzelaffäre verboten - maßgeblich wohl deshalb, weil ohne Nachweis der Eindruck erweckt worden sei, die Redaktion der BUNTE habe von den Spitzel-Methoden gewusst. 

Rechtsanwalt Kompa bewertet das Unterlassungs-Urteil und das Verfahren gegen Gruner + Jahr unter Berücksichtigung des Grundrechts auf Pressefreiheit offensichtlich eher als bedauerlich und "seltsam".

Distanziert und kritisch betrachtet die FAZ die streitgegenständlichen Recherche-Methoden der vom Burda-Verlag eingesetzten Bild-Agentur CMK. Die BUNTE hat vor Gericht bestritten, von den unlauteren Spitzel-Ausspähungen gewusst zu haben. Gegenteiliges konnte vor der Pressekammer - so die Richter - nicht nachgewiesen werden.

Die Süddeutsche Zeitung setzt sich mit den Gefahren des Boulevard-Journalismus für die Privatsphäre bzw. Intimsphäre prominenter Politiker auseinander (im konkreten Fall ging es - wie erwähnt - unter Anderem um SPD-Urgestein Franz Müntefering) und betont, dass auch nach Einschätzung des Deutschen Presserats "Redaktionen, die Dritte mit Recherche-Aufgaben beauftragen, dabei grundsätzlich die Verantwortung für die Einhaltung des Pressekodex übernehmen".

Andres Lehmann, Chefredakteur des Hamburger Online-Magazins quaeng, scheint sich - wenn nicht "diebisch", dann doch mehr oder weniger (un)heimlich - über den eher papiernen Presse-Rechts-Streit zu amüsieren und überlässt dem Leser die Medien-Wahl.

Und ich werde eine vertieftere Bewertung des Streitstoffes erst dann vornehmen, wenn das vollständige Urteil der unter dem Vorsitz von Herrn Buske entscheidenden Pressekammer veröffentlicht ist.

Ich befürchte allerdings, dass die Entscheidung meinem Verständnis von Pressefreiheit nicht gerecht wird.