Samstag, 22. Juni 2013

Filesharing-Abmahnung beim Pornofilm: Mehr Argumente zur Verteidigung

Hardcore-Abmahner sehen oft recht alt aus


Mit einem aktuellen Beschluss des LG München vom 29.05.2013 (7 O 22293/12) - errungen von den Kollegen SKW Schwarz - zeigt sich, dass bei Filesharing-Abmahnungen wegen "erotischer" Filme zusätzliche, bei der Rechtsverteidigung oft übersehene Gegenargumente existieren, die hier kurz zusammengefasst werden sollen:
  • Die Aktivlegitimation des in der anwaltlichen Abmahnung genannten angeblichen Rechteinhabers ist häufig mehr als zweifelhaft. Die abmahnende Unternehmung ist oft gar nicht der Produzent oder ein Online-Anbieter der erotisch bewegten Bilder. Ableitende Rechteketten werden nicht nachvollziehbar dargelegt.
  • Ein Schutz als Filmwerk nach § 94 UrhG scheitert, wenn an einer persönlichen geistigen Schöpfung i. S. d. § 2 Abs. 2 UrhG fehlt. Dies kann bei bewegten Bildern der Fall sein, die lediglich sexuelle Vorgänge in primitiver Weise zeigen und reine Pornografie darstellen.
  • Selbst ein lediglich subsidiärer und in der Abmahnung regelmäßig gar nicht geltend gemachter Schutz als Laufbilder gem. §§ 94, 95, 128 Abs. 2, 126 Abs. 2 UrhG scheidet aus, wenn ein Ersterscheinen der leibestüchtigen Laufbilder in Deutschland bzw. ein Ersterscheinen im Ausland und ein Nacherscheinen in Deutschland nicht ordnungsgemäß dargelegt werden können – etwa eine Kino-Vorführung, ein Online-Angebot von Video-on-Demand oder der Vertrieb von DVDs.
Auf zusätzliche Gesichtspunkte nicht vorliegender Täterhaftung bzw. nicht erfüllter Störerhaftung oder überhöhter Schadens- und Kosten-Bezifferung kommt es dann nicht einmal mehr streitentscheidend an. Bei Abmahnung wegen angeblicher Tauschbörsen-Teilnahme mit Hardcore-Filmen sieht der oder die abgemahnte Internet-Anschlussinhaber(in) also häufig gar nicht so alt aus wie manche Darsteller.

Samstag, 15. Juni 2013

Kunst-Verbot wegen "Porno"-Falten an der "Seemanns Braut"


 
Eine Mitarbeiterin des Ordnungsamtes beschädigte und entfernte in der Ausstellung einer Herforder Atelier-Gemeinschaft ein provokantes Kunstwerk der Künstlerin Alexandra Sonntag aus Bielefeld. Wie die Neue Westfälische in ihrer Wochenend-Ausgabe berichtet, handelt es sich um eine Installation von mehreren Papierschiffchen, die die studierte Künstlerin aus Sex-Heftchen hergestellt hatte. Die Rauminstallation mit dem Titel „Seemanns Braut“ zielte als künstlerischer und kritischer Kommentar auf die Seefahrer-Romantik und die Zurschaustellung weiblicher Sexualität.
Nach einigen Beschwerden von Passanten, die wohl kein (Kunst-)Verständnis beim Blick in das Schaufenster des ostwestfälischen Kunst-Quartiers aufbringen wollten, marschierte ohne Vorankündigung eine Behörden-Vertreterin in die Galerie und entfernte die Installation. Nach Angaben der Atelier-Gemeinschaft wurden dabei einige Schiffchen sogar zertreten.

Vor dem Ausstellungslokal trafen Beamtin und Künstlerin – wie die NW berichtet – dann doch noch zusammen. Das Ordnungsamt rechtfertigt den Eingriff in die Kunstfreiheit mit dem Vorwurf der „Verbreitung pornografischer Schriften“.  Man verständigte sich. Alexandra Sonntag griff zum schwarzen Filzstift und übermalte auf den Faltungen der Schiffchen teilweise erkennbare Geschlechtsteile und baute die Installation wieder auf.
Zwei Kripo-Beamte der Hansestadt Herford nahmen nach der Zensur die „Seemanns Braut“ nochmals in Augenschein, ohne die Ausstellung weiter zu verbieten.

Einerseits hat nun eine ostwestfälische Behörde an der (veränderten) Schaffung eines neuen, das eigene, m. E. verfassungswidrige Verhalten dokumentierenden Kunstwerkes mitgewirkt. Andererseits hat hier behördliche Gewalt einen sehr bedenklichen unverhältnismäßigen Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Kunstfreiheit und einen provinziellen Eklat produziert, der in seiner Dimension über eine Provinz hinausreicht.

Freitag, 7. Juni 2013

Neues Filesharing-Urteil des LG Köln verlangt mehr Familien-Misstrauen bei Abmahnung und Klage


Das Landgericht Köln hat mit Urteil vom 05.06.2013 (Az. 28 O 346/12) erneut im Zusammenhang mit Filesharing-Vorwürfen einen Familienvater und Inhaber eines häuslichen Internetanschlusses zur Zahlung von Schadensersatz und zur Erstattung vorgerichtlicher Abmahnungskosten verurteilt zugunsten von vier großen deutschen Musikverlagen. 

Die klagenden Musiklabel behaupten, der beklagte Ehemann und Vater von zwei Kindern habe Nutzungs- und Verwertungsrechten an 15 Musikwerken verletzt – und zwar durch angeblich über den häuslichen Internetanschluss an einem Sonntagvormittag im Juni 2008 vorgenommene illegale Filesharing-Teilnahme.

Der Beklagte hat im Verfahren vorgetragen und durch Zeugen sowie durch sachverständige Analyse der noch vorhandenen Router- und Rechner-Hardware unter Beweis gestellt, dass er zu keinem Zeitpunkt jemals Filesharing betrieben hat - auch nicht an dem in der urheberrechtlichen Klage behaupteten Vormittag. Das Landgericht Köln ist den Beweisantritten allerdings nicht nachgekommen

Auf die anwaltliche Abmahnung hin hatte der Anschlussinhaber eine modifizierte strafbewehrte Unterlassungserklärung ohne weitergehende Rechtsanerkenntnisse abgegeben.

Nachdem seine Ehefrau und sowohl der zum damaligen Zeitpunkt minderjährige, als auch der zum damaligen Zeitpunkt bereits erwachsene Sohn dem Beklagten versichert hatten, ebenfalls kein illegales Filesharing betrieben zu haben, sah dieser keinen Anlass, seine Familienangehörigen gegenüber den Musikverlagen, den abmahnenden Rechtsanwälten oder dem Gericht dennoch vermeintlicher illegaler Filesharing-Teilnahme zu bezichtigen. Der beklagte Familienvater wies allerdings gleichzeitig darauf hin, dass er - ungeachtet seines grundsätzlichen Vertrauens in die Angaben seiner Ehefrau und seiner beiden Söhne - andererseits selbstverständlich naturgemäß etwaige ihm entgangene oder verheimlichte Rechtsverstöße seiner Familienangehörigen oder von Freunden oder Gästen seiner Familienangehörigen nicht völlig ausschließen kann und dass jede andere Bewertung vermessen wäre. 

Der Beklagte hatte bereits im Jahre 2007 und insbesondere auch in der ersten Hälfte des Jahres 2008 seine Familienmitglieder eingehend auf das Verbot einer öffentlichen Zugänglichmachung von urheberrechtlich geschützten Musik- oder Filmdateien im Rahmen von sog. Filesharing-Börsen hingewiesen und generell die Teilnahme an Online-Tauschbörsen über seinen häuslichen Internetanschluss untersagt. Diesbezüglich benannte der Beklagte ebenfalls mehrere Zeugen.

Die 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln hat den Beklagten dennoch als angeblichen "Täter" zu Schadensersatz und Kostenerstattung verurteilt.  

Der Beklagte habe eine gegen ihn gerichtete "tatsächliche Vermutung ... nicht erschüttern können, da er keine konkrete Möglichkeit eines atypischen Lebenssachverhalts dargelegt" habe. Aus dem Umstand, dass der Beklagte den Angaben seiner Familienangehörigen dahingehend, dass auch diese kein Filesharing betrieben haben, grundsätzlich vertraut, und dass der Beklagte auf der anderen Seite gleichzeitig klarstellt, dass er naturgemäß etwaige ihm entgangene oder ihm verheimlichte Rechtsverstöße seiner Familienangehörigen (oder auch von Gästen seiner Familienangehörigen) nicht völlig ausschließen kann, leitet das Gericht "widersprüchlichen Vortrag" ab, aufgrund dessen der Beklagte "seiner sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen" sei.

Dies wird der Lebenssituation im Zusammenhang mit familiären Internetanschlüssen, den zwangsläufig insoweit oft eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Anschlussinhabers und realistischen Anforderungen an die sekundäre Darlegungspflicht eines familiären Internetanschlussinhabers sowie insbesondere den in dem Zusammenhang zu berücksichtigenden Zumutbarkeitsgrenzen nicht gerecht.

Zumindest hätte das Gericht den Beweisantritten des Beklagten, der schließlich sogar überpflichtmäßig zum Gegenbeweis bereit war, nachkommen müssen. Oder? Ist letzteres wirklich richtig? Nein! Das Gericht hätte nicht den Beweisantritten des Beklagten nachgehen müssen, es hätte allenfalls entsprechenden Beweisantritten der klagenden Musikverlage nachgehen müssen. Die klagenden Musikverlage haben aber von ihrem Recht, derartige, vom Beklagten überpflichtmäßig angebotene Beweismittel auch ihrerseits aufzugreifen, nicht Gebrauch gemacht. Das kann nicht dem nur sekundär Darlegungspflichtigen angelastet werden. Und dies werden die klagenden Musiklabel zivilprozessual auch zweitinstanzlich nicht mehr nachholen können.

Hier das nicht rechtskräftige Urteil im Original-Text:
 










 


























Wie man demgegenüber fair und sachgerecht mit vergleichbaren Fällen familiärer Filesharing-Vorwürfe und diesbezüglichem Sachvortrag des Internetanschlussinhabers bzw. der Internetanschlussinhaberin umgeht, zeigt - neben Entscheidungen auch des OLG Köln - sehr anschaulich u.a. das Urteil der 33. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 11.09.2012 (Az. 33 O 353/11).