Sonntag, 17. April 2011

Die Angst vor'm "TOOOR!"-Schrei: Markenrecht, Monopole, T-Shirts und Abmahnungen

Mit aktuellem Beschluss in der Beschwerdesache 29 W (pat) 85/07 hat das Bundespatentgericht die Eintragung der Wortmarke "TOOOR!" für die Waren

“Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen, Sportbekleidung, insbesondere T-Shirts, Sweatshirts, Baseballkappen, Fußballtrikots, Fußballhosen, Fußballschuhe, Schienbeinschoner, Trainingsanzüge” 

zugelassen. 


Zuvor hatte der BGH die Sache an das Bundespatentgericht zurückverwiesen, weil die vormals vom Bundespatentgericht getroffenen Feststellungen zur Frage vermeintlich fehlender Unterscheidungskraft nicht ausreichten. 

Bei aller Sympathie für einen großzügigeren Umgang mit den im Markenrecht manchmal zu destruktiv gebrauchten Prüfungsmerkmalen der Unterscheidungskraft und des Freihaltebedürfnisses

Ich sehe in Fällen dieser Art das Risiko neuer Wellen von Abmahnungen, in denen z. B. auf T-Shirts abgedruckte Sprüche (oder Tor-, Toor- oder Tooor-Schreie) zum Anlass genommen werden, strafbewehrte Unterlassungserklärungen und die Erstattung von Anwaltskosten zu beanspruchen. Diese Gefahr entsteht nicht selten, wenn gebräuchliche Aussprüche als Marke monopolisiert werden

(man denke etwa an die "Uschi", auf die sich nichts reimt,  des Mario Barth - hierzu vgl. die kritischen Anmerkungen des Kollegen Stadler)

und dann trefflich darüber gestritten werden kann, ob die Abmahnungs-Adressaten den Begriff, Spruch oder Slogan markenmäßig und damit rechtlich angreifbar verwendet haben oder nicht. Viele werden dann einen diesbezüglichen Rechtsstreit und die damit verbunden (Prozess-)Kosten scheuen und stattdessen klein beigeben, wenn sie T-Shirts mit entsprechendem Aufdruck erworben und/oder angeboten bzw. vertrieben haben. 

Gerecht werden kann man derartigen Fällen m. E. nur, soweit eine großzügige Bewertung der Unterscheidungskraft von "Spruch"-Marken korrespondiert mit der Bereitschaft der Gerichte, die Anforderungen an eine wirklich markenmäßige Benutzung eines Spruches sehr kritisch zu prüfen (vgl. zu ähnlicher Thematik das "CCCP"-Urteil des I. Zivilsenats des BGH vom 14.01.2010 - I ZR 82/08 sowie das entsprechende "DDR"-Urteil des BGH gleichen Datums - I ZR 92/08). 

In der "CCCP"-Entscheidung stellt der BGH zur T-Shirt-Abbildung von Zeichen oder Begriffen, die gerade in anderen Zusammenhängen und nicht als Produktkennzeichen bekannt sind, klar:

"Der durchschnittlich informierte situationsadäquat aufmerksame Durchschnittsverbraucher hat danach bei der Wiedergabe auf der Vorderseite von Bekleidungsstücken keine Veranlassung, der Bezeichnung statt dieser ihm bekannten Bedeutung nunmehr auch einen Herkunftshinweis zu entnehmen. Aber selbst diejenigen Teile des angesprochenen Publikums, die die Bedeutung der Buchstabenfolge "CCCP" nicht kennen, haben keine Veranlassung, in der angegriffenen Bezeichnung in Kombination mit dem Hammer-und-Sichel-Symbol mehr als ein dekoratives Element zu sehen."

Es kommt folglich wesentlich darauf an, ob das Zeichen oder der Spruch oder Ausspruch erkennbar lediglich dekorative, schmückende Bedeutung hat, oder ob der für Marken typische Zweck, die Herkunft eines Produktes zu dokumentieren, eine Rolle spielt. Dabei kann es auch auf die typische oder untypische Platzierung und Anbringung des Zeichens bzw. des Spruches auf, an oder in der Kleidung ankommen - will man markenrechtliche Abmahnungen vermeiden.

Also Vorsicht und Nachsicht beim Tor-Schrei - wenn Kleider Sprüche machen.

Samstag, 16. April 2011

"Filesharing"-Sperren und-Filter verfassungswidrig: EuGH-Generalanwalt erteilt "Abmahnung" an Verwertungsgesellschaft und Gericht

Der EuGH-Generalanwalt M. Pedro Cruz Villalón hat in seinem Schlussantrag in einem Rechtsstreit (Az. C-70/10) zwischen der belgischen Verwertungsgesellschaft SABAM und dem Internet-Provider Scarlet Extended zu den EU-rechtlichen Voraussetzungen von Filter- und Sperrsystemen gegen Filesharing Stellung bezogen:
 

Der mit einem Filter- und Sperrsystem einhergehende Eingriff in Art. 7 (Kommunikationsfreiheit), Art. 8 (Schutz personenbezogener Daten) und Art. 11 (Informationsfreiheit) der EU-Grundrechte-Charta ist nur auf der Grundlage eines zugänglichen, klaren und vorhersehbaren Gesetzes rechtlich zulässig. Die belgische Regelung erfüllt diese Kriterien nicht, sondern ist "ungewöhnlich, neu und unerwartet".


In Belgien kann bisher schon per bloßer gerichtlicher Verbotsverfügung ein umfassendes Filter- und Sperrsystem zu Lasten einer unbestimmten Vielzahl natürlicher und juristischer Personen angeordnet werden. Betroffen sind dabei ebenso Nutzer anderer Internet-Provider, soweit diese sich mit den Kunden des jeweils betroffenen Providers austauschen. Damit müssten nicht nur Daten gesperrt bzw. gefiltert werden, die von belgischen Nutzern eingestellt werden, sondern auch die Daten ausländischer User. 


Es gibt zudem nach Auffassung des Generalanwalts am EuGH kein System von Internetfiltern und -sperren, das konkret ausnahmslos spezifisch unzulässige Inhalte erfasst. Das wäre aber Voraussetzung, um im Einklang mit Art. 11 EU-Grundrechtecharta (Informationsfreiheit) zu stehen. In dem Zusammenhang wird ferner gerügt, dass die Zwangsmaßnahmen allgemein und präventiv angewandt werden - ohne konkrete vorherige Feststellung einer tatsächlichen Verletzung oder der Gefahr einer unmittelbaren Verletzung von Urheberrechten. 

Der Generalanwalt sieht auch Einschränkungen des Rechts auf Beachtung des Kommunikationsgeheimnisses sowie - mangels hinreichender Möglichkeiten der rechtlichen Anfechtung durch Betroffene - Verletzungen der Rechtsstaats-Garantie

Es wird davon ausgegangen, dass der Europäische Gerichtshof , der an den Entscheidungsvorschlag des Generalanwalts nicht gebunden ist, diesem - wie in der Mehrzahl der Fälle - folgt. Vorausgegangen war ein Vorabentscheidungsersuchen des nationalen Berufungsgerichts in Brüssel. 

Die Augen sind nun auf den belgischen Gesetzgeber gerichtet und darauf, inwieweit dieser sachgerecht, angemessen und verhältnismäßig den schutzwürdigen Belangen aller Beteiligter gerecht wird.