Samstag, 13. Juni 2015

Huren-Humor statt Marken-Zensur: Die Wanderhure im Markenrecht

 EU-Behörde punktet mit Witz: Der Mörder ist nicht immer der Gärtner
  • Ist "Die Wanderhure" als Marke zu vulgär?
  • Hatte das Mittelalter "Dienstleistungserbringerinnen"?
  • Darf Konstanz fantasieren?
  • Und muss Reinhard Mey auf den Scheiterhaufen?
Eine freche und erfrischende, weise und humorvolle Entscheidung zur Wortmarke
„DIE WANDERHURE“
hat zugunsten eines Verlages aus München und des Autoren-Ehepaares aus dem oberbayerischen Poing die 4. Beschwerdekammer beim HARMONISIERUNGSAMT FÜR DEN BINNENMARKT (MARKEN, MUSTER UND MODELLE) am 28.05.2015 (Az. R 2889/2014-4) getroffen. Die vorausgegangen behördliche Ablehnung der Markeneintragung wurde aufgehoben und sodann heißt es im Entscheidungstenor tatsächlich: 
 
„Die Gemeinschaftsmarkenanmeldung wird zum Weiterwandern zugelassen.“
Dieser kesse Spruch betrifft die Gemeinschaftsmarkenanmeldung Nr. 1 291 7621. 

Zu vulgär?

Die vorher agierende Prüferin hatte die Eintragung der Wortmarke noch verweigert, weil der Begriff „HURE“ als Synonym für Prostituierte ein vulgärer und unanständiger Ausdruck und ein anstößiges Schimpfwort sei, das eben Anstoß errege und gegen die guten Sitten verstoße. 

Hatte das Mittelalter Dienstleistungserbringerinnen?


Die HABM-Juristen ordneten die Markenbezeichnung demgegenüber mit entspannter Analyse und historischem Durchblick in den zeitlichen Kontext des gleichnamigen Romans ein. In dem schriftstellerischen Werk ginge es immerhin „um eine eher jüngere Person weiblichen Geschlechts, die im 15. Jahrhundert ihre Dienstleistungen auf der Wanderschaft erbringt und schließlich diese auf dem vom Kaiser einberufenen Konzil zu Konstanz besorgt, wobei das relevante Publikum (nicht der vorliegenden Markenanmeldung, sondern der betr. mittelalterlichen Dienstleistungsempfänger) aus Klerikern besteht. Der Leser des Romans wird mit der These konfrontiert, dass die wandernden Damen besagter Art seinerzeit einen eigenen Berufsstand oder genauer eine spezialisierte Gruppe von Dienstleistungserbringerinnen waren.“

Darf Konstanz fantasieren?

Auch die Stadt Konstanz habe ersichtlich kein Problem damit, hochoffiziell sogar spezielle Wanderungen „auf den Spuren des Anmeldezeichens“ anzubieten. Schließlich existiere im aktuellen Sprachgebrauch der Begriff einer „Wanderdienstleistungserbringerin“ ja auch nicht. Die angemeldete Wortmarke nehme „auf die versunkene Welt des Mittelalters Bezug, über die wir so wenig wissen, dass man über sie umso besser fantasieren kann.“

Muss Reinhard Mey auf den Scheiterhaufen?

"Großes Kino" ist m.E. dann das weitere juristische Plädoyer gegen den vorinstanzlichen Zensur- und Verbots-Eifer sowie gegen medien- und kultur-schädlichen Prüderie-Aktionismus:
„Die angefochtene Entscheidung vermischt die Erwähnung eines Phänomens mit dem Phänomen selbst. Sie eignet sich hervorragend zum Verbot von Krimis mit dem Wort „Mord“ im Titel, denn bekanntlich sind Morde gemäß § 211 des deutschen Strafgesetzbuchs ein Verbrechen, und es gibt nichts sittenwidrigeres als solche zu begehen, und sie eignet sich hervorragend, den Liedermacher Reinhard Mey dem Scheiterhaufen zu überantworten, weil mit dem Lied „Der Mörder war immer der Gärtner“ letztgenannter Berufsstand sittenwidrig verunglimpft worden sei. Kurz: Die angefochtene Entscheidung versäumt die Unterscheidung von Fact und Fiction.“
Es geht der Beschwerdekammer dabei ausdrücklich „um die Wertordnung des europäischen Rechts als einer Rechtsordnung, die die Grund- und Menschenrechte schützt, nicht um ein Sprachgesetzbuch zur Unterdrückung von Schimpfwörtern.“

Schließlich enden die HABM-Entscheidungsgründe mit einer launigen Freigabe:

„Die Wanderdame darf also weiterwandern, und ihre Wanderwege können mit „wissenschaftlichen und Vermessungs-Instrumenten“ kartographiert, in „Loseblattsammlungen“ regelmäßig aktualisiert, mit „OCR-Zeichenerkennung“ aufbereitet, in „Chat-Rooms“ breitgetreten und zur „sportlichen Aktivität“ erklärt werden, wobei die Kammer selbstverständlich davon ausgeht, dass mit den beanspruchten „Erziehungs“-Dienstleistungen solche der gemeinnützigen Sozialarbeit gemeint sind und nicht solche der Erziehung zur Prostitution.“
Es gibt doch noch Juristen mit frecher Lebensnähe und -freude sowie gelebter Kultur- und Freiheitsliebe.

Die Gemeinschaftsmarke wurde übrigens für die folgenden Waren und Dienstleistungen angemeldet:
Klasse 9 – Wissenschaftliche, Schifffahrts-, Vermessungs-, fotographische, Film-, optische, Wäge-, Mess-, Signal-, Kontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate und -instrumente; Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Magnetaufzeichnungsträger, Schallplatten; CDs, DVDs und andere digitale Aufzeichnungsträger; bespielte Bild- und Tonträger; Datenträger aller Art mit und ohne Daten; herunterladbare Ton- und Bilddateien; Audio-Bücher; Pod-Casts; Datenverarbeitungsgeräte, Computer und Computersoftware; elektronische Publikationen (herunterladbar).
Klasse 16 – Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien (soweit in Klasse 16 enthalten), nämlich Anzeigekarten [Papeteriewaren], Aufkleber, Stickers [Papeteriewaren], Etiketten aus Papier, Anhänger, Aufbewahrungsbehälter, Schachteln, Behälter, Plakate, Poster, Ausstellungstransparente, Werbeschilder, Verpackungsmaterial; Druckereierzeugnisse, insbesondere gedruckte Veröffentlichungen, Bücher, Broschüren, Handbücher, Loseblattbinder, Zeitungen, Informationsblätter, Magazine und Zeitschriften sowie Seiten aus dem Internet in gedruckter Form; Fotografien; Stifte (Schreibwaren); Blöcke [Papier- und Schreibwaren].
Klasse 35 – Verkauf von Büchern; Sammeln, Zusammenstellen, Aktualisieren und Pflegen von Daten, Informationen und Publikationen in Datenbanken, insbesondere von E-Books, E-Zeitungen, E-Zeitschriften, E-Magazinen und anderen Ton-, Video-, Bild- und Textdateien; Werbung; Verbreitung von Werbeanzeigen für Dritte, insbesondere in Druckerzeugnissen, im Internet und über mobile Telekommunikationsgeräte; Vermietung von Werbeflächen; Vermietung von Werbezeit in Kommunikationsmedien, auch in digitalen Netzen; Marketing und Öffentlichkeitsarbeit für Dritte, auch in digitalen Netzen; Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen, insbesondere E-Commercedienstleistungen im Bereich gedruckter und elektronischer Verlagserzeugnisse; Digitalisierung von Dokumenten, Textvorlagen und Belegen mittels optischer Zeichenerkennung (OCR) für Dritte (Büroarbeiten).
Klasse 38 – Telekommunikation; Bereitstellung von Plattformen oder Portalen im Internet; Bereitstellung des Zugriffs auf Informationen und Computerprogramme in Datennetzen wie dem Internet, einschließlich Eingabe-, Such- und Navigationsfunktionen; Bereitstellung des Zugriffs auf Datenbanken mit elektronischen Publikationen und Verlagserzeugnissen in Datennetzen wie dem Internet, einschließlich Eingabe-, Such- und Navigationsfunktionen; elektronische Nachrichten-, Bild- und Textübermittlung, insbesondere Übermittlung von elektronischen Verlagserzeugnissen wie E-Books, E-Magazines und E-Zeitungen; Dienste von Presseagenturen; Bereitstellung von Chat-Lines, Chat-Rooms und Foren im Internet oder anderen Datennetzen.
Klasse 41 – Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; kulturelle und sportliche Aktivitäten; Publikation von Druckereierzeugnissen (auch in elektronischer Form), ausgenommen für Werbezwecke; Dienstleistungen eines Verlages, ausgenommen Druckarbeiten.

Donnerstag, 11. Juni 2015

Neue BGH-Filesharing-Urteile überraschen - Dennoch keine Familien-Panik bei Abmahnung

Da ist Musik drin...BGH zum Filesharing
Heute hat der BGH über drei Filesharing-Klagen verhandelt. Die in den drei Verfahren soeben ergangenen Entscheidungen dürften für viel Streit und Diskussionsstoff sorgen. Die Abwehr übermotivierter Filesharing-Abmahnungen und -Klagen wird nicht einfacher. 

Klägerinnen sind in allen drei Revisonsverfahren die vier führenden deutschen "Tonträgerherstellerinnen" Warner, Sony, Universal und EMI. Diese berufen sich jeweils auf angeblich ordnungsgemäße Recherchen eines Crawling-Unternehmens, wonach im Jahre 2007 über eine IP-Adresse jeweils mehrere hundert bzw. mehrere tausend Musiktitel zum Herunterladen innerhalb eines P2P-Systems verfügbar gemacht worden sein sollen. Die Staatsanwaltschaft ermittelte mithilfe des Internetserviceproviders die jeweiligen Beklagten als vermeintliche Inhaber des der IP-Adresse zugewiesenen Internetanschlusses.
Die Musikverlage verlangen von den Beklagten urheberrechtlichen Schadensersatz in Höhe von mehreren tausend Euro sowie Ersatz von anwaltlichen Abmahnkosten in ähnlicher Größenordnung.
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1. Im BGH-Verfahren I ZR 75/14 hat der Beklagte die Richtigkeit der Ermittlungen des Recherche-Unternehmens und die zeitgleiche Zuweisung der dynamischen IP-Adresse bestritten - ebenso wie die angeblichen Uploads durch ihn, seine im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienangehörigen oder durch Dritte. Er sowie seine Ehefrau und seine beiden Söhnen hätten sich zur angeblichen Tatzeit im Urlaub auf Mallorca befunden und vor dem Urlaubsantritt seien Router und Computer vom Stromnetz getrennt worden, wobei allerdings nicht auszuschließen sei, dass einer der Familienangehörigen vor Abreise heimlich die Anlage wieder angestellt hat.

Das LG Köln hat mit Urteil vom 24.10.2012 (Az. 28 O 391/11) die Klage abgewiesen. 
Das OLG Köln hat den Beklagten mit Urteil vom 14.03.2014 (Az. 6 U 210/12) nach Zeugenvernehmung eines Mitarbeiters des Crawling-Unternehmens sowie der Familienangehörigen antragsgemäß verurteilt. Der OLG-Senat hat es als erwiesen angesehen, dass die Musikdateien von dem Rechner des Beklagten zum Herunterladen angeboten worden sind. Der Beklagte habe als Anschlussinhaber für die Urheberrechtsverletzungen einzustehen, weil nach seinem eigenen Vortrag ein anderer Täter nicht ernsthaft in Betracht komme. Das Bestreiten seiner Verantwortlichkeit stelle sich "als denklogisch fernliegend und daher prozessual nicht erheblich dar."
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2. Im BGH-Verfahren I ZR 7/14 wurde der Internetanschluss von der Beklagten, ihrem 16jährigen Sohn und ihrer 14jährigen Tochter genutzt. Gegenüber der Polizei hatte die Tochter zugegeben, "die Musikdateien heruntergeladen zu haben". Auf die anwaltliche Abmahnung reagierte die Mutter mit der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung.
Die Beklagte wendet sich zivilgerichtlichen Klageverfahren gegen die Verwertung des polizeilichen Geständnisses ihrer Tochter. Zudem trägt sie vor, ihre Tochter über die Rechtswidrigkeit der Teilnahme an Musiktauschbörsen belehrt zu haben.

Das LG Köln hat mit Urteil vom 02.05.2013 (Az. 14 O 277/12) nach der Zeugenvernehmung der Tochter der Klage überwiegend stattgegeben. 
Das OLG Köln hat diese Entscheidung mit Berufungsurteil vom 06.12.2013 (Az. 6 U 96/13) im Wesentlichen bestätigt.. Das OLG hält die Täterschaft der Tochter für erwiesen und wirft der Mutter die Verletzung ihrer Aufsichtspflicht vor.
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3. Im BGH-Verfahren I ZR 19/14 liegt der Fall so, dass der Internetserviceprovider als angeblichen Inhaber der IP-Adresse eine Person angegeben hatte, die in einem Buchstaben von dem Familiennamen des Beklagten abwich und ansonsten mit seinem Vor- und Nachnamen und seiner Anschrift übereinstimmte.
Nach anwaltlicher Filesharing-Abmahnung gab der Beklagte, ein selbständiger IT-Berater, ohne Rechtsanerkenntnis eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab und wies gleichzeitig die geltend gemachten Zahlungsansprüche zurück. Er bestreitet die Richtigkeit der Recherchen des Crawling-Unternehmens und die per Excel-Tabelle übermittelten Angaben des Internetserviceproviders sowie seine und die Täterschaft eines in gemeinsamen Haushalt lebenden Familienangehörigen. Der im Arbeitszimmer des Beklagten installierte PC war zur fraglichen Zeit unstreitig eingeschaltet und mit dem Internet verbunden. Die beim Beklagten angestellte und den Computer insoweit ebenfalls beruflich nutzende Ehefrau verfügte nicht über ausreichende Administratorenrechte zum Aufspielen von Programmen. Dem damals im Haushalt des Beklagten lebenden, seinerzeit 17 Jahre alten Sohn war das Rechner-Passwort unbekannt.

Das LG Köln hat mit Urteil vom 31.10.2012 (Az. 28 O 306/11) der Klage stattgegeben. 
Zweitinstanzlich wurde auch dieses Urteil im Wesentlichen bestätigt. Die entsprechende Entscheidung des OLG Köln (Az. 6 U 205/12) datiert vom 20.12.2013. Der Berufungssenat des OLG hielt es aufgrund der in beiden Tatsachen-Instanzen durchgeführten Beweisaufnahmen für nachgewiesen, dass die Musikdateien über den Internetanschluss des Beklagten zum Herunterladen verfügbar gemacht worden sind. Der Beklagte sei hinsichtlich der Urheberrechtsverletzungen als Täter anzusehen.

Das Ergebnis:
Der BGH hat für viele überraschend alle drei Revisionen der Beklagten zurückgewiesen.

So gehen nach der soeben veröffentlichten Pressemitteilung des BGH die Richter des 1. Zivilsenats davon aus, dass die Eintragung der Klägerinnen in die Phononet-Datenbank ein erhebliches Indiz für die klägerische Rechteinhaberschaft darstellt. Es seien auch keine Anhaltspunkte zur Entkräftung dieser Indizwirkung vorgetragen worden.
Die theoretische Möglichkeit, dass bei Ermittlungen von proMedia oder des Internetserviceproviders Fehler vorkommen können, spräche nicht gegen die Beweiskraft der Ermittlungsergebnisse, wenn im Einzelfall keine konkreten Fehler dargelegt werden. Ein falscher Buchstabe bei der Namenswiedergabe in einer Auskunftstabelle -  wie im dritten oben angesprochenen Verfahren (I ZR 19/14) - reiche insoweit nicht aus. 
In dem Rechtsstreit I ZR 75/14, dem ersten der drei oben erläuterten Verfahren,  sei das Vorbringen des Beklagten, er und seine Familie seien im Urlaub auf Mallorca gewesen und hätten vor Urlaubsantritt insbesondere Router und Computer vom Stromnetz getrennt, durch die Vernehmung der beiden Söhne des Beklagten und seiner Ehefrau nicht bewiesen worden. Der BGH bejaht sogar eine täterschaftliche Haftung des Beklagten. Dieser habe nicht dargelegt, dass andere Personen zum Tatzeitpunkt selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und deshalb als Täter der geltend gemachten Rechtsverletzungen in Betracht kommen. Somit greife die tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Inhabers des Internetanschlusses ein.
In dem zweiten oben erwähnten Verfahren mit dem Aktenzeichen I ZR 7/14 habe das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass die Tochter der Beklagten die Verletzungshandlung begangen hat. Das OLG habe sich rechtsfehlerfrei auf das im polizeilichen Vernehmungsprotokoll dokumentierte Geständnis der Tochter und dessen zeugenschaftliche Bestätigung vor dem Landgericht gestützt. Die Beklagte hafte für den durch die Verletzungshandlung ihrer damals minderjährigen Tochter verursachten Schaden gemäß § 832 Abs. 1 Satz 1 BGB. Dazu heißt es in der Pressemitteilung des BGH:
"Zwar genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten. Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internets durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht grundsätzlich nicht. Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern erst dann verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass das Kind dem Verbot zuwiderhandelt (BGH, Urteil vom 15. November 2012 - I ZR 74/12, GRUR 2013, 511 Rn. 24 - Morpheus). Das Berufungsgericht hat im Streitfall jedoch nicht feststellen können, dass die Beklagte ihre Tochter entsprechend belehrt hat. Der Umstand, dass die Beklagte für ihre Kinder allgemeine Regeln zu einem "ordentlichen Verhalten" aufgestellt haben mag, reicht insoweit nicht aus."
Schließlich bestätigt der BGH bei der Bemessung des Schadensersatzes in Form der Lizenzanalogie einen Betrag in Höhe von 200 Euro pro Musiktitel sowie ferner den ausgeurteilten Anspruch auf Ersatz von Abmahnkosten auf der Basis des RVG.

Die genauen Entscheidungsgründe bleiben zunächst abzuwarten. In jedem Fall wurde diese BGH-Entscheidung so von vielen - auch von mir - nicht erwartet. Andererseits wird das Urteil des 1. Zivilsenats auch kein Grund zur Panik sein, gelten die höchstrichterlichen Grundsätze zur Beweislast der Abmahner und zur lediglich sekundären Darlegungslast der Abgemahnten doch auch weiterhin.

Festzuhalten bleibt schon jetzt:
  • Kinder sorgfältig und nachweisbar über die Rechtswidrigkeit illegalen Filesharings belehren.
  • Kinder oder andere Familienangehörige nach einer Abmahnung nicht ohne weiteres belasten.
  • Etwaige Verstöße von Familienangehörigen nicht voreilig als alternatives "Tatgeschehen" ausschließen.
  • Nicht allein oder primär auf etwaige technische Zweifel und diesbezügliche Argumentationen setzen, da Gerichte sich damit nur selten vertiefter auseinanderzusetzen bereit sind.
  • Nicht allein oder primär auf Diskussionen über Schadenshöhen und Kosten-Reduzierungen setzen.

Welche sachverhaltlichen Nuancen bei den oben dargestellten drei Revisionsfällen jeweils die entscheidende Rolle spielten, wird sorgfältiger Analyse bedürfen.