Neulich in einem Hinterzimmer einer Rechte-Verwertungs-Gesellschaft mit noch gut funktionierendem Geschäftsmodell im Geschäftsfeld "Urheberrecht":
"Da soll noch einer sagen, 'ne Filesharing-Abmahnung sei ungerechtfertigt. Das sind doch alles nur billige "Schutzbehauptungen".
Na ja, dass wir extra eine GmbH gegründet haben, die sich spezielle Lizenzrechte einräumen lässt, bzgl. einzelner Musik- und Filmwerke Filesharing zu betreiben, hatte nicht wirklich den Sinn, tatsächlich diese z. T. kaum herkömmlich verwertbaren Werke in P2P-Systemen einzustellen (wenn, dann allenfalls zu dem Zweck, andere zum abmahngeeigneten Filesharing zu verführen ;-)
Primärer Anlass war die fiktive Gestaltung von theoretischen Verwertungsrechten, die wir eigentlich gar nicht selbst verwenden wollen, sondern auf deren Basis wir dann lukrative Abmahnungen an Inhaber von Internetanschlüssen und potentielle Filesharing-Teilnehmer versenden können. Was soll daran bitte rechtsmissbräuchlich sein?
Auch dies Gerede um mögliche unterschiedliche Zeitmessungen des crawlenden Anti-Piracy-Unternehmens auf der einen Seite und des Internet-Service-Providers auf der anderen Seite können wir nicht mehr hören. Das nervt - wenn auch in Einzelfällen daran was dran sein mag. Auf Einzelschicksale können wir da wirklich keine Rücksicht nehmen.
Das gleiche gilt für angeblich manipulierbare IP-Adressen und mögliche Veränderungen von Datei-Inhalten nach gleichbleibendem, zuvor generiertem Hashwert. Es muss zudem reichen, wenn die Test-Downloads oft nur wenige Sekunden umfassen. Monitoring und Speicherplatz kosten schließlich Geld.
Jeder Internet-Anschlussinhaber und jede Internet-Anschlussinhaberin ist selbst schuld, etwas so gefährliches wie einen Internet-Anschluss zuzulassen. Die sollen uns erstmal beweisen, das sie nicht selbst Filesharing betrieben haben. Obwohl der BGH insoweit eigentlich nur von einer sekundären Darlegungslast spricht und nicht von einer Beweislast des Abmahnungsadressaten. Und obwohl der BGH in dem gern von uns erwähnten Urteil vom 12. Mai 2010 ausdrücklich ausgeführt hat, dass eine mangelhafte Absicherung des Internet-Anschlusses noch keine Filesharing-Täterschaft, keine täterschaftliche Urheberrechtsverletzung und noch keine Schadensersatz-Ansprüche begründet.
Außerdem bleibt uns ja immer noch die Störerhaftung, die sowieso keiner richtig kapiert. Wir meinen, dass damit alle Internet-Anschlussinhaber für alles haften müssen, was uns stört. Die vom BGH angenommene "Prüfungspflicht hinsichtlich ausreichender Sicherungsmaßnahmen ... um unberechtigte Zugriffe Dritter auf das Drahtlosnetzwerk zu verhindern" ist doch eine tolle Sache, zumal sich immer deutlicher herausstellt, dass "unberechtigte Zugriffe Dritter" auf ein WLAN-Netzwerk praktisch mit den üblichen "Sicherungsmaßnahmen" eben doch nicht verhindert werden können: Die aktuellen Erkenntnisse um Sicherheitslücken von Telekom-Routern (trotz WPA2-Verschlüsselung und trotz ultralangem und kompliziertem Passwort) belegen das. Und sogar in LAN-Netzwerken können z. B. durch Rootkits verschleierte Trojaner-Angriffe mit fremden Filesharing-Teilnahmen über den eigenen Rechner bzw. den eigenen Internet-Anschluss nicht seriös ausgeschlossen werden. Aber wir lassen uns auch von den Diskussionen um Bundes- oder Staatstrojaner nicht in unserer stringenten Einschätzung der abmahnungsbegründenden Sach- und Rechtslage beirren - nur nicht von Fakten verwirren lassen ;-) ... und auch nicht von kritischer Schelte des Bundesverfassungsgerichts wegen Verdrängung von kritischen obergerichtlichen Argumenten, die gegen eine Haftung für Ehegatten oder für (fast oder bald) erwachsene Söhne oder Töchter oder andere (Familien-)Angehörige sprechen. Stattdessen weiter so ... "
Fragt sich nur, wie lange noch.
Donnerstag, 26. April 2012
Die brave Filesharing-Abmahnung gegen wachsende technische und rechtliche Widerstände: Störer, Router, Trojaner und Richter
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Samstag, 14. April 2012
Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde nach OLG-Urteil zu Filesharing-Abmahnung und Störerhaftung
Frühlings Erwachen in der Rechtsprechung zu Filesharing-Abmahnungen? Jedenfalls erwartet das höchste deutsche Gericht mehr richterliche Substanz und Umsicht bei der Auseinandersetzung mit und der Klärung von urheberrechtlichen Forderungen der Abmahnungs-Lobby und der Prüfung einer vermeintlichen (Störer-)Haftung von Internetanschluss-Inhaberinnen und -Inhabern. | |
Das Bundesverfassungsgericht hat nach der Verfassungsbeschwerde eines Abmahnungsadressaten mit Entscheidung vom 21.03.2012 (Az. 1 BvR 2365/11) einstimmig ein Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 22.07.2011 (Az. 6 U 208/10) wegen Verletzung von Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Was war passiert?
Die Verfassungsbeschwerde betraf unerlaubtes Filesharing im Internet im Zusammenhang mit der Rüge einer Verletzung von Verfahrensgrundrechten.
Der Beschwerdeführer und Beklagte des Ausgangsverfahrens - spannender Weise ein Polizist und Mitglied der polizeilichen Informations- und Kommunikationsgruppe für Onlinerecherche und Internetpiraterie - und die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens - mehrere Unternehmen der Musikindustrie - stritten über Schadensersatz aufgrund von Filesharing über den privaten Internetzugang des Beschwerdeführers. Der volljährige Sohn der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers hatte dessen Internetzugang genutzt und dabei in einer Online-Tauschbörse 3.749 Audiodateien zum Download angeboten.
Die außergerichtliche Abmahnung datiert vom 30.01.2007. Den auf Schadensersatz gerichteten Klageantrag nahmen die Klägerinnen im Prozessverlauf bereits erstinstanzlich zurück. Aufrechterhalten wurde aber die Forderung nach Ersatz der angeblich durch die Abmahnung entstandenen Rechtsverfolgungskosten, wobei die Klägerinnen einen Gegenstandswert von 400.000 Euro zugrunde legten. Daraus errechnete sich eine Kostenforderung von c. 3.500 Euro.
Das Landgericht Köln hatte mit Urteil vom 24.11.2010 (Az. 28 O 202/10) den Beklagten und späteren Beschwerdeführer im Wesentlichen antragsgemäß verurteilt. Derjenige, der vom Störer die Unterlassung oder Beseitigung einer Störung verlangen könne, habe Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen gemäß § 683 Satz 1, § 670 BGB, soweit er bei der Störungsbeseitigung helfe und im Interesse und im Einklang mit dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Störers tätig werde.
Die Abmahnung sei berechtigt gewesen, da eine Rechtsverletzung vorgelegen habe, für die der Internetanschluss-Inhaber jedenfalls als Störer auf Unterlassung hafte. Als Störer sei für eine Schutzrechtsverletzung jeder verantwortlich, der - ohne selbst Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt habe. Wer innerhalb seines Haushalts einen Internetzugang zur Verfügung stelle und Dritten dadurch die Teilnahme an der Musiktauschbörse ermögliche, dessen Verhalten sei adäquat kausal für die Schutzrechtsverletzung. Zudem habe der Beklagte aus seiner Tätigkeit als Mitglied der polizeilichen Informations- und Kommunikationsgruppe für Onlinerecherche und Internetpiraterie ja besondere Kenntnisse auf diesem Gebiet. Vor diesem Hintergrund habe er nicht die Augen davor verschließen dürfen, dass das Überlassen eines Internetzugangs an einen Dritten die nicht unwahrscheinliche Möglichkeit mit sich bringe, dass von diesem derartige Rechtsverletzungen begangen werden. Dieses Risiko löse für denjenigen, der den Internetzugang ermögliche, Prüf- und Handlungspflichten aus, um der Möglichkeit solcher Rechtsverletzungen vorzubeugen. Die Behauptungen des Beklagten, die Zahlungen der Rechtsanwaltskosten kämen nicht den Klägerinnen zugute, der eigentliche Kläger sei der Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen, erfolgten ins Blaue hinein. In seiner Berufungsbegründung hatte der Beklagte u.a. vorgetragen, in der Familie sei über die Rechtswidrigkeit der Nutzung von Tauschbörsen gesprochen worden.
Das OLG Köln hat auf die Berufung das landgerichtliche Urteil nur im Hinblick auf die sich aus dem Streitwert ergebende Höhe der Verurteilung abgeändert und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen.
Das Berufungsgericht hat sein Urteil unter Verweis auf die „Sommer unseres Lebens“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12.05.2010 (Az. I ZR 121/08) damit begründet, dass der Inhaber eines Internetanschlusses, der diesen einem Dritten zur eigenverantwortlichen Nutzung überlasse, den Dritten darüber aufklären müsse, dass die Teilnahme an Tauschbörsen verboten sei. Der Vortrag des Beklagten, dass dies geschehen sei, sei nicht "beweisbewehrt" und zudem ohnehin verspätet. Unerheblich sei sein weiterer Vortrag zum Innenverhältnis bzw. zu Absprachen der Klägerinnen mit ihren Prozessbevollmächtigten hinsichtlich der Anwaltsvergütung. Eine evtl. nach § 4a RVG unwirksame Vereinbarung würde lediglich dazu führen, dass das gesetzliche Rechtsanwaltshonorar geschuldet sei.
Hiergegen erhob der Beschwerdeführer die Anhörungsrüge und wiederholte den bereits in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag, die Revision zuzulassen. Der Beschwerdeführer verwies auf die abweichende Rechtsprechung des OLG Frankfurt.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer, durch die beiden Urteile des Landgerichts und des Oberlandesgerichts in seinen Rechten aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG verletzt zu sein. U.A. sei sein Vortrag nicht berücksichtigt worden, dass die bevollmächtigten Rechtsanwälte die Musiklabel von jeglichem Kostenrisiko freistellen. Außerdem habe das OLG die Revision eigentlich zulassen müssen, da die Rechtssache ja grundsätzliche Bedeutung habe. Die aufgeworfenen Rechtsfragen seien für „zigtausende“ vergleichbare Fälle von Bedeutung. Es liege unterschiedliche Rechtsprechung von Oberlandesgerichten vor, ohne dass der BGH insoweit schon entschieden hätte. Angesichts der erst aktuell durch die Abmahnungen in Filesharing-Fällen aufgekommenen Rechtsfragen gebiete auch die Fortbildung des Rechts eine Zulassung der Revision.
Das Bundesverfassungsgericht erachtete die Verfassungsbeschwerde des Polizeibeamten als offensichtlich begründet. Das angegriffene Urteil des OLG Köln verletze das Recht des Anschlussinhabers auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Denn die Nichtzulassung der Revision wurde nicht nachvollziehbar begründet, obwohl die Zulassung der Revision nahelag.
Zu der Rechtsfrage, ob einen Internetanschlussinhaber Prüf-, Hinweis- und Kontrollpflichten gegenüber sonstigen Nutzern des Anschlusses treffen, werden unterschiedliche Auffassungen vertreten. Besonders skeptisch werden solche Pflichten gegenüber volljährigen Familienmitgliedern beurteilt. Das OLG Frankfurt führte mit Beschluss vom 20.12.2007 (Az. 11 W 58/07) dazu u.a. aus:
"... Überlässt der Inhaber eines Internetanschlusses diesen dritten Personen, kann ihn die Pflicht treffen, diese Nutzer zu instruieren und zu überwachen, sofern damit zu rechnen ist, dass der Nutzer eine Urheberrechtsverletzung begehen könnte. Eine Pflicht, die Benutzung seines Internetanschlusses zu überwachen oder gegebenenfalls zu verhindern, besteht jedoch nur, wenn der Anschlussinhaber konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass der Nutzer den Anschluss zu Rechtsverletzungen missbrauchen wird. Solche Anhaltspunkte bestehen deshalb grundsätzlich nicht, solange dem Anschlussinhaber keine früheren Verletzungen dieser Art durch den Nutzer oder andere Hinweise auf eine Verletzungsabsicht bekannt sind oder hätten bekannt sein können. ... Der Bekl. kann, sofern nicht besondere Umstände dafür Anlass bieten, ohne Weiteres davon ausgehen, dass erwachsenen Personen bekannt ist, dass sie derartige Rechtsverletzungen nicht begehen dürfen…"
Hierauf stellte auch das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich ab.
Anders als das OLG Frankfurt lässt das OLG Köln für das Entstehen einer Instruktions- und Überwachungspflicht bereits die Überlassung des Anschlusses an einen - egal wie jungen oder wie alten - Dritten genügen. Ob dies auch auf Ehepartner zutrifft, hat das OLG Köln mit Beschluss vom 24.03.2011 (Az. 6 W 42/11) skeptisch beurteilt, aber offen gelassen .
Das OLG Köln hatte im Übrigen bereits in einem früheren Urteil vom 23.12.2009 (Az. 6 U 101/09) selbst festgestellt, dass es uneinheitlich beurteilt wird, inwieweit der Inhaber eines Internetanschlusses dafür Sorge zu tragen hat, dass Dritte, die Zugang zu seinem Internetanschluss haben, bei der Nutzung dieses Internetanschlusses nicht urheberrechtliche Nutzungsrechte Dritter verletzen.
Der BGH hat die Frage für die hier fragliche Sachverhaltsgestaltung bisher nicht entschieden. In ständiger Rechtsprechung geht er von dem Grundsatz aus, eine Störerhaftung setze die Verletzung von Prüfpflichten voraus. Deren Umfang richte sich danach, ob und inwieweit nach den konkreten Umständen eine Prüfung zumutbar ist. Dieser auch im angegriffenen Urteil des OLG Köln unter Bezug genommene Grundsatz ist mit den Auffassungen beider Oberlandesgerichte vereinbar. Ob und ggf. in welchem Umfang in der Konstellation des Ausgangsverfahrens Prüfpflichten überhaupt bestanden haben, ist vom BGH auch nach Einschätzung der Bundesverfassungsrichter offensichtlich noch nicht geklärt worden. Die „Sommer unseres Lebens“-BGH-Entscheidung betraf nämlich einen anderen Sachverhalt, und zwar die Frage, ob ein WLAN-Anschluss auf hinreichende Sicherungsmaßnahmen gegen möglichen Missbrauch durch außenstehende Dritte geprüft werden muss.
Also hätte hier eigentlich eine Revisionszulassung nahegelegen, weil eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage, die sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Abmahnungsfälle stellen kann, sowie eine entscheidungserhebliche Abweichung vorlag.
Das Bundesverfassungsgericht musste danach nicht mehr entscheiden, ob die Revision auch im Hinblick auf die Frage zuzulassen gewesen wäre, ob die außergerichtliche Abmahnung vom 30.01.2007 überhaupt eine grundsätzlich brauchbare anwaltliche Dienstleistung darstellt und insoweit überhaupt ersatzfähige Rechtsverfolgungskosten ausgelöst hat oder nicht. Mit dieser Thematik hatte sich jüngst das OLG Düsseldorf mit seinem Beschluss vom 14.11.2011 (Az. I-20 W 132/11) befasst.
Das OLG Köln hat nun zu prüfen, ob es an seiner obergerichtlich umstrittenen Rechtsauffassung zu den vermeintlichen Pflichten des Anschlussinhabers festhalten möchte. Es müsste dann die Revision zulassen - oder zumindest die Nichtzulassung schlüssig und verfassungsgemäß begründen. Es spricht vieles dafür, dass der BGH bald Gelegenheit bekommt, sich umfassender zu äußern zu den Voraussetzungen einer "Störerhaftung" von Internetanschluss-Inhabern insbesondere für Familienangehörige und andere häusliche Mitbewohner. Entgegen vielfacher Über- und Fehlinterpretationen in zahlreichen Filesharing-Abmahnungen gibt es zu den diesbezüglichen Fragen nämlich bisher weder eine einheitliche OLG-Rechtsprechung, noch eine Entscheidung des zuständigen Ersten Zivilsenats des Bundesgerichtshofs.
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Donnerstag, 5. April 2012
Neues OLG-Urteil zu Eltern-Haftung, Schadensersatz und Kostenerstattung nach Filesharing-Abmahnung
Nach Abmahnung und Klage von einigen der größten deutschen Tonträgerhersteller hat der 6. Zivilsenat des OLG Köln mit Urteil vom 23. März 2012 (Az. 6 U 67/11) die Berufung der beklagten Eltern eines zur fraglichen Zeit (Januar 2007) 13-jährigen Schülers gegen ein am 30.3.2011 verkündetes Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln (Az. 28 O 716/10) zurückgewiesen - allerdings die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen, "weil höchstrichterliche Rechtsprechung zur Frage der Schadensberechnung bei urheberrechtswidriger Nutzung von Musiktiteln durch Teilnahme an einer Tauschbörse im Internet noch nicht vorliegt."
Die OLG-Entscheidung ist in mehrfacher Hinsicht kritikwürdig. Eine Revision gibt nach meiner Auffassung durchaus Sinn - wenn auch das Berufungsurteil nicht verallgemeinerungsfähig ist für eine Vielzahl anderer Filesharing-Abmahnungen.
Den Streitfragen zur Eltern-Haftung dem Grunde nach begegnet das OLG mit einer vom Rechtsanwalt der beklagten Eltern als "Zirkelschluss" bezeichneten Logik oder Unlogik:
Zur Schadenshöhe hatte der 6. Zivilsenat im Beschluss vom 30.09.2011 im Übrigen noch ausgeführt:
Dort heißt es nun:
Und schließlich ein weiterer Hinweis: Bei der in Rede stehenden OLG-Entscheidung handelt es sich in mehrfacher Hinsicht um einen Einzelfall, der nicht auf alle aktuellen Filesharing-Abmahnungen ohne weiteres "hochgerechnet" werden kann. Im erstinstanzlichen Urteilstatbestand des Landgerichts heißt es z. B.:
Unbeschadet dessen darf auch im vorliegenden Fall einer wahrscheinlichen Revision und der darauf folgenden BGH-Entscheidung mit Interesse entgegengesehen werden.
Die OLG-Entscheidung ist in mehrfacher Hinsicht kritikwürdig. Eine Revision gibt nach meiner Auffassung durchaus Sinn - wenn auch das Berufungsurteil nicht verallgemeinerungsfähig ist für eine Vielzahl anderer Filesharing-Abmahnungen.
Den Streitfragen zur Eltern-Haftung dem Grunde nach begegnet das OLG mit einer vom Rechtsanwalt der beklagten Eltern als "Zirkelschluss" bezeichneten Logik oder Unlogik:
<< Das Nichtauffinden beider seit Herbst 2006 installierter Tauschbörsenprogramme ist ein deutliches Indiz dafür, dass - worauf bereits das Landgericht zutreffend abgestellt hat - die angeblichen Kontrollmaßnahmen nicht zuverlässig durchgeführt worden sein können. >>Auch die im Urteil dargestellten Lizenzanalogien zur Begründung von Schadensersatz sind zumindest fragwürdig, gemessen an kostenlosen Tauschbörsen nicht wirklich nachvollziehbar und zudem eigentlich systemwidrig. Die vom OLG herangezogenen Grundlagen der richterlichen Schätzungen sind nicht zwingend, die Schätzungen teilweise nicht plausibel und nicht zu Ende gedacht.
Zur Schadenshöhe hatte der 6. Zivilsenat im Beschluss vom 30.09.2011 im Übrigen noch ausgeführt:
<< Das Einstellen der Titel in die Tauschbörse hat zwar – wie die Klägerinnen im Ausgangspunkt zutreffend vortragen – einer unübersehbaren Anzahl Beteiligter den Zugriff auf diese ermöglicht, es bestehen aber auch gegen all jene (soweit schuldhaft handelnden) weiteren unberechtigten Nutzer wiederum Schadensersatzansprüche. Eine – aus diesem Grunde zumindest theoretisch möglich erscheinende – vielfache Geltendmachung desselben Schadens ohne Anrechnung der schon erfolgten Ersatzleistung eines der Schädiger dürfte im Ansatz unberechtigt sein. >>Im Berufungsurteil findet auch dies keine ausreichende Berücksichtigung mehr.
Dort heißt es nun:
<< Der den Klägerinnen eingetretene Schaden ist entgegen der Auffassung der Beklagten, die meinen, sie schuldeten lediglich den Betrag von (15 x 0,92 € =) 13,80 € für den konkreten Zugriff ihres Sohnes auf die Titel, tatsächlich danach zu berechnen, wie häufig aufgrund dieser Beteiligung des Sohnes der Beklagten an der Tauschbörse von unbekannten Dritten auf die geschützten Titel zugegriffen worden ist. Insofern obliegt es den Klägerinnen nicht, die Anzahl der Zugriffe konkret darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, nachdem sie in der letzten mündlichen Verhandlung unbestritten dargelegt haben, dass solche Zugriffszahlen in peer-to-peer-Netzwerken an keiner Stelle protokolliert werden und von daher gar nicht vorgetragen werden können. Danach genügt es im Rahmen des § 287 ZPO darzulegen, in welcher Größenordnung Zugriffe erfolgt sein werden.
Legt man mit 0,50 € den geringsten Betrag der erwähnten Rahmenvereinbarung zu Grunde, so ergibt sich die Klageforderung der Höhe nach bereits dann, wenn auf die jeweiligen Titel 400 Mal illegal zugegriffen worden ist. Es ist indes davon auszugehen, dass auch bei Zugrundelegung gebotener Abschläge jedenfalls in dieser Größenordnung Zugriffe erfolgt sein werden. >>... und weiter ...
<< Nachdem der Sohn der Beklagten die Titel jedenfalls am 28. Januar 2007 zum Upload im Filesharing-Netzwerk bereitgestellt hatte, haben sich diese bis zum Zeitpunkt der Beschlagnahme im August desselben Jahres auf dem PC befunden. Der Senat hat zu Gunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass der PC des Sohnes der Beklagten nicht durchgängig eingeschaltet und damit auch im peer-to-peer-Netzwerk "online" war. Indes ergeben sich auch bei einer sehr zurückhaltenden Schätzung der Nutzungsdauer der Programme über mehr als sechs Monate hinweg Zeiträume, die den Zeitraum aus dem vorstehenden Test bei weitem überschreiten. Es kann danach auch auf sich beruhen, ob und in welchem Ausmaß bei der Höhe der den Klägerinnen zustehenden Schadensersatzbeträgen berücksichtigt werden muss, dass diese aufgrund der Beteiligung des Sohnes der Beklagten an der Tauschbörse Schadenersatzansprüche auch gegen - unbekannte - Dritte erworben haben. Angesichts des Zeitraumes von über sechs Monaten, in denen die Tauschbörse einer unbekannten Zahl von Nutzern die Möglichkeit eröffnete, auf den PC des Sohnes der Beklagten zum Zwecke des Herunterladens der damals attraktiven Titel zuzugreifen, ist von einer hinreichenden Anzahl von Zugriffen auszugehen, die auf der Grundlage der vorgelegten Rahmentarife die Bestimmung des Schadensbetrages in Höhe von 200,00 € gemäß § 287 ZPO rechtfertigt.
Aus diesen Gründen vermag der Senat auch der Auffassung des LG Hamburg nicht zu folgen, das durch Urteil vom 8.10.2010 - bei einer in Teilen abweichenden Sachverhaltskonstellation - im Verfahren 308 O 710/09 für Rechtsverstöße im Rahmen des Filesharing lediglich einen Lizenzschaden von 15 € pro Titel zuerkannt hat. >>Sehr kritisch wird man sich auch mit den Urteilsgründen zu vermeintlichen Kostenerstattungsansprüchen und deren Höhe auseinanderzusetzen haben. Das Kölner Oberlandesgericht führt dazu u.a. aus:
<< Insbesondere ist zu Grunde zu legen, dass die Klägerinnen ihren Anwälten das Honorar nach den Vergütungssätzen des RVG erstattet haben, wie dies ihrer Forderung zu Grunde liegt. Der Einwand, tatsächlich bestünden zwischen den Klägerinnen und ihren Anwälten Honorarvereinbarungen, die auf den Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit abstellten und die dafür bestehenden Voraussetzungen des § 4a RVG nicht erfüllten, ist unerheblich.
Hierzu wiederholt der Senat seine in den beiden Entscheidungen vom 22.07.2011 (6 U 208/11 und 6 W 78/11) formulierte Begründung:
Nach meiner Meinung dürften z.B. etwa erst kurz vor oder nach Klageerhebung abgestimmte oder gestaltete Vergütungsszenarien dem zur Erstattung derartiger “Kosten” Angegangenen den Einwand des Rechtsmissbrauchs erlauben. Im Kölner Prozess steht der Vorwurf gfs. unzulässiger Erfolgshonorare im Raum. Hinsichtlich der Abmahnungs-Vergütung bleibt eine prozessual angemessene Verteilung der Darlegungs- und Beweislasten zu klären. Da wird von einigen Amts- und Landgerichten und auch von etlichen Oberlandesgerichten m. E. zu großzügig und zu schnell eine Vergütungs-Vereinbarung, -Berechnung und -Zahlung in Höhe der durchschnittlichen gesetzlichen RVG-Gebühren unterstellt. Das wird den tatsächlichen Handhabungen der Abmahnungs-Branche bei realistischer Betrachtung nicht wirklich gerecht."Die Unwirksamkeit einer derartigen Vereinbarung führt nicht dazu, dass der Mandant seinem Rechtsanwalt keine Vergütung schuldet. Das Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (RVG) regelt die Folgen eines Verstoßes gegen § 4a nicht; daher kommen in diesem Fall die allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen zur Anwendung (BT -Drucks, 16/8384, S. 12). Nach diesen tritt an die Stelle der unwirksamen Vergütungsvereinbarung gemäß § 612 Abs. 2 BGB die für eine solche Tätigkeit übliche Vergütung, also das gesetzliche Anwaltshonorar (vgl. BGHZ 18, 340, 347). Zwar kann ein Mandant in einem solchen Fall dem Zahlungsverlangen seines Rechtsanwalts häufig den Einwand des Rechtsmissbrauchs gemäß § 2428GB entgegenhalten (BGH, ebd.). Dafür ist hier allerdings, da insoweit das Verhältnis der Klägerinnen zu ihren Prozessbevollmächtigten maßgeblich ist, nichts ersichtlich. Vielmehr haben die Klägerinnen, indem sie den Klageauftrag erteilt haben, deutlich gemacht, dass sie sich zur Bezahlung des Honorars als verpflichtet ansehen." >>
Und schließlich ein weiterer Hinweis: Bei der in Rede stehenden OLG-Entscheidung handelt es sich in mehrfacher Hinsicht um einen Einzelfall, der nicht auf alle aktuellen Filesharing-Abmahnungen ohne weiteres "hochgerechnet" werden kann. Im erstinstanzlichen Urteilstatbestand des Landgerichts heißt es z. B.:
<< Am 28.01.2007 um 20:51:19 Uhr ermittelte die Firma N GmbH im Auftrag der Klägerinnen – nach dem bestrittenen Vortrag der Klägerinnen –, dass unter der IP-Adresse ##### insgesamt 1147 Audiodateien zum kostenlosen Download in einer Tauschbörse öffentlich zugänglich gemacht wurden.
...
Mit Beschluss des Amtsgerichts Bochum vom 22.05.2007 wurde die Durchsuchung der Wohnung der Beklagten angeordnet und am 22.08.2007 der PC des 13jährigen Sohnes der Beklagten beschlagnahmt. Auf dem Desktop des Computers befanden sich das Programmsymbol der Filesharingsoftware „Bearshare“ sowie die Ordner „My Music“ und „Papas Music“, in denen Musikdateien abgelegt waren. Des Weiteren wurde unter den installierten Programmen die Filesharing-Software „Morpheus“ vorgefunden. In der polizeilichen Anhörung des Sohnes des Beklagten gab dieser unter anderem zu Protokoll (Anlage K 5, Bl. 144 d. A.):
Diese Ausgangslage hat dem Berufungsgericht ersichtlich eine "strengere" Bewertung von Darlegungs- und Beweispflichten zu Lasten der beklagten Eltern leichter gemacht. Die einer Filesharing-Abmahnung zugrunde liegenden Sachverhalte können nicht selten völlig anders und für den oder die Abgemahnte(n) günstiger und entlastender sein. Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich der Erfordernisse für eine vermeintliche Störerhaftung - und erst recht hinsichtlich einer angeblichen Schadenshaftung.„Ich wusste nicht, dass das so schlimm ist. Ich konnte mir auch gar nicht vorstellen, erwischt zu werden.“ >>
Unbeschadet dessen darf auch im vorliegenden Fall einer wahrscheinlichen Revision und der darauf folgenden BGH-Entscheidung mit Interesse entgegengesehen werden.
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