Mittwoch, 5. Oktober 2011

BGH-Urteil zur Verselbständigung von Namen: Das Recht, nach Erwerb von Immobilien den Namen des früheren Eigentümers als Geschäftsbezeichnung und Domain zu nutzen

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Gleichzeitig ein Reminder zum Risiko eines Untergangs bzw. Verfalls sogenannter generischer Marken

Mit Urteil vom 28.09.2011 (Az. I ZR 188/09 - Landgut Borsig) hat der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes entschieden, dass mit dem Erwerb eines Gebäudes oder eines Grundstücks das Recht verbunden sein kann, dieses Anwesen mit dem Namen eines früheren Eigentümers zu bezeichnen (BGH-Pressemitteilung  Nr. 151/2011 vom 29.09.2011).



Kläger ist der in München lebende Nachkomme der Berliner Industriellenfamilie von Borsig. Er hatte den ersten Teil seiner Kindheit auf dem Landgut verbracht.. 

Dessen Vorfahre, Albert Borsig, hatte 1866 das ca. 40 km westlich von Berlin gelegene Gut Groß Behnitz erworben. Nachdem der Grundbesitz 1947 von der sowjetischen Besatzungsmacht enteignet worden war, erwarb der Beklagte zu 1 im Jahr 2000 einen Teil der Liegenschaft von der Treuhand. Der Beklagte zu 1 ist Geschäftsführer der Landgut Borsig Kontor GmbH, die auf dem Anwesen nach der Sanierung unter der Bezeichnung "Landgut Borsig Groß Behnitz" kulturelle und andere Freizeitveranstaltungen durchführt und dort auch typische Produkte aus der Region vertreibt.

Der Beklagte zu 1 hat für sich zudem bei der DENIC den Domainnamen "landgut-borsig.de" registrieren lassen. 


Der Kläger will nach entsprechender Abmahnung die Beklagten verurteilen lassen, es zu unterlassen, die umstrittene Kennzeichnung auf die beschriebene Art und Weise zu verwenden, und ferner die Löschung der registrierten Domain erwirken.

Die Beklagten haben u. a. vorgetragen, ihnen sei die Verwendung des Namens "Borsig" aufgrund einer Gestattung der Borsig GmbH erlaubt. Zudem habe sich der Name "Landgut Borsig" für das Gut in Groß Behnitz verselbständigt und durch den Namensgebrauch seien auch keine schutzwürdigen Interessen des Klägers verletzt.

Die Klage war vor dem Berliner Landgericht (Urteil vom 12.10.2007, Az. 35 O 106/07) und dem Kammergericht (Urteil vom 2010.2009, Az. 5 U 173/07) weitgehend erfolgreich. 

Der BGH hob das Berufungsurteil auf die Revision der Beklagten hin auf. 


Nach Einschätzung des I. Zivilsenats kann der Gebrauch der Bezeichnung "Landgut Borsig" beim Publikum zwar den unzutreffenden Eindruck erwecken, der Kläger habe als Nachfahre des früheren Eigentümers Ernst von Borsig dem Gebrauch seines Namens zugestimmt. Die Beklagten könnten sich auch nicht mit Erfolg auf eine Gestattung der Namensverwendung durch die heutige Borsig GmbH berufen. 

Nach dem Vortrag der Beklagten könne allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass sich der Name "Landgut Borsig" für das Gut Groß Behnitz derartig verselbständigt hat, dass die Zustimmung der Träger des Namens "Borsig" nicht mehr erforderlich war. Voraussetzung hierfür sei, dass die Bezeichnung "Landgut Borsig" zu dem Zeitpunkt, zu dem die Beklagten die Benutzung der Bezeichnung "Landgut Borsig" aufgenommen haben, im allgemeinen Sprachgebrauch der näheren Umgebung üblich war. Hätte sich der Name "Landgut Borsig" auf diese Weise verselbständigt, könnten sich die Beklagten auf dieses Namensrecht stützen. Ihr berechtigtes Interesse, ihre dort betriebenen wirtschaftlichen Aktivitäten mit diesem Namen zu bezeichnen, wäre in diesem Fall nicht zu leugnen. 


Da das Berufungsgericht noch keine Feststellungen dazu getroffen hat, verwies der BGH die Sache an das Kammergericht zurück. 

Vor dem Kammergericht wird es nun auf das Ergebnis der dort durchzuführenden Beweisaufnahme zu den vorgenannten Fragen ankommen. 

Schon jetzt bleibt festzuhalten, dass durch allgemeinen Sprachgebrauch Namensrechte und Kennzeichnungsrechte teilweise untergehen bzw. sich verlagern können und dass mit dem Erwerb von Immobilien oder anderen Objekten auch manchmal unbeabsichtigt oder zunächst unerkannt ein Namensrecht oder Kennzeichnungsrecht bzw. eine Geschäftsbezeichnung generiert oder übertragen werden kann. Diese Phänomen wird auch bei Marken sorgfältig zu beachten bleiben. 

Das Risiko eines Untergangs oder Verfalls von Marken thematisiert § 49 Abs. 2 Ziff. 1 MarkenG, wo es heißt:

... Die Eintragung einer Marke wird ferner auf Antrag wegen Verfalls gelöscht
wenn die Marke infolge des Verhaltens oder der Untätigkeit ihres Inhabers im geschäftlichen Verkehr zur gebräuchlichen Bezeichnung der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, geworden ist ...

Sogenannte praktisch fast zu Gattungsbegriffen gewordene generische Marken wie Aspirin, Bobbycar, Frisbee, Jeep, Kleenex, Nylon, Pampers, Plexiglas, Rigips, Selters, Tempo, Tesa, Uhu oder Vespa können ein Lied davon singen und führen teilweise in dem Zusammenhang harte - manchmal auch gerichtliche - Auseinandersetzungen.

Der Streit um das "Landgut Borsig" bildet in dem Zusammenhang lediglich einen gediegenen Teilaspekt ab, bei dem ein mit einer Kennzeichnung verbundener Immobilienerwerb durch Dritte eine zusätzliche Rolle spielt - neben einer etwaigen Kennzeichen-Verselbständigung durch Eingang in den allgemeinen (regionalen) Sprachgebrauch. Der BGH paart hier die etwaige Entstehung eines allgemeinen regionalen Sprach- und Namensgebrauchs mit einem möglichen Untergang eines objektbezogenen Untersagungsrechts. Den Urteilsgründen kann mit Spannung entgegengesehen werden.