So langsam wird einem Großteil der von der Rechte-Industrie massenhaft unters Volk gebrachten Filesharing-Abmahnungen zunehmend der schwankende Boden unter den tönernen Füßen weggezogen.
Neuster Mosaikstein auf diesem weggezogenen Boden ist das
gestern vom Kollegen Solmecke bekannt gegebene aktuelle Urteil des Landgerichts Köln vom 14.03.2013 (Az. 14 O 320/12). Die 14. Zivilkammer des LG Köln hatte
über die etwaige Störerhaftung des Hauptmieters einer Studenten-WG zu
entscheiden und in dem Zusammenhang unter anderem ausgeführt:
„Nach Auffassung der Kammer bestehen auch keine anlasslosen Prüfungs- und Belehrungspflichten gegenüber seinen Untermietern, die nicht in seinem Haushalt wohnen. Prüfungs- und Kontrollpflichten vor Ort könnte der Hauptmieter, der die Räumlichkeiten und den Internetanschluss vollständig an die Untermieter überlässt, nicht erfüllen, wollte er nicht die im Rahmen des Mietverhältnisses geschuldete Unverletzlichkeit der Privatsphäre des Mieters verletzen. Auch eine gesonderte Belehrung ist nicht erforderlich, sofern keine konkreten Anhaltspunkte für eine mögliche Verletzung bestehen. Denn aus dem Untermietverhältnis folgen Schutz- und Rücksichtnahmepflichten der Untermieter, die auch die ordnungsgemäße und rechtmäßige Nutzung des Internetanschlusses umfassen, die ihnen im Rahmen des Untermietverhältnisses gestattet war.“Es scheitern zunehmend die Versuche der Abmahnungs-Lobby, die jeweils offiziellen Inhaber oder Inhaberinnen des jeweiligen Internetanschlusses zu Oberlehren und Ober-Kontrollettis gegenüber den übrigen Nutzerinnen und –Nutzern des jeweiligen Internetanschlusses zu generieren. Immer mehr Gerichte erkennen, dass gekünstelte Einweisungs- und Disziplinierungs-Szenarien genauso realitätsfern und im Ergebnis asozial sind wie ein übertriebener, von einem inhumanen Misstrauensdogma gespeister Überwachungs- und Kontrollwahn.
Pauschale Besserwisserei und aufoktroyierter Prüfungsstress gehören nicht in das
erwachsene Zusammenleben von Wohngemeinschaften und Lebensgemeinschaften. Dort
sollte man sich vielmehr auf Augenhöhe begegnen. Allenfalls dann, wenn der
Anschlussinhaber, wie es das Landgericht Köln formuliert hat, in der Nutzergruppe
„… einen Informationsvorsprung hinsichtlich der Benutzung und der Gefahren des Internets …“
hat, wäre der Anschlussinhaber bzw. die Anschlussinhaberin
„… kraft überlegenen Wissens verpflichtet … , eine Belehrung auszusprechen, wie dies etwa im Verhältnis der sorgepflichtigen Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern der Fall ist.“
Hinsichtlich der genaueren Ausprägung der diesbezüglichen Eltern-Pflichten bleibt den schriftlichen Entscheidungsgründen des jüngsten Filesharing-Urteil des Ersten Zivilsenats des BGH vom 15.11.2012 („Morpheus“ – Az. I ZR 74/12) entgegenzusehen. Der Bundesgerichtshof hat vor vier Monaten auch gegenüber
minderjährigen Kindern mit ausreichender Einsichtsfähigkeit eine von Misstrauen
geprägte Prüfungs- und Überwachungspflicht jedenfalls eindeutig abgelehnt.
Eines der nächsten Fallstricke für die tönernden Füße so
mancher Filesharing-Abmahnung werden weitere gerichtliche Klarstellungen zum
tatsächlichen Umfang der häufig überinterpretierten sogenannten „tatsächlichen
Vermutung“ sein, mit der praktisch (oder besser unpraktisch) jedem
Anschlussinhaber bzw. jeder Anschlussinhaber ohne weiteres per se illegales
Filesharing unterstellt werden soll, obwohl die Internetanschlüsse wohl
zumindest nicht weniger häufig von Nicht-Anschlussinhaberinnen oder –inhabern benutzt
werden. Was soll dann bei nachweislich mehreren regelmäßigen Anschlussnutzern
gerade eine „tatsächliche Vermutung“ zu Lasten der beim
Internet-Service-Provider offiziell (und oft zufällig oder beliebig) registrierten Person begründen. Oder gibt
es eine gesetzliche Halterhaftung für Internetanschlüsse? Nein, es gibt sie
nicht. Aber es gibt noch einiges zu tun bei der Offenlegung der oft
mangelhaften Grundlagen unzähliger auf Prüfungsstress, Besserwisserei, Kontrollwahn sowie
Vermutungs- und Verdächtigungs-Fieber gestützter Tauschbörsen-Abmahnungen und deren "Heilung".