Wen stört die Störerhaftung? In letzter Zeit erhalten immer mehr (Alt-)Empfänger von Filesharing-Abmahnungen neue Anwaltspost - insbesondere aus Hamburg. Darin wird trotz bereits abgegebener Unterlassungserklärung "rasch" die Abgabe weiterer Erklärungen verlangt oder zumindest angeregt - mit der Andeutung ansonsten bestehender zusätzlicher Prozessrisiken. Die vorausgegangene Erklärung decke die Störerhaftung nicht ab.
Die Abfassung einer interessengerechten modifizierten strafbewehrtenUnterlassungserklärung stellt gewachsene Herausforderungen an Laien und
Juristen, erst recht, wenn nachträglich vom Abmahner "Nachschlag" verlangt wird. Welche - zusätzliche - Formulierung ist verantwortbar und schadensmindernd und vermeidet unnötige Vertragsstrafen und unnötige Prozessrisiken?
Vormals von der Mehrzahl der Abmahnanwälte akzeptierte
Erklärungsinhalte dahingehend, es zukünftig zu unterlassen, das geschützte oder die
geschützten Werke des vermeintlichen Rechteinhabers im Internet im Rahmen
sogenannter Tauschbörsen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, werden immer
öfter als unzureichend gerügt, wobei einige Abmahner auch den Zusatz "oder
öffentlich zugänglich machen zu lassen" nicht mehr als ausreichend
akzeptieren. Häufig wird nun verlangt, verknüpft mit dem jeweiligen
Vertragsstrafen-Versprechen zuzusagen, zukünftig jedes
"Bereitstellen" (so der m.E. fragwürdig tenorierte, berüchtigte Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 11.01.2013) von Werk-Daten zum Abruf durch andere Filesharing-Teilnehmer oder jedes "Ermöglichen" der jeweils in Rede stehenden, angeblichen
Rechtsverstöße zu unterlassen.
"Ermöglichen" ist ein sehr weiter, ein zu weiter Begriff.
Hintergrund sind die unterschiedlichen sachverhaltlichen und
rechtlichen Voraussetzungen einerseits der Täterhaftung (einschließlich Teilnehmer-Haftung)
und andererseits der sogenannten Störerhaftung, die ihrerseits etliche unterschiedliche und höchst umstrittene Ausprägungen hat. Dem wird eine offene und vieldeutige Vokabel wie das "Ermöglichen" nicht gerecht.
Deshalb an dieser Stelle der hoffentlich zu
Kritik, Ergänzung, Verbesserung und/oder Verwerfung aufmunternde, auf den ersten Blick vielleicht etwas kryptische Vorschlag,
neben selbstverständlich zahlreichen weiteren erforderlichen Überlegungen im Zusammenhang mit einer modifizierten Unterlassungserklärung derzeit
(vorbehaltlich ausstehender Erkenntnisse z. B. hinsichtlich der noch nicht
veröffentlichten Entscheidungsgründe zum Urteil des BGH vom 15.11.2012) folgendes
Formulierungsfragment konkretisierend in die UE aufzunehmen:
"... wobei die Unterlassungsverpflichtung so zu verstehen ist, dass sie auch eine sogenannte "Störerhaftung" umfasst, ein etwaiges schuldhaftes zukünftiges Verhalten, das ein entsprechend vertragsstrafenbewehrtes öffentliches Zugänglichmachen außenstehenden, unbefugten Dritten ermöglicht, indem der Zugang zum privaten WLAN-Anschluss des/der Erklärenden pflichtwidrig nicht in zumutbarer und hinreichender Art gesichert wird und/oder indem minderjährige befugte Nutzer des privaten Internetanschlusses nicht pflichtgemäß über das Verbot einer rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen belehrt werden. ..."
Hiermit wird sowohl eine zukünftige (und für die Vergangenheit
übrigens keineswegs eingeräumte) Störerhaftung wegen unzureichender Sicherung des
häuslichen WLAN-Netzwerkes als auch eine unzureichende Belehrung minderjähriger
Kinder erfasst, ohne die Störerhaftung etwa z.B. auf übertriebene
Kontroll- und Überwachungspflichten oder vermeintliche Belehrungspflichten gegenüber
erwachsenen Kindern oder Ehepartnern auszuweiten.
Auch das vorstehende Erklärungsfragment sollte in
der
Mehrzahl der Fälle natürlich ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht und
ohne
Präjudiz für die Sach- und Rechtslage sowie für weitergehende Ansprüche
und
insbesondere auch unter Protest gegen irgendeine Kostentragungspflicht,
dennoch
allerdings mit rechtlicher Verbindlichkeit, abgegeben werden. Darüber hinaus
sind immer auch die jeweiligen spezifischen Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls sorgfältig zu klären und zu berücksichtigen.
Mit der vorstehenden ergänzenden Erklärung sollte möglichst
auch ausdrücklich keine Aufnahme oder Fortsetzung von Verhandlungen über
vermeintliche Ansprüche oder über vermeintliche Ansprüche begründende Umstände
verbunden werden, außer dies und eine damit ggf. verbundene Hemmung einer noch
laufenden Verjährungsfrist sind gewollt.
Der Entwurf ermöglicht vielleicht, die von einigen
Gerichten und Anwälten propagierte ausufernde Formulierung der
"Ermöglichung" von Urheberrechtsverletzungen in angemessener Weise
einzugrenzen und damit auch das Risiko zu weitgehender vertraglicher Bindungen
im Rahmen einer vertragsstrafenbewehrten Unterlassungserklärung zu minimieren. Verlangt der Abmahner die Erfassung weitergehender Haftungsszenarien, wird er m.E. entsprechende konkrete Verstoßsachverhalte darlegen und beweisen müssen, was schwierig werden dürfte.