Dienstag, 18. März 2014

Neues Filesharing-Urteil des OLG Köln vom 14.03.2013 (Az. 6 U 109/13)


Verdacht durch Vertrauen - Abmahnung an den Familien-Zusammenhalt

 
Ende Oktober 2013 hatte ich noch optimistische Erwartungen geweckt, dass das bereits mehrfach in Sachen „Tauschbörsen-Abmahnungen“ vom BGH korrigierte OLG Köln die Darlegungs- und Beweis-Pflichten und -Lasten zukünftig angemessener und fairer anwenden wird, als dies mehrfach in der Vergangenheit geschehen ist.
Da habe ich mich geirrt. Das OLG Köln hat mit seiner jüngsten Entscheidung vom 14.03.2014 für eine bemerkenswerte - und kritikwürdige - Überraschung gesorgt. 

Die Fallkonstellation

Der häusliche Internetanschluss wurde vom beklagten Anschlussinhaber, dessen Ehefrau sowie den damals 17 und 19 Jahre alten Söhnen eigenverantwortlich mit jeweils einem ausschließlich selbst genutzten, passwortgeschützten Rechner genutzt. Die vier Rechner befanden sich zur Zeit der angeblichen Filesharing-Vorgänge, an einem Sonntag-Vormittag, im Standby-Betrieb. Alle vier Familienmitglieder waren zu Hause und hatten jeweils die Möglichkeit, auf den Internetanschluss zuzugreifen.
Sämtliche Familienangehörigen haben dem Beklagten gegenüber - und auch im Rahmen der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme - die Teilnahme an Filesharing-Vorgängen bestritten. Der Beklagte vertraute dem, konnte andererseits allerdings auch die Möglichkeit nicht ausschließen, dass eines oder mehrere seiner Familienmitglieder doch die streitgegenständlichen klägerischen Musikdateien per Filesharing zum Online-Download angeboten haben.
 

Verurteilung wegen familiären Vertrauens

Aufgrund einiger Unsicherheiten in den Aussagen der Söhne des Beklagten hält es nach den Entscheidungsgründen denn auch der Senat
„für möglich, dass die Söhne des Beklagten in Bezug auf die Internetnutzung der Familienmitglieder teilweise unvollständige und verfälschte Angaben gemacht haben“
und  
"dass zur fraglichen Zeit wenigstens einer der im Haushalt des Beklagten vorhandenen, im Betrieb befindlichen und mit dem Internet verbundenen Rechner für eine ... Teilnahme an illegalen Internettauschbörsen genutzt wurde."
Das beschreibt eigentlich die Möglichkeit alternativer Geschehensabläufe. Dennoch kommt das OLG Köln zur Verurteilung des Beklagten. Aus dem
„Eindruck eines engen Zusammenhalts und Vertrauensverhältnisses innerhalb der Familie“
will das Berufungsgericht nämlich darauf schließen,
„dass der Beklagte von den am 15.06.2008 über seinen Internetanschluss vorgenommenen Rechtsverletzungen zumindest wusste und er den von ihm als rechtsverletzend erkannten Handlungsverlauf trotz Abwendungsmöglichkeit nicht verhindert, sondern billigend in Kauf genommen hat, so dass er für die Rechtsverletzungen wenigstens als Mittäter oder Gehilfe durch Unterlassen mitverantwortlich ist.“ 
Familiäres Vertrauen als Verdachts- und Verurteilungsgrundlage?
 
Das hat der BGH mit seinen aktuellen Entscheidungen zur Geltung des Vertrauensgrundsatzes in der Familie wohl kaum gemeint. Das OLG hat die Revision - entgegen in der mündlichen Verhandlung geäußerter Andeutungen - nicht zugelassen. Das erinnert an den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21.03.2012 (Az. 1 BvR 2365/11), mit dem ein Urteil des 6. Zivilsenates des Oberlandesgerichts Köln vom 22.07.2011 (Az. 6 U 208/10) nach Verfassungsbeschwerde aufgehoben wurde und der schließlich doch noch zur Korrektur jener OLG-Entscheidung durch den BGH führte.