Verdacht durch Vertrauen - Abmahnung an den Familien-Zusammenhalt
Da habe ich mich geirrt. Das OLG Köln hat mit seiner jüngsten Entscheidung vom 14.03.2014 für eine bemerkenswerte - und kritikwürdige - Überraschung gesorgt.
Die Fallkonstellation
Der häusliche Internetanschluss wurde vom beklagten
Anschlussinhaber, dessen Ehefrau sowie den damals 17 und 19 Jahre alten Söhnen eigenverantwortlich mit jeweils einem ausschließlich selbst genutzten,
passwortgeschützten Rechner genutzt. Die vier Rechner befanden sich zur Zeit der angeblichen Filesharing-Vorgänge, an einem Sonntag-Vormittag, im Standby-Betrieb. Alle vier Familienmitglieder waren zu Hause und
hatten jeweils die Möglichkeit, auf den Internetanschluss zuzugreifen.
Sämtliche Familienangehörigen haben dem Beklagten gegenüber
- und auch im Rahmen der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme - die Teilnahme an
Filesharing-Vorgängen bestritten. Der Beklagte vertraute dem, konnte
andererseits allerdings auch die Möglichkeit nicht ausschließen, dass eines
oder mehrere seiner Familienmitglieder doch die streitgegenständlichen
klägerischen Musikdateien per Filesharing zum Online-Download angeboten haben.
Verurteilung wegen familiären Vertrauens
Aufgrund einiger Unsicherheiten in den Aussagen der Söhne
des Beklagten hält es nach den Entscheidungsgründen denn auch der Senat
„für möglich, dass die Söhne des Beklagten in Bezug auf die Internetnutzung der Familienmitglieder teilweise unvollständige und verfälschte Angaben gemacht haben“
und
"dass zur fraglichen Zeit wenigstens einer der im Haushalt des Beklagten vorhandenen, im Betrieb befindlichen und mit dem Internet verbundenen Rechner für eine ... Teilnahme an illegalen Internettauschbörsen genutzt wurde."
Das beschreibt eigentlich die Möglichkeit alternativer Geschehensabläufe. Dennoch kommt das OLG Köln zur Verurteilung des Beklagten. Aus dem
„Eindruck eines engen Zusammenhalts und Vertrauensverhältnisses innerhalb der Familie“
will das Berufungsgericht nämlich darauf schließen,
„dass der Beklagte von den am 15.06.2008 über seinen Internetanschluss vorgenommenen Rechtsverletzungen zumindest wusste und er den von ihm als rechtsverletzend erkannten Handlungsverlauf trotz Abwendungsmöglichkeit nicht verhindert, sondern billigend in Kauf genommen hat, so dass er für die Rechtsverletzungen wenigstens als Mittäter oder Gehilfe durch Unterlassen mitverantwortlich ist.“
Familiäres Vertrauen als Verdachts- und
Verurteilungsgrundlage?
Das hat der BGH mit seinen aktuellen Entscheidungen zur
Geltung des Vertrauensgrundsatzes in der Familie wohl kaum gemeint. Das OLG hat
die Revision - entgegen in der mündlichen Verhandlung geäußerter Andeutungen -
nicht zugelassen. Das erinnert an den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts
vom 21.03.2012 (Az. 1 BvR 2365/11), mit dem ein Urteil des 6. Zivilsenates des
Oberlandesgerichts Köln vom 22.07.2011 (Az. 6 U 208/10) nach
Verfassungsbeschwerde aufgehoben wurde und der schließlich doch noch zur Korrektur jener OLG-Entscheidung durch den BGH führte.