Donnerstag, 15. Juli 2010

Perlentaucher aus gutem Grund: Wichtiger als die BGH-Entscheidung - Zukunfts-Musik im Urheberrecht, Markenrecht und Medienrecht?

Die heutige Verhandlung im Streit zwischen "FAZ", "SZ" und "Perlentaucher" machte deutlich, dass der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes mit seinem Vorsitzenden Joachim Bornkamm sich die Entscheidung im Streit um Urheberrecht, Markenrecht und Wettbewerbsrecht nicht leicht machen wird: Der Vorsitzende bezeichnete den Prozess-Ausgang selbst als "durchaus offen", sprach allerdings gleichzeitig von einem gewissen "Unbehagen", darüber, das mit im Internet veröffentlichten Zusammenfassungen von in Zeitungen abgedruckten Buch-Rezensionen Einkünfte erzielt werden.

Während die Rechtsanwältin der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und der "Süddeutschen Zeitung" dem Online-Magazin vorwarf, es würde aus den Buch-Kritiken "gerade besonders farbige, einprägsame und phantasievolle Formulierungen eins zu eins" übernehmen und sich gleichzeitig eine wettbewerbswidrige "Rufausbeutung" erlauben, stellte die Prozessvertretung der Beklagten darauf ab, dass in den streitgegenständlichen "Notizen", den Online-Abstracts,  in eigenschöpferischer Leistung und in eigenen Worten der Kerngehalt der Rezensionen herausgearbeitet würde - und zwar in "freier Benutzung" der Feuilleton-Artikel, aber ohne deren urheberrechtswidrige Bearbeitung.

Bei dem für den 30.09.2010 angekündigten Urteil des BGH wird es m. E. weniger auf den Entscheidungs-Tenor als vielmehr auf die genauen Entscheidungsgründe ankommen, die für die im Prozessstoff enthaltenen mehrfachen Fragen ggf. zukunftsweisende Weichenstellungen enthalten können.

Bleibt zu hoffen, das die höchstrichterliche Begründung gute und differenzierte Gründe mit praktikablen und interessengerechten Tendenzen enthält - ohne Verkennung schöpferischer Wertschaffung wie auch berechtigter Bedürfnisse einer transparenten und von Offenheit, Austausch und Befruchtung geprägten Medien-Welt mit ihren ständig wachsenden und vielfältiger werdenden Möglichkeiten und Chancen.

Konkretere Kritik-Vorgriffe verbieten sich mir vor Lektüre der ausstehenden Entscheidung(sgründe).

Dienstag, 6. Juli 2010

Erneuter Satz-Gewinn im Marken-Tennis für Barbara Becker und ihre Namensmarke

Ein Sieg gegen die oft zu pauschale und zu übereilte Annahme markenrechtlicher Verwechslungsgefahr:

Barbara Becker, die Ex-Gattin der Tennislegende Boris Becker, meldete 2002 die Namensmarke "Barbara Becker" u.a. für Elektronik-Produkte als Gemeinschaftsmarke an. Hiergegen legte die Fa. Harman Becker International Industries Inc., Inhaberin der Marke "BECKER" und Produzentin u. a. von Navigationsgeräten und Autoradios, zunächst erfolgreich Widerspruch ein. Die Beschwerdekammer des HABM gab demgegenüber Barbara Becker Recht und verneinte eine Verwechslungsgefahr.

Die 4. Kammer des EuGH hat mit Urteil vom 24.06.2010 ( Az. C-51/09 P)  nun ein prozessual im Dezember 2008 von der Fa. Harman Becker errungenes entgegengesetztes Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (Az. T-212/07) wiederum aufgehoben und die Sache an das Gericht der Europäischen Union zurückverwiesen.

Ein Hin und Her wie beim richtig großen Tennis.

Das höchstrichterliche Urteil bedeutet noch nicht zwingend das letzte Wort, macht aber auch für die nun wieder am Ball befindliche erste gerichtliche Instanz zum Thema "Verwechslungsgefahr" verbindlich deutlich,

  • dass es keine grundsätzliche Monopolisierung von Nachnamen im Markenrecht gibt,

  • dass der Zusatz eines Vornamens geeignet sein kann, eine Verwechslungsgefahr auszuschließen,

  • dass bei der Prüfung einer etwaigen Verwechslungsgefahr alle relevanten Umstände des Einzelfalls jeweils umfassend zu berücksichtigen sind und nicht nur auf Einzelaspekte abgestellt werden darf,

  • dass maßgeblich auf den Gesammteindruck des Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist,

  • dass auch die Häufigkeit eines Nachnamens von Relevanz sein kann

  • und dass auch die Bekanntheit eines Namens Einfluss auf die Wahrnehmung der entsprechenden Marke und auf deren Kennzeichnungskraft haben kann.

Weitere Gesichtspunkte - wie z. B. Branchen-Usancen oder das in manchen Fällen berechtigte und auch verfassungsrechtlich nicht völlig ungeschützte Bedürfnis mehrerer Namensträger, den eigenen Familiennamen zumindest als Bestandteil einer eigenen Wortmarke zu benutzen - sind bei der anwaltlichen Befassung mit vergleichbaren Marken-Fällen zusätzlich zu beachten und könnten hinzugefügt werden. In jedem Fall deutet nach dieser Entscheidung vieles darauf hin, dass Barbara Becker und ihr Rechtsanwalt nach dem zweiten und vierten Satz nun auch den fünften Satz - zu recht - gewinnen.

Montag, 5. Juli 2010

Das Geschäftsmodell "Filesharing-Abmahnung" und unlogische Boom-Geschäfte mit der Lizenzanalogie

Das Geschäftsmodell "Filesharing-Abmahnung" generiert auch unprominenten Urhebern bzw. Rechteinhabern und ihren Rechtsanwälten "Erlöse", von denen manche bei bloßer Verfolgung ihrer eigentlichen Kern-Geschäfte nur träumen konnten. Hilfe scheint hier das schutzrechtliche Schadensersatz-Modell der Lizenzanalogie zu bieten. Doch wird das den tatsächlichen und rechtlichen Hintergründen wirklich gerecht?

Nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie ist - soweit überhaupt ein Schadensersatz begründendes Verschulden vorliegt - jeweils zu ermitteln, was vernünftige Vertragspartner bei Abschluss eines marktfähigen und verkehrsüblichen Lizenzvertrages als Vergütung für die Benutzungs- bzw. Verwertungshandlung des Verletzers vereinbart hätten, wobei es auf den objektiven Wert der angemaßten Benutzungsberechtigung ankommt.

Dazu stellen sich m. E. im Zusammenhang mit Musik- oder Film-Tauschbörsen u. a. die folgenden Fragen:

- Welcher vernünftige Markt-Teilnehmer würde für die Möglichkeit, eine bestimmte Audio- oder Video-Datei in ein P2P-System zum kostenlosen Tausch einzustellen, fühlbare Lizenz-Beträge zahlen?

- Wäre eine Vergütungspflicht im Rahmen von kostenlosen Tauschbörsen nicht bereits systemwidrig?

- Wären insoweit kostenpflichtige Lizenzierungen überhaupt marktfähig und verkehrsüblich?

- Würden bei Zulassung einer fingierten kostenpflichtigen Lizenzierung dann nicht zumindest die fingierten "Kunden" des Abgemahnten als (nachträglich) legitimiert im Rahmen ihrer Tauschbörsen-Teilnahme anzusehen und zu behandeln sein?

- Wie werden die Abmahner dann daran gehindert, unzählige im Rahmen massenhafter Abmahnungen und Lizenzzahlungen vergütete Tauschvorgänge mehrfach und gehäuft zum Anlass zahlreicher weiterer Abmahnungen zu nehmen?

- Führt diese Praxis nicht zu unabsehbarer virtueller Potenzierung von "analogen" Lizenz-Einnahmen der Abmahnungs-Industrie, ohne dass dem realistische reale Vergütungsszenarien oder -Modelle zur Seite stehen?

- Und wird damit nicht erst durch das Geschäftsmodell der "Filesharing-Abmahnungen" eine Vergütungs- bzw. Lizenzierungsbasis kreiert, die eigentlich nicht existiert?

- Eröffnen sich hier nicht zusätzliche berechtigte Argumente zur Abwehr von Abmahnungen wegen Filesharing?

Den Aufregungen und Antworten sehe ich mit Interesse entgegen.

Fortsetzung folgt.