Freitag, 22. Juli 2022

NICHT NUR ZUR SOMMERZEIT


Sternchen und Likes verfliegen bei hitzigen Gemütern.

Coole Abwehr hitziger Rezensionen 


Die Lust darauf, ein Unternehmen oder einen Dienstleister im Internet öffentlich nicht nur mit Sternchen und Likes zu bewerten, sondern in teilweise vernichtender Art und Weise hinsichtlich der angebotenen Produkte bzw. Leistungen oder auch persönlich in ungerechtfertigter Weise zu diskreditieren, nimmt seit einiger Zeit fühlbar zu. Bei allem Verständnis für zutreffend begründete Kritik, das Recht auf freie Meinungsäußerung und das berechtigte Interesse potenzieller Kunden oder Geschäftspartner an auch subjektiven und wortstark zugespitzten Informationen und Wahrnehmungen, kann dennoch der oder die jeweils Bewertete nicht völlig schutzlos jeglicher Bewertungswillkür ausgesetzt sein. 

Schließlich geht es dabei in unserem zunehmend digitalisierten und internetaffinen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben nicht selten um geschäftliche bzw. berufliche Existenzen. Da können im Einzelfall mit jahrelangem, teilweise jahrzehntelangem Engagement aufgebaute unternehmerische Wertschätzung und Anerkennung, ja die gesamte erreichte Reputation, mit einem Klick zunichte gemacht werden. 

Doch der Adressat entsprechender unberechtigter Anwürfe und Missbilligung ist dem nicht schutzlos ausgesetzt. Das Medienrecht, das Persönlichkeits- und Reputationsrecht und nicht zuletzt auch das Deliktsrecht sowie das Strafrecht geben bei seriöser rechtlicher Prüfung und Handhabung in den meisten Fällen juristische Instrumente an die Hand, mit denen verbreitende Medien und/oder die agierenden Personen, um nicht „Täter“ zu sagen, in ihre Schranken zu weisen und das Risiko fortdauernder Existenz gefährdender Rufbeeinträchtigung zu begrenzen, wenn nicht gar zu beseitigen.

Dabei wird es u. a. darauf ankommen, inwieweit unwahre Tatsachenbehauptungen, die Vermittlung falscher Eindrücke, ehrverletzende Schmähungen oder unzulässige Abwertungen vorliegen. Dies ist seitens des rechtlichen Beistands – bei aller verständlicher Emotionalisierung des betroffenen Bewertungsadressaten – engagiert und detailliert, aber dennoch besonnen und mit kühlem Kopf zu prüfen und bei der Einleitung rechtlicher Schritte zu berücksichtigen und abzuwägen. 

Zur Erreichung möglichst kurzfristiger und damit möglichst schnell schadensmindernder Löschungen oder Entschärfungen überhitzter Bewertungsinhalte sollte es dabei das Ziel sein, durch klares und argumentationsstarkes Agieren bereits außergerichtlich eine schnelle Lösung zu erzielen. Das setzt selbstverständlich eine ebenfalls möglichst kurzfristige, umfassende, konkrete und sachgerechte Information seitens des Beeinträchtigten voraus. Eventuell durch mehrere Instanzen zu führende gerichtliche Verfahren – außerhalb ggf. bei zeitnahem Agieren möglicher prozessualer Eilverfahren – können insoweit allenfalls die zweitbeste, weil langsamere Lösung bieten. 

Und tatenloses Zusehen stellt überhaupt keine Lösung dar, sondern beflügelt vielleicht sogar weitere überambitionierte Rezensenten, Querulanten oder Lästerer.

Dienstag, 12. April 2022

Emojis, Meinungsfreiheit und verletzte Gefühle

 

Emojis können verschiedenste Meinungen und Gefühle mitteilen.

 Nur zur Erinnerung: Das Grundgesetz schützt – wenn auch nicht schrankenlos – das Recht, seine Meinung „in Wort, Schrift und Bild“ frei zu äußern und zu verbreiten (Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 des Grundgesetzes). 

Als Bilder mit zusätzlichem ansatzweisem Schriftcharakter stellen sich auch die sog. Emojis dar. Und im digitalen Zeitalter der sog. „sozialen“ Medien und unzähliger Gelegenheiten, online zu kommentieren und zu bewerten, spielen die kleinen, mal niedlichen, ein anderes Mal hässlichen digitalen Piktogramme eine zunehmende Rolle.

 

Da wird gelacht und geweint, gestaunt und geblinzelt, gestrahlt und gemeckert, geküsst und gewunken, geschwitzt, gefürchtet und getrauert. 


Kann man damit die Rechte anderer verletzen? 

Was man allgemein mit einem klaren Ja, einem gehobenen Daumen, beantworten kann, lässt sich im jeweiligen Einzelfall keineswegs immer so einfach und so eindeutig beurteilen. Wie im analogen Leben kommt es auch in der digitalen Welt häufig auf den Kontext und den Gesamtzusammenhang bzw. die Begleitumstände an. 

Dazu gehören u. a. der vorausgegangene Kommunikationsverlauf, die typischen Kommunikationsweisen auf der jeweils benutzten Plattform und der sog. „Empfängerhorizont“ des  Adressaten und des erreichbaren Publikums respektive der Follower.

Da werden Richterinnen und Richter bei der Klärung etwaiger Rechtsverletzungen keinen leichten Job haben, müssen sie sich doch in die Wahrnehmung eines „unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikums“ hineinversetzen. 

Die Juristen haben dann zu klären, ob Persönlichkeitsrechte verletzt wurden und ob sich daraus im konkreten Fall Unterlassungs-, Löschungs- und Entschädigungsansprüche ergeben. 

Dabei kommt es insbesondere auf den jeweiligen Sinngehalt an, der der streitgegenständlichen Emoji-Verwendung zu entnehmen ist. 


Emojis können, das soll nicht vergessen werden, so viel: 

Sie betonen, verstärken oder dramatisieren die Aussage, sie können aber auch vorausgegangene schärfere Formulierungen abmildern, Statements Dritter kommentieren, eigene Positionen klarstellen oder unterschiedliche Gefühle wie Liebe, Trauer, Angst, Wohlwollen und Hass transportieren. 

Nutzen wir die vorhandene Vielfalt an kleinen Gesichtern, Gegenständen, Symbolen und Gesten nicht als destruktive Waffenkammer, sondern als Schatzkiste wortloser – aber nicht sprachloser – Emotionen, als kleine kommunikative Hilfe bei empfundener Sprachlosigkeit und vielleicht als hoffnungsvolle Brücke zu nachfolgend wiedergefundener Sprache.

 

Donnerstag, 27. Januar 2022

Alles KLAR im Internet? Aktuelle BGH-Urteile zur Klarnamenpflicht in sozialen Medien

Der III. Zivilsenat in Karlsruhe urteilte zu Online-Pseudonymen

Der Bundesgerichtshof hatte am 27.01.2022 darüber zu entscheiden, ob die Anbieter sozialer Netzwerke deren Nutzung in anonymisierter bzw. pseudonymisierter Form zu ermöglichen haben. Mediennutzer und Medienanwälte waren gespannt. 

Die beiden Verfahren vor dem III. Zivilsenat (Az. III ZR 3/21 und Az. III ZR 4/21) richten sich gegen Facebook. Der Portalbetreiber hatte, gestützt auf seine Nutzungsbedingungen vom 30.01.2015 und vom 19.04.2018, die in den beiden prozessualen Verfahren betroffenen Nutzerkonten wegen Nichteinhaltung der vorgegebenen Klarnamenpflicht gesperrt. Nach den streitgegenständlichen Facebook-AGB ist bei der Nutzung der Plattform der wahre Name bzw. der Name zu verwenden, der auch im täglichen Leben verwendet wird. 

Hiergegen sind der im ersten Fall betroffene Nutzer und die im zweiten Fall betroffene Nutzerin gerichtlich vorgegangen. Sie stützen sich dabei auf die bis November 2021 geltende Regelung des § 13 Abs. 6 S. 1 Telemediengesetz (TMG). Dort heißt es, dass ein Diensteanbieter die Nutzung von Telemedien anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen hat, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist. 


Was geschah bisher vor Gericht?

Nach unterschiedlichen erstinstanzlichen Urteilen des Landgerichts Traunstein v. 02.05.2019 (Az. 8 O 3510/18) sowie des Landgerichts Ingolstadt v. 13.09.2019 (Az. 31 O 227/18) hatte das OLG München am 08.12.2020 (Az. 18 U 2822/19 Pre und Az. 18 U 5493/19 Pre) in beiden Fällen Facebook Recht gegeben und eine Klarnamenpflicht auf der dortigen Plattform gestattet. Zwar sei die oben erwähnte gesetzliche Regelung des TMG grundsätzlich anwendbar; es sei Facebook allerdings – auch um Nutzer von einem rechtswidrigen Verhalten im Internet abzuhalten – nicht zumutbar, die Verwendung von Pseudonymen zu ermöglichen und damit von der Klarnamenpflicht abzusehen.

 

Und was sagt nun der BGH zur Klarnamenpflicht?

Der III. Zivilsenat hat die beiden Streitfälle praktisch für Altfälle entschieden, d. h. für Nutzerinnen und Nutzer, die seit langem Pseudonyme auf der Plattform verwenden. 

In dem Fall des klagenden Nutzers (Az. III ZR 3/21) hat der Bundesgerichtshof Facebook verurteilt, es zu dulden, dass der Kläger seinen Profilnamen in ein Pseudonym ändert; die soziale Plattform hat dem Kläger unter Verwendung des gewählten Profilnamens Zugriff auf die Funktionen seines Nutzerkontos zu gewähren.

Die gegenteilige Vorgabe, der Kontoinhaber habe bei der Nutzung des sozialen Netzwerks den Namen zu verwenden, den er auch im täglichen Leben verwendet, sei rechtlich unwirksam, weil eine derartige Klarnamenpflicht den Nutzer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige. Eine derartige Regelung sei mit der bis zum 30.11.2021 geltenden Fassung des § 13 Abs. 6 S. 1 TMG, insbesondere mit dem darin zum Ausdruck kommenden Grundgedanken, dass ein Diensteanbieter die Nutzung der Telemedien anonym bzw. pseudonymisiert zu ermöglichen hat, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist, nicht vereinbar. 

Der Kläger darf folglich das Netzwerk unter einem Pseudonym nutzen. Eine Klarnamenpflicht wird höchstrichterlich in dem Zusammenhang verneint. 

Auch die Klägerin im Verfahren zum Az. III ZR 4/21 muss sich nicht auf eine Klarnamenpflicht verweisen lassen und kann von Facebook die Freischaltung ihres Nutzerkontos und den Zugriff auf dessen Funktionen beanspruchen. 

Der BGH stellt in seinen Urteilen klar, dass es auf die aktuellen gesetzlichen Vorgaben der DSGVO für seine Entscheidung nicht angekommen ist, da diese datenschutzrechtlichen Regelungen zum damaligen Zeitpunkt des Facebook-Beitritts der Kläger und damit bei Einbeziehung der strittigen AGB-Klauseln noch nicht galten. 

Zumindest für langjährige Facebook-Nutzerinnen und -nutzer besteht folglich keine Klarnamenpflicht.