Mit Beschluss vom 20.05.2011 - 6 W 30/11 - hat der 6. Zivilsenat des Kölner Oberlandesgerichts einem Tonträgerhersteller nach Beschwerdeeinlegung seitens der Kollegen Richter und Süme die Kosten eines einstweiligen Verfügungsverfahrens nach vorausgegangener, unbeantwortet gebliebener Abmahnung auferlegt - wobei die Kollegin Neubauer insoweit zu Recht vor übereilten Fehlschlüssen warnt.
Vorausgegangen war eine nicht unübliche, recht rigide anwaltliche Filesharing-Abmahnung unter Beifügung einer sogenannten "weiten" strafbewehrten Unterlassungserklärung, die sämtliche geschützten Werke des abmahnenden Tonträgerherstellers umfassen sollte - und nicht nur das im vorliegenden Fall konkret betroffene Hörbuch. Der Abmahnungsadressat wurde vor möglichen rechtlichen und kostenmäßigen Nachteilen bei etwaigen Veränderungen oder Einschränkungen des Erklärungsentwurfs gewarnt. Der Abgemahnte gab daraufhin zunächst keinerlei Erklärung ab.
Kurz darauf erwirkte der Audio-Produzent eine auf das konkrete Hörbuch beschränkte einstweilige Verfügung sowie einen darauf fußenden Kostenfestsetzungsbeschluss gegen den angeblichen Filesharer. Im anschließenden Widerspruchsverfahren erklärten beide Parteien das Verfahren hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs für erledigt und stritten über die Verfahrenskosten.
Durch das Landgericht Köln wurden die Kosten des Verfahrens zunächst dem Abgemahnten auferlegt. Diese Kostenentscheidung hob das Oberlandesgericht nach Beschwerde nun auf:
- Die Abmahnung solle dem Schuldner einen Weg weisen, den Gläubiger ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen.
- Besondere Anforderungen werden dabei an einen gewerblich tätigen und rechtlich beratenen Gläubiger gestellt, der eine nicht geschäftlich tätige Privatperson bzw. einen Verbraucher abmahnt.
- Der Abmahner dürfe dem Abmahnungsempfänger keine "Hinweise" erteilen, die diesen von einer Anerkennung der geltend gemachten Ansprüche abhalten können (gemeint sind hier die Warnungen vor der Abgabe einer modifizierten strafbewehrten Unterlassungserklärung).
- Andernfalls könne aus einer nach der Abmahnung unterbliebenen Reaktion des Abgemahnten objektiv nicht auf die Erforderlichkeit einer gerichtlichen Auseinandersetzung geschlossen werden.
Der OLG-Senat erwähnt in dem Zusammenhang auch den "früher kaum vorstellbaren Umfang", in dem in den letzten Jahren "Privatpersonen wegen Urheberrechtsverletzungen in Anspruch genommen werden". Im Rahmen der Kosten-Vorschrift des § 93 ZPO sei das Verhalten einer geschäftlich unerfahrenen und rechtlich nicht beratenen Person anders auszulegen ... als die Reaktion einer Person, die gewerblich tätig ist".
Es ist eine m. E. zu begrüßende Tendenz in der Rechtsprechung erkennbar dahingehend, den Besonderheiten des Geschäftsmodells besonders einschüchternder "Filesharing-Abmahnungen" und der diesbezüglichen Schutzbedürftigkeit insbesondere rechtlicher Laien zunehmend gerechter zu werden.