Nach dem Abmahnungsschock: Fehler vermeiden |
Einige der in dem
Zusammenhang wesentlichen, derzeit immer noch kursierenden Irrtümer und
Fehleinschätzungen werden im Folgenden kurz zusammengefasst:
1.
Die modifizierte strafbewehrte Unterlassungserklärung als untaugliches "Allheilmittel"?
Am weitesten verbreitet ist immer noch die
Unart, im Falle des Erhalts von Filesharing-Abmahnungen stets die Abgabe einer
sog. modifizierten Unterlassungserklärung zu empfehlen.
Die gegenüber dem in der Abmahnungspost enthaltenen Erklärungsentwurf
vorgeschlagenen Abänderungen oder Ergänzungen mögen für den Fall, dass der
Abmahnungsadressat tatsächlich selbst einschlägige Urheberrechtsverletzungen
begangen hat, durchaus sinnvoll sein.
Hat der Internetanschlussinhaber allerdings selbst keine
Urheberrechtsverletzung begangen, ist ihm auch von der Abgabe einer
modifizierten Unterlassungserklärung abzuraten. Immerhin gelten die in einer
strafbewehrten Unterlassungserklärung eingegangenen Verpflichtungen und
Vertragsstrafen-Risiken nicht nur drei Jahre, auch nicht lediglich 30 Jahre,
wie manchmal zu lesen ist, sondern ein Leben lang.
In der prozessualen Praxis ist im Übrigen feststellbar, dass auch die
Abgabe einer modifizierten strafbewehrten Unterlassungserklärung von vielen
Richterinnen und Richtern dennoch – wenn auch vielleicht nicht ausdrücklich –
als Quasi-Schuldeingeständnis bewertet wird. Warum soll der oder die Beklagte
denn ansonsten überhaupt ohne Not und ohne eigene Rechtsverletzung eine
strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben haben?
2.
Ermessensbegrenzung
Soweit denn im Einzelfall überhaupt die
Abgabe einer modifizierten strafbewehrten Unterlassungserklärung angebracht
erscheint, wird im Zusammenhang mit den darin enthaltenen
Vertragsstrafen-Festlegungen dann nicht selten vergessen, ein eventuell dem
Unterlassungsgläubiger überlassenes Ermessen hinsichtlich fairer Ermessensgrundlagen
und hinsichtlich einer vertretbaren und verhältnismäßigen Vertragsstrafen-Obergrenze angemessen zu konkretisieren.
3.
Auflösende
Bedingungen
Ferner wird oft versäumt, die abgegebene
strafbewehrte Unterlassungserklärungen mit rechtlich zulässigen auflösenden
Bedingungen zu versehen (insbesondere hinsichtlich einer zukünftig evtl. veränderten
Gesetzeslage, veränderter höchstrichterlicher Rechtsprechung oder sich später verändernder
sachverhaltlicher Feststellungen).
4.
Phantom
„Störerhaftung“
Eines der größten aktuellen Irrtümer im
Zusammenhang mit dem Vorwurf illegaler Tauschbörsen-Teilnahme besteht in dem
Irrglauben, ein Internetanschlussinhaber würde zwangsläufig für die über seinen
Internetanschluss begangenen etwaigen Rechtsverstöße seiner Familienangehörigen
oder sonstiger Dritter im Rahmen der sog. „Störerhaftung“ haften.
Dabei wird übersehen, dass nach einer bereits seit dem 13.10.2017
geltenden Neufassung des Telemediengesetzes (TMG) ein Anschlussinhaber nicht
mehr für Rechtsverletzungen haftet, die über seinen ggf. nicht oder nicht
ausreichend verschlüsselten bzw. abgesicherten WLAN-Router ohne seine Kenntnis
durch Dritte begangen werden. Der in Abmahnungen teilweise immer noch
enthaltene Vorwurf einer ggf. unzureichenden Verschlüsselung bzw. eines ggf.
nicht genügend sicheren Router-Passwortes geht also mittlerweile fehl.
5.
Tatsächliche
Vermutungen
Überinterpretiert wird oft die den
Anschlussinhaber vermeintlich treffende sog. „tatsächliche Vermutung“ seiner
Täterschaft. Häufig wird so getan, als ob der Anschlussinhaber verpflichtet sei,
eine gegen ihn gerichtete „tatsächliche Vermutung“ etwa zu erschüttern oder sogar
seine Unschuld zu beweisen. Die Beweislast trifft demgegenüber allein den Abmahnenden.
6.
Sekundäre
Darlegungspflichten
Es ranken sich auch immer noch zahlreiche
Unsicherheiten und Irrtümer um die sog. „sekundären Darlegungspflichten“ im
Rahmen der rechtlichen Verteidigung des Internetanschlussinhabers: Dieser muss
nicht außergerichtlich, sondern erst in einem etwaigen gerichtlichen Verfahren nachvollziehbar
vortragen, welche Personen mit Rücksicht auf ihr Nutzerverhalten, ihre
Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die
fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu
begehen. Insoweit ist der Anschlussinhaber auch im Rahmen des Zumutbaren zu
Befragungen und Nachforschungen verpflichtet und hat mitzuteilen, welche
relevanten Kenntnisse er dabei ggf. erhalten hat.
Nach der aktuellen Rechtsprechung dürfen – was
häufig übersehen wird – unter angemessener Berücksichtigung des etwaigen
Zeitablaufs von mehreren Wochen, mehreren Monaten und manchmal sogar mehreren
Jahren die Anforderungen an das Erinnerungsvermögen und die Darlegungen des
Internetanschlussinhabers nicht überspannt werden. Die prozessualen Anforderungen sind unter Berücksichtigung
der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit sachgerecht und fair zu begrenzen.
Eine zu dieser Thematik bereits im September des vergangenen Jahres ergangene
Entscheidung des Landgerichts Bielefeld hat dies in überzeugender Weise bestätigt.
Soweit dennoch oft überhöhte Anforderungen an die detaillierte Darlegung
zurückliegender technischer, häuslicher und familiärer Abläufe,
Verhaltensweisen und Geschehnisse gestellt werden, dient dies demgegenüber primär der zusätzlichen
Verunsicherung vieler Abmahnungsadressaten. Dem ist dann unter Verweis auf einschlägige gerichtliche Urteile entschieden entgegenzutreten.
7.
Übereilte
Kontaktaufnahmen
Und schließlich kommt es immer wieder vor,
dass Abmahnungsempfänger sofort übereilt fernmündlich oder schriftlich Kontakt
mit der abmahnenden Anwaltskanzlei aufnehmen, sich dabei um Kopf und Kragen
reden und erst danach Beratung und etwaige Unterstützung durch einen
Rechtsanwalt ihres eigenen Vertrauens suchen. Das ist die falsche Reihenfolge.