Strom-Haftung für Netzbetreiber
Mit Update vom 25.02.2014
Am
Dienstag, den 25.02.2014, verhandelt der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (Az.
VI ZR 144/13) über Überspannung im Stromnetz und dadurch verursachte Schäden an
diversen Geräten im Haushalt des elektrisierten Hauseigentümers.
Der klagende Stromkunde hat seinen Anwalt eingeschaltet und nimmt die
Beklagte, die Betreiberin des örtlichen Stromnetzes, wegen der beschädigten
Elektrogeräte auf Schadensersatz in Anspruch.
Das Haus des Klägers ist an das Niederspannungsnetz der
Beklagten angeschlossen. Im Mai 2009 gab es eine Störung der Stromversorgung im
Bereich des Klägers und der umliegenden Nachbarschaft. Erst trat ein
Stromausfall und danach eine Überspannung im häuslichen Netz des Klägers auf, wodurch
mehrere seiner Elektrogeräte schwer beschädigt wurden.
Das Amtsgericht Wuppertal (Az. 39 C 291/10) wies die eingeleitete
Schadenersatzklage mit Urteil vom 21.02.2012 in vollem Umfang ab, was beim
Beklagten einen Strom der Entrüstung auslöste.
Wechselstrom per Berufung
Demgegenüber hat das Landgericht Wuppertal (Az. 16 S 15/12) mit
erhellendem Berufungsurteil vom 05.03.2013 den Argumentationsstrom gewechselt
und der Klage überwiegend grünes Licht gegeben. Zwar fehle es an einem
Verschulden der überspannten Netzbetreiberin, so dass deren
verschuldensabhängige deliktische oder vertragliche Haftung ausgeschaltet sei. Es
sei aber eine elektrische verschuldensunabhängige Haftung nach § 1 Abs. 1 des
Produkthaftungsgesetzes zu beleuchten und im Ergebnis zu bejahen. Im
vorliegenden Fall sei das „Produkt“ Elektrizität fehlerhaft gewesen. Die
beklagte Netzbetreiberin sei auch als „Herstellerin“ des Produkts anzusehen und
deshalb mit aller Stromstärke zu verurteilen.
Stromleitung nach Karlsruhe
Das war ein Stromschlag für die Netzbetreiberin. Das
Landgericht hat allerdings die Revision zugelassen, mit der die Beklagte nun den
Stromkreis wieder schließen und die erstinstanzlich erwirkte Klageabweisung wiederbeleben
will. Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu einer etwaigen Haftung der
Netzbetreiberin als „Strom-Herstellerin“ nach dem Produkthaftungsgesetz wird
mit Hochspannung entgegengefiebert. Die Leitungen nach Karlsruhe stehen unter
Strom.
Update vom 25.02.2014: Netzbetreiber befürchten Klage-Welle
Das mit Spannung erwartete Urteil des BGH wurde am Schluss der heutigen Verhandlung verkündet. Danach gilt gemäß aktueller Pressemitteilung aus Karlsruhe:
Die Netzbetreiberin "haftet aufgrund der verschuldensunabhängigen (Gefährdungs-) Haftung nach § 1 Abs. 1 ProdHaftG. Gemäß § 2 ProdHaftG ist neben beweglichen Sachen auch Elektrizität ein Produkt im Sinne dieses Gesetzes. Die Elektrizität wies aufgrund der Überspannung einen Fehler gemäß § 3 Abs. 1 ProdHaftG auf, der die Schäden an den Elektrogeräten und der Heizung, also an üblichen Verbrauchsgeräten des Klägers, verursacht hat. Mit solchen übermäßigen Spannungsschwankungen muss der Abnehmer nicht rechnen. Die beklagte Netzbetreiberin ist gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 ProdHaftG auch als Herstellerin des fehlerhaften Produkts Elektrizität anzusehen. Dies ergibt sich daraus, dass sie Transformationen auf eine andere Spannungsebene, nämlich die sogenannte Niederspannung für die Netzanschlüsse von Letztverbrauchern, vornimmt. In diesem Fall wird die Eigenschaft des Produkts Elektrizität durch den Betreiber des Stromnetzes in entscheidender Weise verändert, weil es nur nach der Transformation für den Letztverbraucher mit den üblichen Verbrauchsgeräten nutzbar ist. Ein Fehler des Produkts lag auch zu dem Zeitpunkt vor, als es in den Verkehr gebracht wurde (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 ProdHaftG), weil ein Inverkehrbringen des Produkts Elektrizität erst mit der Lieferung des Netzbetreibers über den Netzanschluss an den Anschlussnutzer erfolgt." (Fettdruck durch den Blogger)Die erfolgreich verklagten Stadtwerke Wuppertal rechnen nun mit einer Welle von Schadensersatzklagen für alle Netzbetreiber. Also weiterhin Hochspannung im Netz.