Sonntag, 19. April 2015

Filesharing-Klagen auch bei Single-Haushalten in Beweis-Not


 
Neues Urteil des AG Bielefeld zu untauglichen Auskünften und Zeugen

Über die zunehmende Beweis-Not der Abmahn-Lobby und wachsende Abwehr-Chancen auch für Single-Haushalte hat der Kollege Gerth gepostet. Mit Urteil des AG Bielefeld vom 24.03.2015 (Az. 42 C 458/15) ging die Filesharing-Klage leer aus, weil der von der Rechteinhaberin benannte Zeuge, der Geschäftsführer und Entwickler der Ermittlungsfirma, nichts Genaues nicht wusste und IP-Adressen Auskunft-Ausdrucke der Internet Service Provider nicht wirklich einen ausreichenden Beweiswert haben.
In dem Urteil heißt es u.a.:
„Zum einen hat die Klägerin die Richtigkeit der Ermittlung der betreffenden IP-Adresse nicht bewiesen. Der hierzu vernommene Zeuge Perino hat bekundet, dass im vorliegenden Fall nicht er, sondern einer seiner Mitarbeiter die Ermittlung im Zusammenspiel mit der Ermittlungssoftware durchgeführt hat und hierbei insbesondere das Originalwerk mit dem in einer Referenzdatei enthaltenen Film eigenständig verglichen habe bzw. darüber hinaus auch den Hashwertvergleich durchgeführt habe. …
… Unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Zeuge nur die allgemeine Vorgehensweise bei den Ermittlungen sowie den Inhalt eines firmen internen Protokolls darlegen konnte, darüber hinaus aber nicht aus eigener Anschauung bestätigen konnte, dass im vorliegenden Fall die konkrete Referenzdatei tatsächlich den streitgegenständlichen Film enthalten hat bzw. die Hashwerte übereingestimmt haben, kann das Gericht nicht mit der notwendigen Gewissheit davon ausgehen, dass die Rechtsverletzung tatsächlich unter Nutzung eines Anschlusses mit der IP-Adresse XX.XXX.XXX.XX erfolgt ist.
Zur Überzeugung des Gerichts steht des Weiteren nicht fest, dass die IP-Adresse XX.XXX.XXX.XX zum fraglichen Zeitpunkt dem Anschluss Beklagten zugewiesen war. Insofern wurde klägerseits als Beweis nur der Ausdruck einer in Form einer Datei übermittelten Auskunft des zuständigen Internet Service Providers vorgelegt, welche den klägerischen Vortrag stützt. Allein aufgrund dieser Auskunft ist der Beweis der Richtigkeit dieser Zuordnung aber noch nicht erbracht, da im Zivilprozessrecht der allgemeine Grundsatz gilt, dass eine in irgendeiner Weise festgehaltene nichtöffentliche Gedankenerklärung nicht ihre eigene inhaltliche Richtigkeit beweist. ...
Da … das Gericht auch nicht ernsthaft ausschließen kann, dass der Internetservice Provider infolge eines technisch oder menschlich bedingten Fehlers bei der Erfassung und/oder Archivierung der Verbindungsdaten bzw. aufgrund eines Versehens eines Mitarbeiters bei der Auskunftserteilung eine inhaltlich unrichtige Auskunft erteilt hat, kann das Gericht nicht davon ausgehen, dass die fragliche IP-Adresse zum fraglichen Zeitpunkt dem Anschluss der Beklagten zugewiesen war.“

Die Luft wird zunehmend dünner für kecke und generalverdächtigende Filesharing-Abmahnungen gegenüber zahlreichen Internetanschlussinhabern, auch wenn diese den Anschluss als Single alleine nutzen. Das Urheberrecht bleibt also auch in diesen Fällen wohl doch kein Geschäftsmodell für das quasi automatisierte Einsammeln pauschaler Abmahn-Gelder.