Neues hilfreiches Urteil: Landgericht Bielefeld zu Grenzen im Markenrecht
Mit bisher unveröffentlichtem Urteil vom 06.03.2015
(Az. 17 O 12/15) hat das Landgericht Bielefeld einem Apotheker Recht gegeben,
der sich nach vorausgegangener Abmahnung gegen angebliche markenrechtliche
Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche sowie Abmahnungskosten
in Höhe von über 2.500,00 Euro wehren musste. Die Klage der vermeintlichen Rechteinhaberin
wurde zurückgewiesen. Abmahnung und Klage enthalten einen häufig übersehenen Fehler:
Die von mir anwaltlich vertretene Apotheke führt in
ihrem Namen eine aus Sicht der Klägerin ähnliche und angeblich
verwechslungsfähige Bezeichnung: Die Abweichung besteht darin, dass der letzte
Buchstabe des Klage-Kennzeichens fehlte und die von der beklagten Apotheke
gewählte Begrifflichkeit eine sog. Zentralversalie (das ist ein Großbuchstabe innerhalb
eines Wortes) aufwies.
In dem landgerichtlichen Verfahren wurde heftig gestritten - u. a. über markenrechtliche
Freihaltebedürfnisse und Monopolisierungsverbote, über die Aktivlegitimation, über das Recht beschreibender Kennzeichnungen
sowie über Kennzeichnungen mit örtlichem oder geografischem Bezug und über
einige andere juristische Gesichtspunkte.
Streitentscheidend war - auch aus Sicht des Gerichts -
allerdings ein in markenrechtlichen Auseinandersetzungen häufig übersehener Aspekt:
Nämlich die Frage, ob der beklagte Apotheker die angegriffene Kennzeichnung
lediglich im Namen der Apotheke und damit als Kennzeichnung seines Unternehmens
benutzt, oder ob er die Kennzeichnung tatsächlich markenmäßig für seine Waren
oder Dienstleistungen verwendet. Eine Markenverletzung setzt nämlich im
Regelfall voraus, dass das gerügte Kennzeichen tatsächlich auch als Marke
und nicht lediglich als Name, Firmierung oder Unternehmenskennzeichen verwendet wird. Dies ignorieren aber zahlreiche
Abmahnungen bzw. Abmahner. So auch hier.
Das Landgericht Bielefeld hat dazu u. a. ausgeführt:
"Letztlich kann die
Verwechslungsgefahr dahinstehen, weil die Klägerin nicht dargelegt hat, dass
die Beklagte die Bezeichnung M…-Apotheke nicht nur als Bezeichnung ihres
Unternehmens benutzt, sondern darüber hinaus markenmäßig für die
Dienstleistungen eines Apothekers. Dies ist aber Voraussetzung eines
markenrechtlichen Anspruchs nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, da dieser nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und des Europäischen Gerichtshofes (GRUR
2007, 971) eine Benutzung des Zeichens für Waren und Dienstleistungen und nicht
lediglich zur Kennzeichnung des Unternehmens voraussetzt.
Als Dienstleistung kann
insoweit nicht schon das Haben des Unternehmens ausreichen, weil es sonst
keinen Unterschied zwischen einem Unternehmenskennzeichen und einer
Produktkennzeichnung gäbe; erforderlich ist zumindest eine Benutzung des
Zeichens in der Weise, dass zwischen dem Unternehmenskennzeichen und den
vertriebenen Produkten oder Dienstleistungen eine Verbindung hergestellt wird
(EUGH aaO).
Eine derartige Verbindung
zwischen Unternehmen und Dienstleistungen der Beklagten legt die Klägerin nicht
dar. Es ergibt sich aus ihrem Vortrag nicht, dass die Beklagte ihre
Dienstleistung, etwa die Beratung der Kunden oder die Herstellung besonderer
Mixturen, unter der Bezeichnung M… erbrächte. Soweit die Beklagte vorgefertigte
Produkte der Pharmaindustrie vertreibt, geschieht das ohnehin unter Bezugnahme
auf die Produktnamen oder allenfalls auf die Namen der Hersteller, nicht aber
auf den Namen der eigenen Apotheke. Lediglich bei eigenen Anfertigungen,
Beratungen und anderen individuellen Leistungen kommt ein das Produkt aber die
Dienstleistung kennzeichnender Hinweis auf die Herkunft aus dem Betrieb der
Beklagten überhaupt in Betracht. Eine derartige Benutzung der Bezeichnung „M…-Apotheke“
legt aber die Klägerin nicht dar.
Derartiges ergibt sich auch
nicht aus dem Internetauftritt der Beklagten. Eine Produkte und
Dienstleistungen kennzeichnende Benutzung des Apothekennamens ist auch nicht
etwa selbstverständlich. Namen von Apotheken dienen regelmäßig nur deren Individualisierung,
sei es, dass etwa an einen Tiernamen angeknüpft wird (Adler-, Bären-,
Löwenapotheke) oder an Örtlichkeiten (Dom-, Bahnhofs-, Marktapotheke). Bei den
Dienstleistungen gerade eines Apothekers wird demgegenüber regelmäßig das
besondere Vertrauen des Apothekers selbst in Anspruch genommen und nicht der
Name des Geschäftslokals. Das gilt auch für die Apotheke der Beklagten.
Dasselbe Ergebnis folgt im
Übrigen aus der Vorschrift des § 23 Nr. 1 MarkenG, wonach der Inhaber einer
Marke einem Dritten nicht untersagen kann, im geschäftlichen Verkehr seinen
Namen zu benutzen; als Name kommt insoweit nach neuerer Rechtsprechung nicht
nur der bürgerliche Name, sondern auch der Handelsname oder Name eines Betriebs
in Betracht, und zwar ohne Rücksicht auf die Priorität der Benutzung (…). Die
Einschränkung, dass dies nicht in sittenwidriger Weise geschehen darf, spielt
hier keine Rolle, weil die Benutzung eines an der Örtlichkeit (dem M…-Zentrum)
orientierten Namens nicht gegen die guten Sitten verstößt und der Klägerin,
deren Apotheken im wesentlichen im Raum … beheimatet sind, auch ersichtlich
keinen Schaden zufügt.“
Die Klage wurde so m. E. zu Recht abgewiesen. Das - noch
nicht rechtskräftige – Urteil aus Bielefeld fußt auf überraschend häufig
übersehenen oder ignorierten Entscheidungen des EuGH vom 16.11.2004 (Az. C-245/02;„Anheuser Busch“) und vom 11.09.2007 (Az. C-17/06; „Céline“) sowie des BGH vom
13.09.2007 (Az. I ZR 33/05; „THE HOME DEPOT“) und ist ein ermutigendes Signal gegen
die aktuell wieder ausufernden Tendenzen „überambitionierter“ markenrechtlicher
Abmahnungen. Im Namen der Marke können eben doch nicht so einfach unzählige kleine
Unternehmer, Dienstleister, (Online)-Händler, Gaststätten-, Praxis-, Institut-,
Agentur- und Salon-Inhaber oder Handwerker um ihre gutwillig geführten Namen gebracht
werden.