Der III. Zivilsenat in Karlsruhe urteilte zu Online-Pseudonymen |
Der Bundesgerichtshof hatte am 27.01.2022 darüber zu entscheiden, ob die Anbieter sozialer Netzwerke deren Nutzung in anonymisierter bzw. pseudonymisierter Form zu ermöglichen haben. Mediennutzer und Medienanwälte waren gespannt.
Die beiden Verfahren vor dem III. Zivilsenat (Az. III ZR 3/21 und Az. III ZR 4/21) richten sich gegen Facebook. Der Portalbetreiber hatte, gestützt auf seine Nutzungsbedingungen vom 30.01.2015 und vom 19.04.2018, die in den beiden prozessualen Verfahren betroffenen Nutzerkonten wegen Nichteinhaltung der vorgegebenen Klarnamenpflicht gesperrt. Nach den streitgegenständlichen Facebook-AGB ist bei der Nutzung der Plattform der wahre Name bzw. der Name zu verwenden, der auch im täglichen Leben verwendet wird.
Hiergegen sind der im ersten Fall betroffene Nutzer und die im zweiten Fall betroffene Nutzerin gerichtlich vorgegangen. Sie stützen sich dabei auf die bis November 2021 geltende Regelung des § 13 Abs. 6 S. 1 Telemediengesetz (TMG). Dort heißt es, dass ein Diensteanbieter die Nutzung von Telemedien anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen hat, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist.
Was geschah bisher vor Gericht?
Nach
unterschiedlichen erstinstanzlichen Urteilen des Landgerichts Traunstein v.
02.05.2019 (Az. 8 O 3510/18) sowie des Landgerichts Ingolstadt v. 13.09.2019
(Az. 31 O 227/18) hatte das OLG München am 08.12.2020 (Az. 18 U 2822/19 Pre und Az. 18 U 5493/19 Pre) in beiden Fällen Facebook Recht gegeben
und eine Klarnamenpflicht auf der dortigen Plattform gestattet. Zwar sei die oben
erwähnte gesetzliche Regelung des TMG grundsätzlich anwendbar; es sei Facebook
allerdings – auch um Nutzer von einem rechtswidrigen Verhalten im Internet
abzuhalten – nicht zumutbar, die Verwendung von Pseudonymen zu ermöglichen und
damit von der Klarnamenpflicht abzusehen.
Und was sagt nun der BGH zur Klarnamenpflicht?
Der III. Zivilsenat hat die beiden Streitfälle praktisch für Altfälle entschieden, d. h. für Nutzerinnen und Nutzer, die seit langem Pseudonyme auf der Plattform verwenden.
In dem Fall des
klagenden Nutzers (Az. III ZR 3/21) hat der Bundesgerichtshof Facebook
verurteilt, es zu dulden, dass der Kläger seinen Profilnamen in ein Pseudonym
ändert; die soziale Plattform hat dem Kläger unter Verwendung des gewählten
Profilnamens Zugriff auf die Funktionen seines Nutzerkontos zu gewähren.
Die gegenteilige Vorgabe, der Kontoinhaber habe bei der Nutzung des sozialen Netzwerks den Namen zu verwenden, den er auch im täglichen Leben verwendet, sei rechtlich unwirksam, weil eine derartige Klarnamenpflicht den Nutzer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige. Eine derartige Regelung sei mit der bis zum 30.11.2021 geltenden Fassung des § 13 Abs. 6 S. 1 TMG, insbesondere mit dem darin zum Ausdruck kommenden Grundgedanken, dass ein Diensteanbieter die Nutzung der Telemedien anonym bzw. pseudonymisiert zu ermöglichen hat, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist, nicht vereinbar.
Der Kläger darf folglich das Netzwerk unter einem Pseudonym nutzen. Eine Klarnamenpflicht wird höchstrichterlich in dem Zusammenhang verneint.
Auch die Klägerin im Verfahren zum Az. III ZR 4/21 muss sich nicht auf eine Klarnamenpflicht verweisen lassen und kann von Facebook die Freischaltung ihres Nutzerkontos und den Zugriff auf dessen Funktionen beanspruchen.
Der BGH stellt in seinen Urteilen klar, dass es auf die aktuellen gesetzlichen Vorgaben der DSGVO für seine Entscheidung nicht angekommen ist, da diese datenschutzrechtlichen Regelungen zum damaligen Zeitpunkt des Facebook-Beitritts der Kläger und damit bei Einbeziehung der strittigen AGB-Klauseln noch nicht galten.
Zumindest für
langjährige Facebook-Nutzerinnen und -nutzer besteht folglich keine Klarnamenpflicht.