Landgericht Bielefeld setzt Grenzen der Zumutbarkeit bei Filesharing-Abmahnung |
Erstmalig hat sich das Landgericht Bielefeld in einem diesseits
erwirkten aktuellen Berufungsurteil konkret und hilfreich mit den
Zumutbarkeitsgrenzen bei der Verteidigung gegen Filesharing-Abmahnungen und –Klagen
befasst.
Die in anwaltlichen Abmahnungsschreiben und Klageschriftsätzen
häufig überstrapazierte sogenannte „sekundäre Darlegungslast“ des
Internet-Anschlussinhabers hat ihre Grenzen.
Wieviel konkrete Erinnerung kann nach welchem Zeitablauf vom
Anschlussinhaber verlangt werden?
Im Urteil vom 11.09.2018 (Az. 20 S 18/17) heißt es dazu u.
a.:
„Zu konstatieren ist, dass nicht minutengenau zur konkreten
Nutzung zum Zeitpunkt der behaupteten Rechtsverletzung vorzutragen ist. Zum
einen bedingt die Funktionsweise der Tauschbörsen, dass keine Anwesenheit des
Nutzers vor dem Rechner erforderlich ist. Zum anderen ist dem Inhaber eines
privaten Internetanschlusses nicht abzuverlangen, die Internetnutzung naher
Angehöriger einer Dokumentation zu unterwerfen, BGH, Urteil vom 27.02.2017, I ZR
68/16 „Ego-Shooter“- juris Rn. 18 für die Ehefrau des Anschlussinhabers. Dass
schon Ende Januar 2013 keine konkreten Erinnerungen bezüglich der
minutengenauen Nutzung des Internets am 03.01.2013 mehr vorhanden gewesen sein
dürften, liegt auf der Hand.
…Erst recht können bei der Parteivernehmung der Beklagten am 08.03.2017 keine entsprechenden Angaben erwartet werden. Die Klägerin kann daher aus insofern unterbliebenen Angaben nichts für sich herleiten.
Hier überspannt die Klägerin die Anforderungen an die
sekundäre Darlegungslast. Derartige Angaben sind unzumutbar.“
Wieviel Nachforschungen und Nachfragen bei
Familienangehörigen können vom Anschlussinhaber verlangt werden?
Dazu das Landgericht:
„Des Weiteren kann die Klägerin der Beklagten auch nicht
unzureichende Nachfragen bei den Kindern vorhalten. Entscheidend ist, dass die
Beklagte unter hinreichender Darstellung des in Rede stehenden Sachverhaltes
bei beiden Kindern nachgefragt hat, diese sich zur Rechtsverletzung aber nicht
erklärt hätten. Sie konnten oder wollten nichts weiter dazu sagen. Auch später
hätten die Kinder nur mit Schulterzucken und ohne weitere Gesprächsbereitschaft
reagiert, vgl. dazu Bl. 129 d.A., S. 2 des Schriftsatzes vom 30.01.2017.
…
Der Klägerin kann nicht dahin gefolgt werden, die Beklagte
habe sich einer Wahrheitsfindung bewusst verschlossen. Vielmehr ist es so, dass
die Beklagte eben bei den Nachforschungen an ihre Grenzen gekommen ist und es
letztlich dabei bleibt, dass keine über die prozessuale Wahrheitspflicht und
Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO) hinausgehende Verpflichtung des
Anschlussinhabers besteht, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg
benötigten Informationen zu beschaffen, vgl. zuletzt BGH, Urteil vom
27.02.2017, I ZR 68/16 „Ego-Shooter“ – juris Rn. 13.“
Und wieviel konkrete Erinnerung an die vom Anschlussinhaber
ggf. vorgenommen Nachforschungen und Befragungen können von diesem verlangt
werden?
Das Berufungsgericht in Bielefeld führt dazu aus:
„Eine konkrete Erinnerung und entsprechende Wiedergabe
derselben ist auch unter Berücksichtigung des Zeitablaufes, den letztlich im
Wesentlichen die Klägerin durch die Beantragung des Mahnbescheides erst am
11.01.2016 verursacht hat, nicht zu erwarten.
Insofern sind nach Auffassung der Kammer die Anforderungen
an den Inhalt der Darlegungen des Anschlussinhabers in eine gerechte Relation
zu dem Interesse des Rechteinhabers an hinreichendem Schutz seiner Rechte aus Art.
14 GG zu setzen.
Da eine vorprozessuale sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers
generell nicht angenommen werden kann, hat die Klägerin als mutmaßliche
Rechteinhaberin dann gegebenenfalls geringere Anforderungen an den Umfang der
notwendigen und zumutbaren Darlegungen des in Anspruch genommenen
Anschlussinhabers hinzunehmen.“