OLG Hamm stoppt legere gerichtliche Unarten
Das OLG Hamm mit begrüßenswerter Gesetzestreue und Formenstrenge |
Die gerade auch dem verfassungsrechtlichen Schutz der
Pressefreiheit geschuldeten, vom Gesetzgeber festgelegten Anforderungen an
presserechtliche Gegendarstellungen werden an etlichen deutschen Gerichten seit
Jahren heruntergeschraubt.
Während noch Einigkeit darüber besteht, dass mit der „Waffe“
der Gegendarstellung ein persönlich Betroffener ausschließlich auf
Tatsachenbehauptungen entgegnen kann und nicht etwa auf journalistische
Meinungsäußerungen oder Werturteile, wird die Form, in der der Gegendarstellungstext
dem Zeitungsverlag bzw. dem Medienunternehmen übermittelt werden muss,
richterlich nicht selten contra legem aufgeweicht.
Pragmatisch ambitionierte Richterinnen und Richter wollen
den Betroffenen – zumal in unserer zunehmend schnelllebigeren und
technisierteren Medienwelt – die Veröffentlichung einer Gegendarstellung
möglichst erleichtern und verhelfen auch lediglich per Telefax übermittelten
Gegendarstellungstexten gerichtlich zum Abdruck bzw. zur öffentlichen
Zugänglichmachung (so die Praxis bei den Oberlandesgerichten in München,
Saarbrücken und Bremen und auch beim Landgericht Köln).
Anders sieht dies – mit zutreffender und überzeugender
Begründung – seit längerer Zeit das OLG Hamburg (Urteil vom 18.05.2010, Az. 7 U
121/09, unter Bezugnahme u. a. auch auf das Urteil des BGH vom 30.03.1997, NJW
1997, 3169 ff., 3170). Das OLG Hamburg hat den ausdrücklichen und eindeutigen
Gesetzestext des Landespressegesetzes auf seiner Seite. Die Landespressegesetze
verlangen ausdrücklich „Schriftform“ und dass eine Gegendarstellung von dem
Betroffenen oder seinem gesetzlichen Vertreter „unterzeichnet“ sein muss.
Ungeachtet der vom Gesetzgeber insofern unmissverständlich
für Gegendarstellungen normierten gesetzlichen Schriftform (zu unterscheiden von
einer lediglich vertraglich vereinbarten, sogenannten „gewillkürten“
Schriftform, für die Telefax oder E-Mail ausreichen), wurde das Hanseatische
Oberlandesgericht in Hamburg insoweit lange Zeit als vermeintlich einziger
Vertreter einer angeblich exotisch praxisfernen presserechtlichen Mindermeinung
belächelt.
Nun hat allerdings auch das OLG Hamm mit einem diesseits
erwirkten Hinweisbeschluss vom 04.09.2017 (Az. I-3 U 127/17) unter Verweis auf
die Formvorschrift des § 11 Abs. 2 LPrG NRW klargestellt, dass die gesetzliche
Formvorschrift „eng auszulegen (ist), weil der Anspruchsverpflichtete den Text
der Gegendarstellung prinzipiell ohne Änderungen zum Abdruck bringen und für
ihn daher zweifelsfrei klar sein muss, wie die Gegendarstellung exakt lautet.“
Dabei ging der Entscheidung des 3. Zivilsenats sogar eine noch
legerere Rechtsanwendung seitens des Landgerichts Bielefeld (Urteil vom
22.08.2017, Az. 2 O 238/17) voraus. Im dortigen schriftlichen Verfahren waren
nach mehreren, immer wieder modifizierten außergerichtlichen Abdruckverlangen
bereits richterlich verfügte Abdruck-Anordnungen ergangen. Nach
Widerspruchseinlegung erfolgten in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung
daraufhin seitens des Klägervertreters verschiedene Teile des
Gegendarstellungstextes betreffende Hilfsanträge. Im anschließenden Urteilstenor
heißt es dann kryptisch:
"Die einstweiligen Verfügungen vom 27.07. und 03.08.2017 werden mit der Maßgabe aufrecht erhalten, dass im letzten Absatz der zu veröffentlichenden/abzudrückenden Gegendarstellungen die Worte ,von der Antragstellerin‘, die sich zwischen den Worten ,Verkaufspreise der genannten 25.000 Produkte seien‘ und den Worten ,unzutreffend angegeben worden,‘ in den angefochtenen Beschlüssen befinden, entfallen.“
(Orthographische Fehler bzw. Freud’sche Fehlleistung wörtlich zitiert / Hervorhebung durch den Verfasser)
Einer derart
nebulösen Tenorierung widersprach das OLG Hamm. Der Berufungssenat kritisierte:
„Der genaue Wortlaut der nach dem landgerichtlichen Urteil von der Verfügungsbeklagten abzudruckenden Gegendarstellung liegt dieser nicht in der strengen und unmissverständlichen Form des § 11 Abs. 2 S. 3 LPrG vor, sondern ist von ihr erst unter Zuhilfenahme des ursprünglichen Gegendarstellungstextes in Verbindung mit dem Tenor des angegriffenen Urteils selbstständig zu ermitteln.“Derartigen Auslegungsanforderungen, die praktisch schon in eine Art presserechtlicher „Bastelstunde“ ausarten würden, hat das Berufungsgericht „aber gerade in dem formalisierten Verfahren nach § 11 LPrG“ eine klare Absage erteilt.
Damit hat das OLG Hamm
zumindest für den Bereich seines OLG-Bezirks im Gegendarstellungsrecht wieder
für etwas mehr Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit gesorgt. Das ist zu
begrüßen.