Das WLAN-Gesetz wird mit den Netzsperren noch einige Fragen aufwerfen |
Es war der letzte Sitzungstag der aktuellen
Legislaturperiode, als der Bundestag am 30.06.2017 das „TMG-Änderungsgesetz“,
das sogenannte WLAN-Gesetz, beschlossen hat. WLAN-Betreiber sollen danach nicht
mehr behördlich verpflichtet werden können, ihren Internetanschluss durch ein
Passwort zu verschlüsseln und die Nutzer zu registrieren oder gar ihren offenen
WLAN-Zugang einzustellen. Die Hoffnung, offenes WLAN anbieten zu können, ohne
Angst vor Abmahnungen haben zu müssen, wächst.
Die Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries bewertet
die Gesetzesnovelle als einen „wichtigen Baustein der Digitalen Agenda“. Fabian
Reinbold witzelt auf netzwelt.de über „die Reform der Reform der Reform“.
Die Störerhaftung ist laut taz.de nun endlich „weitgehend
vom Tisch“, nach der Stuttgarter Zeitung ist sie „passé“, die ZEIT redet von „abgeschafft“
- wie sz.de es formuliert „diesmal wirklich“.
Ingo Dachwitz von netzpolitik.org fragt sich, ob das nun ein
„Running Gag mit Happy End“ ist und bezeichnet den bisherigen Zustand unserer
digitalen Entwicklung in Deutschland als „peinlich“, zumal die bis dato
geltende sogenannte Störerhaftung ein „lukratives Geschäftsmodell“ für spezialisierte
Anwaltskanzleien bildete. Stefan Krempl bezeichnet deshalb auf heise.de das
Ende der Störerhaftung auch als „den Garaus“ für ein „Damoklesschwert“.
Die Rechteinhaber bekommen allerdings nun die Möglichkeit,
WLAN-Betreiber zur Sperrung bestimmter Seiten oder Inhalte zu verpflichten.
Diese stattdessen jetzt ermöglichten Netzsperren erzeugen
bei Ingo Dachwitz „einen faden Beigeschmack“. Er sieht darin „eine Gefahr für
die Kommunikationsfreiheit“, zumal das Sperr-Verfahren auch nach Auffassung
zahlreicher Sachverständiger „zu ungenau geregelt sei“.
Netzsperren ohne Richtervorbehalt, praktisch „auf Zuruf“, haben
denn auch für den SPD-Netzexperten Lars Klingbiel einen „Beigeschmack“, während
sein Fraktionskollege Markus Held von einem „Meilenstein“ spricht. Tobias Keber
von der Hochschule für Medien bezeichnet den vorgenommenen Interessenausgleich
immerhin als „fair“. Für Stephan Tromp vom Handelsverband Deutschland stellt
das Gesetz einen guten „Kompromiss“ dar.
Oliver Süme, Vorstand beim Verband der Internetwirtschaft
eco, riecht „Wahlkampf“-Luft mit deshalb bemühter „Symbolkraft“ und kritisiert die
privaten Netzsperren als neue „Hürden“, als „absurd und inakzeptabel“. Und Florian Drücke vom Bundesverband
Musikindustrie moniert einen aus seiner Sicht zu beklagenden „Durchsetzungs-Leerraum“.
Für den IHA-Manager Stefan Dinnendahl ist das neue Gesetz für die Hotelbranche zumindest
noch „nicht das Gelbe vom Ei.“
Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender
der Grünen, spricht vom „kleinen Einmaleins der Digitalisierung“ und rügt die
Einführung der Netzsperren laut netzpolitik.org als einen „Elfmeter ohne
Torwart, den die Große Koalition trotzdem danebenschieße“. Man lasse „den
Bäcker an der Ecke und den Freifunker im Regen stehen“. Auf spiegel.de wird er
mit der Befürchtung zitiert: „Gerade nichtkommerzielle Anbieter werden hier
wieder abgeschreckt und entweder voreilig blocken oder aber erst gar nicht ihr
WLAN öffnen.“
Dort führt Fabian Reinbold dann zutreffend aus: „Es wird wohl
darauf ankommen, wie die Regelung zu den Unterlassungsansprüchen umgesetzt wird
- von Privatpersonen, aber auch von gewerblichen Anbietern, die große
WLAN-Hotspots in Städten betreiben - und nicht zuletzt von Abmahnanwälten, die
bislang stets die Lücken jedes neuen Gesetzes für sich zu nutzen wussten.“
Ein etwaiges „Schlupfloch“ stellt der Strafrechtler Udo
Vetter in seinem law blog vor: Nach dem Gesetzeswortlaut gelte die
Privilegierung der WLAN-Betreiber lediglich bei einer Verletzung geistigen
Eigentums durch die Nutzung eines „Telemediendienstes“. „Eine dezentral
organisierte Tauschbörse, die wohl wichtigste Plattform für
Urheberrechtsverletzungen, ist aber eher kein Telemediendienst.“ Das könne „sich
doch als Schlupfloch für die Abmahnindustrie erweisen“. Die Rechteinhaber könnten „sich
auf den Standpunkt stellen, dass die alten Abmahn- und Schadensersatzregeln
unverändert weiter gelten, wenn zum Beispiel der Betrieb eines
Filesharing-Clients wie eMule nicht unterbunden wurde.“
Die Linke Petra Sitte bewertet die Websperren als „ein
völlig untaugliches Mittel“, illegale Inhalte im Netz zu verhindern. Sie sieht
ein weiteres Problem: Kein privater Anbieter könne wissen, wie er seinen Router
einstellen müsse.
Rechtsanwalt Christian Solmecke ist nach alledem gespannt, „wie sich dieses Sperr-Instrument in
der Praxis auswirken wird.“ In das gleiche Horn stößt Reto Mantz, Richter am
Landgericht Frankfurt am Main, wenn er darauf hinweist, dass „aufgrund
gesetzestechnischer Mängel Unklarheiten“ verbleiben, „die der beabsichtigten
Rechtssicherheit im Wege stehen könnten“.
Der Abmahnungs-Drops, bzw. das Eigelb ist wohl doch noch nicht vollständig gelutscht. Da können sich noch einige Schlupflöcher der Abmahnbranche im kleinen oder großen Einmaleins aus Urheberrecht, Medienrecht und Prozessrecht auftun. Prost Mahlzeit.