Hilfe aus Karlsruhe bei Filesharing-Verdacht per Abmahnung |
Der BGH hat am 06.10.2016 (Az. I ZR 154/15) den Opfern übermotivierter
Filesharing-Abmahnungen eine große Last abgenommen und ein Urteil des Landgerichts
Braunschweig vom 01.07.2015 (Az. 9 S 433/14, 9 S 433/14 (59)) bestätigt. Danach
wird die sogenannte „sekundäre Darlegungslast“ des Internet-Anschlussinhabers
erheblich begrenzt.
Die von der Münchener Rechtsanwälten Waldorf –Frommer vertretene Filmproduzentin Constantin Film verlangte von dem seitens der Kanzlei Solmecke vertretenen Beklagten
Schadensersatz für angebliches illegales Film-Filesharing sowie die Erstattung
vorgerichtlicher Abmahnungskosten.
Die Klägerin hatte ein Auskunfts- bzw. Gestattungsverfahren
gem. § 101 Abs. 9 UrhG angestrengt zur Ermittlung des Anschlussinhabers anhand
einer mit Zeitstempel protokollierten dynamischen IP-Adresse. Nach der
Abmahnung gab der verheiratete Kläger lediglich eine Unterlassungserklärung ab.
Die Klägerin berief sich auf eine „tatsächliche Vermutung“,
wonach ein Anschlussinhaber grundsätzlich als Täter für über seinen Anschluss
begangene Rechtsverletzungen verantwortlich ist.
Der Beklagte hat eine eigene Urheberrechtsverletzung
bestritten und - ohne weitergehende Nachforschungen hinsichtlich eines Täters -
vorgetragen, auf seinem Computer sei weder eine Filesharing-Software
installiert, noch der streitgegenständliche 3D-Film vorhanden. Einen derartigen
Film könne er auch mit seinem Equipment überhaupt nicht abspielen. Er sei im
fraglichen Zeitraum von Montag bis Freitag, häufig auch am Wochenende berufsbedingt
unterwegs und könne auch deshalb die Verstöße, die sich sonntags bis dienstags
ereignet haben sollen, nicht selbst begangen haben. An den entsprechenden Tagen
sei er ohne Internetzugang unterwegs gewesen. Seine Ehefrau habe zu jener Zeit
ständig - über einen eigenen PC - Zugang zum Internet gehabt. Dennoch ginge er
nicht davon aus, dass diese etwa die vermeintlichen Rechtsverletzung begangen
habe. Der benutzte Router „Speedport W504V“ sei zwar mittels WPA2 gesichert
gewesen, habe aber laut Medienberichten und Produktwarnungen eine erhebliche
Sicherheitslücke aufgewiesen.
Der Beklagte hat den PC seiner Ehefrau nicht untersucht.
Mit am 27.08.2014 verkündetem Urteil hat das Amtsgericht
Braunschweig unter Hinweis auf die Sicherheitslücke die Klage abgewiesen.
Im Berufungsverfahren hat das Landgericht die Ehefrau des
Klägers als Zeugin vernommen. Sie gab zu, den Internetanschluss genutzt zu
haben, in der streitgegenständlichen Zeit für Online-Einkäufe, Online-Spiele
und auf Facebook. Die Zeugin verneinte aber eigene Filesharing-Verstöße.
Das Landgericht stufte das Bestreiten der Ehefrau als
mögliche Schutzbehauptung ein, nach der eine Täterschaft der Ehefrau eben dennoch
möglich sei, ohne dass dies allerdings eindeutig bewiesen sei. Dies ginge zu Lasten der beweispflichtigen Klägerin.
Dieses realistische und lebensnahe Urteil hat der BGH nun im
Revisionsverfahren bestätigt.
Die abmahnende und klagende Rechteinhaberin muss die
Rechtsverletzung und eine angebliche Täterschaft beweisen.
Bei substantiiertem Sachvortrag des Anschlussinhabers zu Mitbenutzungsmöglichkeiten namentlich benannter Dritter geht
eine Filesharing-Klage deshalb bereits ins Leere, auch ohne dass der Abgemahnte den Täter selbst - quasi polizeilich - exakter ermitteln muss.
Ein Beklagter muss auch nicht etwa noch zu genaueren Anwesenheitszeiten seiner Familienangehörigen nähere Angaben machen, zumal eine körperliche Präsenz am Rechner zur Auslösung von
Filesharing-Vorgängen ohnehin nicht erforderlich ist.
Auch weitere Nachforschungen etwa auf dem Rechner der
Ehefrau oder durch deren Vernehmung muss ein Anschlussinhaber nicht anstellen.
Damit hat der BGH eine lange erwartete und erhoffte Klarstellung
getroffen, die dem Geschäftsmodell der Abmahnindustrie deutliche Grenzen
aufzeigt.